Baurecht

Erfolgloser auf ernstliche Zweifel an Richtigkeit gestützter Berufungszulassungsantrag wegen einer Baugenehmigung zur Errichtung einer Werbeanlage

Aktenzeichen  9 ZB 16.2300

Datum:
28.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 32504
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 34 Abs. 1 S. 1, § 35 Abs. 3 Nr. 5
BauNVO § 23 Abs. 1 S. 1, Abs. 3, Abs. 5
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1

 

Leitsatz

1. Welcher Bereich als nähere Umgebung im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB maßgebend ist, hängt davon ab, inwieweit sich einerseits die Ausführung des geplanten Vorhabens auf die benachbarte Bebauung und andererseits diese Bebauung auf den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägend auswirken. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung kann die Beweiswürdigung wegen der eingeschränkten Überprüfbarkeit der richterlichen Überzeugungsbildung nur dann begründen, wenn die tatsächlichen Feststellungen des Gerichts augenscheinlich nicht zutreffen oder etwa gedankliche Lücken oder Ungereimtheiten aufweisen; allein die Möglichkeit einer anderen Bewertung der Beweisaufnahme rechtfertigt die Zulassung der Berufung noch nicht. (Rn. 7 ) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 9 K 16.419 2016-10-05 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin begehrt die Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung einer Werbeanlage mit den Maßen 3,8 m mal 2,6 m auf zwei Standbeinen mit einer Höhe von 1,1 m auf dem Grundstück FlNr. … Gemarkung W …
Den Bauantrag der Klägerin vom 21. April 2015 lehnte das Landratsamt A … mit Bescheid vom 11. Februar 2016 ab. Die Verpflichtungsklage der Klägerin wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 5. Oktober 2016 ab. Hiergegen richtet sich das Rechtsmittel der Klägerin.
II.
Die Klägerin beruft sich allein auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ob solche Zweifel bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was die Klägerin innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) hat darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Hieraus ergeben sich solche Zweifel nicht.
Das Verwaltungsgericht ist in seiner Entscheidung davon ausgegangen, dass die geplante Werbeanlage unzulässig ist, weil ihr bei in Betracht kommender Außenbereichslage öffentliche Belange, insbesondere die Verunstaltung des Orts- und Landschaftsbildes (§ 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB) entgegenstünden, und sie sich bei Annahme einer Innenbereichslage nach der überbaubaren Grundstücksfläche nicht in die nähere Umgebung einfügen würde (§ 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB). Maßstabsbildend seien insoweit das Baugrundstück selbst und die benachbarten Grundstücke FlNrn. … und … Gemarkung W … Dieser Bereich sei geprägt durch einen Abstand der gewerblich genutzten Hauptgebäude von 40 bis 60 m bis zur Straße. Die Bauanlage überschreite somit eine in der näheren Umgebung existierende faktische Baugrenze entsprechend § 23 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 und Abs. 5 BauNVO.
1. Die Klägerin, die nach ihrem Zulassungsvorbringen davon ausgeht, dass eine Innenbereichslage vorliegt und dieses letztlich auch das Verwaltungsgericht zu Grunde gelegt hat, macht insoweit geltend, dass das Verwaltungsgericht als maßgebliche Umgebung fehlerhaft nur den Bereich des Vorhabengrundstücks und die beiden davon westlich gelegenen Grundstücke, mithin einen 50 bis 80 m breiten Bereich angesehen habe, in welchen die Werbeanlage nicht einmal Werbewirksamkeit entfalte. Der benachbarte Bereich in östlicher Richtung, in dem sämtliche Gebäude unmittelbar an die Verkehrsfläche anschließen würden, sei dagegen unberücksichtigt geblieben. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils weckt dieses Vorbringen nicht.
Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist ein Vorhaben innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils nur zulässig, wenn es sich (auch) hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Welcher Bereich als nähere Umgebung im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB maßgebend ist, hängt davon ab, inwieweit sich einerseits die Ausführung des geplanten Vorhabens auf die benachbarte Bebauung und andererseits diese Bebauung auf den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägend auswirken. Die Eigenart der näheren Umgebung wird durch dasjenige bestimmt, was auf dem Baugrundstück selbst und in der näheren Umgebung tatsächlich vorhanden ist (vgl. BayVGH, B.v. 19.4.2017 – 9 ZB 15.1590 – juris Rn. 5). Dabei ist die nähere Umgebung für die in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB bezeichneten Kriterien jeweils gesondert abzugrenzen. Bei der überbaubaren Grundstücksfläche kann zur Konkretisierung dieser Anforderungen auf die Vorschrift des § 23 BauNVO als Auslegungshilfe zurückgegriffen werden. Auch wenn der danach maßgebliche Bereich bei der überbaubaren Grundstücksfläche in der Regel enger zu begrenzen sein wird als etwa bei der Art der baulichen Nutzung, bleibt die Frage der Reichweite der Prägung eine Frage des Einzelfalls (vgl. BVerwG, B.v. 13.5.2014 – 4 B 38.13 – juris Rn. 8).
Die somit erforderliche Einzelfallbetrachtung hat das Verwaltungsgericht hier vorgenommen (vgl. UA S. 8 f.). Dabei ist es nach Durchführung eines gerichtlichen Augenscheins und auf der Basis der hierdurch gewonnenen Erkenntnisse zu dem Ergebnis gelangt, dass hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche außer dem Baugrundstück nur die Bebauung auf dessen Westseite auf den beiden Grundstücken FlNrn. … und … Gemarkung W … als maßstabsgebend heranzuziehen ist. Die benachbarte östlich gelegene Bebauung hat es folglich nicht der näheren Umgebung im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB zugeordnet. Auch wenn das Verwaltungsgericht die Gründe hierfür nicht weiter dargelegt hat, ist dieses Ergebnis – auch im Hinblick auf das Zulassungsvorbringen – nicht ernstlich zweifelhaft. Die Klägerin greift zwar insoweit die Tatsachen- und Beweiswürdigung des Erstgerichts (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) an. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO könnte die Beweiswürdigung wegen der eingeschränkten Überprüfbarkeit der richterlichen Überzeugungsbildung aber nur dann begründen, wenn die tatsächlichen Feststellungen des Gerichts augenscheinlich nicht zutreffen oder etwa gedankliche Lücken oder Ungereimtheiten aufweisen. Allein die Möglichkeit einer anderen Bewertung der Beweisaufnahme rechtfertigt die Zulassung der Berufung noch nicht (vgl. BayVGH, B.v. 3.3.2016 – 15 ZB 14.1542 – juris Rn. 9).
Dass ein solch gravierender Fehler der verwaltungsgerichtlichen Überzeugungsbildung hier vorliegt, zeigt die Klägerin nicht auf (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO). Denn abgesehen davon, dass die Richtung der Werbewirksamkeit des Bauvorhabens in Bezug auf die Frage der überbaubaren Grundstücksfläche keine Rolle spielt und außerdem auch das östliche Nachbargrundstück FlNr. … Gemarkung W … in seinem westlichen, zum Baugrundstück hin gelegenen Teil keine Bebauung mit Hauptgebäuden aufweist – worauf die Klägerin im Rahmen ihres Zulassungsantrags nicht eingeht – spricht schon nach dem Lageplan viel dafür, dass die Bebauung auf den Grundstücken östlich des Baugrundstücks eine abweichende, in sich aber wiederum überwiegend einheitliche, nämlich kleinteiligere Struktur mit im Wesentlichen auch anderer straßenseitiger Ausrichtung der Hauptgebäude auf den jeweiligen Grundstücken zeigt, weshalb diese bei der Betrachtung der maßstabsbildenden näheren Umgebung des Baugrundstücks hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche außen vor bleiben muss (vgl. BVerwG, B.v. 28.8.2003 – 4 B 74.03 – juris Rn. 2).
2. Soweit die Klägerin mit ihrem Zulassungsvorbringen daneben überhaupt ernstlich in Zweifel ziehen will, dass die geplante Werbeanlage – so ihr Standort dem Außenbereich zuzuordnen wäre – das Orts- und Landschaftsbild verunstalten würde, könnte auch dies nicht zum Erfolg des Zulassungsantrags führen. Selbst in Anbetracht der knappen Ausführungen des Verwaltungsgerichts sind ernstliche Zweifel an der Richtigkeit seiner Entscheidung mit dem Vorbringen, dass sich die Errichtung einer unbeleuchteten Werbetafel in einem Bereich gewerblich genutzter Grundstücke (Lagerfläche einer Holzhandlung, Ausstellungsfläche für landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge) integriere, nicht substantiiert dargetan. Abgesehen davon, dass das Landschaftsbild des Außenbereichs – auch dann, wenn es nicht mehr völlig unberührt ist – generell schützenswert ist, würde die Berücksichtigung einer Vorbelastung der Landschaft bei der Beurteilung eines Verunstaltungstatbestands erfordern, dass die Vorbelastung des Orts- und Landschaftsbilds durch bestimmte bauliche Anlagen gleich oder zumindest ähnlich derjenigen Auswirkungen zu beurteilen ist wie die vom Bauvorhaben erwarteten Auswirkungen auf das Orts- und Landschaftsbild (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand August 2019, § 35 Rn. 99). Auf solches lässt weder das Vorbringen der Klägerin noch die Aktenlage schließen.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG; sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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