Baurecht

Erfolgloser Berufungszulassungantrag wegen Nutzungsuntersagung bzgl. ferienwohnung

Aktenzeichen  15 ZB 19.976

Datum:
12.8.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 19755
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 76 S. 2
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1

 

Leitsatz

Die lange Dauer einer ungenehmigt ausgeübten Nutzung begründet keinen dem Erlass der Nutzungsuntersagung entgegenstehenden „Vertrauensschutz“ und eine gewerberechtliche Erlaubnis zur Führung eines Beherbergungsbetriebes ersetzt keine fehlende baurechtliche Genehmigung noch hat sie Einfluss auf deren Erteilung. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 6 K 17.1799 2019-03-19 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger tragen gesamtschuldnerisch die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Kläger wenden sich gegen eine ihnen gegenüber ausgesprochene Nutzungsuntersagung (Bescheid des Landratsamts vom 12.9.2017). Danach sind die Kläger verpflichtet, drei ihnen gehörende Wohneinheiten (der Kläger zu 1 ist Eigentümer und die Klägerin zu 2 besitzt Nießbrauchrecht) im baurechtlich „für die Errichtung von 45 Wohnungen“ genehmigten Wohngebäude (damaliger Bescheid des Landratsamts vom 29.3.1966 und Tekturplangenehmigung vom 21.2.1968) „nicht fremdenverkehrsgewerblich als Ferienwohnungen zu vermieten oder durch Dritte vermieten zu lassen.“ Die Verpflichtung gilt ab Bestandskraft des streitgegenständlichen Nutzungsuntersagungsbescheids bis zur Erteilung einer die Nutzungsänderung legalisierenden baurechtlichen Genehmigung (vgl. Nr. 1 des Bescheids). Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid verwiesen.
Das Verwaltungsgericht Regensburg hat die auf Aufhebung des angefochtenen Bescheids gerichtete Klage mit Urteil vom 19. März 2019 abgewiesen. Die Voraussetzungen einer Nutzungsuntersagung (Art. 76 Satz 2 BayBO) lägen vor. Die Vermietung der baurechtlich als „Wohnungen“ genehmigten Wohneinheiten („Appartements“ mit Kücheneinrichtungen und Kochgelegenheiten) als Ferienwohnungen sei „formell illegal“ und stelle eine genehmigungspflichtige, jedoch bisher nicht genehmigte Nutzungsänderung dar. Die Nutzungsänderung sei „nicht offensichtlich genehmigungsfähig“, da sie den Festsetzungen des einschlägigen Bebauungsplans widerspreche, der nach seiner Konzeption im Kurgebiet „ein weiteres Anwachsen der Parahotellerie“ verhindern wolle. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil Bezug genommen.
Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung machen die Kläger geltend, an der Richtigkeit des Urteils bestünden ernstliche Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Rechtssache weise auch besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Die drei baurechtlich genehmigten Wohnungen dürften nach dem im Rahmen der Auslegung zu ermittelnden seinerzeitigen „Regelungsgehalt der Baugenehmigung“ auch als „Ferienwohnungen“ genutzt werden. Jedenfalls sei eine solche Nutzung offensichtlich genehmigungsfähig, weil die Festsetzung des einschlägigen Bebauungsplans, dass „Beherbergungsbetriebe mit Küchen und sonstigen Kocheinrichtungen in Zuordnung zu den einzelnen Zimmern“ unzulässig seien, ohne „Rechtsgrundlage“ und deshalb unwirksam sei. Hilfsweise komme auch eine Befreiung von der genannten Festsetzung in Betracht, weil die Grundzüge der Planung hierdurch nicht berührt würden. Es handele sich bei dem streitgegenständlichen „Appartementhaus“ um „den einzigen ernstzunehmenden Betrieb der Parahotellerie“ im Kurgebiet. Im Übrigen sei der streitgegenständliche Bebauungsplan wegen eines Ausfertigungsfehlers ohnehin unwirksam. Es sei zweifelhaft, ob – wie das Verwaltungsgericht annehme – in diesem Fall der mit Inkrafttreten des streitgegenständlichen Bebauungsplans aufgehobene zeitlich frühere Bebauungsplan „wieder auflebe“. Die Nutzungsuntersagung sei schließlich auch „unverhältnismäßig“, weil sie die „berufliche Existenz“ der Kläger bedrohe und weise zudem einen „Ermessensausfall“ auf. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des Bevollmächtigten der Kläger vom 7. Juni 2019 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten in diesem Verfahren und in den Parallelverfahren (15 ZB 19.918, 15 ZB 19.921, 15 ZB 19.924 und 15 ZB 19.979) sowie auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die von den Klägern geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
1. An der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts bestehen keine ernstlichen Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Kläger werden durch die streitgegenständliche Nutzungsuntersagung nicht in ihren Rechten verletzt. Der Senat folgt den ausführlichen Gründen des angefochtenen Urteils und nimmt hierauf Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Lediglich ergänzend ist zum Vorbringen der Kläger im Zulassungsverfahren zu bemerken:
a) Der klägerische Einwand, die streitgegenständlichen Wohneinheiten dürften nach dem im Rahmen der Auslegung zu ermittelnden seinerzeitigen „Regelungsgehalt der Baugenehmigung“ auch als „Ferienwohnungen“ genutzt werden, ist nicht stichhaltig. Wie das Verwaltungsgericht ausführlich begründet, sind die damalige – dem Bauantrag beigefügte – Baubeschreibung und auch der Wortlaut des Genehmigungsbescheids eindeutig und auf den Neubau von 45 Wohnungen (zu dauerhaften Wohnzwecken) ausgerichtet. Eine beabsichtigte gewerbliche Nutzung einzelner Wohnungen ist weder Gegenstand der Baubeschreibung noch der Baugenehmigung. Die gewerbliche Nutzung einzelner Wohnungen zum Zweck der Vermietung als Ferienwohnungen widersprach ohnehin dem damals geltenden Bebauungsplan (vom 13.10.1965), der „Hotels und Pensionen mit mindestens 10 Betten sowie Läden und nicht störende Handwerksbetriebe, die zur Deckung des täglichen Bedarfs der Bevölkerung dienen“, zugelassen hat, wobei „Nachteile oder Belästigungen für den Kurbetrieb und die Kurgäste“ nicht „zu besorgen sein“ durften. Die nach dem damaligen Bebauungsplan ausnahmsweise noch zulässigen „Appartementhäuser und Wohngebäude zur Unterbringung von im Kurgebiet beschäftigten Personen“ sind mit der Änderung des Bebauungsplans vom 17. August 1967, welche diese Ausnahmebestimmung aufhob, nicht mehr zulässig gewesen. Die Behauptung der Kläger, die Aufhebung der Ausnahmebestimmung habe sich nur auf „Appartementhäuser“ bezogen, trifft nicht zu. Damit gibt es entgegen der Ansicht der Kläger auch keinen Anlass, zwischen „Appartementhäusern“, bei denen angeblich eine gewerbliche Nutzung zulässig gewesen sei und „Wohngebäuden“ (zur dauerhaften Wohnnutzung) zu differenzieren. Seit Inkrafttreten des aktuell geltenden Bebauungsplans (vom 17.3.1988) sind im Übrigen ausdrücklich auch „Beherbergungsbetriebe mit Küchen und sonstigen Kocheinrichtungen in Zuordnung zu den einzelnen Zimmern“ bauplanungsrechtlich unzulässig, um ein im Kurgebiet unerwünschtes „weiteres Anwachsen der Parahotellerie“ zu verhindern. Nach alledem gibt es für die ohnehin spekulativ gebliebene Ansicht der Kläger, die Baugenehmigung für den Neubau von 45 Wohnungen könne gleichwohl eine gewerbliche Nutzung einzelner oder aller Wohnungen zum Zweck der Vermietung als Ferienwohnungen zugelassen haben, keinen Anhaltspunkt. Dies gilt auch im Hinblick auf die klägerische Behauptung, zum Zeitpunkt der Tekturplangenehmigung sei „öffentlich bekannt“ gewesen, dass das Wohngebäude (auch) der „Unterbringung von Feriengästen“ diene. Die Tekturplangenehmigung vom 21. Februar 1968 hat – wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt – die Baugenehmigung vom 29. März 1966 nicht um einen weiteren Nutzungszweck des genehmigten Wohngebäudes erweitert, sondern diente lediglich der Legalisierung einzelner bei einer Baukontrolle entdeckter baulicher Abweichungen. Zu Recht weist das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung ferner darauf hin, dass § 13a BauNVO bestätigt, dass die Nutzung von Räumen oder Gebäuden, die einem ständig wechselnden Kreis von Gästen gegen Entgelt vorübergehend zur Unterkunft zur Verfügung gestellt werden und die zur Begründung einer eigenen Häuslichkeit geeignet und bestimmt sind (Ferienwohnungen), seit jeher nicht als Wohnnutzung anzusehen ist.
b) Der weitere Einwand der Kläger, die gewerbliche Nutzung der Wohnungen zum Zweck der Vermietung als Ferienwohnungen sei offensichtlich genehmigungsfähig, greift ebenfalls nicht durch. Die klägerische Behauptung, die Festsetzung des einschlägigen Bebauungsplans, wonach „Beherbergungsbetriebe mit Küchen und sonstigen Kocheinrichtungen in Zuordnung zu den einzelnen Zimmern“ unzulässig seien, sei ohne „Rechtsgrundlage“ und deshalb unwirksam, steht bereits in Widerspruch zur vom Verwaltungsgericht zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, welche höchstrichterlich geklärt hat, dass in einem Bebauungsplan, der – wie vorliegend der Fall – gemäß § 11 Abs. 2 BauNVO ein Sondergebiet festsetzt, das vorwiegend der Unterbringung von Betrieben des Beherbergungsgewerbes dient, auch festgesetzt werden kann, dass Küchen und Kochstellen in Zuordnung zu den einzelnen Zimmern der Beherbergungsbetriebe nicht zulässig sind (vgl. BVerwG, B.v. 7.9.1984 – 4 N 3/84 – juris Leitsatz und Rn. 18 ff.). Entgegen der Ansicht der Kläger ist es in diesem Zusammenhang unerheblich, dass der streitgegenständliche Bebauungsplan „Kurgebiet Süd“ bei der Festsetzung des Sondergebiets nicht die Worte „für Kurzwecke“ verwendet. Auch die hilfsweise Erwägung der Kläger, eine Befreiung von der genannten Festsetzung komme in Betracht, weil es sich bei dem streitgegenständlichen „Appartementhaus“ um „den einzigen ernstzunehmenden Betrieb der Parahotellerie“ im Kurgebiet handle, so dass eine Befreiung die Grundzüge der Planung nicht berühre, lässt die streitgegenständliche Nutzungsänderung nicht als „offensichtlich genehmigungsfähig“ erscheinen, sondern bedarf – wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausführt – zumindest einer näheren Prüfung in einem – aufgrund eines noch zu stellenden Bauantrags durchzuführenden – baurechtlichen Genehmigungsverfahren. Die klägerische Frage, ob der aktuell geltende Bebauungsplan wegen eines Ausfertigungsfehlers unwirksam ist, hat das Verwaltungsgericht ausführlich beantwortet und verneint. Ob die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts zutreffend ist oder nicht, kann vorliegend jedoch dahinstehen. Denn hierauf kommt es für die gerichtliche Entscheidung nicht an. Bei Unwirksamkeit des geltenden Bebauungsplans würde der vorher geltende Bebauungsplan, der einer Genehmigungsfähigkeit der streitgegenständlichen Nutzungsänderung ebenfalls entgegensteht, wieder aufleben, weil es – wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt – keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Gemeinde den früheren Bebauungsplan auch dann hätte aufheben wollen, wenn sich der neue Bebauungsplan als unwirksam erweisen würde. Es ist auch nicht offensichtlich, dass sich Ferienwohnungen in die Eigenart der näheren Umgebung des Kurgebiets einfügen würden, wenn sich deren planungsrechtliche Zulässigkeit nach § 34 BauGB beurteilen würde. Nach alledem ist die streitgegenständliche Nutzungsänderung somit jedenfalls nicht offensichtlich genehmigungsfähig.
c) Die weiteren Einwände der Kläger zur vermeintlichen „Unverhältnismäßigkeit“ der Nutzungsuntersagung und zum „Ermessensausfall“ bei Erlass der behördlichen Entscheidung sind ebenfalls nicht geeignet, die Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils ernstlich in Zweifel zu ziehen. Die streitgegenständliche Nutzungsuntersagung gilt erst ab Bestandskraft des Bescheids. Das Landratsamt hat den Klägern damit ausreichend Zeit eingeräumt, um durch Stellung eines Bauantrags die Frage der Genehmigungsfähigkeit der Nutzungsänderung verbindlich zu klären und sich damit ggf. auch auf eine Änderung der (bisherigen) Nutzung der Wohnungen einzustellen. Die Nutzung der Wohnungen zu Wohnzwecken bleibt den Klägern jedenfalls aufgrund der bestandskräftigen Baugenehmigung – worauf das Verwaltungsgericht in seinem Urteil hinweist – weiterhin möglich. Die von den Klägern vorgetragene lange Dauer der ungenehmigt ausgeübten Nutzung begründet – wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausführt – im vorliegenden Fall keinen dem Erlass der Nutzungsuntersagung entgegenstehenden „Vertrauensschutz“. Dies gilt auch im Hinblick auf die im Parallelverfahren 15 ZB 19.921 geltend gemachte (der dortigen Klägerin erteilte) behördliche Erlaubnis zur Führung eines Beherbergungsbetriebes, weil eine derartige gewerberechtliche Erlaubnis eine vorliegend fehlende baurechtliche Genehmigung für die streitgegenständliche Nutzungsänderung weder ersetzt noch sonst auf deren Erteilung Einfluss hat. Das Landratsamt hat sich im angefochtenen Bescheid im Übrigen mit der Frage der Verhältnismäßigkeit der Anordnung befasst. Der Vorwurf eines „Ermessensausfalls“ ist demnach nicht gerechtfertigt.
2. Die Rechtssache weist nach alledem keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 3 und § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der 2013 aktualisierten Fassung (abgedruckt in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, Anhang) und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
4. Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO), ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben