Baurecht

Erfolgloser Eilantrag des Nachbarn gegen Erweiterung einer Gewerbehalle

Aktenzeichen  M 11 SN 18.1512

Datum:
23.5.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 15903
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 47
BayVwVfG Art. 38

 

Leitsatz

1. Die Vorschrift des Art. 47 BayBO ist grundsätzlich nicht drittschützend. Die Pflicht zur Herstellung einer ausreichenden Anzahl an Stellplätzen dient ausschließlich dem öffentlichen Interesse. Ein nachbarrechtlich relevanter Verstoß im Zusammenhang mit der Stellplatzpflicht ist nur gegeben, wenn mit der Anzahl der Stellplätze für den Nachbarn unzumutbare Auswirkungen verbunden sind. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Allein aufgrund der Tatsache, dass ein Vorhaben einen zusätzlichen Bedarf an Stellplätzen auslöst, ist kein Verstoß gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme gegeben. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
3. In eng bebauten Siedlungen ist es als notwendige Folge von Gebäuden üblich, hinzunehmen, dass sich der Schattenwurf im Winterhalbjahr wegen der dann tiefer stehenden Sonne vergrößert. Auch in Gewerbegebieten sind eine enge Bebauung und eine daraus resultierende Verschattung gerade in den Wintermonaten grundsätzlich hinzunehmen. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf EUR 3.750,- festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung.
Der Antragsteller ist Eigentümer der Grundstücke FlNr. … und … der Gemarkung … Auf diesen betreibt eine Gesellschaft, deren Geschäftsführer der Antragsteller ist, eine Firma für Solaranlageninstallation. Auf FlNr. … befindet sich das Hauptgebäude, auf FlNr. … befinden sich zwei Carports. Das Dach dieser drei Anlagen ist jeweils vollständig mit Solarmodulen belegt. Unmittelbar südlich hieran grenzt das Grundstück FlNr. … an, das mit einer Gewerbehalle bebaut ist, auf der der Ehemann der Beigeladenen eine Schlosserei bzw. Firma für Edelstahltechnik betreibt. Die Fertigung erfolgt in der Gewerbehalle, die über zur östlich angrenzenden …straße ausgerichtete Tore angefahren wird. Der Außenbereich rund um die Halle dient als Lagerplatz. Sämtliche dieser Grundstücke werden über die …straße erschlossen und liegen im Umgriff des Bebauungsplans „Gewerbepark … II, 2. Änderung“, der für sämtliche dieser Grundstücke als Art der Nutzung ein Gewerbegebiet festlegt.
Unter dem 19. Mai 2015 reichte die Beigeladene bei der Antragsgegnerin eine Vorlage im Genehmigungsfreistellungsverfahren zur Erweiterung der bestehenden Gewerbehalle auf FlNr. … ein.
Mit Schreiben vom 15. Juni 2015 teilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen mit, dass ein Baugenehmigungsverfahren durchgeführt werden soll.
Mit weiterem Schreiben vom 7. Juli 2015 teilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen mit, dass eine Baugenehmigung derzeit nicht erteilt werden könne, da gemäß der Stellplatzsatzung der Antragsgegnerin insgesamt 13 Stellplätze erforderlich seien, die derzeit nicht ordnungsgemäß ausgewiesen würden.
Mit Schreiben vom 27. Juni 2017 beantragte die Beigeladene die Erteilung einer Abweichung von der Stellplatzsatzung gemäß Randnummer 1 der Anlage 1, die Stellplätze nach dem tatsächlichen Bedarf festzulegen. Begründet wurde dies damit, dass für den Betrieb gemäß Anlage 1 der Stellplatzsatzung 12,6 Stellplätze notwendig wären. Dies stehe jedoch in absolutem Missverhältnis zur tatsächlichen Nutzung und Belegung, da im Betrieb nur drei Personen beschäftigt würden, es so gut wie keinen Besucherverkehr gebe, da Gespräche mit Kunden in erster Linie vor Ort auf den Baustellen stattfänden. Somit entsprächen vier Stellplätze dem tatsächlichen Bedarf. Voraussichtlich würden aber ohnehin noch zwei zusätzliche Stellplätze errichtet werden.
Mit Schreiben vom 31. August 2017 teilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen mit, dass nunmehr lediglich acht Stellplätze gefordert würden.
Unter dem 20. September 2017 reichte die Beigeladene daraufhin einen geänderten Stellplatzplan ein, demgemäß nunmehr acht Stellplätze ausgewiesen werden.
Mit Bescheid vom 2. Januar 2018 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen eine Baugenehmigung hinsichtlich der beantragten Erweiterung der Gewerbehalle. Unter der Überschrift „Nebenbestimmungen (Auflagen und Bedingungen) ist unter Nr. 9 festgesetzt, dass für das Bauvorhaben insgesamt acht Stellplätze mit jeweils mindestens 2,30 m x 5,00 m Größe anzulegen und laufend zu unterhalten sind und ab der Ingebrauchnahme des Bauobjekts uneingeschränkt entsprechend der Zweckbestimmung benutzbar sein müssen. Des Weiteren ist ein Hinweis enthalten, dass die Stellplätze freizuhalten sind und die Nutzung zu Lagerzwecken unzulässig ist und mit Geldbuße belegt werden kann sowie dass das Überfahren der öffentlichen Grünflächen und das Abstellen von Fahrzeugen in diesen Bereichen unzulässig sind. In der Begründung der Baugenehmigung ist aufgeführt, dass unter Zugrundelegung der in mehreren Ortseinsichten festgestellten Kraftfahrzeuge, die dem Baugrundstück zugerechnet werden konnten, ein tatsächlicher Mindestbedarf von acht Stellplätzen bestehe.
Am 8. Januar 2018 wurde dem Antragsteller eine Ausfertigung der Baugenehmigung zugestellt.
Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 8. Februar 2018, eingegangen bei Gericht am selben Tag, ließ der Antragsteller Klage gegen den Baugenehmigungsbescheid erheben (M 11 K 18.614) und zugleich begründen.
Mit weiterem Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 28. März 2018, eingegangen bei Gericht am selben Tag, ließ der Antragsteller zudem beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Baugenehmigungsbescheid vom 02.01.2018 anzuordnen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die aufschiebende Wirkung anzuordnen sei, da die Anfechtungsklage des Antragstellers voraussichtlich erfolgreich sein werde. Zur weiteren Begründung wurde das Vorbringen im Klageschriftsatz vom 8. Februar 2018 in Bezug genommen und teilweise wiederholt. Dort wurde im Wesentlichen vorgetragen, dass die erteilte Baugenehmigung gegen das Erfordernis zur Herstellung und Unterhaltung von Stellplätzen gemäß Art. 47 BayBO verstoße. Die Bestimmungen über die Bereitstellung von Stellplätzen hätten grundsätzlich auch nachbarschützenden Charakter. Die Anlage und Unterhaltung der notwendigen Anzahl von Stellplätzen sei auf dem Baugrundstück nicht möglich. Bereits die zum jetzigen Zeitpunkt nachzuweisenden Stellplätze seien nicht in der vorgeschriebenen Anzahl und Form angelegt worden. Die Gewerbehalle werde von LKWs, teilweise mit Hängern angefahren, sodass die Anlage und Unterhaltung der im Lageplan eingezeichneten Stellplätze Nr. 4 und Nr. 5 bei Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs nicht möglich sei. Gleiches gelte für die auf dem Lageplan mit den Nrn. 1 und 6 gekennzeichneten Stellplätze, die bei normalem Geschäftsbetrieb und einer Nutzung der vorhandenen Gewerbehalle ebenfalls nicht anfahrbar seien. Lediglich im Bereich der Grundstücksgrenze zum Grundstück des Antragstellers könnten anfahrbare Stellplätze geschaffen werden. Bei Anlage der vorgeschriebenen Stellplätze sei eine Erweiterung der Halle in dem beantragten Umfang aber nicht mehr möglich. Es sei außerdem beabsichtigt, einen Teil der erweiterten Gewerbehalle anderweitig gewerblich zu vermieten. Teile der Gewerbehalle seien auch in der Vergangenheit bereits an Dritte gewerblich vermietet worden. Zu diesem Zweck sei auch die Anlage von Sanitäreinrichtungen geplant worden. Aufgrund der Vermietung seien noch weitere Stellplätze erforderlich und zusätzlich auf dem Grundstück auszuweisen und anzulegen, die bei Erteilung der Baugenehmigung nicht berücksichtigt worden seien. Auch verstoße die Genehmigung der Erweiterung der vorhandenen Gewerbehalle gegen das Gebot der Rücksichtnahme, da das Vorhaben einen zusätzlichen Stellplatzbedarf auslöse. Nachbarrechte würden verletzt, wenn die Genehmigung eines Vorhabens, ohne Bereitstellung und Unterhaltung der erforderlichen Stellplätze, zu Beeinträchtigungen führe, die für den Nachbarn bei Abwägung aller Umstände unzumutbar seien. Wie sich aus der Begründung des angefochtenen Bescheids ergebe, bestehe mit der Erweiterung der vorhandenen Halle ein Mindestbedarf von acht Stellplätzen, die auf dem Baugrundstück nur im Bereich der Grundstücksgrenze zum Grundstück des Antragstellers angelegt werden könnten. Zudem werde der Antragsteller durch die erteilte Baugenehmigung in seinen Nachbarrechten verletzt, da die Erweiterung der vorhandenen Gewerbehalle zu einer erheblichen und nachhaltigen Verschattung der Solarmodule auf den Carports des Antragstellers führe. Der Schattenwurf der erweiterten Gewerbehalle führe in den Wintermonaten, im Zeitraum von November bis einschließlich März, bei tief stehender Sonne zu einer Verschattung von rund der Hälfte der Solarmodule. Hierzu wurde eine Berechnung vorgelegt. Für den Antragsteller, der für die Finanzierung der Firma u.a. auch die Erträge aus der betriebenen Solaranlage einkalkuliert habe, seien damit ganz erhebliche Verluste verbunden. Bereits aus der Verschattung eines der Carports resultiere, unter Berücksichtigung der durchschnittlich zu erzielenden Erträge, berechnet für eine Laufzeit von rund 14 Jahren, ein Verlust von über 10.000,- €. Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung und bei der Prüfung, ob Beeinträchtigungen im Rahmen des Rücksichtnahmegebots zumutbar sein oder nicht, sei vorliegend zu berücksichtigen, dass der Antragsteller bei Auswahl des Standorts für die Errichtung der Carports und der Solaranlage davon habe ausgehen und darauf vertrauen dürfen, dass im Hinblick auf die auf dem Nachbargrundstück vorgeschriebenen und nachzuweisenden Stellplätze, die nur im Bereich der Grundstücksgrenze realisiert werden könnten, eine Erweiterung der Halle in dem nun genehmigten Umfang nicht möglich sei. Dem Antragsteller sei vor Erwerb seines Grundstücks und vor Errichtung der Carports und der Solaranlage von einem Mitarbeiter der Antragsgegnerin ausdrücklich bestätigt worden, dass eine weitere Bebauung des Grundstücks FlNr. … durch die vorgeschriebenen Stellplätze begrenzt werde und eine Erweiterung der Gewerbehalle daher nicht in Betracht komme. Ihm sei bestätigt worden, dass im Hinblick auf die nachzuweisenden Stellplätze mindestens ein Abstand der Bebauung von 11,00 m zur gemeinsamen Grundstücksgrenze verbleiben werde. Der Abstand zur Grundstücksgrenze nach Erweiterung der Gewerbehalle würde allerdings nur noch 6,00 m betragen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Die Antragsgegnerin trat dem Antrag mit Schriftsatz vom 13. April 2018 entgegen und führte im Wesentlichen aus, dass der Antrag bereits unzulässig sei, da es an der Möglichkeit der Verletzung einer drittschützenden Norm fehle. Das Vorhaben entspreche den Festsetzungen des Bebauungsplans, die Abstandsflächen seien eingehalten. Die erfolgte Reduzierung der als notwendig zu erachtenden Stellplätze sei nach der Stellplatzsatzung zulässig gewesen. Hilfsweise werde darauf verwiesen, dass nach § 6 der Stellplatzsatzung auch eine Abweichung vom ermittelten Stellplatzbedarf hätte erfolgen können. Im Übrigen sei die Zahl der erforderlichen Stellplätze nach der Garagen- und Stellplatzverordnung ohnehin niedriger. Art. 47 BayBO sei nicht nachbarschützend, er diene ausschließlich dem öffentlichen Interesse an der Entlastung der öffentlichen Verkehrsfläche vom ruhenden Kraftfahrzeugverkehr. Die Anzahl der in der streitgegenständlichen Baugenehmigung geforderten Stellplätze lasse keine für den Antragsteller unzumutbaren Auswirkungen erwarten. Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot liege nicht schon allein deshalb vor, weil das Vorhaben einen zusätzlichen Stellplatzbedarf auslöse. Nachbarrechte würden hierdurch nur verletzt, wenn die Genehmigung eines Vorhabens ohne die erforderlichen Stellplätze zu Beeinträchtigungen führe, die für den Nachbarn bei Abwägung aller Umstände unzumutbar seien. Dies sei hier nicht ersichtlich. Es sei zwar grundsätzlich von einer zusätzlichen Verschattung durch die Verlängerung der Halle nach Norden auszugehen, diese sei jedoch hinzunehmen. Der behauptete Verlust in Höhe von 10.000,- € werde mit Nichtwissen bestritten. Dass sich der Schattenwurf im Winterhalbjahr wegen der tiefer stehenden Sonne vergrößere, führe nicht zur Rücksichtslosigkeit des Bauvorhabens, sondern sei als notwendige Folge von Gebäuden in eng bebauten Gebieten, so wie auf vielen anderen Grundstücken üblich, hinzunehmen. Art. 14 GG gewähre keinen Schutz vor Veränderungen und situationsbedingten Erwerbschancen und –vorteilen, auch nicht über das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Die Anlage und Unterhaltung der acht Stellplätze auf dem Grundstück der Beigeladenen sei objektiv möglich und zulässig. Die Anfahrbarkeit sei im Rahmen des Genehmigungsverfahrens überprüft worden. Evtl. vor den Toren parkende Fahrzeuge könnten bei einer Warenan- oder
– auslieferung auch umgeparkt werden. Es treffe nicht zu, dass Stellplätze nur im Bereich der Grundstücksgrenze zum Grundstück des Antragstellers angelegt werden könnten. Weitere Stellplätze könnten nämlich auch im Bereich südlich der Halle angelegt werden. Die Entstehung von sog. „gefangenen Stellplätzen“ sei nicht zu befürchten, da auch hier ein Umparken problemlos möglich sei. Die Anordnung der Stellplätze an der Grundstücksgrenze zum Grundstück des Antragstellers sei zwar nicht beabsichtigt, sie wäre im Übrigen aber rechtlich zulässig. Auch habe die Antragsgegnerin dem Antragsteller keine Zusage erteilt, dass eine derartige Baugenehmigung, wie vorliegend, nicht erteilt werde. Die Auskunft im Schreiben an den Antragsteller vom 21. Januar 2015 sei vor dem Eingang des Bauantrags der Beigeladenen erfolgt und habe mehrere Fragestellungen umfasst. Die Auskunft, dass die Gewerbehalle nur um 3,00 m nach Norden verlängert werden könne, habe auf Nr. 5.1 der Stellplatzsatzung basiert, wonach 1 Stellplatz je 50 Quadratmeter Nutzfläche erforderlich sei, und sei damals richtig gewesen. Die Berechnung sei später auf Antrag der Beigeladenen nicht nach der Nutzfläche sondern nach Anzahl der Beschäftigten erfolgt. Die erteilten Auskünfte stellten keine Zusicherung i.S.d. Art. 38 BayVwVfG dar. Soweit es sich um E-Mails handele, sei die erforderliche Schriftform schon nicht eingehalten. Zum anderen sei in jeder der Mitteilungen nur die damals geltende Rechtslage erörtert worden. Ein Bindungswille habe nicht vorgelegen und sei nicht erkennbar. Es sei auch nicht erklärt worden, eine bestimmte Baugenehmigung nicht zu erlassen. Im Übrigen habe sich nach den Mitteilungen mit der 2. Änderung des Bebauungsplans die Rechtslage geändert, sodass eine etwaige Bindungswirkung ohnehin entfallen sei. Außerdem habe die Beigeladende einen Rechtsanspruch auf Erteilung der Baugenehmigung. Auch liege keine Eilbedürftigkeit vor. Bei einer Ortseinsicht am 12. April 2018 seien keine Bau- oder Bauvorbereitungsarbeiten erkennbar gewesen. Auch seien auf dem Vorhabengrundstück in der Zeit von 10:15 Uhr bis 10:25 Uhr nur insgesamt drei Kfz geparkt und noch zahlreiche Stellplätze frei gewesen. Auf den öffentlichen Parkplätzen vor dem Vorhabengrundstück hätten zwei Kfz geparkt, die aber nicht zuordenbar gewesen seien. Auf der …straße habe es, mit Ausnahme eines DHL-Fahrzeugs, das kurzzeitig vor dem Vorhabengrundstück zum Zwecke der Abgabe einer Sendung gehalten habe, keine Fahrzeugbewegungen gegeben.
Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 13. April 2018 beantragte die Beigeladene, den Antrag abzulehnen.
Mit weiterem Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 7. Mai 2018 wurde zur Begründung in vollem Umfang auf den Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 13. April 2018 sowie auf den Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 12. April 2018 im zugehörigen Klageverfahren M 11 K 18.614 Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten, auch diejenigen des zugehörigen Klageverfahren (M 11 K 18.614) sowie die Bauvorlagen Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Gemäß § 212a Abs. 1 BauGB hat die Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung. Jedoch kann das Gericht der Hauptsache gemäß § 80a Abs. 3 Satz 1, § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Antrag die Aussetzung der Vollziehung anordnen. Hierbei kommt es auf eine Abwägung der Interessen des Bauherrn an der sofortigen Ausnutzung der Baugenehmigung mit den Interessen des Dritten, keine vollendeten, nur schwer wieder rückgängig zu machenden Tatsachen entstehen zu lassen, an.
Im Regelfall ist es unbillig, einem Bauwilligen die Nutzung seines Eigentums durch Gebrauch der ihm erteilten Baugenehmigung zu verwehren, wenn eine dem summarischen Verfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO entsprechende vorläufige Prüfung des Rechtsbehelfs ergibt, dass dieser letztlich erfolglos bleiben wird. Ist demgegenüber der Rechtsbehelf offensichtlich begründet, so überwiegt das Interesse des Antragstellers. Sind die Erfolgsaussichten offen, so kommt es darauf an, ob das Interesse eines Beteiligten es verlangt, dass die Betroffenen sich so behandeln lassen müssen, als ob der Verwaltungsakt bereits unanfechtbar sei. Bei der Abwägung ist den Belangen der Betroffenen umso mehr Gewicht beizumessen, je stärker und je irreparabler der Eingriff in ihre Rechte wäre (BVerfG, B.v. 18.07.1973 – 1 BvR 155/73 -, 1 BvR 23/73 -, BVerfGE 35, 382; zur Bewertung der Interessenlage vgl. auch BayVGH, B.v. 14.01.1991 – 14 CS 90.3166 -, BayVBl 1991, 275).
Die im Eilverfahren auch ohne Durchführung eines Augenscheins mögliche Überprüfung der Angelegenheit anhand der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Behördenakten samt Plänen ergibt, dass die Klage des Antragstellers aller Voraussicht nach ohne Erfolg bleiben wird.
Zu berücksichtigen ist im vorliegenden Fall, dass Nachbarn – wie sich aus § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO ergibt – eine Baugenehmigung nur dann mit Erfolg anfechten können, wenn sie hierdurch in einem ihnen zustehenden subjektiv öffentlichen Recht verletzt werden. Es genügt daher nicht, wenn die Baugenehmigung gegen Rechtsvorschriften des öffentlichen Rechts verstößt, die nicht – auch nicht teilweise – dem Schutz der Eigentümer benachbarter Grundstücke dienen. Eine baurechtliche Nachbarklage kann allerdings auch dann Erfolg haben, wenn ein Vorhaben es an der gebotenen Rücksichtnahme auf seine Umgebung fehlen lässt und dieses Gebot im Einzelfall Nachbarschutz vermittelt (BVerwG, U.v. 25.02.1977 – 4 C 22.75 -, BVerwGE 52, 122).
Vorliegend verletzt die angefochtene Baugenehmigung den Antragsteller voraussichtlich nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Die Vorschrift des Art. 47 BayBO als solche ist grundsätzlich nicht drittschützend, aus dem Stellplatzerfordernis lässt sich grundsätzlich kein nachbarrechtliches Abwehrrecht ableiten. Die Pflicht zur Herstellung einer ausreichenden Anzahl an Stellplätzen dient ausschließlich dem öffentlichen Interesse. Ein nachbarrechtlich relevanter Verstoß im Zusammenhang mit der Stellplatzpflicht ist daher nur gegeben, wenn mit der Anzahl der Stellplätze für den Nachbarn unzumutbare Auswirkungen verbunden sind. Dies ist beispielsweise bei einer Kanalisierung des Park-Such-Verkehrs vor dem Nachbargrundstück denkbar. Allein aufgrund der Tatsache, dass ein Vorhaben einen zusätzlichen Stellplatzbedarf auslöst, ist jedoch kein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme gegeben (vgl. zu all dem BayVGH, B. v. 29.04.2015 – 2 ZB 14.1164).
Da Art. 47 BayBO grundsätzlich keinen Nachbarschutz vermittelt, ist vorliegend unerheblich, ob die Anzahl der notwenigen Stellplätze im Einzelnen korrekt errechnet worden ist. Dies gilt auch für Fälle, in denen sich die Anzahl der erforderlichen Stellplätze nicht unmittelbar nach der aufgrund von Art. 47 BayBO erlassenen Garagen- und Stellplatzverordnung richtet, sondern nach einer gemeindlichen Stellplatzsatzung, da auch eine gemeindliche Stellplatzsatzung alleine dem öffentlichen Interesse an einer Freihaltung der öffentlichen Verkehrsflächen vom ruhenden Verkehr dient. Dass die Richtigkeit der Berechnung der erforderlichen Stellplatzanzahl irrelevant ist, gilt umso mehr in Anbetracht der Tatsache, dass nach der Garagen- und Stellplatzverordnung grundsätzlich weniger Stellplätze erforderlich wären als nach der Stellplatzsatzung der Antragsgegnerin.
Da die Vorschriften bezüglich des Stellplatzerfordernisses nicht drittschützend sind, bliebe dem Antragsteller ebenso die Rüge verwehrt, falls Stellplätze die erforderlichen Mindestmaße unterschreiten oder falls zur Ein- und Ausfahrt ein etwaiges Umparken bzw. Rangiermanöver auf dem Vorhabengrundstück erforderlich sind.
Der Antragsteller wäre in seinen Rechten nur verletzt, falls durch eine Verletzung von Stellplatzvorschriften ihm unzumutbare verkehrliche Auswirkungen entstünden. Dies ist vorliegend jedoch nicht ersichtlich. Jedenfalls solange sich die Auswirkungen, die durch eine etwaige Verletzung von Vorschriften bzgl. Anzahl, Lage und Anfahrbarkeit der Stellplätze entstehen, sich allein auf das Vorhabengrundstück selbst auswirken und über dieses nicht hinausgehen, ist eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme ausgeschlossen. Falls also geparkte Fahrzeuge auf dem Vorhabengrundstück umgeparkt bzw. rangiert werden müssen, da sie vor einem der Tore der Halle geparkt sind und einen ein- oder ausfahrenden LKW behindern bzw. da einer der Beschäftigten mit seinem Pkw in irgendeiner Form „eingeparkt“ ist, betrifft dies den Antragsteller in seiner Rechtsstellung nicht. Ebenso wenig ist erkennbar, weshalb es dem Antragsteller unzumutbar sein sollte, dass Stellplätze entlang seiner Grundstücksgrenze angelegt werden. Inwiefern hierdurch unzumutbare Auswirkungen auf sein Grundstück entstehen sollten, ist nicht nachvollziehbar. Auch ist nicht ersichtlich, dass es für den Antragsteller zu unzumutbaren verkehrlichen Auswirkungen kommt. Selbst falls es auf dem Vorhabengrundstück zu Rangiermanövern kommt, steigt hierdurch der Park-Such-Verkehr auf der …straße nicht an. Sogar wenn Fahrzeuge auf den öffentlichen Parkplätzen auf Höhe des Vorhabengrundstücks abgestellt würden, ist nicht ersichtlich, inwiefern dies den Kläger belasten sollte. Inwieweit zusätzliche Stellplätze allein wegen der Vergrößerung der Halle um ein Einfahrtstor bzw. wegen einer etwaigen Untervermietung nötig wären, ist nicht dargetan. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass konkrete Pläne für eine weitere Untervermietung bestehen. Die zuvor erfolgte Untervermietung eines Teils der Halle ist zwischenzeitlich beendet worden. Selbst falls es durch das Vorhaben zu einem spürbaren Anstieg der Verkehrsbelastung in der …straße käme, wäre dies jedoch ohnehin – bis zur Grenze der Unzumutbarkeit – hinzunehmen. Das Gericht geht allerdings aufgrund einer summarischen Prüfung anhand der Aktenlage davon aus, dass für den Antragsteller keine unzumutbaren verkehrlichen Auswirkungen entstehen, insbesondere der Verkehr nicht „vor seiner Tür“ kanalisiert wird. Die in der Behördenakte befindlichen Lichtbilder (Bl. 33 ff. der Behördenakte) erwecken den Anschein einer relativ abgelegenen und nicht sonderlich befahrenen Straße. Dieser Eindruck wird durch den glaubhaften und vom Antragsteller nicht substantiiert in Zweifel gezogenen Vortrag der Antragsgegnerin hinsichtlich der Park- und Verkehrssituation bei der Ortseinsicht am Vormittag des 12. April 2018 bestätigt. Auf im Internet frei zugänglichen Karten und Luftbildaufnahmen (https://www.google.com/maps/place/ …stra%C3%9Fe, + …+ …+ …+ …@ …, …, …*) ist ersichtlich, dass es sich bei der …straße um eine Seitenstraße handelt, die in einer Wendeschleife endet. Das Grundstück des Antragstellers befindet sich von der Querstraße aus gesehen, von der die …straße abzweigt, hinter dem Vorhabengrundstück. Es ist somit davon auszugehen, dass der dem Vorhaben zugeordnete Verkehr direkt auf das Vorhabengrundstück abbiegt oder einen der öffentlichen Parkplätze auf Höhe des Vorhabengrundstücks in Anspruch nimmt und mithin die …straße auf Höhe des Grundstücks des Antragstellers nicht mehr erreicht. Aufgrund einer Abwägung der Gesamtumstände ist somit nicht davon auszugehen, dass der Antragsteller durch die Erteilung der Baugenehmigung in verkehrlicher Hinsicht in unzumutbarer Weise belastet wird.
2. Ebenso liegt kein Verstoß gegen das drittschützende Gebot der Rücksichtnahme aufgrund einer unzumutbaren Verschattung des Grundstücks des Antragstellers, insbesondere der Solarmodule auf den beiden Carports vor.
Welche Anforderungen sich aus dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme im Einzelfall ergeben, hängt maßgeblich davon ab, was dem Rücksichtnahmebegünstigten einerseits und dem Rücksichtnahmeverpflichteten andererseits in der jeweiligen Situation der benachbarten Grundstücke zuzumuten ist (vgl. BayVGH, B. v. 26.04.2012 – 2 ZB 10.3147 – juris Rn. 9).
Hiernach ist die dem Antragsteller drohende Verschattung eines Teils seiner Solarmodule nicht unzumutbar.
Wie das VG Ansbach ausführt, führt es nicht zur Rücksichtslosigkeit des Bauvorhabens, sondern ist als notwendige Folge von Gebäuden in eng bebauten Siedlungen, so wie auf vielen anderen Grundstücken üblich, hinzunehmen, dass sich der Schattenwurf im Winterhalbjahr wegen der dann tieferstehenden Sonne vergrößert (vgl. AN 9 K 12.1176 – juris Rn. 29). Das Gericht schließt sich diesen Ausführungen grundsätzlich an. Auch in Gewerbegebieten sind eine enge Bebauung und eine daraus resultierende Verschattung gerade in den Wintermonaten grundsätzlich hinzunehmen. Auch folgt vorliegend nichts anderes aus dem Vortrag des Antragstellers, dass ihm hierdurch Einnahmen i.H.v. ca. 10.000,- € entgehen. Zu beachten ist dabei zum einen, dass bauplanungsrechlich ein weit höheres Gebäude auf dem Vorhabengrundstück errichtet werden könnte und abstandsflächenrechtlich gemäß Art. 6 Abs. 5 Satz 2 BayBO selbst von einem Gebäude mit einer nach dem Bebauungsplan zulässigen Höhe von 14,00 m lediglich eine Abstandsfläche von 3,5 m einzuhalten wäre, das Vorhaben jedoch 6,00 m von der Grundstücksgrenze entfernt bleibt. Zum anderen würde der Beigeladenen auf ihrem Grundstück jegliche Entwicklungsmöglichkeit genommen, wenn eine Erweiterung nach Norden im Hinblick auf die Solarmodule des Klägers ausgeschlossen wäre, da eine Erweiterung nach Süden aufgrund der Nähe zur Grundstücksgrenze nicht mehr möglich ist. Hinzu kommt, dass – wie die Antragsgegnerin zu treffend vorträgt – aus Art. 14 GG kein Recht auf Erhalt situationsbedingter Vorteile und Erwerbschancen abgeleitet werden kann. Der Großteil der Solarmodule des Antragsstellers bleibt von Verschattung frei und die zu erwartenden Gewinneinbußen liegen, insbesondere im Hinblick auf den insgesamt zu erwartenden Gewinn aus den Solarmodulen, noch in einem akzeptablen Bereich. Dem Antragsteller bleibt es auch unbenommen, die Solarmodule auf den Carports durch bauliche Maßnahmen zu erhöhen, um auf diese Weise wieder auch im Winterhalbjahr, das ohnehin typischerweise witterungsbedingt weniger wichtig als das Sommerhalbjahr ist, eine größere Sonneneinstrahlung zu erreichen.
Schließlich folgt auch nichts Gegenteiliges aus den Mitteilungen und Schreiben der Antragsgegnerin an den Antragsteller, dass ein weiterer Anbau über 3,00 m hinaus auf dem Vorhabengrundstück nicht möglich sei. Zum einen ist es schon fraglich, ob die Beigeladene als Rücksichtnahmeverpflichtete eine falsche Behördenauskunft gegegen sich gelten lassen müsste, ob ihr also allein deshalb der Vorwurf der Rücksichtslosigkeit gemacht werden könnte. Zum anderen handelt es sich sowohl bei der E-Mail vom 5. April 2011 als auch beim Schreiben vom 21. Januar 2015 erkennbar weder um Zusicherungen i.S.d. Art. 38 BayVwVfG noch um anderweitig verbindliche Zusagen. Vielmehr handelt es sich erkennbar um eine unverbindliche Erläuterung der Rechtslage. Es ist nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin sich dem Antragsteller gegenüber verpflichten wollte bzw. verbindlich zusichern wollte, dass eine Bebauung nach Norden über 3,00 m hinaus unter keinen Umständen denkbar ist. Dies folgt bereits aus der Formulierung „derzeit vorhandene Bebauung“ sowie dem Hinweis, dass eine Bebauung durch den Stellplatzbedarf begrenzt werde. Da der Stellplatzbedarf aber nicht zwingend auf dem Vorhabengrundstück selbst nachzuweisen ist und die Möglichkeit der Erfüllung der Stellplatzpflilcht durch einen Ablösungsvertrag besteht (vgl. Art. 47 Abs. 3 Nr. 2 und Nr. 3 BayBO), war allein deshalb klar, dass eine darüber hinausgehende Bebauung bei anderweitiger Erfüllung der Stellplatzpflicht als dies derzeit der Fall ist, grundsätzlich möglich ist. Somit durfte der Antragsteller schon allein deshalb nicht davon ausgehen, dass eine Bebauung unter keinen Umständen denkbar ist.
Der Antrag war mithin aus den genannten Gründen abzulehnen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen dem Antragsteller aufzuerlegen, da die Beigeladene sich durch Stellung eines Sachantrags dem Prozesskostenrisiko ausgesetzt hat. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs und entspricht der Hälfte des im Hauptsacheverfahren anzusetzenden Streitwerts.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben