Baurecht

Erfolgloser Nachbareilantrag wegen Baugenehmigung für Gaststättenerweiterung

Aktenzeichen  15 CS 21.2324

Datum:
17.11.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 36707
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5, § 80a Abs. 1, Abs. 3, § 146
BauGB § 212a Abs. 1
BauNVO § 5, § 6
BayVwVfG Art. 37
BayBO Art. 68 Abs. 4

 

Leitsatz

1. Für ein Dorfgebiet iSd BauNVO reicht es aus, wenn überhaupt noch landwirtschaftliche Wirtschaftsstellen vorhanden sind (vgl. VGH München BeckRS 2021, 2805). (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei dem Rücksichtnahmegebot, dem drittschützende Wirkung zukommt, soweit in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist, ist darauf abzustellen, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (vgl. VGH München BeckRS 2019, 32448; BeckRS 2020, 14594). (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 6 S 21.784 2021-08-11 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 11. August 2021 wird in Ziffer I. geändert.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Landratsamts Kelheim vom 24. September 2020 in Gestalt des Ergänzungsbescheids vom 10. September 2021 wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Beigeladenen wenden sich gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg, mit dem die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen eine den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung angeordnet worden ist.
Das Landratsamt Kelheim (im Folgenden: Landratsamt) erteilte den Beigeladenen mit Bescheid vom 24. September 2020 für die Grundstücke FlNrn. … … … … und … Gemarkung R* … (Baugrundstücke) eine Baugenehmigung zur Erweiterung der dort betriebenen Gaststätte (R* … … R* …*) um eine teilweise überdachte Terrasse, zur Umgestaltung des Empfangsbereichs und Errichtung von Parkplätzen auf den FlNrn. … und … (nach Nr. 5 des Bescheids vom 24.9.2020 wurden von den insgesamt erforderlichen 49 Kfz-Stellplätzen 49 Stellplätze nachgewiesen, nach Nr. 21 dürfen die östlichen, blau umrandeten Parkplätze nachts nicht genutzt werden) sowie zur Errichtung einer Wohnung mit Carport im Untergeschoss. Die Gaststätte verfügt nach dem Umbau unverändert über die im Westteil des Gebäudes liegenden Gasträume (R* …, Tagungsraum/Wintergarten und Saal) und über die nach Süden ausgerichtete neue Terrasse mit 126 m2 und ca. 100 Sitzplätzen sowie einen umgestalteten Gastraum im südöstlichen Gebäudebereich mit ca. 85 m2 und 51 Sitzplätzen (vorher ca. 39 m2). Der geänderte Gastraum hat mehrere Fenster nach Süden sowie ein Fenster und eine Eingangstür mit Windfang Richtung Osten. Den südlichen Fenstern dieses Gastraums vorgelagert ist ein ca. 62 m2 großer offener Empfangsbereich, der durch eine Sichtmauer nach Osten abgeschirmt wird. Weggefallen ist dafür die frühere, teilweise überdachte Terrasse mit insgesamt 170,88 m2 mit Feuerstelle und Grill, die nunmehr den offenen Empfangsbereich bildet und teilweise in den Gastraum einbezogen ist. Mit Baugenehmigungen vom 15. Januar 1999 (Erweiterung der Gaststätte, zusätzlich 7 Parkplätze), 1. August 2002 (Erweiterung der Gaststätte, zusätzlich 6 Parkplätze) und 2. April 2009 (Umbau und Erweiterung der bestehenden Terrasse um Wind- und Schallschutzmaßnahmen, keine zusätzlichen Parkplätze) wurden schon verschiedene Erweiterungen und Umbauten der Gaststätte genehmigt, wobei jeweils nur der Nachweis der für diese Maßnahmen erforderlichen zusätzlichen Stellplätze gefordert wurde. Das der Baugenehmigung vom 24. September 2020 zugrunde gelegte schalltechnische Gutachten vom 16. September 2020 berücksichtigt die Schallabstrahlung der Gaststätte über die Gebäudehülle und über die möglicherweise geöffneten (gekippten) Fenster sowie die Eingangstüre nicht, sondern bezieht nur 71 Parkplätze auf den FlNrn. … und …, die neue Terrasse mit Musikdarbietung, Warenanlieferung und Anlieferverkehr sowie die Küchenabluft in die Betrachtung mit ein und schlägt verschiedene Auflagen vor, die auch in die Baugenehmigung übernommen worden sind. Die Baugrundstücke liegen innerhalb der Schutzzone des Naturparks Altmühltal und das Vorhaben ist im Wesentlichen fertiggestellt.
Die Antragstellerin ist Eigentümerin der Grundstücke FlNr. … und … Gemarkung R* … Die FlNr. … ist mit einem Wohngebäude bebaut und beide Grundstücke grenzen östlich an die Zufahrtstraße (auf FlNrn. … … und …*) zu den Parkplätzen der Gaststätte auf FlNr. … an. Auf beiden Grundstücken sind Geh- und Fahrtrechte für den Beigeladenen zu 2 als Eigentümer der südlich der FlNr. … liegenden FlNr. … eingetragen. Die Antragstellerin hat am 28. Oktober 2020 Klage gegen den Baugenehmigungsbescheid vom 24. September 2020 erhoben (Az. RN 6 K 20.2606), über die das Verwaltungsgericht nach Aktenlage noch nicht entschieden hat.
Am 23. April 2021 hat die Antragstellerin einstweiligen Rechtsschutz beantragt. Das Verwaltungsgericht hat daraufhin mit Beschluss vom 11. August 2021 die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin angeordnet. Der Antrag sei trotz fast vollständiger Fertigstellung des Vorhabens zulässig, da sich die Antragstellerin auch gegen die Nutzung wende. Die Baugenehmigung sei inhaltlich nicht hinreichend bestimmt und deshalb könne nicht zweifelsfrei festgestellt werden, in welchem Umfang die Antragstellerin betroffen sei. Das zugrunde gelegte Schallschutzgutachten erscheine nicht plausibel, da bei der Lärmprognose ausschließlich der Aufenthalt von Gästen auf der Terrasse oder im Innenbereich der Gaststätte berücksichtigt worden sei. Nach der Baugenehmigung dürften sich die Gäste aber auch gleichzeitig in beiden Bereichen aufhalten. Es hätte daher entweder dieses Szenario im Lärmgutachten berücksichtigt oder eine gleichzeitige Nutzung ausgeschlossen werden müssen. Auch bleibe unklar, ob Feste und Feierlichkeiten, mit denen auf der Internetseite der Beigeladenen geworben werde, überhaupt Berücksichtigung gefunden hätten. In der Baugenehmigung finde sich kein Hinweis darauf, ob solche Feste gleichzeitig mit normalem Gaststättenbetrieb stattfinden würden. Es könne deshalb dahinstehen, ob es sich vorliegend um ein Dorfgebiet oder ein allgemeines Wohngebiet handele. Es werde jedoch darauf hingewiesen, dass der Gebietscharakter eines Dorfgebiets erst dann „kippe“, wenn die landwirtschaftliche Nutzung völlig verschwunden sei und eine Wiederaufnahme ausgeschlossen erscheine. Es komme dabei nicht auf das Verhältnis zwischen der Anzahl von landwirtschaftlichen Wirtschaftsstellen zu anderen zulässigen Nutzungsarten an, sondern darauf, ob Wirtschaftsstellen landwirtschaftlicher Betriebe überhaupt noch vorhanden seien und das Gebiet prägten.
Dagegen wenden sich die Beigeladenen mit ihrer Beschwerde. Sie machen geltend, das Landratsamt habe mit Ergänzungsbescheid vom 10. September 2021 den Ausgangsbescheid geändert. In Nr. 3 des Ergänzungsbescheids sei nunmehr die Betriebsbeschreibung zum Gegenstand des Bescheids gemacht worden. In Nr. 4 sei klargestellt, dass durch die Gäste und somit durch die Bewirtung entweder nur der Außenbereich (Terrasse) oder nur der Innenbereich genutzt werden dürften. Zudem sei der Stellplatzplan vom 30. September 2019, geändert am 18. März 2021, zum Inhalt des Ergänzungsbescheids gemacht worden (Nr. 5). Die Zweifel an der Bestimmtheit seien damit ausgeräumt. Im Übrigen habe die Antragstellerin kein Rechtsschutzbedürfnis, da das Bauvorhaben fast fertiggestellt sei und sie den Eilantrag nicht rechtzeitig gestellt habe. Aus der beigefügten Betriebsbeschreibung ergibt sich, dass die Gäste ausschließlich außen oder ausschließlich innen sitzen und Sonderveranstaltungen nur bis zu einer Höchstzahl von 50 Personen angenommen werden. Eine Ausnahme davon könnten nur die Raiffeisenversammlung oder „D* … …“ sein.
Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Das Verwaltungsgericht habe zutreffend festgestellt, dass ihr das Rechtsschutzbedürfnis nicht fehle. Der Bescheid sei weiterhin nicht hinreichend bestimmt und die Verletzung nachbarlicher Rechte könne nicht ausgeschlossen werden. Weiterhin sei unklar, inwieweit Sonderveranstaltungen im Rahmen des Immissionsgutachtens berücksichtigt worden seien und ob derartige Veranstaltungen neben dem normalen Gaststättenbetrieb stattfinden würden. Hierzu verhalte sich auch die Betriebsbeschreibung nicht. Zudem liege das Vorhaben nicht in einem Dorfgebiet und die schalltechnische Untersuchung gehe von falschen Voraussetzungen aus. Im Ortsteil R* … seien keine Wirtschaftsstellen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe oder nicht wesentlich störende Gewerbebetriebe in ausreichender Zahl vorhanden, die diese Klassifizierung rechtfertigen würden. In der Stellungnahme der Gemeinde sei zudem kein Hinweis enthalten, dass die Baugrundstücke in einem Schutzgebiet, nämlich in der Schutzzone des Naturparks Altmühltal befänden. Zudem sei im Baugenehmigungsbescheid festgelegt, dass jeweils die östlichen Stellflächen der beiden Parkplätze zur Nachtzeit nicht genutzt werden dürften und darauf mit Hinweisschildern hinzuweisen sei. Diese Auflage rühre vermutlich daher, dass durch die Nutzung dieser Stellplätze zur Nachtzeit die Immissionsrichtwerte der TA Lärm überschritten seien. Es sei sehr zu bezweifeln, ob die Immissionsrichtwerte der TA Lärm für ein allgemeines Wohngebiet bei der Nutzung der restlichen Stellplätze auf den beiden Parkplätzen eingehalten würden. Im Übrigen sei das Verbot in der Praxis nicht zu kontrollieren. Es sei daher davon auszugehen, dass die Werte der TA Lärm überschritten würden und damit ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme vorliege. Im Übrigen sei ein notwendiger Bedarf von 49 Stellplätzen für die vorhandene Nutzung, die geplante Erweiterung der Gaststätte sowie den Neubau der Wohnung ausgerechnet worden. Zudem sei vermerkt, dass gemäß dem Lageplan 71 Stellplätze möglich seien. Diese Stellplätze seien anhand der Empfehlungen für Anlagen des ruhenden Verkehrs aber nicht realisierbar, sondern es ergäben sich nur ca. 14 Stellplätze auf FlNr. … und ca. 40 Stellplätze auf FlNr. … Das setze aber voraus, dass diese Stellplätze abmarkiert seien. Dazu müssten die Flächen begradigt und mit Stützmauern befestigt werden. Dies sei aber nicht beabsichtigt. Die theoretisch möglichen 54 Stellplätze seien tatsächlich nicht vorhanden, sondern es gäbe aller Wahrscheinlichkeit nach weniger als 40 Stellplätze. Außerdem sei die Zufahrt zum Parkplatz auf FlNr. … auf einer Länge von ca. 30 m nur 3,26 m breit und sehr unübersichtlich. Dies führe in Spitzenstunden zu einem nicht reibungslosen Park-Such-Verkehr. Verstärkt werde das Problem durch den ca. 180 bis 200 m entfernt liegenden Parkplatz auf FlNr. …, denn zuerst werde eine Parkmöglichkeit direkt bei der Gaststätte gesucht und dann erst werde dieser Parkplatz angefahren. Dies widerspreche dem Gebot der Rücksichtnahme in Bezug auf die angrenzende Wohnbebauung. Zudem werde noch darauf hingewiesen, dass der Neubau gemäß dem Abstandsflächenplan an seiner Ostseite bis auf ca. 80 cm an die westliche Grundstücksecke der FlNr. … heranreiche. Die Nutzung der Zufahrt zum Carport sowie zu den Stellplätzen auf FlNr. … sei nur unter Nutzung eines dreiecksförmigen Grundstücksteils der FlNr. … möglich und ohne eine entsprechende Grunddienstbarkeit rechtlich nicht möglich. Die Erschließung sei daher nicht gesichert.
Der Antragsgegner hat den Ergänzungsbescheid vorgelegt und ausgeführt, die Änderung der Sach- und Rechtslage sei zugunsten des Bauherrn zu berücksichtigten. Einen Antrag hat er nicht gestellt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet, denn die Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 24. September 2020 wird unter Berücksichtigung des Ergänzungsbescheids vom 10. September 2021 voraussichtlich nicht erfolgreich sein. Die noch innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO vorgetragene Änderung der Sach- und Rechtslage durch Erlass des Ergänzungsbescheids ist im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 146 Rn. 29; BayVGH, B.v. 9.6.2020 – 15 CS 20.901 – juris Rn. 20). Die Interessenabwägung im Rahmen des § 80a Abs. 1, 3, § 80 Abs. 5 VwGO, § 212a Abs. 1 BauGB, die sich maßgeblich an den summarisch zu prüfenden Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs orientiert, fällt daher nunmehr zugunsten der Beigeladenen aus.
1. Durch den Ergänzungsbescheid vom 10. September 2021 leidet die Baugenehmigung vom 24. September 2020 nicht mehr an Bestimmtheitsmängeln gemäß Art. 37 BayVwVfG. Nunmehr ist durch die einbezogene Betriebsbeschreibung klargestellt, dass entweder nur die neue Terrasse oder nur die Innenräume der Gaststätte genutzt werden dürfen. Damit bestehen diesbezüglich keine Bedenken mehr gegen das Schallschutzgutachten, das nur die Geräusche von der Terrasse aber nicht die Geräusche aus den geschlossenen Gasträumen angesetzt hat. Es erscheint nämlich ausgeschlossen, dass die nach außen dringenden Geräusche aus den geschlossenen Gasträumen, insbesondere aus dem im östlichen Gebäudeteil situierten neuen Gastraum mit 51 Sitzplätzen, die für die Terrasse mit 100 Sitzplätzen einschließlich der Musikdarbietungen angesetzten Werte übersteigen können.
Die Baugenehmigung ist auch nicht hinsichtlich der von den Beigeladenen angebotenen Möglichkeit zur Ausrichtung von Festen und Feiern zu unbestimmt. Mit der Betriebsbeschreibung, die Bestandteil des Ergänzungsbescheids vom 10. September 2021 ist, ist festgelegt, dass grundsätzlich nur Feste und Feierlichkeiten mit bis zu 50 Personen und nur ausnahmsweise größere Veranstaltungen angeboten werden. Eine Auslegung der Betriebsbeschreibung ergibt, dass die Beschränkung auf einen Betrieb entweder innen oder auf der Terrasse, für diese Veranstaltungen ebenfalls Gültigkeit hat, denn eine Ausnahme für solche Veranstaltungen ist nicht formuliert. Es ist daher weder dargelegt noch ersichtlich, welche Änderungen durch solche Feierlichkeiten an der Lärmprognose erforderlich sein sollten.
2. Auch die übrigen von der Antragstellerin vorgetragenen Punkte, die das Verwaltungsgericht nicht abschließend geprüft hat, führen nicht dazu, dass die Beschwerde zurückzuweisen wäre.
2.1 Hinsichtlich der Frage, ob es sich (noch) um ein Dorfgebiet i.S.d. § 5 BauNVO handelt, trifft die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, es reiche aus, wenn überhaupt noch landwirtschaftliche Wirtschaftsstellen vorhanden sind (vgl. BayVGH, B.v. 23.2.2021 – 15 CS 21.403 – juris Rn. 66) grundsätzlich zu. Offensichtlich befindet sich zumindest auch noch eine landwirtschaftliche Hofstelle im Ortsteil R* …, denn die Antragstellerin macht geltend, es handele sich nicht um ein Dorfgebiet, da keine Wirtschaftsstellen land- und forstwirtschaftlicher Betriebe oder nicht wesentlich störende Gewerbebetriebe in ausreichender Zahl vorhanden seien. Damit gesteht sie zu, dass es derartige Betriebe jedenfalls in geringer Zahl noch gibt. Ob es sich dabei nur um Nebenerwerbsbetriebe handelt, die möglicherweise zur Prägung eines Dorfgebiets nicht ausreichen (vgl. Revisionszulassung: BVerwG, B.v. 21.9.2021 – 4 BN 2/21 – juris Rn. 2), und ob dann ggf. von einem Mischgebiet ausgegangen werden kann, muss im Hauptsacheverfahren aufgeklärt und entschieden werden.
2.2 Der von der Antragstellerin gerügte Abstandsflächenverstoß liegt nicht vor. Abstandsflächen werden nach Art. 6 Abs. 4 Satz 1 2. Halbsatz BayBO senkrecht zur Wand gemessen. Gemäß dem genehmigten Abstandsflächenplan kommen die Abstandsflächen des neuen Carports und der neuen östlichen Außenwand der Wohnung im Untergeschoss deshalb auf den Baugrundstücken zu liegen, obwohl die nordöstliche Ecke des Carports sich in einem Abstand von weniger als 3 m zur Grundstücksgrenze der FlNr. … befindet. Die Ausführungen der Antragstellerin, der Neubau reiche gemäß dem Abstandsflächenplan an seiner Ostseite bis auf ca. 80 cm (orthogonal gemessen) an die westliche Grundstücksecke der FlNr. … heran, berücksichtigt nicht, dass angesichts des ungewöhnlichen Grundstückszuschnitts kein Verstoß gegen die Abstandsflächenvorschriften besteht.
2.3 Die Frage, ob die Gäste der streitgegenständlichen Gaststätte im Rahmen der für den Beigeladenen zu 2 bestellten Grunddienstbarkeit oder möglicherweise im Rahmen eines Notwegerechts die Zufahrt zu den Parkplätzen auf FlNr. …, die in einem kleinen Bereich über die FlNr. … führt und wohl schon seit langer Zeit besteht, benutzen dürfen, ist eine zivilrechtliche Angelegenheit und führt nicht zur Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung, denn diese wird nach Art. 68 Abs. 4 BayBO unbeschadet der Rechte Dritter erteilt. Das bedeutet, dass über die Vereinbarkeit privater Rechte Dritter mit dem Bauvorhaben im Baugenehmigungsverfahren nicht entschieden wird. Die Baugenehmigung sagt über solche Rechte nichts aus und wirkt sich demnach auf sie auch nicht aus. Daher begründet ein privates Recht grundsätzlich auch kein Abwehrrecht des Nachbarn gegen die Baugenehmigung, sondern muss vor den ordentlichen Gerichten geltend gemacht werden (vgl. BayVGH, B.v. 7.9.2020 – 15 CS 20.1832 – juris Rn. 14 m.w.N.).
2.4 Auch die Anzahl und die Situierung der Stellplätze führen voraussichtlich nicht zu einer Verletzung von Rechten der Antragstellerin. Unabhängig davon, ob es überhaupt erforderlich gewesen wäre, sämtliche für die Gaststätte mit Hotel und die Wohnungen nach § 20 GaStellV notwendigen Parkplätze (nach Nr. 5 des Bescheids vom 24.9.2020 insgesamt 49 Stellplätze, davon 47 Stellplätze für die Gaststätte/Hotel und 2 Stellplätze für die Wohnungen) nachzuweisen, und ob sich die erforderliche Stellplatzanzahl gegenüber dem früher genehmigten Zustand überhaupt wesentlich erhöht hat, da nach dem Ergänzungsbescheid entweder nur die Terrasse oder nur der Innenbereich genutzt werden dürfen und auch die frühere Terrasse mit einer Größe von 170,88 m2 weggefallen ist, ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin durch die Genehmigung oder Nutzung der Parkplätze in ihren Rechten verletzt wird. Die Verpflichtung, bei der Änderung von Anlagen Stellplätze in solcher Zahl und Größe herzustellen, dass die Stellplätze die durch die Änderung zusätzlich zu erwartenden Kraftfahrzeuge aufnehmen können, dient ausschließlich dem öffentlichen Interesse an der Entlastung der öffentlichen Verkehrsflächen vom ruhenden Verkehr (stRspr: vgl. z.B. BayVGH, B.v. 25.8.2009 – 1 CS 09.287 – juris Rn. 39) und vermittelt der Antragstellerin keine subjektiven Rechte.
Durch die genehmigten Stellplätze entsteht bei summarischer Prüfung auch kein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Dem Rücksichtnahmegebot kommt drittschützende Wirkung zu, soweit in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist. Die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, hängen wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem gegenüber Rücksicht genommen werden muss, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (zum Ganzen vgl. BayVGH, B. v. 4.12.2019 – 15 CS 19.2048 – juris Rn. 23 m.w.N.; B.v. 9.6.2020 – 15 CS 20.901 – juris Rn. 27). Gemäß dem mit Ergänzungsbescheid vom 10. September 2021 zum Gegenstand der Baugenehmigung gemachten Stellplatznachweis mit Stand 18. März 2021 werden insgesamt 60 Stellplätze, nämlich 17 Stellplätze auf FlNr. … und 43 Stellplätze auf FlNr. … in ausreichender Größe nachgewiesen und 1 Stellplatz steht im Carport zur Verfügung. Ob die nach der Stellplatzberechnung neben dem Carport noch erforderlichen 48 offenen Stellplätze mit Inbetriebnahme der neuen Räumlichkeiten tatsächlich hergestellt werden und nutzbar sind, ist keine Frage der Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung, sondern eine Frage des Vollzugs. Angesichts der Pläne und Luftbilder ist aber nicht ersichtlich, dass die Parkplätze nur mittels genehmigungsbedürftiger Geländeveränderungen oder der Errichtung von Stützmauern usw. nutzbar sein könnten. Zwar steigt das Gelände auf beiden Parkplätzen von Süd nach Nord an, aber es sind schon umfangreiche Parkmöglichkeiten auf den beiden Grundstücken vorhanden und es ist nicht ersichtlich, dass durch die Geländebeschaffenheit die Herstellung weiterer Parkplätze unmöglich sein könnte. Allerdings erscheint unklar, ob die eingeschränkte Nutzung der auf den beiden Parkplätzen jeweils östlich situierten Stellplätze gemäß Nr. 21 der Auflagen zum Bescheid vom 24. September 2020 auch für den aktualisierten Stellplatzplan Gültigkeit beanspruchen soll, denn dort sind keine Stellplätze blau umrandet. Darauf kann sich die Antragstellerin aber nicht berufen, denn es handelt sich hierbei nicht um Auflagen zum Schutz der Antragstellerin, deren Wohnnutzung auf FlNr. … nicht an diese Stellplätze angrenzt, sondern sich von beiden Parkplätzen jeweils über 50 m entfernt befindet. Soweit die Antragstellerin vorträgt, durch die beschränkte Zahl an Stellplätzen auf FlNr. … und die enge Zufahrt entstünden chaotische Verkehrsverhältnisse und damit eine erhebliche Lärmbelastung an ihrem Wohnhaus, kann dem nicht gefolgt werden. Die Zufahrt auf FlNr. … ist nach Angaben der Antragstellerin nur 30 m lang und nach den Lageplänen überschaubar. Es ist daher davon auszugehen, dass die Fahrzeuge warten und sich gegenseitig ausweichen können. Nachdem gemäß dem Schallschutzgutachten sogar mit einer Anzahl von insgesamt 71 Parkplätzen (davon 23 auf FlNr. …*) keine Überschreitung der einschlägigen Lärmwerte am Anwesen der Antragstellerin zu erwarten ist, erscheint es ausgeschlossen, dass nach der Reduzierung auf die nunmehr genehmigten 61 Parkplätze (davon 17 auf FlNr. …*) oder gar einer Herstellung nur der erforderlichen 49 Stellplätze eine rücksichtslose Lärmbelastung entsteht.
3. Der Antrag ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Es entspricht dabei der Billigkeit, dass die Antragstellerin auch die Kosten der beschwerdeführenden Beigeladenen erstattet (§ 162 Abs. 3 VwGO). Nach § 155 Abs. 4 VwGO trägt der Antragsgegner die Kosten der ersten Instanz (vgl. Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 155 Rn. 103) und es kann diesbezüglich bei der verwaltungsgerichtlichen Kostenentscheidung verbleiben, da erst durch den Ergänzungsbescheid dem Bestimmtheitserfordernis nach Art. 37 BayVwVfG genügt wurde.
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 25. Auflage 2019, Anh. § 164 Rn. 14) und entspricht der Festsetzung des Streitwerts durch das Verwaltungsgericht, gegen die keine Einwände erhoben worden sind.
5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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