Baurecht

Erfolgreicher Eilantrag der Nachbarn gegen Neubau eines Bürogebäudes – Abstandflächen

Aktenzeichen  15 CS 19.2013

Datum:
7.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 2738
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5, § 80a Abs. 3, § 113 Abs. 1 S. 1, § 146
BayBO Art. 6 Abs. 2 S. 3, Abs. 5 S. 2, Art. 59
BauGB § 34 Abs. 1, Abs. 2
BauNVO § 8, § 11 Abs. 3

 

Leitsatz

1. Mit Blick auf die zeitlichen Grenzen, denen ein gerichtliches Eilverfahren auch in der Beschwerdeinstanz unterliegt, muss die Durchführung eines Augenscheins dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Festellungs- bzw. Tatbestandswirkung einer Baugenehmigung erstreckt sich nicht auf die Begründung, warum ein bauliches Vorhaben mit den §§ 29 ff. BauGB übereinstimmt. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ob eine vorhandene, nicht genehmigte Bebauung bei der Bestimmung der Eigenart der näheren Umgebung zu berücksichtigen ist, hängt davon ab, ob diese in einer Weise geduldet wird, die keinen Zweifel daran lässt, dass die zuständigen Behörden sich mit ihrem Vorhandensein abgefunden haben. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
4. Kommen in einem unbeplanten Innenbereich in prägender Weise kerngebietsspezifische Einzelhandelsnutzungen i.S.v. § 11 Abs. 3 BauNVO mit sonstigen Gewerbebetrieben zusammen, scheidet eine Einordnung als faktisches Gewerbegebiet regelmäßig aus. Es ist dann von einer sog. Gemengelage auszugehen, für die als bauplanungsrechtlicher Zulässigkeitsmaßstab hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung die allgemeine Regel des § 34 Abs. 1 BauGB heranzuziehen ist. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 2 S 19.1514 2019-09-20 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Die Beschwerden werden zurückgewiesen.
II. Die Antragsgegnerin und die Beigeladene tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens jeweils zur Hälfte.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,– Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsgegnerin und die Beigeladene wenden sich jeweils als Rechtsmittelführer im Beschwerdeverfahren gegen einen im Verfahren gem. § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO ergangenen Eilbeschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg, mit dem die aufschiebende Wirkung einer (Nachbar-) Anfechtungsklage der Antragstellerinnen gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für den Neubau eines Bürogebäudes auf dem Baugrundstück (FlNr. …/4 der Gemarkung …) angeordnet wurde. Die Antragstellerinnen sind zu je 1/8 Miteigentümer der östlich an das Baugrundstück angrenzenden Grundstücke FlNr. …/9 (Privatweg) sowie der mit zwei Gebäuden (D… Str. 170 und 170a) bestückten FlNr. …/14 (im Folgenden: Antragstellergrundstück).
Das Baugrundstück liegt im Zentrum eines (nach BayernAtlasPlus) über 10 ha großen Gebiets, das im Norden durch die D… Straße, im Süden durch die W…-Allee, im Westen durch die V…straße und im Osten durch ein auf der gedachten Linie zwischen der FlNr. … (nördlich) und der FlNr. …/39 (südlich) beginnendes Gebiet mit einer im Ganzen deutlich kleinstrukturierten (wohl überwiegend Wohn-) Bebauung begrenzt wird. Das o.g. Gebiet mit dem Baugrundstück ist bezogen auf die Gesamtfläche weit überwiegend gewerblich sowie durch Einzelhandel bzw. Handel geprägt (vgl. die von der Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 21. Oktober 2019 vorgelegten und beschrifteten Luftbilder aus „Google Maps“ sowie die Auflistung auf Seiten 10 f. des erstinstanzlichen Schriftsatzes der Antragsgegnerin vom 3. September 2019), wobei die Architektur in Form großflächiger Gewerbeanlagen dominiert. Ursprünglich befand sich auf dem Areal eine Lederfabrik. Nachdem diese ihren Betrieb eingestellt hatte, gab es im Jahr 1975 auf Seiten der Antragsgegnerin Überlegungen (Vorplanungen) zur Aufstellung eines Bebauungsplans zur Ansiedlung von Betrieben des produzierenden Gewerbes, die dann aber nicht realisiert wurden.
Auf dem Baugrundstück befand sich ein – zwischenzeitlich abgerissenes – mit Bescheid vom 16. Dezember 1975 genehmigtes Wohngebäude (D… Str. 162). Die Baugenehmigung, die vormals wohl tatsächlich dem Betreiber eines unmittelbar westlich angrenzenden Gewerbebetriebs erteilt wurde, die allerdings keine ausdrückliche Beschränkungsregelung hinsichtlich des Nutzerkreises (Betriebsleiter, betriebsbezogene Personen o.ä.) enthält, bezog sich auf das Vorhaben „Neubau eines Einfamilienwohnhauses mit Garage“. Daneben existieren im o.g. 10 ha großen Gesamtareal weiterhin – derzeit acht – im Verhältnis zur sonstigen Umgebungsbebauung kleinere Gebäude, die jedenfalls tatsächlich auch wohnlich genutzt werden:
– Im Norden des Antragstellergrundstücks befindet sich ein heute (auch) zur Wohnnutzung vermietetes Gebäude (D… Str. 170). Die Antragsgegnerin hat hierzu Pläne aus dem Jahr 1923 vorgelegt, worin das Gebäude als „Pförtner- und Kantinengebäudes der Feinlederwerke der Herren …“ bezeichnet wird und wonach im Erdgeschoss u.a. ein Pförtnerraum und ein Kantinenraum sowie im ersten Stock eine Wohnung dargestellt ist. Laut den vorgelegten Unterlagen der Antragsgegnerin sind die jetzigen Bewohner dort seit September 2013 einwohnermelderechtlich erfasst. Im Süden des Grundstücks – östlich des streitgegenständlichen Vorhabens, durch den Privatweg (FlNr. …/9) getrennt – befindet sich ein weiteres Gebäude (D… Str. 170a); die von der Antragsgegnerin vorgelegten Plänen aus dem Jahr 1923 weisen in dessen Erdgeschoss diverse „Büro“-Räume sowie ein „Laboratorium“ aus. Auch dieses Gebäude wird heute – ohne dass eine Baugenehmigung hierfür vorliegt – tatsächlich auch zu allgemeinen Wohnzwecken genutzt, wobei nach den vorliegenden Unterlagen mehrere Bewohner seit November 1991 sowie ein weiterer Bewohner seit Mai 2010 unter dieser Adresse melderechtlich erfasst sind.
– Östlich an das Antragstellergrundstück grenzt die FlNr. …, in deren Zentrum sich ein Gebäude (D… Str. 172) befindet, das seit vielen Jahren wohl tatsächlich allgemein (nicht betriebsbezogen) wohnlich genutzt wird und das auf Basis einer seinerzeit an „Herrn F… …, Fabrikbesitzer“ adressierten baupolizeilichen Bewilligung vom 10. / 24. Mai 1937 für „einen Wohnhausneubau“ errichtet wurde.
– Auf der südlich an das Baugrundstück angrenzenden FlNr. …/5 (D… Str. 164) steht ebenfalls ein Wohnhaus, das mit Bescheid vom 16. Dezember 1975 in der Fassung des (Tektur-) Bescheids vom 28. April 1976 als „Einfamilienhaus mit Garage“ genehmigt wurde, ohne dass in die Genehmigungsbescheide eine ausdrückliche Beschränkungsregelung hinsichtlich des Nutzerkreises aufgenommen wurden. Eine Ergänzungsbaugenehmigung für das Objekt vom 27. August 1987 (Gegenstand: „Änderung des Treppenhauses und der Dachform“) beinhaltet eine Nebenbestimmung, die wie folgt lautet: „Gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO sind im Gewerbegebiet Wohnungen nur ausnahmsweise für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter zulässig. Die Wohnung darf durch einen anderen Personenkreis nicht genutzt werden.“ Das genehmigte Änderungsvorhaben scheint – soweit nach Aktenlage ersichtlich – nicht umgesetzt worden zu sein.
– An der Westflanke des o.g. ca. 10 ha großen Gesamtareals liegen ca. 150 m westlich des Baugrundstücks an der Ostseite der V…straße im Bereich der Straßenkreuzung zur D… Straße vier wohngenutzte Gebäude in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander: Auf der FlNr. … (Ecke V…straße – D… Straße) stehen zwei Gebäude, die heute – soweit nach Aktenlage ersichtlich – allgemein (d.h. nicht betriebsbezogen) wohnlich genutzt werden. Für das nördlichere Wohnhaus (D… Str. 148) wurde von der Antragsgegnerin unter dem 2. / 13. Oktober 1936, adressiert an „Herrn A… …, Fabrikant“, eine baupolizeiliche Bewilligung für „den Neubau eines Einfamilienhauses“ (ohne weitere ausdrückliche nutzungsbezogene Einschränkung) erlassen. Für das südlichere Gebäude (D… Str. 148a) erteilte die Antragsgegnerin dem Fabrikanten A… … im Jahr 1948 eine bauaufsichtliche Bewilligung für „die Errichtung eines Garagen- und Wohngebäudes“; unter dem 16. Januar 1964 erteilte die Antragsgegnerin für dieses Gebäude eine weitere bauaufsichtliche Genehmigung für „eine Wohnhauserweiterung“. Für die südlich angrenzende FlNr. …/4 (V…str. 34) wurde unter dem 11. Juni 1979 – inhaltlich ohne Betriebsbezug – eine Baugenehmigung für den „Neubau eines Einfamilien-Wohnhauses mit Garage“ erteilt; der Bauherr gab im Zuge des Baugenehmigungsverfahrens eine von ihm unter dem 28. Mai 1979 unterzeichnete „Verpflichtungserklärung“ ab, wonach er zum einen „auf Schadensersatz wegen evtl. Immissions- oder Emissionseinwirkungen aus der umliegenden gewerblichen Bebauung“ verzichte und sich zum andern verpflichtete, „keine Einwände gegen den künftigen Flächennutzungsplan bzw. gegen evtl. Bebauungsplanfestsetzungen geltend zu machen“. Ein entsprechender Hinweis wurde in die Baugenehmigung aufgenommen. Schließlich existiert weiter südlich an der Ostseite der V…straße im Anschluss an die unbebaute FlNr. …/3 auf der FlNr. …/1 ein weiteres Wohngebäude (V…str. 30). Dieses wurde unter dem 10. November 1980 als „Einfamilien-Wohnhaus mit Einliegerwohnung“ (mit der Nebenbestimmung: „Das Vorhaben ist im Gewerbegebiet ausnahmsweise gemäß § 8 Abs. 3 Ziff. 1 BauNVO zulässig.“) genehmigt. Mit Bescheid vom 18. April 1988 wurde hierfür eine Aufstockung mit folgender Nebenbestimmung genehmigt: „Die zusätzliche vorgesehene Wohnung ist ausnahmsweise zulässig (§ 8 (3) BauNVO, wenn sie durch betriebsbezogene Personen bewohnt werden soll, also z.B. Aufsichts- und Bereitschaftspersonen, Betriebsinhaber, Betriebsleiter oder dergl.“ Das Gebäude wird nach den Angaben der Antragsgegnerin vom ehemaligen Betreiber eines Autohauses bewohnt.
Unter dem 11. Juli 2017 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen im vereinfachten Verfahren nach Maßgabe der bis zum 31. August 2018 geltenden Altfassung des Art. 59 BayBO (d.h. ohne Prüfung der bauordnungsrechtlichen Abstandsflächen) eine bestandskräftig gewordene Baugenehmigung für das Bauvorhaben „Neubau eines Bürogebäudes“ auf dem Baugrundstück. Nachdem der Rechtsvorgänger der Antragstellerinnen geltend gemacht hatte, das Vorhaben der Beigeladenen halte in Richtung des Antragstellergrundstücks nicht die gesetzlichen Abstandsflächen gem. Art. 6 BayBO ein (vgl. hierzu auch das beim Verwaltungsgericht parallel anhängige Verfahren RO 2 K 18.1785), die Bauarbeiten zwischenzeitlich deswegen gestützt auf Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO vorübergehend im Juli 2018 eingestellt worden waren und die Beigeladene sodann einen Änderungsantrag eingereicht hatte, erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen die streitgegenständliche Änderungsgenehmigung vom 25. März 2019. Nach den hierzu vorgelegten, mit Genehmigungsvermerk versehenen Bauvorlagen wird u.a. das Obergeschoss des geplanten Vorhabens an der Ostseite so eingerückt, dass eine seitens der Antragsgegnerin aufgrund einer angenommenen Lage in einem faktischen Gewerbegebiet als gem. Art. 6 Abs. 5 Satz 2 BayBO ausreichend eingestufte Abstandsfläche von 0,25 H in Richtung des Antragstellergrundstücks nunmehr an der Ostgrenze des Baugrundstücks zum Liegen kommt. Am 24. April 2019 haben die Antragstellerinnen beim Verwaltungsgericht Regensburg Klage erhoben mit dem Antrag, den Bescheid vom 25. März 2019 aufzuheben. Hierüber wurde – soweit nach Aktenlage ersichtlich – noch nicht entschieden.
Mit den Beteiligten noch an demselben Tag per Telefax zugestellten Beschluss vom 20. September 2019 hat das Verwaltungsgericht Regensburg im Verfahren nach § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 VwGO auf den Antrag der Antragstellerinnen die aufschiebende Wirkung ihrer Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 25. März 2019 angeordnet. Ein Rechtsschutzinteresse der Antragstellerinnen – so die Begründung des Beschlusses – bestehe trotz der Bestandskraft der fortgeltenden Ausgangsbaugenehmigung, weil diese im vereinfachten Verfahren gemäß der bis 31. August 2018 geltenden alten Fassung des Art. 59 BayBO, also ohne Prüfung der Anforderungen des Art. 6 BayBO, ergangen sei. Demgegenüber sei die streitgegenständliche Änderungsgenehmigung vom 25. März 2019 nach der seit 1. September 2018 geltenden Neufassung des Art. 59 BayBO zu beurteilen, wonach das Abstandsflächenrecht wieder im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sei. Die Änderungsgenehmigung betreffe gerade Fragen des Abstandsflächenrechts und regele diese für das Bauvorhaben neu. Auch eine Verwirkung der verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzmöglichkeiten liege nicht vor. Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz sei begründet, weil die von den Antragstellerinnen erhobene Anfechtungsklage voraussichtlich erfolgreich sei. Die Aktenlage spreche dafür, dass die Antragstellerinnen durch den angefochtenen Bescheid aufgrund eines Verstoßes gegen die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften in ihren Rechten verletzt seien. Die Annahme der Antragsgegnerin, es handele sich bei der näheren Umgebung des Baugrundstücks um ein faktisches Gewerbegebiet i.S. des § 34 Abs. 2 BauGB i.V. mit § 8 BauNVO sei voraussichtlich nicht zutreffend. Die hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung prägende relevante nähere Umgebung sei wohl durch die D… Straße im Norden, die W… Allee im Süden, die V…straße im Westen und schließlich im Osten durch die nördlich und südlich entlang der Straße „An der S…“ bestehende Wohnbebauung abgesteckt. Bei der Frage der Gebietsprägung sei auf die tatsächlich vorhandene Bebauung und Nutzung abzustellen und nicht auf die formale Genehmigungslage. Für die Beurteilung sei alles in den Blick zu nehmen, was im maßgeblichen Zeitpunkt der Genehmigungserteilung tatsächlich vorhanden sei und nach außen wahrnehmbar in Erscheinung trete. Auch für die nach § 34 Abs. 1 und Abs. 2 BauGB maßgebliche Art der baulichen Nutzung sei auf die tatsächliche und ausgeübte Nutzung abzustellen. In dem betroffenen Geviert befänden sich Wohnungen, die von vornherein nicht als gewerbliche Betriebsleiterwohnungen genehmigt und genutzt worden seien. Jedenfalls lägen Wohnungen vor, die seit längerer Zeit ohne Zusammenhang mit einem Gewerbebetrieb zu Wohnzwecken genutzt würden. Eine für die Einstufung eines Gebiets nach § 34 Abs. 2 BauGB relevante Nutzung als Betriebsleiterwohnung sei nach außen von einer nicht betriebsbezogenen Wohnnutzung nicht ohne weiteres abgrenzbar. Es spreche viel dafür, dass man es für eine Erkennbarkeit nach außen genügen lasse, wenn etwa durch Wegzug des bisher dort wohnenden Betriebsangehörigen neue Bewohner ohne erkennbare Betriebszugehörigkeit einziehen und etwa im Melderegister erfasst würden oder wenn durch Aufgabe, Übergabe oder Veräußerung des Betriebs die Voraussetzungen einer betrieblichen Nutzung einer Wohnung entfallen seien. Tatsächlich vorhandene Baulichkeiten und Nutzungen blieben bei der Frage der Gebietsprägung nur dann außer Betracht, wenn das Verhalten der zuständigen Behörden hinreichend klar ergebe, dass die Beseitigung oder die Unterbindung einer Nutzung absehbar sei. Unabhängig davon, dass sich diese Frage bei den ohne Zusammenhang mit einem Gewerbebetrieb genehmigten Wohnhäusern aufgrund ihres Bestandschutzes schon nicht stelle, sei insofern der Hinweis der Antragsgegnerin, dass sie sich ein bauordnungsrechtliches Einschreiten u.a. gegen die Wohnnutzung auf dem Antragstellergrundstück vorbehalte, ungenügend. Die Antragsgegnerin habe zudem hinsichtlich diverser wohngenutzter Häuser im betroffenen Areal nicht plausibel dargelegt und nachgewiesen, dass diese ausschließlich zur betriebsbezogenen Nutzung genehmigt worden seien. Auf das bereits (teilweise) verwirklichte gewerbliche Vorhaben auf dem Baugrundstück dürfe bei der Prüfung der Gebietsprägung und Gebietseinstufung nicht abgestellt werden. Unabhängig von der Einordnung verbleibender streitiger Fälle, die sich im summarisch ausgerichteten Eilverfahren nicht endgültig klären ließen, rechtfertigten jedenfalls die tatsächlich vorhandenen nicht betriebsbezogenen Wohnnutzungen – die nicht als singuläre Fremdkörper zu werten seien – den Schluss, dass die nähere Umgebung des Bauvorhabens nicht einem Gewerbegebiet i.S. von § 8 BauNVO entspreche. Damit scheide eine Reduzierung der gesetzlich vorgeschriebenen Abstandsflächen auf 0,25 H in entsprechender Anwendung des Art. 6 Abs. 5 Satz 2 BayBO aus. Greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 5 Satz 4 BayBO bestünden nicht. Im Übrigen falle trotz der gesetzlichen Wertung aus § 212a Abs. 1 BauGB – u.a. unter Berücksichtigung der Gefahr einer Schaffung vollendeter Tatsachen sowie des Beeinträchtigungsgrads der benachbarten Antragstellerinnen in ihren Interessen aus Art. 6 BayBO – die vorzunehmende Abwägung der widerstreitenden Interessen auch dann zugunsten der Antragstellerinnen aus, wenn die Erfolgsaussichten der Klage als offen bewertet würden. Hierbei sei auch zu berücksichtigen, dass nach Lage der Dinge die Rechtsverletzung der Antragstellerinnen ggf. nicht durch geringfügige bauliche Veränderungen an dem entstehenden Bürogebäude beseitigt oder zumindest auf ein zumutbares Maß reduziert werden könne, sondern dass das Bauvorhaben wesentlich modifiziert werden müsste oder sogar als solches in Frage stehe. Auch erscheine eine Legalisierung des Bauvorhabens durch Erteilung einer – zumal nicht beantragten – Abweichung nach Art. 63 Abs. 1 BayBO im Hinblick auf Art und Ausmaß der Beeinträchtigung geschützter nachbarlicher Belange nach Aktenlage äußerst zweifelhaft, zumindest aber ungewiss. Jedenfalls bis zum Abschluss eines entsprechenden Verfahrens sei es vor dem Hintergrund der obigen Darlegungen der Beigeladenen zuzumuten, mit dem Bauvorhaben vorerst zuzuwarten, zumal es auch in ihrem Interesse liegen dürfte, ggf. unnütze Aufwendungen für die Errichtung des Bauwerks ebenso zu vermeiden wie erhebliche Beseitigungskosten.
Die Antragsgegnerin und die Beigeladene wenden sich mit ihren jeweils am 2. Oktober 2019 erhobenen und am 18. Oktober 2019 bzw. 21. Oktober 2019 (Montag) begründeten Beschwerden gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 20. September 2019.
Die Antragsgegnerin beantragt,
unter Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 20. September 2019 den Antrag der Antragstellerinnen auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage abzulehnen.
Sie trägt hierzu vor, die streitgegenständliche Baugenehmigung verletze weder das bauordnungsrechtliche Abstandsflächenrecht noch das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot. Durch die Einrückung des obersten Geschosses nach Maßgabe der genehmigten Bauvorlagen zur streitgegenständlichen Änderungsgenehmigung lägen die nach Art. 6 Abs. 5 Satz 2 BayBO zu bemessenden Abstandsflächen nunmehr vollständig auf dem Baugrundstück selbst. Diese Regelung sei anwendbar, weil die Eigenart der näheren Umgebung – was aufgrund der Ausgangsbaugenehmigung vom 11. Juli 2017 bestandskräftig feststehe sei und wie sich dies aus sämtlichen vorhandenen Baugenehmigungen ergebe – einem Gewerbegebiet entspreche (§ 34 Abs. 2 BauGB i.V. mit § 8 BauNVO ). Das Verwaltungsgericht habe seine Entscheidung ohne Heranziehung der einschlägigen Baugenehmigungen und damit auf Basis einer unzureichenden Ermittlung getroffen. Die beiden Gebäude auf dem Antragstellergrundstück seien nach den vorliegenden Unterlagen nur als reine Betriebsgebäude bestandsgeschützt. Diverse Wohngebäude in der relevanten Umgebung i.S. von § 34 Abs. 1 und Abs. 2 BauGB seien bei richtiger Auslegung der zugrunde liegenden Genehmigungsbescheide in entsprechender Anwendung von § 133 BGB der Sache nach ausschließlich zum betriebsbezogenen Wohnen genehmigt worden. Dies betreffe neben dem abgerissenen Wohngebäude auf dem Baugrundstück auch die Gebäude auf FlNr. …/5, …, … (D… Straße 148, 148a, 164 und 172). Bei älteren wohngenutzten Gebäuden sei auch zu berücksichtigen, dass diese in einem typischen Stil von Wohnhäusern von Betriebsinhabern gestaltet worden seien und dass die BauNVO erst im Jahr 1962 in Kraft getreten sei. Das Wohnhaus auf FlNr. …/1 (V…str. 30) sei für den Betriebsinhaber eines ehemaligen Autohauses unter ausdrücklicher Bezugnahme auf § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO genehmigt worden. Lediglich das Wohnhaus auf FlNr. …/4 (V…str. 34) sei ohne Betriebsbezug genehmigt worden und deshalb als nicht prägender Fremdkörper einzustufen. Die Anwesen D… Str. 164 (FlNr. …/5) und V…str. 30 (FlNr. …/1) würden weiterhin betrieblich bewohnt. Die Wohnhäuser D… Str. 172 (FlNr. …) und V…str. 34 (FlNr. …/4) würden weiterhin von Erben früherer Fabrikbesitzer bewohnt. Vier Gebäude gehörten den Erben der früheren Fabrikbesitzer; diese seien – im Bewusstsein der baurechtlichen Rechtswidrigkeit – für allgemeine Wohnzwecke vermietet worden. Das Verwaltungsgericht hätte die rechtswidrigen Wohnnutzungen nicht in die Betrachtung der Gebietsprägung einbeziehen dürfen. Sie – die Antragsgegnerin – habe diese mangels Kenntnis nicht geduldet, zumal eine rechtswidrige Umnutzung betroffener Gebäude zu allgemeinen Wohnzwecken nach außen hin nicht erkennbar und deswegen nicht bekannt gewesen sei. Sie habe sich nicht mit dem nunmehr vorgefundenen Bestand abgefunden, sondern prüfe ein bauaufsichtliches Einschreiten und werde im gebotenen und zulässigen Maß einschreiten. In den letzten Jahren habe es keine Beschwerden gegen unzulässige Nutzungen gegeben, sodass kein Anlass für ein bauordnungsrechtliches Einschreiten bestanden habe. Einer Erkennbarkeit einer rechtswidrigen Wohnnutzung auf Basis von Wohnsitzmeldungen und / oder Gewerbeabmeldungen seien praktische Grenzen gesetzt. Die Schlussfolgerung des Verwaltungsgerichts, dass die Unterbindung der Nutzung durch den Erlass einer Nutzungsuntersagung nicht absehbar sei, sei falsch. Ein bauaufsichtliches Einschreiten und hierzu zu erlassende Verfügungen bedürften einer umfassenden Prüfung und einer Aufklärung des Sachverhalts. Wohnnutzungen, die mangels eines zuzuordnenden Gewerbebetriebs nicht mehr als Betriebsleiterwohnungen i.S. von § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO anzusehen seien, seien als sog. Fremdkörper zu bewerten, die nicht mehr umgebungsprägend seien. Die in Gewerbegebieten üblichen Wohnungen für Aufsichts- und Betriebspersonal sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter seien räumlich derart eng mit den jeweiligen Betrieben verbunden, dass diese an einer gewerblich-industriellen Prägung des Gebiets nichts änderten. Tatsächlich bestünden in dem vom Verwaltungsgericht als umgebungsprägend angesehenen Gebiet nur drei Grundstücke mit einer allgemeinen Wohnnutzung (FlNrn. …, …/14 und …/4), während auf drei Grundstücken (FlNrn. …/5, … und …/1) noch ein genehmigtes betriebliches Wohnen fortdauere. Schließlich habe das Verwaltungsgericht zu Unrecht bei der Bestimmung der näheren Umgebung die „Wohninsel“ entlang der V…straße in die Bewertung der näheren Umgebung einbezogen. In der hier vorliegenden besonderen städtebaulichen Situation sei der westliche Randbereich des Gevierts an der V…straße mit seinen vier derzeit zu Wohnzwecken genutzten Anwesen durch eine bandartige Struktur geprägt. Hierbei handele es sich um freistehende, als Einfamilienhäuser genutzte Gebäude in erster Reihe mit Gartenflächen. Die Grundstücke seien im Verhältnis zur gewerblichen Nutzung deutlich kleiner geschnitten. In östlicher Richtung hieran schließe unmittelbar ein Bereich an, der durch gewerblich genutzte Hallen und Gebäude mit deutlich größeren Grundflächen und Baumassen geprägt sei. Die östlich zur „Wohninsel“ liegenden Grundstücke seien entsprechend einer gewerblichen Nutzung größer, dichter bebaut und deutlich stärker versiegelt. Die Bebauungen einerseits im westlichen Bereich an der V…straße und andererseits im östlich anschließenden Bereich seien jeweils für sich einheitlich geprägt, sodass sich der äußere Eindruck einer Wohnbebauung in erster Reihe an der Straße und einer gewerblichen Bebauung nach Osten hin ergebe. Diese baulich strukturelle Andersartigkeit der aneinandergrenzenden Bereiche rechtfertige es, das Geviert auch ohne künstliche oder natürliche Trennlinie hinsichtlich der für das Merkmal der Art der baulichen Nutzung maßgeblichen Umgebung in zwei unterschiedlich zu beurteilende Bereiche zu gliedern. Bei einer Ausgrenzung des westlichen Randbereichs entlang der V…straße aus der prägenden Umgebung liege in dem verbleibenden – für die Prägung maßgeblichen – östlichen anschließenden Umgebungsbereich lediglich ein Grundstück, das zu allgemeinen Wohnzwecken genutzt werde (FlNr. …/14).
Die Beigeladene beantragt mit derselben Zielrichtung, 15 den Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 22. September 2019 (gemeint: 20. September 2019) aufzuheben und den Antrag der Antragstellerinnen auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage abzulehnen, 16 und bringt vor, die nähere Umgebung sei als faktisches Gewerbegebiet (§ 34 Abs. 2 BauGB i.V. mit § 8 BauNVO) zu qualifizieren, sodass für das Bauvorhaben gem. Art. 6 Abs. 5 Satz 2 BayBO eine Abstandsfläche von H/4 gelte. Die Wohnbebauung entlang der V…straße im Westen des betroffenen Gevierts sei entgegen der Ansicht des Erstgerichts nicht in die nähere Umgebung des Baugrundstücks einzubeziehen. Schon nach den vorliegenden Luftbildaufnahmen stelle die dortige Wohnbebauung eine Insellage dar, die sich optisch durch die Situierung in einem Grüngürtel abgrenze. In der maßgeblichen näheren Umgebung des Bauvorhabens befänden sich demgegenüber ausschließlich gewerbliche Gebäude. Nicht genehmigte Nutzungen dürften entgegen dem Erstgericht nicht zur Bestimmung der näheren Umgebung herangezogen werden. Das Verwaltungsgericht habe fälschlich unterstellt, dass die Bauaufsichtsbehörde der Antragsgegnerin Kenntnis von baurechtswidrigen reinen Wohnnutzungen gehabt habe. Allein eine polizeiliche Meldung unter einer Anschrift im Gewerbegebiet begründe keine Kenntnis des Bauordnungsamts hinsichtlich einer rechtswidrigen Wohnnutzung. Im Falle offener Erfolgsaussichten müsse die Interessenabwägung zu ihren Gunsten ausgehen. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz sei erst zu einem Zeitpunkt gekommen, als die Bauarbeiten bis zur Decke des Erdgeschosses fortgeschritten gewesen seien und sie – die Beigeladene – schon erhebliche finanzielle Ausgaben im Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung getätigt habe. Aufgrund des bestehenden Bauvertrags mit dem ausführenden Unternehmen werde Letzteres aufgrund der eingetretenen Behinderungen zusätzliche Vergütungen geltend machen. Es stehe zu befürchten, dass das bauausführende Unternehmen nach Maßgabe vertraglicher Bestimmungen berechtigterweise kündige, was zu erheblichen Mehrkosten führe. Zudem sei bereits eine Abschlagszahlung an die Firmen geleistet worden, die mit der Lieferung der Heizung bzw. mit Elektroleistungen mündlich beauftragt worden seien. Das Abwarten der Hauptsacheentscheidung habe mithin erhebliche finanzielle Einbußen zur Folge. Sollten die beauftragten Firmen überhaupt bis zum Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens in erster Instanz ihre Verträge aufrechterhalte, drohe die Inanspruchnahme wegen Baustillstandkosten. Sollten die Verträge gekündigt werden, müssten neue Firmen zu dann höheren Preisen gesucht werden. Zudem sei beabsichtigt, das Baugrundstück mit Bebauung zu veräußern oder zu vermieten. Auch insofern habe sie durch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung mit erheblichen Vermögenseinbußen zu rechnen.
Die Antragstellerinnen beantragen,
die Beschwerden zurückzuweisen.
Gegen die Beschwerde der Antragsgegnerin wenden sie ein, dass Letztere mit neuem Sachvortrag zur Existenz betriebsbezogener Genehmigungen von Wohnnutzungen im Beschwerdeverfahren nach § 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO präkludiert sei. Die Antragsgegnerin habe die Genehmigungen im erstinstanzlichen Verfahren vorlegen können. Sie – die Antragstellerinnen – hätten demgegenüber ihre Einwände gegen die Heranziehung eines Maßes für die Abstandsflächen von H/4 frühzeitig bereits im September 2018 vorgebracht. Sie hätten ihren Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung umgehend gestellt, nachdem die Bauarbeiten nach zwischenzeitlichem Baustillstand wiederaufgenommen worden seien. Gehe man mit dem Verwaltungsgericht richtigerweise nicht von einem faktischen Gewerbegebiet aus, seien sie durch die streitgegenständliche Baugenehmigung in erheblichem Umfang in ihren Rechten aus dem bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenrecht verletzt. Soweit die Antragsgegnerin meine, bereits im Rahmen der ersten Baugenehmigung sei der Charakter als faktisches Gewerbegebiet bestandskräftig festgestellt worden, sei zu entgegnen, dass im Rahmen dieser ersten Baugenehmigung die Abstandsflächen gerade nicht geprüft worden seien, sodass diesbezüglich keine Möglichkeit einer erfolgreichen Rechtsmitteleinlegung bestanden habe. Deswegen habe man zunächst eine Klage auf bauordnungsrechtliches Einschreiten erhoben. Anlass zur Erhebung einer Anfechtungsklage habe erst mit Blick auf den späteren Änderungsbescheid bestanden, da nunmehr die Abstandsflächen wieder zu prüfen gewesen seien. Die Ausführungen der Antragsgegnerin seien jedenfalls inhaltlich nicht überzeugend. Die Antragstellerinnen verteidigen im Übrigen die erstinstanzliche Eilentscheidung und führen gegen die Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen aus, dass aufgrund tatsächlich ausgeübter Nutzungen in der Umgebung – zu der auch der westliche Bereich des Gevierts entlang der V…straße zähle – aus ihrer Sicht kein faktisches Gewerbegebiet vorliege und deshalb die Voraussetzungen für die Anwendung einer verkürzten Abstandsfläche nicht gegeben seien. Eine allgemeine Interessenabwägung müsse zulasten der Beigeladenen ausfallen. Die Beigeladene sei schon mit Schreiben vom 7. September 2018 darüber informiert worden, dass eine Abstandsfläche von H/4 nicht ausreiche. Die Beigeladene habe das zum damaligen Zeitpunkt erst bis zur Kellergeschossdecke verwirklichte Vorhaben zunächst gestoppt. Zudem sei im Oktober 2018 die Klage auf bauordnungsrechtliches Einschreiten beim Verwaltungsgericht erhoben worden. Sie – die Antragstellerinnen – hätten ihren Eilantrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die Baugenehmigung unmittelbar beim Verwaltungsgericht gestellt, nachdem sie erfahren hätten, dass die Bauarbeiten fortgeführt worden seien. Unabhängig von der Frage des Bestehens oder der Höhe eines Schadens könne es nicht zu ihren Lasten gehen, wenn die Beigeladene trotz Kenntnis einer unsicheren Rechtslage (nicht näher aufgeschlüsselte) finanzielle Ausgaben getätigt habe. Ob tatsächlich Baustillstandkosten anfielen und in welcher Höhe, sei nicht ersichtlich und auch nicht substantiiert dargelegt worden. Ebenso sei nicht ersichtlich, warum Ersatzfirmen zu höheren Preisen beauftragt werden müssten. Dem Umstand, dass ein Baustopp mit gewissen finanziellen Einbußen einhergehe, stehe die nachbarliche Beeinträchtigung entgegen, weil das Vorhaben mangels Einschlägigkeit des 16 m-Privilegs die volle Abstandsfläche von 1 H einzuhalten habe.
II.
Die zulässigen – insbesondere rechtzeitig gem. § 147 Abs. 1 VwGO erhobenen und rechtzeitig gem. § 146 Abs. 4 Abs. 1 VwGO i.V. mit § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 2 ZPO begründeten – Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen haben in der Sache keinen Erfolg.
Die von den Beschwerdeführern dargelegten Gründe (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) rechtfertigen keine Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses. Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage hat das Verwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht die aufschiebende Wirkung der gegen die streitgegenständliche Genehmigung gerichteten Anfechtungsklage angeordnet.
Im Rahmen eines Verfahrens nach § 80a Abs. 3 i.V. mit § 80 Abs. 5 VwGO trifft das Gericht aufgrund der sich im Zeitpunkt seiner Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage eine eigene Ermessensentscheidung darüber, ob die Interessen, die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts sprechen, oder diejenigen, die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streiten, höher zu bewerten sind. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen. Diese sind ein wesentliches, aber nicht das alleinige Indiz für und gegen den gestellten Antrag. Wird der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung voraussichtlich erfolgreich sein (weil er zulässig und begründet ist), so wird regelmäßig nur die Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen. Wird dagegen der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf voraussichtlich keinen Erfolg haben (weil er unzulässig oder unbegründet ist), so ist dies ein starkes Indiz für die Ablehnung des Antrages auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Sind schließlich die Erfolgsaussichten offen, findet eine allgemeine, von den Erfolgsaussichten unabhängige Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt.
Dritte – wie hier die Antragstellerinnen als Nachbarn – können sich nur dann mit Aussicht auf Erfolg gegen eine Baugenehmigung zur Wehr setzen, wenn diese rechtswidrig ist sowie die Rechtswidrigkeit auf der Verletzung einer Norm beruht, die gerade dem Schutz des betreffenden Dritten zu dienen bestimmt ist (vgl. BayVGH, B.v. 30.7.2019 – 15 CS 19.1227 – juris Rn. 15). Entgegen der Bewertung des Verwaltungsgerichts sieht der Senat die Frage, ob die Antragstellerinnen durch den streitgegenständlichen Genehmigungsbescheid vom 25. März 2019 in ihren durch das öffentliche Recht geschützten Belangen verletzt werden und die Anfechtungsklage gegen die streitgegenständliche Baugenehmigung deshalb voraussichtlich Erfolg haben wird, nach Aktenlage als offen an (vgl. im Folgenden 1.). Die mithin vorzunehmende allgemeine Interessenabwägung fällt zu Gunsten der Antragstellerinnen aus (s.u. 2.).
1. Nach summarischer Prüfung anhand der Akten lässt sich nicht hinreichend sicher beurteilen, ob die streitgegenständliche Baugenehmigung vom 25. März 2019 rechtswidrig ist und Rechte der benachbarten Antragstellerinnen verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Das bauordnungsrechtliche Abstandsflächenrecht rechnet nach Maßgabe der am 1. September 2018 in Kraft getretenen aktuellen Gesetzesfassung wieder zum Prüfprogramm im hier einschlägigen vereinfachten Genehmigungsverfahren (Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b BayBO), sodass dem Genehmigungsbescheid vom 25. März 2019 auch gegenüber den Antragstellerinnen Feststellungswirkung in Bezug auf die Vereinbarkeit des Vorhabens mit den drittschützenden Vorgaben des Art. 6 BayBO zukommt.
Sollte vorliegend – wie von der Beigeladenen und der Antragsgegnerin vertreten wird – das Bauvorhaben in einem faktischen Gewerbegebiet liegen, wären die Anforderungen des bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenrechts gem. Art. 6 BayBO in Richtung Osten (also in Richtung des Antragstellergrundstücks) eingehalten, weil dann gem. Art. 6 Abs. 5 Satz 2 BayBO die Einhaltung einer Abstandsfläche auf dem Baugrundstück selbst (vgl. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO) von 0,25 H bzw. mindestens 3 m genügt. Diesen Anforderungen würde das Bauvorhaben nach Maßgabe der vom Genehmigungsbescheid vom 25. März 2019 umfassten Bauvorlagen resp. nach Maßgabe des von den Beteiligten in seiner Richtigkeit nicht infrage gestellten (gestempelten) Abstandsflächenplans genügen. Gewerbegebiete i.S. von Art. 6 Abs. 5 Satz 2 BayBO sind nicht nur entsprechend durch Bebauungsplan ausgewiesene Baugebiete, sondern auch sog. „faktische Gewerbegebiete“, d.h. Bereiche eines nicht beplanten, im Zusammenhang bebauten Ortsteils, dessen Eigenart gem. § 34 Abs. 2 BauGB i.V. mit § 8 BauNVO hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung einem Gewerbegebiet entspricht (vgl. Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 6 Rn. 84; Dhom/Franz/Rauscher in Simon/Busse, BayBO, Stand: Dezember 2019, Art. 6 Rn. 269; Dirnberger in Jäde u.a., Die neue BayBO, Stand: Oktober 2018, Art. 6 Rn. 150 f.).
Sollte das Baugrundstück hingegen nicht in einem faktischen Gewerbegebiet liegen und deshalb Art. 6 Abs. 5 Satz 2 BayBO nicht anwendbar sein, würde die streitgegenständliche Baugenehmigung unter gleichzeitiger Verletzung subjektiver Nachbarrechte der Antragstellerinnen als Miteigentümer des Antragstellergrundstücks gegen Art. 6 BayBO verstoßen. In diesem Fall bliebe es mangels Einschlägigkeit des Schmalseitenprivilegs (Art. 6 Abs. 6 BayBO) bei der Bemessung der gesetzlichen Abstandsfläche von 1 H nach der Grundsatzregel in Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO, sodass sich die Abstandsfläche vor der Ostfassade des Bauvorhabens der Beigeladenen unzulässigerweise über den Privatweg FlNr. …/9 bis auf das Antragstellergrundstück erstrecken würde.
Ob das Vorhaben der Beigeladenen aus den mit der Beschwerde geltend gemachten Gründen voraussichtlich innerhalb eines faktischen Gewerbegebiets (§ 34 Abs. 2 BauGB i.V. mit § 8 BauNVO) liegt, deshalb den Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 5 Satz 2 BayBO unterfällt und somit den Anforderungen des drittschützenden Abstandsflächenrechts gerecht wird, kann anhand der Akten nicht sicher prognostiziert werden. Insbesondere bedarf es hierfür der Durchführung eines Augenscheins, der mit Blick auf die zeitlichen Grenzen, die ein gerichtliches Eilverfahren auch in der Beschwerdeinstanz unterliegt, vorliegend nicht im vorläufigen Rechtsschutzverfahren durchgeführt wird, sondern dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben muss (BayVGH, B.v. 16.12.2009 – 1 CS 09.1774 – juris Rn. 19), vgl. unten d). Darüber hinaus könnte es sich im Hauptsacheverfahren als erforderlich zeigen, auch weitere Nutzungen im betroffenen Geviert – nicht nur durch Inaugenscheinnahme, sondern auch durch Prüfung weiterer Genehmigungsunterlagen – näher in den Blick zu nehmen. Dies betrifft maßgeblich Einzelhandels- und Handelsnutzungen, soweit diese als sondergebiets- bzw. kerngebietstypisch i.S. von § 11 Abs. 3 BauNVO in Betracht kommen, weil auch hiervon die Einstufung der gem. § 34 Abs. 1, Abs. 2 BauGB maßgeblichen Umgebung des Baugrundstücks abhängen kann, s.u. e).
a) Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin steht nicht aufgrund der Baugenehmigung vom 11. Juli 2017, gegen die kein Rechtsmittel eingelegt wurde, bestandskräftig fest, dass das Baugrundstück innerhalb eines faktischen Gewerbegebiets gem. § 34 Abs. 2 BauGB i.V. mit § 8 BauNVO liegt. Die Regelungswirkung einer Baugenehmigung ist sowohl rechtsgestaltend als auch feststellend. Rechtsgestaltend wirkt sie, weil sie das präventive Verbot des Art. 55 Abs. 1 BayBO aufhebt und den Bau öffentlich-rechtlich freigibt. Die Feststellungs- (= Tatbestands-) Wirkung einer Baugenehmigung beschränkt sich auf die verbindliche Feststellung, dass das Vorhaben mit den öffentlich-rechtlichen Vorschriften des Genehmigungsmaßstabs nach dem jeweils einschlägigen Genehmigungsverfahren – hinsichtlich der Baugenehmigung vom 11. Juli 2017 also in Anwendung des Art. 59 BayBO in der damals (d.h. bis zum 31. August 2018 geltenden) Fassung – vereinbar ist (zum Ganzen vgl. Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 68 Rn. 3 ff.). Von der Tatbestandswirkung dieser vor dem Inkrafttreten der am 1. September 2018 in Kraft getretenen Gesetzesänderung erlassenen Baugenehmigung ist hiernach also lediglich die Feststellung umfasst, dass das (so genehmigte) Vorhaben der Beigeladenen gem. Art. 59 BayBO a.F. mit den bauplanungsrechtlichen Vorgaben gem. §§ 29 bis 38 BauGB sowie eventueller örtlicher Bauvorschriften, im Falle beantragter Abweichungen mit Art. 63 BayBO und den diesbezüglich betroffenen bauordnungsrechtlichen Normen sowie mit anderen öffentlich-rechtlichen Anforderungen, soweit wegen der Baugenehmigung eine Entscheidung nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entfällt, ersetzt oder eingeschlossen wird, übereinstimmt. Die Begründung, warum das Vorhaben mit §§ 29 ff. BauGB übereinstimmt – hier u.a. aufgrund der Ansicht der Antragsgegnerin, das Bauvorhaben liege in einem faktischen Gewerbegebiet gem. § 34 Abs. 2 BauGB i.V. mit § 8 BauNVO – ist hingegen nicht Bestandteil der Feststellungs- und damit der Regelungswirkung der Baugenehmigung, zumal im Text der Baugenehmigung vom 11. Juli 2017 diese Erwägung keinen Niederschlag gefunden hat.
b) Den Maßstab für die planungsrechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens bildet nach § 34 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BauGB die nähere Umgebung und das dort tatsächlich Vorhandene (vgl. BVerwG, U.v. 6.6.2019 – 4 C 10.18 – NVwZ 2019, 1456 = juris Rn. 13 m.w.N.; B.v. 14.10.2019 – 4 B 27.19 – juris Rn. 7 m.w.N.; Söfker in Ernst/ Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: September 2019, § 34 Rn. 35 m.w.N.). Maßstabsbildend ist die Umgebung, insoweit sich die Ausführung eines Vorhabens auf sie auswirken kann und insoweit, als die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst (BayVGH, U.v. 5.12.2005 – 1 B 03.2608 – BayVBl. 2006, 702 = juris Rn. 28; B.v. 30.1.2013 – 2 ZB 12.198 – juris Rn. 3 m.w.N.). Die Grenzen der näheren Umgebung lassen sich dabei nicht schematisch festlegen, sondern sind nach der tatsächlichen städtebaulichen Situation zu bestimmen, in die das für die Bebauung vorgesehene Grundstück eingebettet ist. Diese kann so beschaffen sein, dass die Grenze zwischen näherer und fernerer Umgebung dort zu ziehen ist, wo zwei jeweils einheitlich geprägte Bebauungskomplexe mit voneinander verschiedenen Bau- und Nutzungsstrukturen aneinanderstoßen. Der Grenzverlauf der näheren Umgebung ist mithin nicht notwendig davon abhängig, dass die unterschiedliche Bebauung durch eine künstliche oder natürliche Trennlinie (Straße, Schienenstrang, Gewässerlauf, Geländekante etc.) entkoppelt ist (BVerwG, B.v. 28.8.2003 – 4 B 74.03 – juris Rn. 2 m.w.N.). Neben der Perspektive des stehenden Menschen kann es für die Feststellung der maßgeblichen näheren Umgebung auch auf den „Blick von oben“ (Lagepläne, Luftbilder u. ä.) ankommen (BVerwG, B.v. 13. 5. 2014 – 4 B 38.13 – NVwZ 2014, 1246 = juris Rn. 12 f.; Mitschang/Reidt im Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 14. Aufl. 2019, § 34 Rn. 21).
Die tatsächlich vorhandenen Bebauungen sind für die Bestimmung der Zulässigkeit der Nutzungsart gem. § 34 Abs. 1 BauGB bzw. § 34 Abs. 2 BauGB unabhängig davon maßgeblich, ob sie in Übereinstimmung mit den baurechtlichen Vorschriften errichtet worden sind (BVerwG, B.v. 11.2.2000 – 4 B 1.00 – BRS 63 Nr. 102 = juris Rn. 14). Ob eine vorhandene, nicht genehmigte Bebauung bei der Bestimmung der Eigenart der näheren Umgebung (also als prägender Faktor der näheren Umgebung) zu berücksichtigen ist, hängt daher davon ab, ob diese in einer Weise geduldet wird, die keinen Zweifel daran lässt, dass die zuständigen Behörden sich mit ihrem Vorhandensein abgefunden haben (BVerwG, U.v. 6.11.1968 – IV C 31.66 – BVerwGE 31, 22 = juris Rn. 22; B.v. 23.11.1998 – 4 B 29.98 – NVwZ-RR 1999, 364 = juris Rn. 6; U.v. 6.6.2019 – 4 C 10.18 – NVwZ 2019, 1456 = juris Rn. 15; VGH BW, U.v. 15.10.2015 – 5 S 2020/13 – BauR 2016, 656 = juris Rn. 53; Külpmann, jurisPR-BVerwG 18/2019 Anm. 1). Auszuscheiden sind danach nicht genehmigte und auch nicht genehmigungsfähige Gebäude, deren Beseitigung jederzeit verlangt werden kann und dies nach Lage der Dinge auch zu erwarten ist (BVerwG, U.v. 6.11.1968 a.a.O.; B.v. 16.12.2008 – 4 B 68.08 – ZfBR 2009, 376 = juris Rn. 8; SächsOVG, U.v. 9.3.2018 – 1 A 552/15 – juris Rn. 36). Auch soweit es auf die Nutzung eines Gebäudes ankommt, ist grundsätzlich ebenfalls auf die tatsächlich vorhandene Nutzung abzustellen. Ist sie nicht genehmigt und genießt sie keinen Bestandschutz, kommt es ebenfalls darauf an, ob sich die zuständige Behörde mit ihrem Vorhandensein abgefunden hat (vgl. VGH BW, U.v. 15.10.2015 a.a.O.; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielen-berg/Krautzberger, BauGB, Stand: September 2019, § 34 Rn. 35).
c) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat der Senat grundsätzlich Zweifel an der Richtigkeit der Rechtsauffassung der Antragsgegnerin, wonach acht von neun wohngenutzten Gebäuden in dem Areal, das das Verwaltungsgericht als maßgebliche, die Art der baulichen Nutzung prägende Umgebung i.S. von § 34 Abs. 1, Abs. 2 BauGB angesehen hat, als betriebsbezogene Nutzungen genehmigt worden seien und deshalb von vornherein gewerblich prägenden Charakter hätten. Irrelevant ist dabei allerdings die Rüge der Antragstellerinnen, dass sich die Antragsgegnerin erst im Beschwerdeverfahren und daher zu spät auf den konkreten Inhalt vorliegender Baugenehmigungen berufen habe. Denn bei der rechtlichen Beurteilung des Eilrechtsschutzbegehrens ist entgegen vereinzelt gebliebener Entscheidungen (vgl. OVG LSA, B.v. 18.9.2008 – 3 M 511/08 – juris Rn. 4 m.w.N.) im Beschwerdeverfahren auch neues Vorbringen zu berücksichtigen. Der Gesetzgeber hat weder für das erstinstanzliche Eilverfahren eine Verpflichtung zum umfassenden und abschließenden Sachvortrag noch für das Beschwerdeverfahren eine (formelle) Präklusion angeordnet. Daher ist der Beschwerdeführer nicht gehindert, jedenfalls in den zeitlichen Grenzen der Monatsfrist gem. § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO neue Gründe vorzutragen und neue Beweismittel vorzulegen, selbst wenn ihm diese bereits früher bekannt waren bzw. zur Verfügung standen oder sogar von ihm erst nachträglich geschaffen wurden (vgl. BayVGH, B.v. 30.1.2017 – 4 CE 16.2575 – juris Rn. 6 m.w.N.; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 146 Rn. 22b; nunmehr auch VGH BW, B.v. 2.6.2017 – NC 9 S 1244/17 – VBlBW 2018, 40 = juris Rn. 5).
Es trifft zwar grundsätzlich zu, dass Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonal sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter mit Blick auf § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO als übliche Nutzungen in Gewerbegebieten anzusehen sind. Eine betriebsgebundene Wohnung im Sinne der genannten Vorschriften stellt eine grundsätzlich gewerbegebietsverträgliche bzw. -typische Nutzung dar und verändert die Prägung eines Gebiets nicht in einer auf eine allgemeine Wohnnutzung hindeutenden Weise (vgl. BVerwG, U.v. 27.5.1983 – 4 C 67.78 – ZfBR 1984, 45 = juris Rn. 18; BayVGH, U.v. 22.3.2001 – 2 B 96.1794 – juris Rn. 15; B.v. 8.7.2003 – 14 CS 03.749 – juris Rn. 18; BayVGH, U.v. 16.2.2015 – 1 B 13.648 – NVwZ-RR 2015, 607 = juris Rn. 31). Hinsichtlich der Baugenehmigungen für die beiden (Alt-) Gebäude auf der FlNr. … (D… Str. 148 und 148a) sowie für das Fabrikantenwohnhaus auf FlNr. … (D… Str. 172) enthalten die Baugenehmigungen aber keine Regelungen, die die wohnliche Nutzung auf Betriebsleiter o.ä. beschränken. Ebenfalls beinhaltet die Ursprungsbaugenehmigung für das noch bestehende Wohnhaus auf der FlNr. …/5 (D… Str. 164, unmittelbar südlich des Baugrundstücks) inhaltlich keine Beschränkung auf eine betriebsbezogene Wohnnutzung. Die ergänzende Baugenehmigung vom 27. August 1987 dürfte – soweit nach Aktenlage ersichtlich – nicht umgesetzt worden sein, sodass die dort nachträglich geregelte beschränkende Auflage zusammen mit der abgelaufenen Baugenehmigung untergegangen sein dürfte (vgl. Art. 69 Abs. 1 BayBO).
Selbst wenn die Baugenehmigung für diverse (als solche genehmigte) Wohnhäuser – wie wohl nicht – im Sinne der Rechtsansicht der Antragsgegnerin dahin auszulegen wären, dass sie „konkludent“ für eine betriebsbezogene Nutzung genehmigt worden seien, wäre zu berücksichtigen, dass die Bauaufsichtsbehörde seit Jahrzehnten Kenntnis von der Stilllegung der Lederfabrik (wohl Anfang der 1970er Jahre) sowie von der Neuansiedlung diverser Gewerbebetriebe auf dem ehemaligen Gelände der Lederfabrik hat und zudem nach den von ihr selbst vorgelegten Unterlagen (vgl. Anlagen zum Schriftsatz vom 21. Oktober 2019) diverse Genehmigungsverfahren in diesem Zusammenhang betrieben hat. Soweit die Antragsgegnerin aber diverse Neubetriebe hat ansiedeln lassen und begleitend hierzu Baugenehmigungen erteilt hat, deutet der Umstand, dass sie gleichzeitig die bisherigen Bewohner beanstandungslos in den genehmigten Wohnhäusern weiterhin hat wohnen lassen, darauf hin, dass sie diese (jedenfalls nunmehr) allgemeine Wohnnutzung in einer Weise geduldet hat, die darauf schließen lässt, dass sie sich mit dieser auf Dauer abgefunden hat. Dasselbe dürfte für das Wohnhaus auf FlNr. …/1 (V…str. 30) gelten, dessen Baugenehmigung zwar ausdrücklich eine Nebenbestimmung mit betriebsbezogener Nutzungsbeschränkung enthält, das aber wohl im Anschluss an die Betriebseinstellung des Autohauses und eine gewerbliche Neugenehmigung der Nutzung auf dem betreffenden Betriebsareal in eine – nicht genehmigte – allgemeine Wohnnutzung ohne Betriebsbezug durch den Inhaber des früheren Betriebs (Autohaus) überführt worden sein dürfte (vgl. Schmidt-Bleker in Spannowsky/Hornmann/Kämper, BauNVO-BeckOK, Stand: Dezember 2019, § 8 Rn. 191 m.w.N.).
d) Andererseits ist unabhängig von den voranstehenden Fragen für die Frage der Gebietseinordnung als Voraussetzung der Anwendbarkeit oder Nichtanwendbarkeit verkürzter Abstandsflächen gem. Art. 6 Abs. 5 Satz 2 BayBO mit nicht unerheblichem Ermittlungsaufwand – maßgeblich auf Basis einer im Hauptsacheverfahren durchzuführenden Inaugenscheinnahme – aufgrund der folgenden Erwägungen weiter aufklärungsbedürftig, welche Grundstücke, auf denen derzeit eine Wohnnutzung tatsächlich stattfindet, überhaupt als für das Baugrundstück und dessen Eigenart der näheren Umgebung prägend angesehen werden können:
aa) Der Senat hält es nach Maßgabe der vorliegenden Luftbilder und Lageplänen für möglich (und sogar naheliegend), dass die durch die FlNrn. …, …/4, …/3 sowie den nördlichen Teil der FlNr. …/1 gebildete Fläche mit den vier Wohnhäusern im Westen des betroffenen Gevierts (V…str. 30 und 34, D… Str. 148 und 148a, auf der Ostseite V…straße) außerhalb der für die Art der Nutzung prägenden näheren Umgebung des Baugrundstücks liegt. Die vier Wohngebäude in diesem Bereich hinterlassen nach Luftbildaufnahmen und Lageplänen den Eindruck, sich vom Geviert im Übrigen städtebaulich abzuheben. Es handelt sich diesbezüglich um eine Randlage mit eigener – kleinräumiger – Nutzungsstruktur, die sich auch hinsichtlich kleinstrukturierten Architektur von den sich östlich und südlich anschließenden (großflächigeren) gewerblichen Hallengebäuden abgrenzen dürfte. Eine sich wohl schon aus der unterschiedlichen Qualität der aneinandergrenzenden Nutzungen (vgl. BayVGH, B.v. 23.2.2017 – 9 ZB 14.1914 – juris Rn. 5) ergebende städtebauliche Zäsur (vgl. OVG NRW, U.v. 28.3.2012 – 7 A 40/10 – juris Rn. 79, 82) durch Aneinandergrenzen von Gebieten mit unterschiedlicher Siedlungsstruktur (BVerwG, B.v. 28.8.2003 – 4 B 74.03 – juris; SächsOVG, U.v. 9.3.2018 – 1 A 552/15 – juris Rn. 33; vgl. auch BayVGH, B.v. 2.10.2014 – 15 ZB 13.1350 – juris Rn. 7) dürfte ggf. verstärkt werden durch das langgezogene, sich auf ca. 150 m von Nord nach Süd erstreckende (wohl gewerbliche) Gebäude auf FlNr. …/2, das alle vier Wohngebäude auf der Ostseite der V…straße wie ein Riegel von östlich gelegenen gewerblichen Anlagen abschirmt und trennt. Ob dies so ist oder ob dennoch dieser Bereich am Westrand des Gevierts als prägender Bestandteil der Umgebung des Baugrundstücks i.S. von § 34 Abs. 1, Abs. 2 BauGB anzusehen ist, kann verlässlich letztlich nur über einen im Hauptsacheverfahren durchzuführenden Augenschein geklärt werden.
bb) Für die Frage der Gebietsprägung dürfte das als Wohngebäude (ohne gewerbebezogene Nutzungsbeschränkung) genehmigte, zwischenzeitlich aber abgerissene Altgebäude auf dem Baugrundstück nicht in den Blick zu nehmen sein. Zwar ist das Vorhabengrundstück selbst als Teil der näheren Umgebung anzusehen (BVerwG, U.v. 6.6.2019 – 4 C 10.18 – NVwZ 2019, 1456 = juris Rn. 13 m.w.N.). Beseitigte bauliche Anlagen können die Eigenart der näheren Umgebung aber nur weiter prägen, solange mit einer Wiederbebauung oder einer Wiederaufnahme der Nutzung zu rechnen ist (vgl. BVerwG, B.v. 11.2.2000 – 4 B 1.00 – BRS 63 Nr. 102 = juris Rn. 8 ff.; B.v. 2.10.2007 – 4 B 39.07 – ZfBR 2008, 52 = juris Rn.; Söfker in Ernst/ Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: September 2019, § 34 Rn. 35 m.w.N.). Vorliegend dürfte aber die Möglichkeit einer Wiedererrichtung nach der erkennbaren Interessenlage des Bauherrn ausscheiden, weil dieser auf dem Baugrundstück gerade kein Wohnhaus, sondern ein Bürogebäude (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO) verwirklichen will. Wann der Abbruch des Altgebäudes erfolgte, ist irrelevant. Ob eine angefochtene Baugenehmigung den Nachbarn in seinen Rechten verletzt, beurteilt sich zwar grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung. Während spätere Änderungen zu Lasten des Bauherrn außer Betracht zu bleiben haben, sind nachträgliche Änderungen zu seinen Gunsten hingegen zu berücksichtigen. Denn es wäre mit der nach Maßgabe des einschlägigen Rechts gewährleisteten Baufreiheit nicht vereinbar, eine zum Zeitpunkt des Erlasses rechtswidrige Baugenehmigung aufzuheben, die sogleich nach der Aufhebung wieder erteilt werden müsste (vgl. BVerwG, B.v. 23.4.1998 – 4 B 40.98 – NVwZ 1998, 1179 = juris Rn. 3; U.v. 20.8.2008 – 4 C 11.07 – BVerwGE 131, 352 = juris Rn. 21; SächsOVG, U.v. 9.3.2018 – 1 A 552/15 – juris Rn. 35). Im vorliegenden Fall wirkt sich der Gebäudeabbruch aber gerade günstig für die Beigeladene (Bauherrin) hinsichtlich der Beurteilung ihres Vorhabens aus (keine prägende Berücksichtigung, die der Anwendung des Art. 6 Abs. 5 Satz 2 BayBO entgegenstehen könnte).
cc) Bei Nichtberücksichtigung des Altgebäudes auf dem Baugrundstück und für den möglichen Fall, dass die vier Wohnhäuser auf den westlich gelegenen FlNrn. …, …/4 und …/1 nicht zur prägenden Umgebung des Baugrundstücks zählen [s.o. aa) ], blieben für den Fall, dass für die Betrachtung der nach § 34 Abs. 1, Abs. 2 BauGB maßgeblichen Umgebung des Baugrundstücks das vom Verwaltungsgericht im Übrigen herangezogene Areal herangezogen wird, dort lediglich vier zu allgemeinen Wohnzwecken genutzte Gebäude übrig. Insofern wäre – auch auf Basis der ohnehin erforderlichen Inaugenscheinnahme (s.o.) – zu untersuchen, ob es sich bei diesen Wohnnutzungen um einzelne „Ausreißer“ handelt, denen im Verhältnis zum ca. 10 ha großen Gesamtareal – in dem weit überwiegend großflächige, für das herstellende Gewerbe, den Einzelhandel sowie den Großhandel genutzte Hallengebäude stehen – kein für die Gebietsprägung mitbestimmendes Gewicht zukommt. Denn bei der Ermittlung der Eigenart der näheren Umgebung im Sinne des § 34 Abs. 1 und 2 BauGB sind singuläre Anlagen, die in einem auffälligen Kontrast zu der sie umgebenden, im wesentlichen homogenen Bebauung stehen, regelmäßig als Fremdkörper unbeachtlich, soweit sie nicht ausnahmsweise ihre Umgebung beherrschen oder mit ihr eine Einheit bilden (vgl. BVerwG, U.v. 15.2.1990 – 4 C 23.86 – BVerwGE 84, 322 = juris Rn. 13 ff.; B.v. 11.2.2000 – 4 B 1.00 – BRS 63 Nr. 102 = juris Rn. 44; U.v. 7.12.2006 – 4 C 11.05 – BVerwGE 127, 231 = juris Rn. 8; B.v. 16.6.2009 – 4 B 50.08 – ZfBR 2009, 693 = juris Rn. 6; U.v. 6.6.2019 – 4 C 10.18 – NVwZ 2019, 1456 = juris Rn. 15; vgl. auch BayVGH, B.v. 6.3.2002 – 2 ZB 97.3774 – juris Rn. 3; B.v. 8.7.2003 – 14 CS 03.749 – juris Rn. 18; B.v. 23.11.2012 – 22 ZB 12.2120 – juris Rn. 14; OVG NRW, U.v. 28.3.2012 – 7 A 40/10 – juris Rn. 87; VGH BW, U.v. 15.10.2015 – 5 S 2020/13 – BauR 2016, 656 = juris Rn. 61; Söfker in Ernst/ Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: September 2019, § 34 Rn. 37). Zudem wäre zu hinterfragen, ob die beiden Gebäude auf dem Antragstellergrundstück (D… Str. 170 und 170a) ggf. auch noch aus einem weiteren Grund nicht hinsichtlich einer allgemeinen Wohnnutzung als prägend angesehen werden können: Die für diese beiden Gebäude von der Antragsgegnerin vorgelegten Altpläne aus dem Jahr 1923 (mit entsprechenden gewerblichen Nutzungsangaben) sprechen nicht für ein bestandskräftig genehmigtes typisches (Betriebsleiter-) Wohnhaus, sondern eher für bestandskräftig genehmigte gewerbliche Zweckbauten. Bei diesen musste die Bauaufsichtsbehörde der Antragsgegnerin – anders als bei einem typischen (Betriebsleiter-) Wohnhaus, das vom bisherigen Betriebsleiter o.ä. weiter bewohnt wird [s.o. c) ] – nach Stilllegung der Lederfabrik und der Ansiedlung von gewerblichen Folgebetrieben ggf. nicht ohne Weiteres mit der Überführung in eine allgemeine Wohnnutzung rechnen. Sollten die weiteren Ermittlungen im Hauptsacheverfahren ergeben, dass der Bauaufsichtsbehörde der Antragsgegnerin nicht vorgehalten werden kann, diese Nutzungen in einer Weise geduldet zu haben, die keinen Zweifel daran lässt, dass diese sich mit ihrem Vorhandensein abgefunden hat, wären die beiden verbleibenden Wohnhäuser auf FlNrn. …/5 und … (D… Str. 164 und 172) umso eher als singuläre Fremdkörper anzusehen.
Daneben käme – je nach der Überzeugungsbildung über eine Inaugenscheinnahme – ggf. auch in Betracht, die Bebauung auf dem östlich des Privatwegs (FlNr. …/9) gelegenen Bereich mit dem Antragstellergrundstück (und den beiden dortigen auch wohngenutzten Gebäuden D… Str. 170 und 170a) sowie mit der FlNr. … und dem dort stehenden ehemaligen Fabrikantenwohnhaus (D… Str. 172) mit ähnlichen Erwägungen wie zum bebauten Westrand des Gevierts (Ostseite der V…straße) aufgrund einer vom Restareal abweichenden städtebaulichen Struktur nicht mehr zur prägenden Umgebung des Baugrundstücks i.S. von § 34 Abs. 1, Abs. 2 zu zählen. In diesem Fall wäre in der dann flächenmäßig kleineren näheren Umgebung des Baugrundstücks allein die FlNr. …/5 mit einem wohngenutzten Gebäude (D… Str. 164) als Fremdkörper übrig. Sollte das Baugrundstück deshalb am östlichen Randbereich eines (kleiner zu bemessenden) faktischen Gewerbegebiets liegen, weil die östlich angrenzenden Grundstücke (Privatweg, Antragstellergrundstück) nicht mehr der näheren Umgebung i.S. von § 34 Abs. 1 BauGB zuzuordnen wären, wäre zugunsten der Beigeladenen Art. 6 Abs. 5 Satz 2 BayBO gleichwohl anwendbar, auch wenn es sich bei dem östlich angrenzenden Gebiet womöglich um ein solches handele, für das (etwa wegen der Einordnung als faktisches Mischgebiet oder als Gemengelage) keine verkürzte Abstandsflächen gilt (Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 6 Rn. 84; Dirnberger in Jäde u.a., Die neue BayBO, Stand: Oktober 2018, Art. 6 Rn. 154, jeweils m.w.N.).
e) Eine weitere, nach Aktenlage bestehende und daher im Hauptsacheverfahren durch weitere Sachverhaltsermittlung aufzuklärende Unsicherheit, die weder von den Beteiligten noch vom Verwaltungsgericht thematisiert wurde, die der Senat aber im Rahmen der gebotenen allgemeinen Interessenlage zu berücksichtigen hat, besteht hinsichtlich der Frage, ob in der gem. § 34 Abs. 1, Abs. 2 BauGB für die Gebietsprägung maßgeblichen näheren Umgebung des Baugrundstücks kerngebiets- bzw. sondergebietsspezifische Einzelhandels- bzw. Handelsnutzungen i.S. von § 11 Abs. 3 BauNVO existieren, die gegen die Einordnung als faktisches Gewerbegebiet sprechen.
Laut den von der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren mit Schriftsatz vom 21. Oktober 2019 vorgelegten beschrifteten Luftbildern (Google Maps) finden sich im betroffenen Geviert Einzelhandels- bzw. Handelsnutzungen, die möglicherweise aufgrund Großflächigkeit (vgl. hierzu Stock in König/Roeser/Stock, BauNVO, 4. Aufl. 2019, § 11 Rn. 56 m.w.N.: ab 800 m² Verkaufsfläche) und aufgrund eventueller nachteiliger Auswirkungen i.S. von § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 BauNVO grundsätzlich nur in Kerngebieten und dafür gesondert festgesetzten Sondergebieten zulässig wären. Das ist maßgeblich für die laut Luftbild auf der FlNr. … (D… Str. 168) niedergelassene „T…“-Niederlassung in Erwägung zu ziehen. Die Antragsgegnerin hat hierzu im Beschwerdeverfahren die Kopie einer Baugenehmigung vom 4. Dezember 1987 für das Vorhaben „Errichtung e. Bau- und Heimwerkermarktes m. Gartencenter“ vorgelegt. Nach den im Internet abrufbaren Informationen auf der Homepage des Marktes soll der Kunde auf 3.400 m² das für die Firma übliche Sortiment vorfinden. Daneben bestehen laut den vorgelegten Luftbildern im Geviert weitere Einzelhandels- oder Handelsnutzungen – so zwei Märkte der Marke … (… Trachten, FlNr. …/1 = V…straße 28; … Trachten…, FlNr. …/8 = D… Str. 152), die Firma … (Elektrogeräte für Haushalt und Küche, FlNr. …/2 = D… Str. 150) sowie eine Filiale „… Schuh…“ (FlNr. …/1) -, deren Einordnung als gewerbegebietsverträgliche Einzelhandelsnutzungen oder als kerngebietsspezifische Nutzungen i.S. von § 11 Abs. 3 BauNVO aufgrund diesbezüglich erforderlicher Ermittlungen nicht zeitnah im laufenden Beschwerdeeilverfahren beurteilt werden kann.
Kommen in einem unbeplanten Innenbereich in prägender Weise kerngebietsspezifische Einzelhandelsnutzungen i.S. von § 11 Abs. 3 BauNVO mit sonstigen Gewerbebetrieben zusammen, scheidet wegen dann vorliegender auch gewerbegebietsunverträglicher Nutzungen eine Einordnung als faktisches Gewerbegebiet (§ 34 Abs. 2 BauGB i.V. mit § 8 BauNVO) regelmäßig aus. Es ist dann – unabhängig von der hier von den Beteiligten schwerpunktmäßig diskutierten Streitfrage prägender Wohnnutzungen – von einer sog. Gemengelage auszugehen, für die als bauplanungsrechtlicher Zulässigkeitsmaßstab hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung die allgemeine Regel des § 34 Abs. 1 BauGB heranzuziehen ist (vgl. OVG Rh-Pf, U.v. 10.4.2019 – 8 A 11799/17 – juris Rn. 57; ein faktisches urbanes Gebiet gem. § 34 Abs. 2 BauGB i.V. mit § 6aBauNVO kennt die Rechtsordnung wegen § 245c Abs. 3 BauGB nicht, vgl. BayVGH, B.v. 23.10.2017 – 15 ZB 16.1975 – juris Rn. 8; B.v. 22.1.2020 – 15 ZB 18.2547 – noch nicht veröffentlicht).
In Gemengelagen kommt eine verkürzte Abstandsfläche von 0,25 H grundsätzlich nur für den Ausnahmefall in Betracht, dass diese ausschließlich durch gewerbliche und industrielle Nutzungen i.S. von § 8 und § 9 BauNVO geprägt wird (vgl. BayVGH, B.v. 6.3.2002 – 2 ZB 97.3774 – juris Rn. 4); im Übrigen scheidet die Anwendung des Art. 6 Abs. 5 Satz 2 BayBO auf unbeplante Gemengelagen sowohl nach der bisherigen Rechtsprechung als auch nach der Kommentarliteratur grundsätzlich aus (BayVGH, B.v. 28.1.1993 – 14 CS 92.3710 – BayVBl. 1993, 278 = juris Rn. 20; Molodovsky/Waldmann in Molodovsky/Famers/Waldmann, BayBO, Stand: Oktober 2019, Art. 6 Rn. 147; Dirnberger in Jäde u.a., Die neue BayBO, Stand: Okt. 2018, Art. 6 Rn. 152; Dhom/Franz/Rauscher in Simon/Busse, BayBO, Stand: Dezember 2019, Art. 6 Rn. 269). Da Art. 6 Abs. 5 Satz 2 BayBO in der aktuellen (seit 1. September 2018 geltenden) Fassung ausdrücklich nur für f e s t g e s e t z t e urbane Gebiete (§ 6a BauNVO) eine verkürzte Abstandsfläche von 0,5 H vorsieht, dürfte auch weiterhin eine (entsprechende) Anwendung des Art. 6 Abs. 5 Satz 2 BayBO auf Gemengelagen ausscheiden. Im Übrigen wäre auch bei Geltung einer verkürzten Abstandsfläche von 0,5 H jedenfalls ohne Abstandsflächenübernahme (Art. 6 Abs. 1 Satz 3 letzte Alt. BayBO) bzw. ohne Abweichung gem. Art. 63 BayBO (sollte diese überhaupt rechtlich zulässig sein) eine subjektive Rechtsverletzung der Antragstellerinnen anzunehmen, weil auch eine mit 0,5 H bemessene Abstandsfläche auf dem Privatweg läge. Der Privatweg und das Antragstellergrundstück stehen vorliegend laut Grundbuch im Eigentum derselben Miteigentümergemeinschaft, an der die Antragstellerinnen zu jeweils 1/8 beteiligt sind. Zwar dürfte aufgrund der grundbuchrechtlich gesicherten Einräumung eines Geh- und Fahrtrechts zugunsten des jeweiligen Eigentümers des Baugrundstücks auf Dauer rechtlich gesichert sein, dass der Privatweg nicht überbaut werden darf. Der somit grundsätzlich einschlägige Art. 6 Abs. 2 Satz 3 BayBO kommt aber dennoch der Beigeladenen nicht zugute. Zwar wird im Regelfall in entsprechender Anwendung des Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayBO ein privates Wegegrundstück den benachbarten bebaubaren Grundstücken zu gleichen Teilen zugeordnet. Anderes gilt aber, wenn – wie hier – auf einer Seite des Privatwegs Baugrundstücke die Eigentümer des Wegegrundstücks angrenzen (hier: das Antragstellergrundstück) und auf der gegenüberliegenden Seite ein Grundstück eines Dritten (hier: das Baugrundstück) liegt. In diesem Fall wird die nicht überbaubare Wegefläche in vollem Umfang den Eigentümern des Privatgrundstücks und ihren Baugrundstücken zugeordnet, weil – anders als bei gewidmeten Straßen (Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayBO) – nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Eigentümer des Wegegrundstücks allen an den Privatweg angrenzenden Grundstücken eine Abstandsflächenübernahme einräumen wollten (vgl. BayVGH, B.v. 29.9.2004 – 1 CS 04.340 – NVwZ-RR 2005, 389 = juris Rn. 23 ff.; Dhom/Franz/Rauscher, in Simon/Busse, BayBO, Stand: Dezember 2019, Art. 6 Rn. 79).
2. Sind – wie hier – aufgrund der vorgebrachten Einwände die Erfolgsaussichten der Klage als offen anzusehen, ist über den Antrag aufgrund einer allgemeinen Interessenabwägung zu entscheiden.
Bei der Interessenabwägung muss zu Gunsten des Bauherrn (hier der Beigeladenen) grundsätzlich berücksichtigt werden, dass die Anfechtungsklage des Dritten (hier: der Antragstellerinnen) nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO in Verbindung mit § 212a Abs. 1 BauGB keine aufschiebende Wirkung hat. Hierdurch werden in einem gewissen Ausmaß die Gewichte bei der Interessenabwägung zugunsten des Bauherrn verschoben, was aber nicht bedeutet, dass sich in den von § 212a Abs. 1 BauGB erfassten Fällen das Vollzugsinteresse gegenüber dem Aufschubinteresse automatisch durchsetzt. Die Vorschrift soll Investitionen und das Entstehen von Arbeitsplätzen fördern. Ein gesetzgeberischer Wille, dass dem Vollzugsinteresse gegenüber den Interessen Dritter (insbesondere von Nachbarn) regelmäßig der Vorrang einzuräumen ist, lässt sich der Regelung des § 212a BauGB hingegen nicht entnehmen. Die nach § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO erforderliche Abwägung wird deshalb von § 212a Abs. 1 BauGB zwar in der Weise vorstrukturiert, dass dem Vollzugsinteresse ein erhebliches Gewicht beizumessen ist; die Abwägung wird aber nicht präjudiziert (zum Ganzen BayVGH, B.v. – juris Rn. 33 m.w.N.). Die Belange eines Dritten haben bei der Abwägung umso mehr Gewicht, je schwerwiegender die ihm auferlegte Belastung wiegt und je mehr die Maßnahme der Verwaltung Unabänderliches bewirkt (zum Ganzen unter Rekurs auf die Gesetzesmaterialien vgl. BayVGH, B.v. 23.11.2016 – 15 CS 16.1688 – juris Rn. 77 m.w.N.; B.v. 20.3.2018 – 15 CS 17.2523 – juris Rn. 47). Im vorliegenden Fall fällt die Interessenabwägung deshalb trotz der gesetzgeberischen Wertung gem. § 212a BauGB zugunsten der Antragstellerinnen und zu Lasten der Beigeladenen bzw. der Antragsgegnerin aus. Der Senat macht sich insofern die ergänzende allgemeine Interessenabwägung des Verwaltungsgerichts im erstinstanzlichen Beschluss vom 20. September 2019 (dort unter 2.3, Seiten 15 ff.) zu Eigen und nimmt hierauf Bezug, § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO. Die Erfolgsaussichten der Klage sind im vorliegenden Fall bei Gesamtbetrachtung aller Erwägungen nicht so gering, dass dem Interesse der Beigeladenen entsprechend der Wertung des § 212a Abs. 1 BauGB der Vorrang einzuräumen wäre. Angesichts dessen besteht ein überwiegendes Interesse der Antragstellerinnen, dass nicht vor Durchführung des Hauptsacheverfahrens durch die Errichtung des strittigen Vorhabens vollendete Tatsachen geschaffen werden. Eine Abweichungsfähigkeit (Art. 63 BayBO) hinsichtlich einer eventuellen Abstandsflächenunterschreitung, die zudem vorliegend bei einer Verkürzung des abstandsflächenrechtlichen Normalmaßes auf ¼ jedenfalls nicht automatisch „ins Auge springt“, wurde von den Beschwerdeführern nicht geltend gemacht und war daher vom Senat im Rahmen der Entscheidungsfindung im Beschwerdeverfahren nicht in Erwägung zu ziehen (§ 146 Abs. 4 Satz 6 BayBO). Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Beigeladene den Bau des Vorhabens im bewussten Risiko vorangetrieben hat, obwohl ihr die Antragstellerinnen bereits über ein Anwaltsschreiben vom 7. September 2018 ihre Rechtsansicht, dass eine Abstandsflächenverkürzung nicht auf Art. 6 Abs. 5 Satz 2 BayBO gestützt werden könne, mitgeteilt hatten und obwohl die Antragstellerinnen schon am 31. Oktober 2018 Klage unter Wiederholung ihrer Rechtsansicht auf die Verpflichtung der Antragsgegnerin zum bauordnungsrechtlichen Einschreiten erhoben hatten.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2, Abs. 3 VwGO, § 159 Satz 1 VwGO i.V. mit § 100 Abs. 1 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG. Sie orientiert sich an Nr. 9.7.1 und Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedruckt in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, Anhang).
4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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