Baurecht

Erfolgreicher Nachbareilantrag gegen eine Baugenehmigung für die Errichtung einer gewerblichen Küche mit Büro

Aktenzeichen  W 5 S 18.1387

Datum:
20.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 36340
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, Abs. 5, § 80a Abs. 3, § 81 Abs. 1 S. 1, § 113 Abs. 1 S. 1
BauGB § 31 Abs. 1, Abs. 2, § 34 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 212a Abs. 1
BauNVO § 4 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 2
BayBO Art. 59 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Nr. 2, Art. 64 Abs. 2, Abs. 4 S. 1, Art. 68 Abs. 1 S. 1
BayVwVfG Art. 37 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Nach allgemeiner Meinung übernimmt die BauNVO den Begriff des Handwerksbetriebs unverändert aus der Handwerksordnung; das gilt auch für § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO. Daher handelt es sich bei einem Koch um keinen Handwerksberuf. (Rn. 35 – 37) (redaktioneller Leitsatz)
2 Ein Betrieb stört und kann nicht nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zugelassen werden, wenn er nach seiner typischen Nutzungsweise nicht gebietsverträglich ist. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
3 Eine schallimmissionsschutzrechtliche Beurteilung hat auf Grundlage der in der Baugenehmigung oder der in den ihr zugrunde liegenden Bauvorlagen enthaltenen Angaben zu erfolgen, und nicht lediglich auf der Grundlage sonstiger Angaben des Bauherrn. (Rn. 50) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers vom 7. Oktober 2018 gegen den Bescheid des Landratsamts B. K. vom 6. September 2018 wird angeordnet.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsgegner zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Aufwendungen selbst.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im Wege des Eilrechtsschutzes gegen die Vollziehbarkeit der der Beigeladenen erteilten Baugenehmigung für die Errichtung einer gewerblichen Küche mit Büro.
1. Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. …5/7 der Gemarkung E … (Anwesen S … Straße 8, 97 … …-E … ). Die Beigeladene ist Miteigentümerin des südwestlich davon gelegenen Grundstücks Fl.Nr. …4 der Gemarkung E …, Anwesen G …straße in …-E … (Baugrundstück). Der Flächennutzungsplan der Gemeinde … stellt den betreffenden Bereich als Dorf-/Mischgebiet dar. Ein Bebauungsplan besteht nicht.
2. Mit Bauantrag vom 7. August 2018, eingegangen beim Landratsamt B. K. am 9. August 2018, beantragte die Beigeladene eine Baugenehmigung für die Errichtung einer gewerblichen Küche mit Büro auf dem Baugrundstück. Das Gebäude soll mit einer geplanten Grundfläche von 92,25 m² im südöstlichen Teil des Grundstücks teilweise an die Grundstücksgrenze gebaut werden. Eine Ausnahme nach § 31 Abs. 1 BauGB wegen der Nutzungsart beantragte die Beigeladene nicht.
Mit Beschluss vom 14. August 2018 wurde das gemeindliche Einvernehmen zu dem Vorhaben erteilt.
Eine fachtechnische Stellungnahme des Immissionsschutzes beim Landratsamt B. K. vom 28. August 2018 ergab, dass durch die Küche und den Catering-Service mit folgenden Immissionen in der Nachbarschaft gerechnet werden könne:
„[…]
2. Geräusche durch Lüftungs- und Kühlgeräte sowie den Lieferverkehr Lüftungs- und Kühlgeräte, die nicht vollständig im Gebäude untergebracht sind und somit im Außenbereich eine Schallquelle darstellen, dürfen einen Schallleistungspegel von tags 75 db(A) und nachts 65 dB(A) nicht überschreiten.
Der Lieferverkehr kommt max. 1 mal täglich am Vormittag mit max. 1 Lkw.“
Nach einer überschlägigen Berechnung bestünden weiter aus immissionsschutzfachlicher Sicht keine Bedenken gegen die Errichtung des Bauvorhabens, wenn die in der Stellungnahme enthaltenen Maßgabenvorschläge eingehalten würden.
In der Betriebsbeschreibung zum Bauantrag vom 6. August 2018, eingegangen beim Landratsamt B. K. am 30. August 2018, führte der Entwurfsverfasser der Beigeladenen aus, dass es sich bei der Art des Betriebes um ein Catering für Mittagsverpflegung von Kindergärten und Schulen von Montag bis Freitag und einem gelegentlichen Partyservice für private Feiern handele. Erzeugnisse seien Buffetgerichte aller Art und Catering. Die Betriebszeiten lägen an Werktagen zwischen 9:00 Uhr bis 12:30 Uhr. Die Betriebszeiten seien auf die Tageszeit begrenzt. Nach Durchführung des Vorhabens seien zwei Personen in dem Betrieb beschäftigt. Die Speisen würden überwiegend zum Kunden gebracht und die Rückgabe der Behältnisse erfolge werktags zur Tageszeit.
3. Mit Bescheid vom 6. September 2018, dem Antragsteller zugestellt am 10. September 2018, erteilte das Landratsamt B. K. der Beigeladenen die beantragte Baugenehmigung. Die Baugenehmigung versah es mit folgenden Auflagen:
„[…]
2. Hinsichtlich des Lärmschutzes sind die Bestimmungen der ‚Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm)‘ vom 26.08.1998 (GMBl S. 503) zu beachten.
Der Beurteilungspegel der zu beurteilenden Anlage einschließlich der vom Fahrverkehr auf dem Betriebsgelände ausgehenden Geräusche darf die Immissionsrichtwerte an den nächsten Immissionsorten (Fl.Nrn. …2, …4, …5/7, …1) nicht überschreiten:
tags 55 dB(A) nachts 40 dB(A)
Die Nachtzeit beginnt um 22.00 Uhr und endet um 06.00 Uhr.
Einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen dürfen die Immissionsrichtwerte am Tage um nicht mehr als 30 dB(A) und in der Nacht um nicht mehr als 20 dB(A) überschreiten.
3. Tätigkeiten in der Nachtzeit sind nicht zulässig.
4. Fenster und Türen sind geschlossen zu halten.
5. Die Küchen-Abluftanlage ist senkrecht über Dach in die freie Luftströmung zu errichten und darf einen maximalen Schallleistungspegel von 80 dB(A) tags und 65 dB(A) in der Nacht nicht überschreiten. […]“
Eine Ausnahme nach § 31 Abs. 1 BauGB wegen der Nutzungsart wurde nicht erteilt.
4. Mit Schreiben vom 7. Oktober 2018, bei Gericht eingegangen am 9. Oktober 2018, erhob der Antragsteller Klage gegen den Genehmigungsbescheid des Landratsamts B. K. mit dem Az. 602-40-BV-2018-567 und beantragte die Aufhebung des Bescheids. Über diese unter dem Aktenzeichen W 5 K 18.1275 geführte Klage wurde bislang nicht entschieden.
5. Mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2018, eingegangen bei Gericht am nächsten Tag, beantragte der Antragsteller (im hiesigen Verfahren),
die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage anzuordnen.
Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus: Der Antrag sei nicht nur zulässig, sondern auch begründet. Das Interesse an der aufschiebenden Wirkung der Klage überwiege das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Baugenehmigung aufgrund der Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Die Erfolgsaussichten ergäben sich daraus, dass die Baugenehmigung öffentlich-rechtliche Vorschriften verletze, die auch dem Nachbarschutz des Antragstellers dienten. Darüber hinaus lasse es das Bauvorhaben an der gebotenen Rücksichtnahme auf seine Umgebung fehlen und verletze insoweit ebenfalls die Rechte des Antragstellers. Das Bauobjekt solle in einem Gebiet errichtet werden, das ausschließlich Wohncharakter habe und dürfe an sieben Tagen pro Woche von 6:00 Uhr bis 22:00 Uhr betrieben werden. Da es sich bei dem Unternehmen um einen Cateringservice handele, sei vor allem an Wochenenden mit vermehrter Belästigung durch Lärm (Abholung und Auslieferung) und Gerüche (Zubereitung der Speisen) zu rechnen. Soweit für das Grundstück Fl.Nr. …1 der Gemarkung E … ein Betrieb für eine mobile Cocktailbar mit Musikanlagenverleih angemeldet sei, so umfasse dieses lediglich den rechtlichen Sitz des Unternehmens („Briefkasten“). Es fänden auf diesem Grundstück keinerlei geschäftliche Aktivitäten wie Zu- und Abgangsverkehr von Lieferanten, Kunden und Ähnlichem statt. Gleiches gelte für den Betrieb des Baggerverleihs und den Garten- und Landschaftsbaubetrieb. Die Praxis für Physiotherapie befände sich mindestens 100 m vom Bauvorhaben entfernt und sei nicht in die Beurteilung der Zulässigkeit des Bauvorhabens einzubeziehen. Die Grundstücke westlich des Bauvorhabens seien ebenfalls unerheblich.
6. Das Landratsamt B. K. beantragte für den Antragsgegner, den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Der Antrag sei weder zulässig noch begründet. Die Baugenehmigung sei rechtmäßig und verletze den Antragsteller nicht in seinen Rechten. Das Baugrundstück liege am Rand des im Zusammenhang bebauten Ortsteils von E … (unbeplanter Innenbereich). Der Gebietscharakter werde durch die tatsächliche Nutzung bestimmt und entspreche am ehesten einem allgemeinen Wohngebiet. Nordwestlich des Baugrundstücks schließe sich der Außenbereich mit Kleingärten, Schrebergärten sowie einer landwirtschaftlichen Gerätehalle an. Ungeachtet des noch nicht bebauten Grundstücks mit der Fl.Nr. …2 der Gemarkung E … überwiege der Wohncharakter, wobei durch die Randlage nicht von einem sortenreinen allgemeinen Wohngebiet auszugehen sei. Ausweislich der Betriebsbeschreibung vom 6. August 2018 sei der genehmigte Betrieb in erster Linie auf das Catering zur Mittagsverpflegung von Kindergärten und Schulen von Montag bis Freitag mit gelegentlichem Partyservice für private Feiern ausgerichtet. Ein Ladenbetrieb finde nicht statt. Der Lieferverkehr für die benötigten Lebensmittel erfolge einmal täglich mit einem Kleintransporter bzw. kleinem Lkw. Auch die Mitarbeiterzahl (außer der Betriebsinhaberin ein bis zwei Mitarbeiter) sei ein Indiz für einen nicht störenden Handwerksbetrieb. Aufgrund dieser Betriebsbeschreibung werde der genehmigte Betrieb als nicht störender Handwerksbetrieb, hilfsweise als sonstiger nicht störender Gewerbebetrieb, eingeordnet. Von einer in diesem Gebiet auch zulässigen Schank- und Speisewirtschaft unterscheide sich das Vorhaben dadurch, dass praktisch kein Kunden-/Gästeverkehr vor Ort erfolge. Außerdem finde keinerlei Betrieb in der Nachtzeit zwischen 22:00 Uhr und 6:00 Uhr statt. Insgesamt seien also im Vergleich zu einer Schank- und Speisewirtschaft deutlich geringere Emissionen zu erwarten. Die gewerbliche Küche mit Büro füge sich also nach Art und Maß der baulichen Nutzung ein. Auch hinsichtlich der Bauweise lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass diese sich nicht in die nähere Umgebung einfüge. Das Bauvorhaben halte zur Grundstücksgrenze des Antragstellers hin mit 6,92 m mehr als das Doppelte der erforderlichen Abstandsflächen ein. Den durch den genehmigten Betrieb möglicherweise auftretenden Immissionen sei in der Baugenehmigung durch Festsetzung von Auflagen unter anderem zur Beschränkung der Betriebszeiten auf die Tagzeit Rechnung getragen worden. Schließlich seien sowohl der Antrag als auch die Klage des Antragstellers bereits unzulässig, weil es ihnen an dem Formerfordernis der Schriftlichkeit mangele. Auch ohne das streitgegenständliche Vorhaben gebe es im unmittelbaren Umfeld des Baugrundstücks gewerbliche Nutzungen. Auf dem Grundstück Fl.Nr. …1 der Gemarkung E … sei ein Betrieb für eine mobile Cocktailbar mit Musikanlagenverleih angemeldet. Auf dem Grundstück Fl.Nr …1 sei ein gewerblicher Baggerverleih und auf dem Grundstück Fl.Nr. …3/1 ein Garten- und Landschaftsbaubetrieb angemeldet. Auf dem Grundstück Fl.Nr. …0 sei eine Praxis für Physiotherapie genehmigt worden. Der westliche Bereich des Gebietes um das Baugrundstück sei von Kleingartennutzung geprägt und auf den Grundstücken Fl.Nrn. …9 und …0 befänden sich landwirtschaftliche Gerätehallen.
7. Die Beigeladene führte aus, dass der Antrag des Antragstellers bei summarischer Betrachtung und Beurteilung ohne Erfolg bleibe. Er reklamiere die Verletzung seiner Rechte unsubstantiiert und beschränke sich auf Floskeln und Leerformeln. Der Baugenehmigungsbescheid sei rechtmäßig. Das Bauquartier, dem der Antragsteller zugehörig sei, sei als nicht sortenreines allgemeines Wohngebiet zu qualifizieren, in dem nicht störende Handwerksbetriebe wie auch Gastwirtschaften zulässig seien. Das kleine Catering-Unternehmen der Beigeladenen erfordere den Einsatz von nicht mehr als nur zwei Personen. Anlieferungen fänden nur vormittags und auch nur an Wochentagen statt (zwei- bis maximal dreimal in der Woche). Auslieferungen an Kindergärten fänden wochentags ab ca. 11:00 Uhr statt. Privates Catering fände gelegentlich an Freitagen und Samstagen statt. Eine Bauverzögerung bringe für die Beigeladene erhebliche Nachteile. Sie betreibe ihr Catering-Unternehmen derzeit in gemieteten Räumen in B. K., das Mietverhältnis ende mit dem 31. März 2019. Da mit einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren bis zu diesem Zeitpunkt kaum gerechnet werden könne, müsse die Beigeladene ihren Betrieb mit Wirkung ab dem 1. April 2019 einstellen. Sie habe Dauervertragsverhältnisse mit Kindergärten, die mit Mittagessen beliefert würden. Dies stelle die Haupteinnahmequelle der Beigeladenen dar, die sie verlieren würde.
8. Als Teil der Bauakte legte das Landratsamt B. K. eine Luftbildaufnahme des Umgriffs des Baugrundstücks vor sowie eine Reihe von Lichtbildern, die offensichtlich anlässlich eines Ortstermins am 24. Oktober 2018 gefertigt worden waren. In das Luftbild waren handschriftliche Eintragungen vorgenommen worden, wonach auf dem Grundstück Fl.Nr. …1 der Gemarkung E … ein „Baggerverleih“ und auf dem Grundstück Fl.Nr. …0 „Physiotherapie“ betrieben werde.
9. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des sonstigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichts- und Behördenakte sowie auf die Gerichtsakte im Verfahren W 5 K 18.1275 Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist zulässig und begründet.
1. Der Antrag ist zulässig.
Die aufschiebende Wirkung der Drittanfechtungsklage des Antragstellers im Verfahren W 5 K 18.1275 (§ 80 Abs. 1 VwGO) entfällt vorliegend, weil er sich gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens wendet (§ 212a BauGB). In einem solchen Fall kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs ganz oder teilweise anordnen (§ 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO). Ein derartiger Antrag kann unmittelbar bei Gericht gestellt werden.
Sowohl die Antragsschrift vom 23. Oktober 2018 als auch die Klageschrift vom 7. Oktober 2018 erfüllen darüber hinaus das Schriftformerfordernis nach § 81 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Denn beide bei Gericht eingegangenen Schreiben wurden eigenhändig vom Antragsteller unterzeichnet.
2. Der Antrag ist darüber hinaus begründet.
Im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung anhand der in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO normierten Kriterien. Hierbei ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage bzw. seines Widerspruchs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache dann von maßgeblicher Bedeutung, wenn nach summarischer Prüfung von der offensichtlichen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Verwaltungsakts und der Rechtsverletzung des Antragstellers auszugehen ist. Jedenfalls hat das Gericht die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs bei seiner Entscheidung mit zu berücksichtigen, soweit diese sich bereits übersehen lassen (vgl. BVerfG, B.v. 24.2.2009 – 1 BvR 165/09 – NVwZ 2009, 581; BayVGH, B.v. 17.9.1987 – 26 CS 87.01144 – BayVBl. 1988, 369; Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 89 ff.). Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vollkommen offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen.
Vorliegend lässt sich nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung anhand der Akten feststellen, dass die Anfechtungsklage des Antragstellers gegen die Baugenehmigung des Landratsamts B. K. vom 6. September 2018 voraussichtlich Erfolg haben wird, da der angefochtene Bescheid den Antragsteller in nachbarschützenden Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BayBO ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Vorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Nach Art. 59 BayBO ist im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren der Prüfungsrahmen beschränkt. Gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 1 und 2 BayBO hat die Bauaufsichtsbehörde insbesondere die Übereinstimmung mit den Vorschriften über die baulichen Anlagen nach § 29 bis 38 BauGB und den Vorschriften über Abstandsflächen nach Art. 6 BayBO zu prüfen.
Die Baugenehmigung ist nur dann aufzuheben, wenn sie rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Einem Nachbarn des Bauherrn steht ein Anspruch auf Versagung der Baugenehmigung grundsätzlich nicht zu. Er kann eine Baugenehmigung nur dann mit Aussicht auf Erfolg anfechten, wenn öffentlich-rechtliche Vorschriften verletzt sind, die auch seinem Schutz dienen, oder wenn das Vorhaben es an der gebotenen Rücksichtnahme auf seine Umgebung fehlen lässt und dieses Gebot im Einzelfall Nachbarschutz vermittelt. Nur daraufhin ist das genehmigte Vorhaben in einem nachbarrechtlichen Anfechtungsprozess zu prüfen (vgl. BVerwG, B.v. 28.7.1994 – 4 B 94/94; U.v. 19.9.1986 – 4 C 8.84; U.v. 13.6.1980 – IV C 31.77 – alle juris; OVG Münster, B.v. 5.11.2013 – 2 B 1010/13 – DVBl. 2014, 532).
2.1. Im vorliegenden Fall ist nach Überzeugung der Kammer mit der Genehmigung des streitgegenständlichen Vorhabens ein derartiger Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts (Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO), nämlich gegen den Gebietserhaltungsanspruch des Antragstellers gegeben.
Bauplanungsrechtlich beurteilt sich das streitgegenständliche Vorhaben, das innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils liegt, mangels Vorliegens eines Bebauungsplans ausschließlich nach § 34 BauGB.
Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Nach § 34 Abs. 2 BauGB beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein nach der BauNVO, wenn die Eigenart der näheren Umgebung einem Baugebietstyp der BauNVO entspricht. Auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Abs. 1 BauGB, im Übrigen ist § 31 Abs. 2 BauGB entsprechend anwendbar.
Das geplante Vorhaben ist bereits nach der Art der baulichen Nutzung nicht zulässig. Der Antragsteller kann einen nachbarlichen Abwehranspruch insoweit auf die Grundsätze stützen, die das Bundesverwaltungsgericht zum sog. Gebietserhaltungsanspruch entwickelt hat (BVerwG, U.v. 28.4.2004 – 4 C 12/03 – juris). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann ein Nachbar im Plangebiet sich gegen die Zulässigkeit einer gebietswidrigen Nutzung im Plangebiet wenden, auch wenn er durch sie selbst nicht unzumutbar beeinträchtigt wird. Der Nachbar hat also bereits dann einen Abwehranspruch, wenn das baugebietswidrige Vorhaben im jeweiligen Einzelfall noch nicht zu einer tatsächlich spürbaren und nachweisbaren Beeinträchtigung führt. Der Abwehranspruch wird grundsätzlich bereits durch die Zulassung eines mit der Gebietsfestsetzung unvereinbaren Vorhabens ausgelöst. Begründet wird dies damit, dass im Rahmen des nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnisses jeder Planbetroffene das Eindringen einer gebietsfremden Nutzung und damit die schleichende Umwandlung des Baugebiets verhindern können soll (vgl. BVerwG, B.v. 2.2.2000 – 4 B 87/99 – NVwZ 2000, 679; U.v. 16.9.1993 – 4 C 28/91 – BVerwGE 94, 151). Derselbe Nachbarschutz besteht auch im unbeplanten Innenbereich, wenn die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete der Baunutzungsverordnung entspricht, § 34 Abs. 2 BauGB (BVerwG, U.v. 16.9.1993 – 4 C 28/91 – BVerwGE 94, 151; Dirnberger in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Stand März 2018, Art. 66 BayBO Rn. 347 und 395). § 34 Abs. 2 BauGB besitzt grundsätzlich nachbarschützenden Charakter (vgl. BVerwG, U.v. 16.9.1993 – 4 C 28/91 – BVerwGE 94, 151; Hofherr in Berliner Kommentar zum BauGB, § 34 Rn. 88). Danach hat der Nachbar in einem Gebiet, auf das § 34 Abs. 2 BauGB entsprechend Anwendung findet, einen Schutzanspruch auf Bewahrung der Gebietsart. An diesem Nachbarschutz nimmt der Antragsteller hier auch teil.
2.1.1. Vorliegend richtet sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des streitgegenständlichen Bauvorhabens seiner Art nach nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 4 BauNVO, da der maßgebliche Umgriff des Bauvorhabens nach Aktenlage einem allgemeinen Wohngebiet entspricht.
Die nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB maßgebende nähere Umgebung reicht so weit, als sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann und soweit die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch mit beeinflusst (vgl. BayVGH, B.v. 20.9.2012 – 15 ZB 11.460 – juris). Die Grenzen der näheren Umgebung lassen sich dabei nicht schematisch festlegen, sondern sind nach der städtebaulichen Situation zu bestimmen, in die das für die Bebauung vorgesehene Grundstück eingebettet ist (vgl. BVerwG, B.v. 28.8.2003 – 4 B 74/03 – juris). Prägend für das Baugrundstück kann nicht nur die Bebauung wirken, die gerade in dessen unmittelbarer Nachbarschaft überwiegt, sondern auch diejenige der weiteren Umgebung. Zur maßgeblichen Umgebung gehört dabei allein, was an Bebauung tatsächlich bereits vorhanden ist (BVerwG, U.v. 12.6.1970 – IV C 77.68 – juris).
Nach diesen Maßstäben wird das hier maßgebliche Gebiet begrenzt (vom Baugrundstück ausgehend) in nordwestlicher Richtung durch die H …- …straße, in nordöstlicher Richtung durch die Bebauung an der nordöstlichen Seite der S … Straße, und in südlicher sowie in westlicher Richtung durch den sich jenseits des vorhandenen Bebauungszusammenhangs (jenseits des südwestlich am Baugrundstück vorbeiführenden Weges und jenseits der Bebauung entlang der G …straße) anschließenden Außenbereich. Dieser so festgelegte Umgriff entspricht einem allgemeinen Wohngebiet nach § 4 BauNVO.
In der näheren Umgebung soll sich – nach den oberflächlichen Angaben des Landratsamts B. K. in der Luftbildaufnahme – neben dem Baggerverleih auf dem Grundstück Fl.Nr. …1 der Gemarkung E … auch eine Physiotherapie-Praxis auf dem Grundstück Fl.Nr. …0 befinden. Zudem seien eine mobile Cocktailbar mit Musikanlagenverleih (Fl.Nr. …1) und ein Garten- und Landschaftsbaubetrieb (Fl.Nr. …3/1) – wohl gewerberechtlich – „angemeldet“. Dafür, dass – mit Ausnahme der Physiotherapie-Praxis – die vg. Nutzungen baurechtlich genehmigt worden wären, lässt sich der Stellungnahme des Landratsamts nichts entnehmen. Soweit ersichtlich findet im maßgeblichen Umgriff ausschließlich Wohnnutzung statt, dies insbesondere beidseitig der S … Straße und im südlichen Bereich der G …straße. Unabhängig von der bestehenden Genehmigungslage stellt der betreffende Bereich nach vorläufiger Würdigung ein faktisches allgemeines Wohngebiet nach § 4 BauNVO dar. Einerseits kann aufgrund der aus den Akten ersichtlichen Gebietsstruktur und den Angaben der Beteiligten zu den vorhandenen gewerblichen Nutzungen vorliegend nicht von einem reinen Wohngebiet i.S.d. § 3 BauNVO ausgegangen werden. Andererseits dient das maßgebliche Gebiet aber weit überwiegend dem Wohnen, zumal die Physiotherapie-Praxis nicht zu den gewerblichen Nutzungen, sondern zu den freiberuflichen Tätigkeiten zählt und gemäß § 13 BauNVO privilegiert zulässig ist.
2.1.2. Das geplante Vorhaben ist in dem vorliegenden faktischen allgemeinen Wohngebiet nicht nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO als nicht störender Handwerksbetrieb allgemein zulässig, weil es sich schon nicht um einen Handwerksbetrieb handelt.
Nach allgemeiner Meinung übernimmt die BauNVO den Begriff des Handwerksbetriebs unverändert aus der Handwerksordnung (Stock in Ernst/ Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Stand Mai 2018, § 4 BauNVO Rn. 70). Die Handwerksordnung unterscheidet Betriebe des zulassungspflichtigen und solche des zulassungsfreien Handwerks sowie handwerksähnliche Betriebe. Gemeinsames Merkmal dieser Erscheinungsformen des Handwerksbetriebs ist, dass eine Tätigkeit aus dem jeweils auf sie zutreffenden Gewerbeverzeichnis handwerksmäßig betrieben werden muss. Bei dem Beruf des Kochs handelt es sich vorliegend aber weder um ein zulassungspflichtiges Handwerk im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 HwO i.V.m. der Anlage A noch um ein zulassungsfreies Handwerk nach § 18 Abs. 2 Satz 1 HwO i.V.m. Anlage B Abschnitt 1 noch um einen handwerksähnlichen Betrieb im Sinne des § 18 Abs. 2 Satz 2 HwO i.V.m. Anlage B Abschnitt 2. Bei dem Beruf des Kochs handelt es sich insoweit schon um keine der dort aufgelisteten Tätigkeiten und damit nicht um einen Handwerksberuf.
2.1.3. Das Vorhaben ist darüber hinaus auch nicht als nicht störender Gewerbebetrieb nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO ausnahmsweise zulässig.
Insoweit kann zunächst dahinstehen, dass eine entsprechende Ausnahmeerteilung im Genehmigungsbescheid des Landratsamts B. K. vom 6. September 2018 nicht ausdrücklich ausgesprochen ist. Der Antragsteller kann sich hierauf nämlich nicht berufen. Eine Verletzung seiner nachbarlichen Rechte kann nur vorliegen, wenn die Voraussetzungen der ausnahmsweisen Zulässigkeit des Vorhabens nicht gegeben sind (BayVGH, B.v. 30.4.2008 – 15 ZB 07.2914 – juris). Das ergibt sich bereits aus dem Umfang des materiellen Anspruchs des Nachbarn auf Wahrung der Gebietsart. Dieser ist darauf gerichtet, Vorhaben zu verhindern, die weder regelmäßig noch ausnahmsweise in einem Baugebiet zulässig sind. Weiter kann der Nachbaranspruch daher auch nicht gegenüber einer Genehmigung gehen, die diese Unterscheidung nicht ausdrücklich vornimmt.
Vorliegend sind aber auch die Voraussetzungen der ausnahmsweisen Zulässigkeit des Vorhabens nicht gegeben. Bei der streitgegenständlichen gewerblichen Küche mit Büro handelt es sich in der von der Baugenehmigung gedeckten Form nicht um einen nicht störenden Gewerbebetrieb im Sinne des § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO.
Ein Betrieb stört und kann nicht nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zugelassen werden, wenn er nach seiner typischen Nutzungsweise nicht gebietsverträglich ist. Bedeutsam für die Beurteilung der Gebietsverträglichkeit sind alle mit der Zulassung des Betriebs nach seinem Gegenstand, seiner Struktur und Arbeitsweise typischerweise verbundenen Auswirkungen auf die nähere Umgebung; dabei sind die Art und Weise der Betriebsvorgänge, der Umfang, die Häufigkeit und die Zeitpunkte dieser Vorgänge, der damit verbundene An- und Abfahrtsverkehr, der Einzugsbereich des Betriebs sowie die Dauer dieser Auswirkungen und ihre Verteilung auf die Tages- und Nachtzeiten zu berücksichtigen (BVerwG, B.v. 25.3.2004 – 4 B 15.04; BayVGH, U.v. 29.12.2003 – 25 N 98.3582 – beide juris).
Die eingeschränkte Typisierung von Betrieben gilt dabei nicht ausnahmslos. In dem Fall, dass der Betrieb zu einer Branche gehört, deren übliche Betriebsformen hinsichtlich des Störgrades eine große Bandbreite aufweisen und deshalb ein Maßstab fehlt, ist eine Einzelfallbeurteilung unumgänglich. Maßgeblich in diesem Fall ist die jeweilige Betriebsstruktur, d.h. ob sich die Störwirkungen, die die konkrete Anlage bei funktionsgerechter Nutzung erwarten lässt, innerhalb des Rahmens halten, der durch die Gebietseigenart vorgegeben wird (vgl. BVerwG, B.v. 22.11.2002 – 4 B 72.02; B.v. 18.8.1998 – 4 B 82.98; U.v. 7.2.1986 – 4 C 49.82; VGH Mannheim, U.v. 16.5.2002 – 3 S 1637/01- alle juris).
Vorliegend ist aufgrund der großen Bandbreite, die die Branche der gewerblichen Küchen in Bezug auf den Störgrad betreffend Lärm- und Geruchsimmissionen aufweist, eine typisierende Betrachtungsweise nicht angezeigt. Denn unter anderem abhängig vom jeweiligen Umfang, dem Einzugsbereich und den jeweiligen Auftraggebern der gewerblichen Küche kommen höchst unterschiedliche und unterschiedlich starke Belastungen durch Lärm- und Geruchsimmissionen in Betracht, denen im Rahmen einer typisierenden Betrachtungsweise nicht ausreichend Rechnung getragen werden kann.
Maßgebend ist bei der Beurteilung, ob es sich um einen nicht störenden Betrieb im Sinne des § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO handelt, sodann nicht in erster Linie der Umfang des Betriebes, sondern das Ausmaß der von dem konkreten Betrieb hervorgerufenen Störungen (BVerwG, B.v. 11.4.1975 – IV B 37.75 – juris). Die Prüfung des dem Betrieb innewohnenden Störpotentials ist jedoch ebenfalls auf das Ausmaß der typischerweise bei einer solchen Betriebsform auftretenden Störungen auszurichten (vgl. BayVGH, B.v. 28.6.2011 – 15 ZB 10.3134 – juris). Grundlage der rechtlichen Beurteilung ist das Vorhaben in seiner genehmigten Form (vgl. BayVGH, B.v. 10.2.2009 – 15 CS 08.2606 – juris).
Unter Zugrundelegung des genehmigten Betriebs ergibt sich, dass die Betriebsbeschreibung vom 6. August 2018 gem. Art. 64 Abs. 2 Satz 1 BayBO i.V.m. § 9 Absatz 2 BauVorlV wohl keine Bindungswirkung entfaltet, aber jedenfalls in Bezug auf das dem Betrieb innewohnende Störpotential äußerst unbestimmt ist. Der Betrieb ist darüber hinaus auch nicht durch die Nebenbestimmungen auf einen nicht störenden Gewerbebetrieb reduziert und das weitere Vorbringen des Landratsamts B. K. und der Beigeladenen ist für die Beurteilung insoweit schließlich nicht maßgeblich (vgl. BayVGH, B.v. 15.7.2016 – 9 ZB 14.1496 – juris), sodass der Betrieb nicht nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO ausnahmsweise zulässig ist.
Es spricht vorliegend schon viel dafür, dass es sich bei der Betriebsbeschreibung vom 6. August 2018 bereits um eine unvollständige Bauvorlage und damit nicht um eine verbindliche Bauvorlage i.S.d. Art. 64 Abs. 2 Satz 1 BayBO i.V.m. § 9 Absatz 2 BauVorlV handelt. Denn die Betriebsbeschreibung wurde entgegen der Vorschrift des Art. 64 Abs. 4 Satz 1 BayBO lediglich von dem Entwurfsverfasser, nicht aber von der Beigeladenen selbst unterschrieben (vgl. auch BayVGH, U.v. 31.5.2001 – 2 B 97.719VG – BayVBl. 2002, 339; VG München, B.v. 28.7.2016 – M 8 E 16.2545 – BeckRS 2016, 51699; VG München, U.v. 21.3.2012 – M 9 K 11.106 – juris). Erst durch seine Unterschrift unter die Bauvorlage – hier die Betriebsbeschreibung – erklärt der Bauherr aber, dass diese notwendige Beilage seines Bauantrages ist (Gaßner, in Simon/Busse, Art. 64 BayBO Rn. 121). Für eine Vertretung der Beigeladenen durch den Entwurfsverfasser bei der Unterzeichnung der Bauvorlage sind hier keine Anhaltspunkte ersichtlich.
Die Baugenehmigung muss jedenfalls aber inhaltlich so bestimmt sein, dass die getroffene Regelung für jeden Beteiligten – gegebenenfalls nach Auslegung – eindeutig zu erkennen und einer unterschiedlichen subjektiven Bewertung nicht zugänglich ist (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG). Maßgeblich für den Rechtsschutz des Nachbarn ist dabei, dass er feststellen kann, ob und mit welchem Umfang er betroffen ist (vgl. BayVGH, B.v. 28.10.2015 – 9 CS 15.1633 – juris). Vorliegend ist die Betriebsbeschreibung vom 6. August 2018 bezüglich des konkreten Störpotentials der genehmigten Anlage demgemäß aber jedenfalls nicht hinreichend bestimmt.
Aus den Angaben „Catering für Mittagsverpflegung von Kindergärten und Schulen von Montag bis Freitag“ und „gelegentlich Party-Service für private Feiern“ in der Betriebsbeschreibung vom 6. August 2018 ergibt sich einerseits nicht die Größe des betrieblichen Einzugsbereichs. Andererseits bleibt auch das Ausmaß des genehmigten Party-Service-Betriebs vollkommen unklar. Weiter wurde die Betriebszeit an Werktagen auf 9:00 Uhr bis 12:30 Uhr festgesetzt. Darunter befindet sich die Angabe, dass die Betriebszeit auf die Tageszeit begrenzt sei, wobei nicht ersichtlich ist, ob sich diese Angabe auf die Betriebszeit an Werktagen (zu der sie insoweit widersprüchlich wäre) oder auf die Betriebszeit an Sonn- und Feiertagen bezieht. Für die Beurteilung, ob es sich vorliegend um einen nicht störenden Gewerbebetrieb handelt, der in einem allgemeinen Wohngebiet ausnahmsweise zulässig ist, ist es aber von großer Bedeutung, ob die hier genehmigte gewerbliche Küche sonntags überhaupt nicht oder aber durchgehend von 6:00 Uhr bis 22:00 Uhr betrieben werden darf. Schließlich lassen sich auch aus den sonstigen Hinweisen, nämlich dass die Speisen überwiegend zum Kunden gebracht würden und die Rückgabe der Behältnisse nur werktags zur Tageszeit erfolgten, keine hinreichend bestimmten Anhaltspunkte dafür ersehen, dass es sich bei dem genehmigten Betrieb um einen nicht störenden Gewerbebetrieb handelt.
Darüber hinaus ist der Betrieb auch durch die in der Baugenehmigung selbst enthaltenen Nebenbestimmungen nicht auf einen nicht störenden Gewerbebetrieb reduziert, weil auch hieraus nicht das Ausmaß der vom konkreten Betrieb hervorgerufenen Störungen zur Beurteilung des Gebietserhaltungsanspruchs ersehen werden kann. Zwar können auch Beschränkungen eines Betriebs durch beigefügte Auflagen eine Bedeutung für die Beurteilung des Störgrades des Betriebs haben (vgl. BVerwG, B.v. 11.4.1975 – IV B 37.75 – juris). Das alleinige Abstellen auf die Nebenbestimmungen zur Einhaltung der Immissionsrichtwerte nach der TA Lärm ist jedoch nicht ausreichend, weil es für die Beurteilung der Gebietsverträglichkeit im Rahmen des Gebietserhaltungsanspruchs nicht auf tatsächlich spürbare und nachweisbare Beeinträchtigungen ankommt (vgl. BVerwG, B.v. 9.4.2008 – 7 B 2.08 – juris; BayVGH, B.v. 15.7.2016 – 9 ZB 14.1496 – juris m.w.N.). Die dem streitgegenständlichen Bescheid beigefügten Auflagen enthalten dabei die Festsetzung, dass die Immissionsrichtwerte für allgemeine Wohngebiete nach der TA Lärm einzuhalten sind, wobei eine Tätigkeit in der Nachtzeit (22:00 Uhr bis 6:00 Uhr) untersagt wurde. Eine Tätigkeit an Sonn- und Feiertagen zur Tageszeit ist nach den Nebenbestimmungen zur Baugenehmigung hingegen uneingeschränkt möglich. Hierdurch werden die Ungenauigkeiten in der Betriebsbeschreibung im Hinblick auf die Betriebszeiten an Sonn- und Feiertagen gerade nicht ausgeräumt. Von den Nebenbestimmungen ist vielmehr ein Betrieb der gewerblichen Küche von 6:00 Uhr bis 22:00 Uhr an sieben Tagen die Woche, einschließlich an Sonn- und Feiertagen, gedeckt. Ein solcher Betrieb ist aber im Hinblick auf die typischerweise auftretenden Lärm- und Geruchsimmissionen nicht den nicht störenden Gewerbebetrieben i.S.d. § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zuzuordnen. Der Inhalt der Baugenehmigung und damit das genehmigte Vorhaben bestimmen sich insoweit grundsätzlich nach der Bezeichnung und den Regelungen in der Baugenehmigung, die konkretisiert werden durch die in Bezug genommenen, mit dem Genehmigungsvermerk versehenen Bauvorlagen. Die Bauvorlagen haben aber gegenüber der Baugenehmigung nur eine konkretisierende und erläuternde Funktion. Weichen Darstellungen und Angaben in den mit dem Genehmigungsvermerk versehenen Bauvorlagen von dieser ab, geht die Baugenehmigungsurkunde vor (vgl. OVG NRW, U.v. 6.10.1982 – 11 A 1018/80 – juris; Lechner in Simon/Busse, Art. 68 BayBO Rn. 466). Im Hinblick auf die von der Baugenehmigung gedeckte Betriebszeit an Sonn- und Feiertagen kann vorliegend daher gerade nicht von einem nicht störenden Gewerbebetrieb ausgegangen werden.
Die diesbezüglichen schriftsätzlichen Ausführungen des Landratsamts B. K. sowie der Beigeladenen im gerichtlichen Antrags- bzw. Klageverfahren können insoweit für die Auslegung des genehmigten Betriebs nicht herangezogen werden, weil sie sich weder aus der Bau- oder Betriebsbeschreibung noch aus der Baugenehmigung einschließlich deren Nebenbestimmungen ergeben (vgl. BayVGH, B.v. 15.7.2016 – 9 ZB 14.1496 – juris; Lechner in Simon/Busse, Art. 68 BayBO Rn. 466). Dies gilt auch für den Aktenvermerk vom 28. August 2018 über ein fernmündliches Gespräch zwischen dem Landratsamt B. K. und der Beigeladenen. Demgemäß gab die Antragstellerin an, dass der Lieferverkehr maximal einmal pro Tag am Vormittag mit einem Kleintransporter oder einem kleinen Lkw erfolge und das Kochen in der Regel montags bis samstags. Leihmaterial werde in der Regel montags zurück gebracht. In Bezug auf die Rückgabe des Leihmaterials enthält die Betriebsbeschreibung vom 6. August 2018 abweichende Angaben (Rückgabe der Behältnisse nur werktags zur Tageszeit). In Bezug auf den Lieferverkehr ist der Aktenvermerk wiederum nicht mit den Angaben in Einklang zu bringen, die die Gemeinde … ihrem Gemeinderatsbeschluss vom 14. August 2018 zugrunde gelegt hat, nämlich dass zusätzlicher Anlieferverkehr zweimal wöchentlich zur Tageszeit stattfinde.
2.2. Die Angaben der Antragstellerin im fernmündlichen Gespräch am 28. August 2018 waren darüber hinaus aufgrund fehlender Verbindlichkeit – wie vorliegend jedoch offensichtlich erfolgt – auch nicht der fachtechnischen Stellungnahme des Immissionsschutzes vom 28. August 2018 zugrunde zu legen. Die schallimmissionsschutzrechtliche Beurteilung hat nämlich auf Grundlage der in der Baugenehmigung oder der in den ihr zugrunde liegenden Bauvorlagen enthaltenen Angaben zu erfolgen, und nicht lediglich auf Grundlage sonstiger Angaben der Beigeladenen (vgl. BayVGH, B.v. 18.5.2018 – 9 CS 18.10; BayVGH, B.v. 28.10.2015 – 9 CS 15.1633 – beide juris). Die fachtechnische Stellungnahme ist zudem äußerst knapp gehalten und ermöglicht es nicht, die vorgenommene überschlägige Berechnung nachzuvollziehen.
2.3. Damit kann der Betrieb der Beigeladenen nicht den nicht störenden Gewerbebetrieben zugeordnet werden, sodass er auch nicht gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO ausnahmsweise zulässig ist und seine bauordnungsrechtliche Zulassung den Gebietserhaltungsanspruch des Antragstellers verletzt.
3. Die Klage des Antragstellers gegen die Baugenehmigung hat daher voraussichtlich Erfolg, so dass das Interesse an der aufschiebenden Wirkung der Klage das Interesse an einem alsbaldigen Vollzug der Baugenehmigung überwiegt.
Somit ist dem Antrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Die Beigeladene hat sich vorliegend nicht durch eigene Antragstellung am Kostenrisiko des Verfahrens beteiligt (§ 154 Abs. 3 VwGO). Sie trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 63 Abs. 2 GKG. Nachbarklagen werden nach Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 mit 7.500,00 EUR bis 15.000,00 EUR im Hauptsacheverfahren bewertet. Die Kammer hält im vorliegenden Fall in der Hauptsache einen Streitwert von 10.000,00 EUR für angemessen, der für das vorliegende Sofortverfahren zu halbieren ist (Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs).


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