Baurecht

Ergänzung einer bestandskräftigen Baugenehmigung durch weitere Auflagen

Aktenzeichen  W 4 K 18.705

Datum:
6.11.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 35639
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 42 Abs. 1 Alt. 1
BayBO Art. 54 Abs. 2
BayVwVfG Art. 36 Abs. 1
BayVwVfG Art. 37 Abs. 1

 

Leitsatz

1. § 54 Abs. 2 BayBO ist nicht einschlägig, wenn eine Baugenehmigung nachträglich um Nebenbestimmungen ergänzt und erweitert werden soll.  (Rn. 22 – 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Rechtswidrigkeit des Haupt-Verwaltungsaktes führt zwingend zur Rechtswidrigkeit aller Nebenbestimmungen. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Bescheid des Landratsamts M. vom 25. April 2018 wird aufgehoben.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.
1. Die Klage ist als Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO zulässig. Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 25. April 2018 wird der Baugenehmigungsbescheid vom 18. November 2014 nachträglich um zwei Regelungen ergänzt (Ziffer I.4. und I.5.), die als echte Nebenbestimmungen im Sinne von Art. 36 BayVwVfG zu qualifizieren sind.
Gegen belastende Nebenbestimmungen eines Verwaltungsakts ist die Anfechtungsklage statthaft. Ob diese Klage zur isolierten Aufhebung der Nebenbestimmung führen kann, hängt davon ab, ob der begünstigende Verwaltungsakt ohne die Nebenbestimmung sinnvoller- und rechtmäßigerweise bestehen bleiben kann; dies ist eine Frage der Begründetheit und nicht der Zulässigkeit des Anfechtungsbegehrens, sofern nicht – wofür hier nichts ersichtlich ist – eine isolierte Aufhebbarkeit offenkundig von vornherein ausscheidet (BVerwG, U.v. 21.6.2007 – 3 C 39/06 – juris Rn. 20 m.w.N.).
Sollte es sich bei den angefochtenen Regelungen in Ziffern I.4. und I.5. des Bescheids vom 25. April 2018 – wie vom Beklagten im streitgegenständlichen Bescheid angedeutet – um eigenständige, auf Art. 54 Abs. 2 BayBO gestützte Verwaltungsakte handeln, wäre ohnedies die Anfechtungsklage statthaft. Im Übrigen spricht hier bereits die vom Landratsamt geschaffene Unklarheit über den Rechtscharakter der Ziffern I.4. und I.5. dafür, dass diese mit der Anfechtungsklage angegriffen werden können.
Nach Ansicht des erkennenden Gerichts ist den streitgegenständlichen Bestimmungen eine Regelungswirkung zuzuschreiben, so dass – anders als das Landratsamt meint – nicht nur Angaben und damit Inhalte bestätigt werden, die schon dem Ausgangsbescheid vom 18. November 2014 zugrunde lagen. Es handelt sich mithin nicht um bloße Genehmigungsinhaltsbestimmungen, die nicht selbständig anfechtbar wären (Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 42 Rn. 42).
Es ist daher davon auszugehen, dass die Regelungen in Ziffern I.4. und I.5. des Bescheids vom 25. April 2018 echte Nebenbestimmungen in Form der Auflage (Art. 36 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG) darstellen und die Baugenehmigung vom 18. November 2014 nachträglich ergänzen.
Die Klägerin ist klagebefugt im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO, da sie durch diese belastenden Anordnungen beschwert ist und als Adressatin in eigenen Rechten verletzt sein kann (Art. 2 Abs. 1 GG).
2. Die Klage ist begründet, da der Bescheid vom 25. April 2018 rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
2.1. Die Regelungen in Ziffern I.4. und I.5. des Bescheids vom 25. April 2018 können nicht auf Art. 54 Abs. 2 BayBO gestützt werden. Nach Art. 54 Abs. 2 Satz 1 BayBO haben die Bauaufsichtsbehörden darüber zu wachen, dass bei der Errichtung, Änderung, Nutzungsänderung und Beseitigung sowie bei der Nutzung und Instandhaltung von Anlagen die öffentlich-rechtlichen Vorschriften und die auf Grund dieser Vorschriften erlassenen Anordnungen eingehalten werden. Sie können in Wahrnehmung dieser Aufgaben die erforderlichen Maßnahmen treffen (Art. 54 Abs. 2 Satz 2 BayBO).
Art. 54 Abs. 2 BayBO könnte allenfalls dann die einschlägige Rechtsgrundlage sein, wenn bereits in der Baugenehmigung vom 18. November 2014 eine Festsetzung der Trainingszeiten und der maximalen Anzahl der Hunde erfolgt wäre und diese Regelungen lediglich durchgesetzt werden müssten. Das ist jedoch nicht der Fall.
Es ist zwar zutreffend, dass in Ziffer I. des Tenors der Baugenehmigung vom 18. November 2014 auf die mit dem Antrag eingereichten Zeichnungen und Beschreibungen verwiesen wird. Auch ist die Klägerin mit Schreiben des Landratsamts vom 28. Oktober 2014 aufgefordert worden, Angaben zu den Betriebszeiten zu machen und eine detaillierte Betriebsbeschreibung vorzulegen. Hierauf hat die Klägerin mit zwei E-Mails, vom 29. Oktober 2014 und vom 3. November 2014 geantwortet, die jedoch nicht geeignet sind, den Inhalt der Baugenehmigung derart zu präzisieren, dass hinsichtlich der Betriebszeiten und des Nutzungsumfangs der Anlage eine hinreichend bestimmte Regelung getroffen worden ist. Vielmehr führt sie in der E-Mail vom 29. Oktober 2014 (Bl. 18 d.A.) lediglich aus, dass die Trainingszeiten „saisonalen Schwankungen unterliegen“ und die Ausübung der Tätigkeit von Montag bis Samstag, zunächst im Nebenerwerb von 15 bis maximal 19 Uhr, später im Hauptgewerbe auch vormittags „geplant“ sei. Die Tätigkeit der Hundeschule solle dabei erst in zwei bis drei Jahren hauptberuflich ausgeführt werden. Bezüglich der Anzahl der gleichzeitig trainierten Hunde erklärt die Klägerin in der E-Mail vom 3. November 2018 (Bl. 19 d.A.), dass die „Nachfrage das Angebot regelt“. Nur „grundsätzlich“ trainiere sie in kleinen Gruppen von drei bis vier Hunden. Aus diesen Angaben lässt sich kein detailliertes Betriebskonzept entwickeln. Auch bringt die Klägerin durch die zum Teil vagen Formulierungen zum Ausdruck, dass sie lediglich ihre Planungen und Erwartungen äußert. Sowohl der Inhalt dieser Äußerungen als auch die Form der E-Mail lassen darauf schließen, dass die Klägerin nicht von der Eignung ihrer Darlegungen dahingehend ausging, Teil der Baugenehmigung zu werden.
Die streitgegenständlichen Regelungen können daher nicht auf Art. 54 Abs. 2 BayBO gestützt werden. Es geht nicht darum, darüber zu wachen, dass öffentlich-rechtliche Vorschriften bzw. aufgrund solcher Vorschriften in der Baugenehmigung getroffene Anordnungen umgesetzt werden. Vielmehr soll die Baugenehmigung aus dem Jahr 2014 – wie bereits unter Ziffer 1. dargelegt – um Nebenbestimmungen ergänzt und erweitert werden.
2.2. Auch Art. 36 Abs. 1 BayVwVfG kommt als Rechtsgrundlage jedoch nicht in Betracht. Demnach darf ein Verwaltungsakt wie die Baugenehmigung, auf den ein Anspruch (Art. 68 Abs. 1 BayBO) besteht, mit einer Nebenbestimmung nur versehen werden, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist oder wenn sie sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsakts erfüllt werden.
Durchgreifende Bedenken bestehen schon hinsichtlich des Austauschs der Rechtsgrundlage. Ein Verwaltungsakt kann auf Grund einer anderen als der in ihm angegebenen Befugnisnorm aufrechterhalten werden, wenn der Verwaltungsakt der Sache nach im Wesentlichen derselbe bleibt (vgl. BVerwG, U.v. 19.8.1988 – 8 C 29/87 – NVwZ 1989, 471). Eine Regelung darf durch den Austausch der Begründung nicht in ihrem Wesen verändert werden; wesentliche andere oder zusätzliche Ermessenserwägungen dürfen nicht erforderlich werden (vgl. BVerwG, U.v. 31.3.2010 – 8 C 12.09 – NVwZ-RR 2010, 636 = juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 20.4.2015 – 20 ZB 15.106 – juris Rn. 4; B.v. 1.2.2016 – 10 CS 15.2689 – juris Rn. 29). Übertragen auf den vorliegenden Fall scheidet unter diesen Voraussetzungen ein Austausch der Rechtsgrundlage aus, da es zumindest im Rahmen der Ermessenserwägungen einen wesentlichen Unterschied macht, ob eine vorhandene Regelung aus einem Verwaltungsakt durchgesetzt werden soll (wovon das Landratsamt ausgeht) oder – wie hier – neue Regelungen in Form der Nebenbestimmung getroffen werden.
2.3. Unabhängig davon sind die streitgegenständlichen Regelungen aus dem Bescheid vom 25. April 2018 als Nebenbestimmungen jedenfalls deshalb rechtswidrig, weil der Haupt-Verwaltungsakt, d.h. die Baugenehmigung vom 18. November 2014, rechtswidrig ist. Die Rechtswidrigkeit des Haupt-Verwaltungsaktes führt zwingend zur Rechtswidrigkeit aller Nebenbestimmungen (Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 36 Rn. 20).
Die Baugenehmigung vom 18. November 2014 ist aufgrund mangelnder Bestimmtheit gemäß Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG rechtswidrig. Eine Baugenehmigung muss Inhalt, Reichweite und Umfang der genehmigten Nutzung eindeutig erkennen lassen, damit die mit dem Bescheid getroffene Regelung für die Beteiligten des Verfahrens nachvollziehbar und eindeutig ist. Diesem Erfordernis ist genügt, wenn die mit dem Bescheid getroffene Regelung für die Beteiligten des Verfahrens – gegebenenfalls nach Auslegung – eindeutig zu erkennen und damit einer unterschiedlichen subjektiven Bewertung nicht zugänglich ist (BVerwG, U.v. 22.1.1993 – 8 C 57/91 – juris). Daran fehlt es hier.
Es lässt sich der Genehmigung vom 18. November 2014 auch in Verbindung mit den zugrunde liegenden Unterlagen nicht entnehmen, was im Einzelnen genehmigt ist. So bezieht sich die Genehmigung auf das Vorhaben „Einzäunung des Trainingsgeländes für Hundeschule, Hundepension und Assistenzhunde-Ausbildung“. Aus dieser Umschreibung lässt sich schon nicht erkennen, ob lediglich die Einzäunung oder auch der Betrieb genehmigt ist. Darüber hinaus steht nicht fest, inwieweit und in welchem Umfang neben der Hundeschule eine Hundepension bzw. die Assistenzhunde-Ausbildung von der Klägerin betrieben werden darf. Sie selbst hat in ihren E-Mails aus dem Jahr 2014 angegeben, dass die Hundepension erst Wichtigkeit erlangt, wenn sie die Hundeschule in zwei bis drei Jahren hauptberuflich betreibt. Inwieweit damit ein Verzicht der Klägerin auf den Betrieb einer Hundepension zu sehen ist, bleibt im Unklaren. Ein solcher Verzicht findet sich wohl nicht in den E-Mails aus den Jahren 2014. Zuletzt ist nochmals darauf hinzuweisen, dass in den E-Mails vom 29. Oktober 2014 und vom 3. November 2014, wie bereits unter Ziffer 2.1. dargelegt, ein Betriebskonzept, welches den Inhalt der Baugenehmigung im Sinne des Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG präzisiert, von der Klägerin nicht vorgelegt wurde. Zeiten und Umfang der Hundeausbildung bzw. Hundeschule bleiben unklar. Damit regelt die Baugenehmigung vom 18. November 2014 nicht mit der erforderlichen Bestimmtheit den Genehmigungsinhalt, womit u.a. die von der Anlage ausgehenden Umweltauswirkungen (vgl. v.a. hinsichtlich der Lärmemissionen) nicht ermittelbar sind, was nicht zuletzt auch im Hinblick auf die Nachbarrechte problematisch erscheint.
Die Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung vom 18. November 2014 führt daher zwingend zur Rechtswidrigkeit der nachträglich vorgesehenen Nebenbestimmungen in Ziffern I.4. und I.5. des Bescheids vom 25. April 2018.
3. Da die streitgegenständlichen Regelungen der Ziffern I.4. und I.5. des Bescheids vom 25. April 2018 mithin rechtswidrig sind und die Klägerin in ihren Rechten verletzen, ist der Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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