Baurecht

Erschließungsbeitrag, Bestimmtheit des Beitragsbescheids, Anwendbarkeit des Erschließungsbeitragsrechts, Anlagenbegriff, Abschnittsbildung (zulässig), Erschlossensein, Erreichbarkeitsanforderungen, Elastizität der Widmung bei Straßenbestandteilen

Aktenzeichen  M 28 K 20.5172

Datum:
1.9.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 45670
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KAG Art. 5a Abs. 1
BauGB § 130 Abs. 2
BauGB § 131 Abs. 1
BauGB § 133 Abs. 1
BayStrWG Art. 6 Abs. 8

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I. Die Klage ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft, da die Klagepartei in der mündlichen Verhandlung, nachdem die Beklagte nochmals klargestellt hatte, dass der Bescheid vom 25. September 2020 aufgehoben ist, auf Anregung des Gerichts nur noch beantragt hat, den Bescheid der Beklagten vom 23. November 2020 in Gestalt des Berichtigungsbescheids vom 4. März 2021 aufzuheben (s.o.).
II. Die Klage ist jedoch nicht begründet:
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 23. November 2020 in Gestalt des Berichtigungsbescheids vom 4. März 2021 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Dies ergibt sich im Einzelnen aus Folgendem:
1. Der Bescheid vom 23. November 2020 in Gestalt des Berichtigungsbescheids vom 4. März 2021 ist formell rechtmäßig, insbesondere wurde dem Bestimmtheitsgebot genügt:
Ein Beitragsbescheid muss hinreichend deutlich erkennen lassen, von wem was für welche Maßnahme und für welches Grundstück gefordert wird (Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b KAG i.V.m. § 119 AO, Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. aa KAG i.V.m. § 157 AO). Erforderlich sind daher Angaben über den Abgabenschuldner, die abzurechnende Maßnahme, den geschuldeten Betrag, das herangezogene Grundstück sowie die jeweilige Berechnungsgrundlage (vgl. BayVGH, B.v. 24.3.2015 – 6 CS 15.389 – juris Rn. 7 ff.; BayVGH, B.v. 4.6.2014 – 6 CS 14.716 – juris Rn. 13). Ob ein Abgabenbescheid den Anforderungen hinreichender Bestimmtheit genügt, ist durch Auslegung seines verfügenden Teils in Zusammenhang mit den Gründen und sonstigen den Betroffenen bekannten oder für sie ohne weiteres erkennbaren Umständen festzustellen. Die Annahme seiner Nichtigkeit wegen Unbestimmtheit scheidet aus, wenn die (vorrangige) Auslegung des Bescheids etwaige Zweifel an der Bestimmtheit beseitigt; dabei kommt es nicht darauf an, wie ein außenstehender Dritter, sondern wie der Betroffene selbst nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt des angefochtenen Bescheids unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen musste (vgl. BVerwG, U.v. 18.4.1997 – 8 C 43.95 – NVwZ 1999, 178/182 m.w.N.; BayVGH, B.v. 24.3.2015 – 6 CS 15.389 – juris Rn. 7 ff.; BayVGH, U.v. 6.3.2002 – 6 ZS 01.2799 – juris Rn. 4).
Gemessen an diesem Maßstab bestehen keine Zweifel an der hinreichenden Bestimmtheit des Bescheids vom 23. November 2020 in Gestalt des Berichtigungsbescheids vom 4. März 2021. Denn im Bescheid vom 23. November 2020 wurden im obigen Sinne hinreichend konkrete Angaben über den Abgabenschuldner, die abgerechnete Maßnahme mit genauer Angabe von deren Ausdehnung unter Nennung von Flurnummern, das herangezogene Grundstück, den festgesetzten Erschließungsbeitrag, den nach Abzug einer bereits erbrachten Zahlung noch zu zahlenden Betrag, sowie zur Berechnungsgrundlage gemacht. Aufgrund der Berechnungen auf Seite 2 dieses Bescheids war für den Kläger hinreichend nachvollziehbar, warum für das streitgegenständliche Grundstück ein Erschließungsbeitrag i.H.v. 12.322,00 € festgesetzt wurde. Zudem wurde nachvollziehbar dargestellt, dass nach Abzug des bereits infolge des inzwischen aufgehobenen Bescheids vom 25. September 2020 geleisteten Betrags i.H.v. 11.464,19 € für den Kläger lediglich ein noch zu zahlender Betrag i.H.v. 857,81 € verblieb. Außerdem wurde – auch für den juristischen Laien nachvollziehbar – dargestellt, dass der Bescheid vom 23. November 2020 deswegen ergangen sei, weil sich eine näher bezifferte Änderung des beitragsfähigen Erschließungsaufwands ergeben habe, da ein näher bezeichneter Grunderwerb im Bescheid vom 25. September 2020 nicht in Ansatz gebracht worden sei. Die Ausführungen der Klagepartei, dass der Bescheid vom 23. November 2020 auch deswegen nicht hinreichend bestimmt sei, weil die unter Ziffer II. des Bescheids aufgeführte Beitragsberechnung nicht mit der hinreichenden Transparenz auf § 7 EBS Bezug nehme, weil kein klarer Bezug zur Ermäßigung vorgenommen werde, überzeugen nicht. Denn hierdurch werden die Anforderungen an die Bestimmtheit eines Erschließungsbeitragsbescheids überspannt. Aus Sicht des Gerichts war es vielmehr ausreichend, dass im Bescheid vom 23. November 2020 bei Ziffer II. (Beitragsberechnung) die gewährte „Eckplatzermäßigung“ für das streitgegenständliche Grundstück ausgewiesen wurde und unter Ziffer III. (Begründung) die entsprechenden Rechtsgrundlagen benannt wurden. Angesichts der obigen Ausführungen war für eine hinreichende Bestimmtheit des Bescheids vom 23. November 2020 auch keine Auseinandersetzung der Beklagten mit der individuellen baulichen Situation auf dem streitgegenständlichen Grundstück erforderlich. Auch die Ausführungen im Berichtigungsbescheid vom 4. März 2021 rechtfertigen keine abweichende Einschätzung. Denn dort wurde zunächst erneut geschildert, warum der Bescheid vom 23. November 2020 ergangen ist. Anschließend wird – wiederum auch für juristische Laien nachvollziehbar – ausgeführt, dass die Angabe im Bescheid vom 23. November 2020, dass durch ihn der Bescheid vom 25. September 2020 geändert werde, dahingehend berichtigt werde, dass der Bescheid vom 25. September 2020 durch den Bescheid vom 23. November 2020 aufgehoben werde. Dies wurde nachvollziehbar damit begründet, dass der Bescheid vom 23. November 2020 den Bescheid vom 25. September 2020 ersetze.
2. Der Bescheid der Beklagten vom 23. November 2020 in Gestalt des Berichtigungsbescheids vom 4. März 2021 ist auch materiell rechtmäßig:
Der streitgegenständliche Erschließungsbeitragsbescheid beruht auf Art. 5a Abs. 1 BayKAG i.V.m. §§ 127 ff. BauGB i.V.m. der Satzung über die Erhebung von Erschließungsbeiträgen der Gemeinde Gilching (Erschließungsbeitragssatzung – EBS) vom 31. Juli 2019. Nach diesen Vorschriften erheben die Gemeinden zur Deckung ihres anderweitig nicht gedeckten Aufwands für Erschließungsanlagen einen Erschließungsbeitrag. Erschließungsanlagen in diesem Sinne sind u.a. die öffentlichen zum Anbau bestimmten Straßen (§ 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB bzw. Art. 5a Abs. 2 Nr. 1 BayKAG). Der beitragsfähige Erschließungsaufwand kann für die einzelne Erschließungsanlage oder für bestimmte Abschnitte einer Erschließungsanlage ermittelt werden (§ 130 Abs. 2 Satz 1 BauGB). Der Erschließungsaufwand umfasst dabei u.a. die Kosten für die erstmalige Herstellung der Erschließungsanlage einschließlich der Einrichtungen für die Entwässerung und Beleuchtung (§ 128 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB). Beiträge können gemäß § 129 Abs. 1 Satz 1 BauGB nur insoweit erhoben werden, als die Erschließungsanlagen erforderlich sind, um die Bauflächen entsprechend den baurechtlichen Vorschriften zu nutzen (beitragsfähiger Erschließungsaufwand). Der ermittelte beitragsfähige Erschließungsaufwand ist nach Abzug eines Gemeindeanteils (vgl. § 129 Abs. 1 Satz 3 BauGB i.V.m. § 5 EBS) auf die durch die Anlage erschlossenen Grundstücke zu verteilen (§ 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB). Die Beitragspflicht entsteht unbeschadet weiterer Voraussetzungen mit der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlage (§ 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB).
Die Beklagte konnte rechtmäßig einen Erschließungsbeitrag erheben (sogleich 2.1.). Sie konnte den Erschließungsbeitrag zudem in rechtmäßiger Weise für den streitgegenständlichen Abschnitt der W … straße, der im Bescheid vom 23. November 2020 näher bezeichnet wird, gesondert ermitteln (sogleich 2.2.). Auch der von der Beklagten zugrunde gelegte beitragsfähige Erschließungsaufwand begegnet keinen durchgreifenden Bedenken (sogleich 2.3.). Die Verteilung des Aufwands erfolgte ebenfalls ordnungsgemäß (sogleich 2.4.). Auch sonstige Gesichtspunkte stehen der Beitragserhebung nicht entgegen (sogleich 2.5.).
2.1. Die Beklagte konnte rechtmäßig einen Erschließungsbeitrag – und nicht etwa nur einen Straßenausbaubeitrag – festsetzen. Denn der streitgegenständliche Abschnitt der W … straße wurde nicht bereits ohne die nun abgerechneten Maßnahmen erstmalig endgültig hergestellt. Im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Straßenbaumaßnahmen, die im Jahr 2017 erfolgten, lag in diesem Bereich jedenfalls keine ausreichende Straßenentwässerung vor:
Bereits vor Inkrafttreten der erschließungsbeitragsrechtlichen Vorschriften des Bundesbaugesetzes am 30. Juni 1961 war selbst in kleineren ländlichen Gemeinden eine durchgehende, gezielte und funktionierende Ableitung des Straßenoberflächenwasser (mit notwendiger Abgrenzung zu den anliegenden Grundstücken, d.h. keine bloße Versickerung über die angrenzenden Grundstücke) zur endgültigen Herstellung einer Erschließungsstraße unerlässlich (vgl. BayVGH, B.v. 15.11.2018 – 6 B 81 A.51 – n.V., UA S. 9; BayVGH, U.v. 9.10.1980 – 6 B 2245/79 – n.V., UA S. 5; BayVGH, B.v. 24.5.2005 – 6 ZB 02.797 – juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 12.6.2014 – 6 CS 14.1077; vgl. ferner Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, Stand: November 2017, Rn. 181 c). Nach Inkrafttreten des erschließungsbeitragsrechtlichen Teils des Bundesbaugesetzes am 30. Juni 1961 ist eine Anbaustraße erschließungsbeitragsrechtlich erstmalig endgültig hergestellt, wenn sie erstmals die nach dem satzungsmäßigen Teileinrichtungsprogramm und dem (dieses bezüglich der flächenmäßigen Teileinrichtungen ergänzenden) Bauprogramm erforderlichen Teileinrichtungen aufweist und diese den jeweils für sie aufgestellten technischen Ausbauprogrammen entsprechen (vgl. BVerwG, U.v. 10.10.1995 – 8 C 13/94 – juris Rn. 19; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Auflage 2012, § 11 Rn. 50), wobei die Gemeinde das Bauprogramm im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften (z.B. § 125 BauGB, Anforderungen nach dem Landestraßenrecht) frei gestalten kann (Driehaus a.a.O., § 13 Rn. 54). In § 9 Abs. 1 Nr. 2 EBS vom 31. Juli 2019 ist die Straßenentwässerung auch als Merkmal der endgültigen Herstellung der Erschließungsanlagen genannt. Auch in § 8 Abs. 1 Nr. 2 EBS vom 5. Dezember 1989 und selbst in § 7 Abs. 1 Nr. 2 EBS vom 12. November 1979 war dies bereits der Fall. Die Straßenentwässerung stellt dabei schon begrifflich eine technisch abgrenzbare Teileinrichtung dar, das bloße Abfließen des Regenwassers aufgrund der Straßenwölbung genügt hierfür nicht. Dies gilt erst recht, wenn für die Entwässerung notwendig Privatgrundstücke in Anspruch genommen werden müssen und die Beklagte sich dadurch möglichen Abwehransprüchen der Anlieger, die diese Beeinträchtigung ihres Privateigentums nicht hinzunehmen haben, aussetzt (BayVGH, B.v. 6.3.2006 – 6 ZB 03.2961 – juris Rn. 9). Erforderlich sind vielmehr Entwässerungseinrichtungen wie Randsteine oder Rinnen, durch die das Oberflächenwasser gezielt und ohne Inanspruchnahme von Privateigentum abgeleitet wird (BayVGH, U.v. 5.11.2007 – 6 B 05.2551 – juris Rn. 33).
Angesichts der dem Gericht vorliegenden Unterlagen, insbesondere der zahlreichen „Bilder Bestand“ vom 21. Oktober 2016 und vom 24. Oktober 2016, die in der Präsentation zur Anliegerversammlung „Ausbau W … straße“ am 6. April 2017 enthalten sind, und die den Zustand des streitgegenständlichen Abschnitts der W … straße vor Durchführung der Bauarbeiten dokumentieren, ist davon auszugehen, dass dieser Abschnitt der W … straße vor den streitgegenständlichen Straßenbaumaßnahmen über keine ordnungsgemäße Straßenentwässerung verfügte, da zumindest in Teilbereichen keine Randeinfassung aus Bord- oder Leistensteinen vorhanden war, sowie das Oberflächenwasser in diesem Bereich in die Privatgrundstücke oder in die Bankettbereiche lief und dort im Oberboden versickerte, zumal auch eine ordnungsgemäße Wasserführung mittels Längs- und Quergefälle nicht vorhanden war und auf mehreren Fotos erhebliche Pfützen auf dem Straßenbelag und am Straßenrand zu sehen sind. Dies entspricht keinesfalls den o.g. Anforderungen an eine ordnungsgemäße Straßenentwässerung. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung, nachdem ihm die o.g. „Bilder Bestand“ aus der genannten Anliegerpräsentation vorgelegt wurden, auch bestätigt, dass diese Fotos die W … straße im abgerechneten Abschnitt vor den streitgegenständlichen Baumaßnahmen zeigen.
2.2. Die Beklagte konnte zudem in rechtmäßiger Weise den Erschließungsbeitrag für den streitgegenständlichen Abschnitt der W … straße, der im Bescheid vom 23. November 2020 näher bezeichnet wird, gesondert ermitteln:
Wie weit eine einzelne Erschließungsanlage reicht und wo eine andere Anlage beginnt bestimmt sich nach ständiger Rechtsprechung des BayVGH (vgl. z.B. BayVGH, U.v. 30.11.2009 – 6 B 08.2294 – juris Rn. 16 m.w.N.) grundsätzlich nach dem Gesamteindruck, den die jeweiligen tatsächlichen Verhältnisse einem unbefangenen Beobachter vermitteln. Zu fragen ist dabei, inwieweit sich die zu beurteilende Straße als augenfällig eigenständiges Element des örtlichen Straßennetzes darstellt. Dabei hat sich der ausschlaggebende Gesamteindruck nicht an Straßennamen, Grundstücksgrenzen oder straßenverkehrsrechtlichen Regelungen, sondern, ausgehend von einer natürlichen Betrachtungsweise aus einem Blickwinkel am Boden, an der Straßenführung, der Straßenlänge, der Straßenbreite und der Straßenausstattung auszurichten. Die Erschließungsanlage „W … straße“ endet bei natürlicher Betrachtungsweise nicht an der Abzweigung in den S.weg, sondern setzt sich über die Kreuzung „Am S …E …“ hinweg fort und umfasst zudem den Straßenabschnitt „K …“ bis zu dessen Einmündung in den E … Denn die W … straße setzt sich auf Höhe der Einmündung des S … unverändert geradlinig fort und der S … hat angesichts der örtlichen Verhältnisse keine trennende Funktion dahingehend, dass bei natürlicher Betrachtungsweise davon auszugehen wäre, dass die streitgegenständliche Erschließungsanlage an dessen Einmündung in die W … straße endet. Dem Gericht liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Abschnitt der W … straße jenseits des S … bereits erstmalig endgültig hergestellt wurde, so dass die Erschließungsanlage „W … straße“ auch nicht aus Rechtsgründen an der Einmündung in den S … endet. Bei natürlicher Betrachtungsweise setzt sich die Erschließungsanlage jenseits der Einmündung des S … in die W … straße angesichts der Straßenführung auch über die Kreuzung „Am S …E …“ fort, da ein unbefangener Beobachter angesichts der örtlichen Verhältnisse an dieser Kreuzung weiterhin geradeaus der W … straße und anschließend dem Straßenabschnitt „K …“ bis zu dessen Einmündung in den E … folgen würde. Die Erschließungsanlage setzt sich im Bereich „K …“ auch nicht in den H …weg fort, da dieser deutlich schmaler ist, als der Straßenabschnitt „K …“ und die örtliche Situation in der Kurve bei einem unbefangenen Beobachter eine Weiterfahrt über den Straßenabschnitt „K …“ bis zur Einmündung in den E … nahelegt. Die Einmündungssituation des Straßenabschnitts „K …“ in den E … ist wiederum so gestaltet, dass davon auszugehen ist, dass die Erschließungsanlage „W … straße“ bei natürlicher Betrachtungsweise an dieser Einmündung endet.
Die Beklagte durfte dennoch in rechtmäßiger Weise den Erschließungsbeitrag für den streitgegenständlichen Abschnitt der W … straße, der im Bescheid vom 23. November 2020 dahingehend beschrieben wurde, dass er ab dem Abzweig in den S …weg zwischen den Grundstücken FlNr. 1650/5 und 1659/13 beginne und sich Richtung Südosten bis zum Grundstück FlNr. 3282/2 (A 96) mit der S … straße FlNr. 1668/8 und der S … straße FlNr. 1645/15 erstrecke, gesondert ermitteln. Denn sie hat am 23. März 2021 einen rechtmäßigen Abschnittsbildungsbeschluss gefasst, laut dem für die „Abrechnung der Erschließungsanlage W … straße, beginnend in Höhe des S …wegs bis zum Ende der W … straße nahe Autobahn“, ein Abschnitt nach § 130 Abs. 2 Satz 1 BauGB gebildet wurde:
a) Die Entscheidung der Gemeinde, den Erschließungsaufwand abweichend von der gesetzlichen Regel unter den jeweiligen Voraussetzungen auf der Grundlage eines Abschnitts oder für mehrere Anlagen insgesamt zu ermitteln und zu verteilen, erfolgt im Einzelfall durch einen innerdienstlichen Ermessensakt, der in Vermerken, Niederschriften, Abrechnungsunterlagen, usw. in den Akten zum Ausdruck kommen und hinreichend bestimmt sein muss. Da die Entscheidung wegen ihres Ausnahmecharakters und ihrer Bedeutung für eine Vielzahl von Grundstücken in der Regel nicht als Geschäft der laufenden Verwaltung anzusehen ist, fällt sie üblicherweise in die Zuständigkeit des Gemeinderates, der sie nach Art. 32 Abs. 2 Satz 1 GO auf einen beschließenden Ausschuss oder nach Maßgabe von Art. 37 Abs. 2 GO dem ersten Bürgermeister zur selbstständigen Erledigung übertragen kann (vgl. BayVGH, U.v. 13.4.2017 – 6 B 14.2720 – juris Rn. 27; BayVGH, U.v. 6.4.2017 – 6 B 16.2125 – juris Rn. 29). Der o.g. Abschnittsbildungsbeschluss vom 23. März 2021 wurde im obigen Sinne vom Gemeinderat der Beklagten gefasst und ist inhaltlich hinreichend bestimmt. Denn ein Wille zur konstitutiven Abschnittsbildung ist in diesem Gemeinderatsbeschluss klar erkennbar. Zudem ergibt sich aus diesem Beschluss hinreichend klar, wo die Grenze des Abschnitts gezogen werden soll, zumal zur Verdeutlichung ein entsprechender Lageplan als Anlage hinzugefügt wurde.
b) Zudem liegen die Voraussetzungen des § 130 Abs. 2 Satz 2 BauGB vor. Nach dieser Vorschrift können Abschnitte einer Erschließungsanlage nach örtlich erkennbaren Merkmalen oder nach rechtlichen Gesichtspunkten (z.B. Grenzen von Bebauungsplangebieten, Umlegungsgebieten, förmlich festgelegten Sanierungsgebieten) gebildet werden. Zu den „örtlich erkennbaren Merkmalen“ im Sinne dieser Vorschrift gehören u. a. auch Kreuzungen und Einmündungen (vgl. Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, Rn. 711 m. w. N.), wie vorliegend die Einmündung des S …wegs in die W … straße. Um eine Teilstrecke einer Anbaustraße als Abschnitt abrechnungsmäßig zu verselbständigen, muss sie zudem grundsätzlich eine gewisse eigenständige Bedeutung als Verkehrsanlage haben. Sie muss von ihrem Umfang her – gleichsam stellvertretend – „Straße“ sein können. Sowohl die grundsätzliche Forderung einer gewissen selbständigen Bedeutung als auch das Verlangen einer Begrenzung nach örtlich erkennbaren Merkmalen oder rechtlichen Gesichtspunkten sind letzten Endes darauf ausgerichtet, willkürliche Abschnittsbildungen zu verhindern (vgl. BayVGH, U.v. 13.4.2017 – 6 B 14.2720 – juris Rn. 26; BayVGH, B.v. 9.7.2013 – 6 ZB 12.1781 – juris Rn. 7; BayVGH, B.v. 31.7.2014 – 6 CS 14.660 – juris Rn. 11 m.w.N.). Auch diese Voraussetzungen sind hinsichtlich der streitgegenständlichen Abschnittsbildung angesichts der obigen Ausführungen erfüllt.
c) Den zur Vermeidung eines Verstoßes gegen das Willkürverbot darüber hinaus notwendigen und ursprünglich fehlenden prognostischen Vergleich (vgl. BayVGH, B.v. 23.2.2015 – 6 B 14.2435 – juris Rn. 18; BayVGH, B.v. 10.9.2009 – 6 CS 09.1435 – juris Rn. 16 f.) zwischen den berücksichtigungsfähigen Kosten je Quadratmeter Straßenfläche hinsichtlich der erstmaligen Herstellung des abgerechneten Abschnitts der Erschließungsanlage „W … straße“ auf der einen Seite und den entsprechenden Kosten des Abschnitts der „W … straße“ jenseits des S …wegs auf der anderen Seite, hat die Beklagte in zulässiger Weise nachgeholt und dem Gericht mit Schriftsatz vom 31. August 2021 vorgelegt. Der Kostenvergleich hat ergeben, dass sich die Kosten für den abgerechneten Abschnitt der Erschließungsanlage „W … straße“ (Abschnitt a) im vorgelegten prognostischen Kostenvergleich) mit 162,25 € pro qm Straßenfläche lediglich geringfügig von den prognostizierten Herstellungskosten für die Abschnitte b) und c) („Abschnitt vom S …weg bis FlNr. 1653/5“ und „Abschnitt K … (ab FlNr. 1653/5 bis Einmündung E …“)) von 162,96 € pro qm Straßenfläche unterscheiden, so dass die im Hinblick auf das Willkürverbot maßgebliche Kostendifferenz von mehr als einem Drittel (vgl. BayVGH, B.v. 10.9.2009 – 6 CS 09.1435 – juris Rn. 17) keinesfalls überschritten wurde. Bei der Schätzung der Herstellungskosten für die Abschnitte b) und c) der Erschließungsanlage „W … straße“ ist die Beklagte angesichts der obigen Ausführungen auch zu Recht davon ausgegangen, dass sich diese Erschließungsanlage jenseits des S … bis zur Einmündung des Straßenabschnitts „K …“ in den E … erstreckt. Die Grenzen der Abschnitte wurden von der Beklagten daher nicht beliebig gezogen oder nach zufälligen Ausbaustrecken gebildet.
2.3. Auch der von der Beklagten zugrunde gelegte beitragsfähige Erschließungsaufwand begegnet keinen durchgreifenden Bedenken:
Eine Gemeinde hat hinsichtlich des Inhalts des Bauprogramms einer Straßenbaumaßnahme einen weiten Gestaltungsspielraum. Sie ist auch nicht gehalten, die kostengünstigste Ausbaumöglichkeit zu wählen. Die Erforderlichkeit entstandener Kosten kann nur verneint werden, wenn sich die Gemeinde offensichtlich nicht an das Gebot der Wirtschaftlichkeit gehalten hat und dadurch augenfällige Mehrkosten entstanden sind, d.h. wenn die Kosten in für die Gemeinde erkennbarer Weise eine grob unangemessene Höhe erreichen und sachlich schlechthin unvertretbar sind (vgl. BayVGH, B.v. 4.6.2014 – 6 CS 14.716 – juris Rn. 15 m.w.N.). Grundlage der Beitragserhebung kann zudem grundsätzlich nur derjenige Aufwand sein, den die Gemeinde aufgrund gesetzlicher oder vertraglicher Verpflichtungen für die in § 128 Abs. 1 Satz 1 BauGB genannten Maßnahmen machen musste. In Betracht kommen etwa Kosten aus Grundstückskaufverträgen, Werk- oder Dienstverträgen mit Bauunternehmern, Bauingenieuren oder Architekten, und zwar Haupt- und Nebenkosten (z.B. Vermessungskosten) einschließlich etwaiger Umsatzsteuer. Die Gemeinde ist zudem grundsätzlich zu einer centgenauen Kostenermittlung verpflichtet (vgl. Schmitz, Erschließungsbeiträge, 2018, § 8 Rn. 4 ff.). Vorliegend wurde im Schreiben der Beklagten an den Kläger vom 3. September 2020 aufgeschlüsselt, welche Rechnungen in welcher Höhe in die Berechnung des beitragsfähigen Erschließungsaufwands i.S.v. § 3 EBS einbezogen wurden. In den vorgelegten Behördenakten befinden sich zudem eine entsprechende „Zusammenstellung beitragsfähiger Aufwand“, die zugrundeliegenden Einzelrechnungen und eine Aufstellung zum Grunderwerb. Zudem wurde im Bescheid vom 23. November 2020 in nachvollziehbarer Weise dargestellt, dass sich der betragsfähige Erschließungsaufwand von 879.931,86 € auf 945.772,99 € erhöht habe, da im inzwischen aufgehobenen Bescheid vom 25. September 2020 der Grunderwerb i.H.v. 65.841,30 € nicht in Ansatz gebracht worden sei, obwohl dieser Bestandteil des beitragsfähigen Erschließungsaufwands sei (s.o.). Der Kläger hat zunächst gerügt, dass im o.g. Schreiben vom 3. September 2020 pauschale Kosten für den Straßenbau durch die „Firma … S …“ mit Aufsplittung in „Gesamtbetrag“ und „beitragsfähiger Aufwand“ genannt worden seien. Er trug insoweit aber lediglich pauschal und in keiner Weise hinreichend substantiiert vor, dass dies – sowie die Aufsplittung der „Baugrunduntersuchung“ in diesem Schreiben – nicht nachvollziehbar seien (s.o.). Darüber hinaus führte er zu diesem Schreiben des Beklagten ebenfalls lediglich pauschal und unsubstantiiert aus, dass der Beklagte die „Grünanlagen“ laut der Informationsveranstaltung vom 6. April 2017 selbst habe tragen wollen, sowie, dass die „Baunebenkosten“ durch das Ingenieurbüro … ebenfalls gesplittet worden seien und nicht nachvollziehbar seien. Zudem sei das Vermessungsamt zur Grenzwiederherstellung mehrfach tätig geworden. In diesem Zusammenhang sei auch die Straße „Am …“ neu vermessen worden, weil einige Grenzsteine bei der Erschließung derselben Straße durch die Bauunternehmen entfernt worden seien. Hierzu würden Detailangaben fehlen. Insgesamt sei unverständlich, warum die Kosten für die Erschließung der W … straße für die Anlieger in Bezug auf die anzurechnende Grundstücksgröße 4,3 mal so hoch seien, wie bei der Erschließung der Straße „Am …“ (s.o.). Diese pauschale und unsubstantiierte Infragestellung der im o.g. Schreiben vom 3. September 2020 dargestellten Rechnungen, die der ursprünglichen Berechnung des beitragsfähigen Erschließungsaufwands zurgrunde lagen, ist in keiner Weise geeignet, hinreichende Anhaltspunkte dafür zu bieten, dass die dort aufgeschlüsselten Kosten nicht im obigen Sinne erforderlich gewesen sein könnten und nicht in der in diesem Schreiben des Beklagten dargestellten Höhe zur Grundlage des beitragsfähigen Erschließungsaufwands gemacht werden durften.
2.4. Auch die Verteilung des Aufwands erfolgte ordnungsgemäß:
a) Gemäß § 4 EBS bilden die von einer Erschließungsanlage erschlossenen Grundstücke das Abrechnungsgebiet. Das streitgegenständliche Grundstück gehört hinsichtlich des abgerechneten Abschnitts der Erschließungsanlage „W … straße“ auch zum Kreis der nach § 131 Abs. 1 Satz 1 BauGB und § 133 Abs. 1 BauGB erschlossenen und beitragspflichtigen Grundstücke:
aa) Erschlossen ist ein Grundstück, wenn ihm die Anlage in erschließungsbeitragsrechtlicher Weise, d.h. in einer auf die bauliche oder vergleichbare Nutzbarkeit der Grundstücke gerichtete Funktion die Zugänglichkeit vermittelt (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerwG, U.v. 12.11.2014 – 9 C 4.13 – juris Rn. 11 m.w.N.; BayVGH, U.v. 6.6.2019 – 6 B 19.246 – juris Rn. 19). Die Annahme eines beitragsrelevanten Erschließungsvorteils scheidet auch nicht deshalb aus, weil das Grundstück des Klägers bereits an eine andere Straße grenzt und auch von aus dort tatsächlich Zufahrt genommen werden kann. Denn Erschließungsbeiträge werden für die „erstmalige Herstellung einer Erschließungsanlage“ erhoben, nicht für die „erstmalige Erschließung“ eines Grundstücks. Es muss daher bei der Prüfung des Erschlossenseins durch eine hinzutretende Anbaustraße die dem betreffenden Grundstück bereits durch eine bestehende Anbaustraße vermittelte Bebaubarkeit hinweggedacht werden (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerwG, U.v. 12.11.2014 – 9 C 4.13 – juris Rn. 15; BayVGH, U.v. 6.6.2019 – 6 B 19.246 – juris Rn. 22). Die Frage des Erschlossenseins eines Grundstücks hängt in erster Linie davon ab, welche Anforderungen an die Form der Erreichbarkeit zu stellen sind, wobei im Erschließungsbeitragsrecht die jeweilige bauplanungsrechtliche Situation entscheidend ist. Das Bauplanungsrecht verlangt für die Bebaubarkeit eines Grundstücks regelmäßig dessen Erreichbarkeit mit Kraftfahrzeugen (Heranfahrenkönnen), sofern es nicht ausnahmsweise weniger, nämlich eine fußläufige Erreichbarkeit (Zugang), genügen lässt oder mehr verlangt, nämlich eine Erreichbarkeit dergestalt, dass auf das Grundstück mit Kraftfahrzeugen heraufgefahren werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 19.3.2020 – 6 ZB 19.2057 – juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 29.4.2016 – 6 CS 16.58 – juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 28.9.2015 – 6 B 14.606 – juris Rn. 18). Die aus dem Bebauungsrecht hergeleiteten gesteigerten Erreichbarkeitsanforderungen dahingehend, von der abgerechneten Straße auf das Grundstück herauffahren zu können, sind im Erschließungsbeitragsrecht nur für Grundstücke in planerisch festgesetzten Gewerbe- oder Industriegebieten anerkannt (vgl. BayVGH, B.v. 19.3.2020 – 6 ZB 19.2057 – juris Rn. 8; BayVGH, U.v. 13.4.2017 – 6 B 14.2720 – juris Rn. 17). Schon in einem durch einen qualifizierten Bebauungsplan als Mischgebiet festgesetzten Bereich genügt es – vorbehaltlich besonderer Festsetzungen im Bebauungsplan – für das Entstehen von Erschließungsbeitragspflichten hingegen, an das Grundstück heranfahren zu können, d.h. auf der Straße auf die Höhe des Grundstücks zu fahren und es von dort aus betreten zu können. Ein Herauffahrenkönnen ist nicht erforderlich (vgl. BayVGH, U.v. 6.6.2019 – 6 B 19.246 – juris Rn. 19; BayVGH, B.v. 9.2.2010 – 6 ZB 08.393 – juris Rn. 5). Auch bei Anbaustraßen in Wohngebieten ist ein Erschlossensein bereits dann gegeben, wenn an die Grenze des Grundstücks herangefahren werden kann, ohne dass es einer tatsächlichen Zufahrtsmöglichkeit auf das Grundstück bedarf. Dafür ist es wiederum nicht erforderlich, dass „zentimetergenau“ die Grundstücksgrenze erreicht werden kann. Vielmehr ist insoweit eine Erreichbarkeit ausreichend, bei der mit Kraftwagen auf der Fahrbahn der öffentlichen Straße bis zur Höhe des jeweiligen Anliegergrundstücks gefahren und dieses von dort aus ohne Weiteres betreten werden kann. Dem ist in der Regel auch dann genügt, wenn zwischen der Fahrbahn und dem Grundstück noch ein zur öffentlichen Straße gehörender Gehweg, Radweg und/oder Seitenstreifen bzw. Grünstreifen von ortsüblicher Breite liegt, es sei denn, die Überwindung des dadurch bedingten Zwischenraums stellt sich im Einzelfall als unzumutbar dar (vgl. BayVGH, B.v. 28.9.2015 – 6 B 14.606 – juris Rn. 19 ff.; BayVGH, B.v. 27.10.2006 – 6 CS 06.2299 – juris Rn. 10; BayVGH, BayVGH, B.v. 6.11.2012 – 6 ZB 12.187 – juris Rn. 10; BayVGH, B.v. 16.6.2009 – 6 CS 09.757 – juris Rn. 4). Dazu muss nicht gewährleistet sein, das Grundstück zu jeder beliebigen Zeit völlig reibungslos und ohne jegliche Behinderung durch andere Verkehrsteilnehmer zu erreichen. An der erforderlichen Möglichkeit zum Heranfahren fehlt es nur dann, wenn ein auch nur kurzfristiges Anhalten mit Fahrzeugen und Aussteigenlassen auf der Höhe des Grundstücks straßenverkehrsrechtlich unzulässig ist und auch nicht auf das Grundstück gefahren werden darf; dass vor dem Grundstück geparkt werden darf, ist nicht erforderlich (vgl. BayVGH, B.v. 28.9.2015 – 6 B 14.606 – juris Rn. 21). Ein Herauffahrenkönnen mit Kraftfahrzeugen ist für das beitragspflichtige Erschlossensein eines Wohngrundstücks wiederum nicht erforderlich (vgl. BayVGH, B.v. 27.10.2006 – 6 CS 06.2299 – juris Rn. 10). Es kommt auch nicht darauf an, wie das Grundstück tatsächlich genutzt wird und welchen Inhalt die jeweilige Baugenehmigung hat, weil für die Frage des Erschlossenseins eine normative Betrachtung geboten ist, die ausschließlich auf die abstrakte Bebaubarkeit abstellt (vgl. BayVGH, U.v. 6.6.2019 – 6 B 19.246 – juris Rn. 19; BayVGH, B.v. 28.9.2015 – 6 B 14.606 – juris Rn. 19; BayVGH, U.v. 30.10.2007 – 6 BV 04.2189 – juris Rn. 19).
bb) Gemessen hieran gilt für das streitgegenständliche Grundstück Folgendes:
Dieses Grundstück liegt nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, sondern im unbeplanten Innenbereich i.S.v. § 34 BauGB. Die Eigenart der näheren Umgebung enspricht gemäß § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. der BauNVO entweder einem reinen Wohngebiet i.S.v. § 3 BauNVO oder einem allgemeinen Wohngebiet i.S.v. § 4 BauNVO, keinesfalls aber einem Gewerbegebiet i.S.v. § 8 BauNVO oder einem Industriegebiet i.S.v. § 9 BauNVO. Daher genügt für eine Bebaubarkeit des streitgegenständlichen Grundstücks angesichts der obigen Ausführungen ein Heranfahrenkönnen. Auf der W … straße kann ohne Weiteres bis zur Höhe des klägerischen Grundstücks mit Kraftfahrzeugen herangefahren werden und es liegen dem Gericht keinerlei Anhaltspunkt dafür vor, dass dort nicht zumindest kurzfristig gehalten werden kann und darf. Soweit der Kläger vorgetragen hat, dass das klägerische Grundstück deswegen nicht über die W … straße erschlossen sei, weil zwischen der W … straße und diesem Grundstück auf dessen gesamter Länge ein circa 1,5 Meter breiter „parkähnlicher Grünstreifen“ mit Rasen, hohen Bäumen und zwei Ruhebänken angelegt worden sei, dessen konkrete Ausgestaltung insbesondere aus den Anlagen K2 und K3 der klägerischen Schriftsätze im hiesigen Klageverfahren ersichtlich sei, und der nicht befahrbar sei, da dort circa einen Meter tief ausgehoben und mit Gartenerde locker aufgefüllt worden sei, so dass ein schweres Fahrzeug sofort einsinken würde (s.o.), greift dieser Einwand aus Sicht des Gerichts nicht durch. Denn zwar befindet sich zwischen der Fahrbahn und dem streitgegenständlichen Grundstück tatsächlich ein Grünstreifen, auf dem sich Bänke, Bäume, Rasenflächen und geplasterte Teilstücke abwechseln. Dieser Grünstreifen, der aus Sicht des Gerichts eine ortsübliche Breite hat und angesichts von dessen Ausgestaltung als typisches „Straßenbegleitgrün“ anzusehen ist, kann jedoch von der Fahrbahn aus ohne beachtliche rechtliche und/oder tatsächliche Hindernisse betreten werden:
aaa) Es besteht bereits kein rechtliches Hindernis für das Betreten, da der Grünstreifen als Teil des Straßengrundstücks zur allgemeinen Nutzung öffentlich gewidmet ist (vgl. dazu: BayVGH, B.v. 27.10.2006 – 6 CS 06.2299 – juris Rn. 11; BayVGH, B.v. 16.6.2009 – 6 CS 09.757 – juris Rn. 5):
Der streitgegenständliche Abschnitt der W … straße wurde angesichts der vorgelegten Widmungsunterlagen ordnungsgemäß zur Ortsstraße gewidmet. Zwar ergeben sich aus den vorgelegten Akten keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte dafür, dass die Grundstücksfläche, auf der sich nun der streitgegenständliche Grünstreifen befindet, ausdrücklich gewidmet wurde und die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung auch eingeräumt, dass insoweit keine ausdrückliche Widmung vorliege. Zudem erfasst eine Widmung nach Art. 6 Abs. 1 BayStrWG in aller Regel nur diejenigen Bestandteile einer Straße, die sich auf Grundstücken befinden, deren Flurnummern in der Widmungsverfügung ausdrücklich aufgeführt sind (vgl. BayVGH, B. v. 4.10.2011 – 8 ZB 11.210 – juris Rn. 12). Jedoch gilt gemäß Art. 6 Abs. 8 BayStrWG, durch den dem Grundsatz der Elastizität der Widmung eine gesetzliche Grundlage gegeben wurde und der eine Korrektur zur Formstrenge des Widmungsaktes darstellt, ein neuer Straßenteil durch die Verkehrsübergabe als gewidmet, wenn eine Straße verbreitert, begradigt, unerheblich verlegt oder ergänzt wird, sofern die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 3 BayStrWG vorliegen. Wird eine bereits gewidmete Straße im Rahmen ihrer – erschließungsbeitragsrechtlich – erstmaligen endgültigen Herstellung lediglich verbreitert, begradigt, unerheblich verlegt oder ergänzt, ist eine erneute Widmung somit entbehrlich (vgl. BayVGH, B.v. 28.6.2010 – 6 CS 10.951 – juris Rn. 17; BayVGH, U.v. 24.10.2005 – 6 B 01.2416 – juris Rn. 31).
Vorliegend wurde die zu diesem Zeitpunkt bereits gewidmete W … straße im Rahmen der streitgegenständlichen Bauarbeiten lediglich im Sinne von Art. 6 Abs. 8 BayStrWG baulich umgestaltet, insbesondere wurde auch der streitgegenständliche Grünstreifen errichtet. Zwar besteht auch aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit ein dringendes Bedürfnis, dass im Einzelfall keine tatsächlichen oder rechtlichen Zweifel auftreten können, ob es sich bei einer Straße einschließlich ihrer Bestandteile um eine öffentliche oder private Anlage handelt (Baulast, Verkehrssicherungspflicht, Erschließungswirkung, Beitragspflichten usw.). Außerdem haben auch die Straßenanlieger ein schutzwürdiges Interesse, die Rechtmäßigkeit einer Widmung gegebenenfalls gerichtlich (etwa auf ihre Vereinbarkeit mit planerischen Festsetzungen) überprüfen zu lassen. Das Gericht verkennt auch nicht, dass diesem Interesse durch eine großzügige Handhabung des Ausnahmetatbestandes der Widmungsfunktion nicht entsprochen wird. Jedoch erfasst die Widmungsfiktion des Art. 6 Abs. 8 BayStrWG jedenfalls in der Widmung nicht erwähnte unselbständige Bestandteile einer Straße wie Radwege, Gehwege und Grünstreifen (vgl. BayVGH, U.v. 24.1.2003 – 6 B 99.793 – juris Rn. 41 ff.) und somit hinsichtlich der W … straße auch den streitgegenständlichen Grünstreifen. Denn – wie aus den vorgelegten Fotos ersichtlich ist – befand sich vor Durchführung der streitgegenständlichen Bauarbeiten auf dem jetzigen Grünstreifen ein Kiesstreifen, auf dem auch Autos parkten, so dass dieser Bereich schon damals als Straßenbestandteil anzusehen war, der gemäß Art. 6 Abs. 8 BayStrWG als gewidmet galt. Daran hat sich durch die Umwandlung dieses Bereichs in den streitgegenständlichen Grünstreifen nichts verändert, da auch dieser aufgrund seiner geringen Breite und seines geringen Ausmaßes noch als Straßenbestandteil der W … straße i.S.v. Art. 2 BayStrWG anzusehen ist. Auch liegt insoweit keine Einziehung i.S.v. Art. 8 Abs. 6 BayStrWG vor, da diese voraussetzt, dass ein Straßenteil dem Verkehr auf Dauer entzogen wird und eine ausdrückliche Sperrung für den Verkehr erfolgt ist, was hier angesichts der obigen Ausführungen gerade nicht der Fall ist. Es liegt auch keine konkludente Einziehung dieses Straßenbestandteils vor. Der streitgegenständliche Grünstreifen ist daher nach wie vor straßenrechtlich als Straßenbestandteil gewidmet, so dass keine rechtlichen Hindernisse für dessen Betreten bestehen (vgl. dazu: VG München, U.v. 24.4.2012 – M 2 K 12.898 – juris Rn. 19) und der Kläger im obigen Sinne an sein Grundstück heranfahren darf.
bbb) Es liegen auch keine beachtlichen tatsächlichen (Betretens-)Hindernisse vor:
Angesichts der obigen Ausführungen ist der streitgegenständliche Grünstreifen Bestandteil der Anbaustraße, so dass das Grundstück des Klägers erschließungsbeitragsrechtlich unmittelbar an dieser anliegt. In solchen Fällen hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Auffassung vertreten, dass eine Zugänglichkeit des Grundstücks in der Regel auch dann gegeben ist, wenn zwischen der Fahrbahn und dem Grundstück noch ein zur öffentlichen Straße gehörender Streifen von ortsüblicher Breite liegt und dieser von der Fahrbahn aus auch betreten werden kann (s.o.). Eine Befestigung des Grünstreifens sei nur für eine Zufahrt erforderlich, da ansonsten eine Beschädigung des unbefestigten unselbständigen Grünstreifens erfolgen würde. Das bloße Betreten bzw. Überqueren des Grünstreifens im Sinne einer Zugänglichkeit sei jedoch auch ohne Befestigung möglich (vgl. BayVGH, B.v. 16.6.2009 – 6 CS 09.757 – juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 27.10.2006 – 6 CS 06.2299 – juris Rn. 10 f.). Eine Befestigung ist für die widmungsgemäße Nutzung des streitgegenständlichen Grünstreifens daher nicht erforderlich. Zudem lag dem letztgenannten Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ein ca. 2 m breiter unbepflanzter Grünstreifen zugrunde. Bezüglich der Breite eines Grünstreifens hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof festgestellt, dass sogar die Festsetzung eines Grünstreifens wechselnder Breite von 2 bis etwa 6 m sowie ein nur teilweise offener Entwässerungsgraben für sich gesehen nicht genügen dürften, die Anbaufunktion des fraglichen Straßenteilstücks zu verneinen (vgl. BayVGH, B.v. 5.11.2007 – 6 B 05.2551 – juris Rn. 22 f.; BayVGH, B.v. 16.6.2009 – 6 CS 09.757 – juris Rn. 4). Daher ist davon auszugehen, dass der streitgegenständliche Grünstreifen, der lediglich circa 1,5 m breit ist und auf dem sich Bänke, Bäume, Rasenflächen und geplasterte Flächen befinden, ebenfalls das tatsächliche Erschlossensein des streitgegenständlichen Grundstücks von der W … straße her nicht hindert. Die vorhandenen Bäume (vgl. dazu: BayVGH, B.v. 16.6.2009 – 6 CS 09.757 – juris Rn. 4 f.) und Bänke hindern die Überquerung des Grünstreifens im Bereich des streitgegenständlichen Grundstücks nicht. Denn angesichts der vorgelegten Fotos sind die Abstände zwischen den Bäumen und Bänken ausreichend groß, als dass ein Fußgänger ohne Weiteres durch die Lücken hindurch das Grundstück des Klägers betreten kann. Die Ansicht des Klägers, diese Zugangsmöglichkeit sei sinnlos, wird aus dem Blickwinkel der Betroffenen auf viele Fälle einer Zweiterschließung zutreffen, hindert deren Beitragspflichtigkeit aber nicht (vgl. BayVGH, B.v. 16.6.2009 – 6 CS 09.757 – juris Rn. 6). Ein beachtliches tatsächliches Betretenshindernis besteht hinsichtlich des streitgegenständlichen Grundstücks auch nicht deswegen, weil dort – wie aus den vorgelegten Fotos ersichtlich ist – in Richtung des o.g. Grünstreifens eine Hecke errichtet wurde. Denn Zugangs- oder Zufahrtshindernisse auf dem Anliegergrundstück, die der Grundstückseigentümer oder ein Rechtsvorgänger selbst „aus freien Stücken“ errichtet hat, sind nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs unbeachtlich. Sie können eine Herausnahme des Grundstücks aus der Beitragspflicht, die sich zum Nachteil der übrigen Anliegergrundstücke auswirken würde, nicht rechtfertigen. Das gilt – anders als bei natürlichen Hindernissen auf dem Anliegergrundstück – auch dann, wenn sich die Beseitigung eines solchen selbst geschaffenen Hindernisses im Verhältnis zu dem wirtschaftlichen Nutzen, der sich mit der (Wieder-)Herstellung der Inanspruchnahmemöglichkeit erzielen lässt, als vergleichsweise kostspielig und deshalb unwirtschaftlich erweist. Hintergrund hierfür ist, dass es nicht im Belieben eines Eigentümers stehen kann, sein Grundstück (teilweise) gegenüber der Straße zu „verschließen“ und dadurch die Heranziehung zu einem Erschließungsbeitrag zu Lasten der anderen Beitragspflichtigen zu vermeiden (vgl. BVerwG, U.v. 15.1.1988 – 8 C 111/86 – juris Rn. 20; BayVGH, U.v. 8.3.2010 – 6 B 09.1957 – juris Rn. 20; BayVGH, U.v. 6.6.2019 – 6 B 19.246 – juris Rn. 21).
b) Auch im Übrigen begegnet die Verteilung des Aufwands keinen durchgreifenden Bedenken, insbesondere durfte hinsichtlich des klägerischen Grundstücks eine Eckermäßigung gewährt werden. Denn aus dem vorgelegten Bescheid der Beklagten gegenüber dem Kläger vom 10. Januar 2005 wurde hinsichtlich des streitgegenständlichen Grundstücks für die näher bezeichnete Erschließungsanlage „Am …“ ein Erschließungsbeitrag in Höhe von 2.668,77 € festgesetzt.
2.5. Auch sonstige Gesichtspunkte stehen der Beitragserhebung nicht entgegen, insbesondere hat die Beklagte mit Gemeinderatsbeschluss vom 21. Juli 2020 in rechtmäßiger Weise einen Abwägungsbeschluss gemäß § 125 Abs. 2 BauGB gefasst und der streitgegenständliche Abschnitt der W … straße wurde auch ordnungsgemäß gewidmet (s.o.).
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.
Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO nicht vorliegen (§ 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO).


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