Baurecht

Erstattung von Kosten für die Sanierung einer zur Hangsicherung dienenden Beton-Bohrpfahlwand

Aktenzeichen  32 O 323/15

Datum:
1.6.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 111752
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Kempten
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 94 Abs. 1, § 328, § 601, § 677, § 683, § 823 Abs. 1, § 836, § 906 Abs. 2, § 912 Abs. 1, § 946, § 1004 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Die Begründung eines Vertrags zugunsten Dritter nach § 328 BGB erfordert einen übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien, dass eine dritte Person aus dem Vertragsinhalt einen direkten Anspruch gegen den Schuldner ableiten können soll. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Annahme eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter erfordert eine Vertragsnähe des Dritten zur vertraglich geschuldeten Leistung, ein eigenes und berechtigtes Interesse des Gläubigers an der ordnungsgemäßen Leistung der Schuldnerin auch zugunsten des Dritten, die Erkennbarkeit des geschützten Personenkreises für den Schuldner und die Schutzbedürftigkeit des Dritten. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
3 Ein Überbau im Sinne des § 912 Abs. 1 BGB liegt nicht vor, wenn der Bau nicht vom Stammgrundstück aus, sondern ausschließlich auf fremdem Grund und Boden errichtet wird. (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits sowie die durch die Nebenintervention entstandenen Kosten zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus Rechtsgründen keinen Anspruch auf Erstattung der mit der Klage geltend gemachten Kosten für die Sanierung der Bohrpfahlwand einschließlich der rückwärtigen Dränageleitungen und keinen Anspruch im merwährende, regelmäßige und den anerkannten Regeln der Technik entsprechende Wartung und Instandhaltung der streitgegenständlichen Hangsicherungsanlage. Auch der Feststellungsantrag erweist sich als unbegründet.
I. Kostenerstattungsansprüche bzw. Schadensersatzansprüche
1. Die notarielle Vereinbarung zwischen Herrn … den Eheleuten … und der … vom 14.5.1975 stellt kein Vertrag zugunsten der Klägerin als dritte Person i.S.d. § 328 BGB dar.
Unstreitig ist, dass aufgrund der örtlichen Gegebenheiten das Fortbestehen der Hangsicherungsanlage für sämtliche streitgegenständliche Grundstücke, d.h. für die Grundstücke mit den Flurstück-Nr. … und … von existentieller Bedeutung ist. Ohne die Hangsicherungsanlage droht ein Abrutschen des Hangs und damit eine irreparable Beschädigung aller drei Grundstücke. Die Zustimmung der Eheleute … zur Errichtung der Fels-Anker-Lagen in dem Grundstück mit der Flur-Nr. … wirkt sich zwar faktisch auch zugunsten des Grundstücks der Klägerin mit der Flur-Nr. … aus. Allerdings erfordert die Begründung eines Vertrags zugunsten Dritter nach § 328 BGB einen übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien, dass eine dritte Person aus dem Vertragsinhalt einen direkten Anspruch gegen den Schuldner ableiten können soll. Für einen solchen übereinstimmenden Willen der Parteien des notariellen Vertrags vom 14.5.1975 ist seitens der Klägerin nichts vorgetragen und auch aus dem Vertragsinhalt ergeben sich hierfür keine Anhaltspunkte.
Wesentlicher Inhalt des Vertrags ist zunächst die Bestimmung, dass die … berechtigt ist, auf dem Grundstück der Eheleute … eine bestehende Stützmauer abzureißen und 2 m hangaufwärts eine neue Mauer zu errichten, um für das Bauvorhaben der … GmbH den erforderlichen Raum für die Aufstellung von Arbeitsgeräten zu beschaffen. Zwar ist in diesem Zusammenhang auch die Stadt Sonthofen erwähnt. Nach dem unbestrittenen Vortrag der Nebenintervenientin zu 1) hat der Abriss und die Neuerrichtung dieser Mauer jedoch mit der streitgegenständlichen Bohrpfahlwand nichts zu tun. Es handelt sich um unterschiedliche Bauwerke, was sich auch aus den vertraglichen Regelungen ergibt. Mit den Hangsicherungsarbeiten durfte erst begonnen werden, nachdem die neue Stützmauer auf dem Grundstück der Eheleute … errichtet wurde (Ziffer ll.2.a. lit.aa) und bb)).
Zweiter wesentlicher Bestandteil ist sodann die Zustimmung der Eheleute … zur Durchführung der Hangsicherungsarbeiten sowie die Berechtigung der Eigentümer des herrschenden Grundstücks mit der Flur-Nr. … in das dienende Grundstück Fels-Anker-Lagen einzubauen und – sofern erforderlich – zu erneuern. Als Nebenpflicht ist vereinbart, dass die Kosten für die Erstellung und Unterhaltung der Fels-Anker die Eigentümer des herrschenden Grundstücks allein zu tragen haben. Nachdem es in diesem Zusammenhang allein um die Regelung der Rechtsverhältnisse zwischen den Eigentümern des Grundstücks mit der Flur-Nr. … und … geht, in welchen die Klägerin nicht einmal mehr Erwähnung findet, ist die Annahme fernliegend, die Klägerin sollte gerade aus diesem Vertrag eigene Rechte ableiten können.
Auch die Annahme eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter kommt nicht in Betracht. Dieser erfordert eine Vertragsnähe des Dritten zur vertraglich geschuldeten Leistung, ein eigenes und berechtigtes Interesse des Gläubigers – hier der Eheleute … – an der ordnungsgemäßen Leistung der Schuldnerin auch zugunsten des Dritten, die Erkennbarkeit des geschützten Personenkreises für den Schuldner und die Schutzbedürftigkeit des Dritten. Zwar ist vorliegend noch eine Leistungsnähe der Klägerin zur Errichtung der Fels-Anker-Lagen auf dem Grundstück mit der Flur-Nr. … gegeben. Nicht ersichtlich ist jedoch, dass die Eheleute … aufgrund eines objektiven Schutz- und Sicherheitsbedürfnisses der Klägerin ein eigenes Interesse an der ordnungsgemäßen Errichtung und Unterhaltung der Fels-Anker zu deren Gunsten hatten. Darüber hinaus fehlt es an der Schutzbedürftigkeit der Klägerin. Wie sich aus der von der Nebenintervenientin vorgelegten Anlage NSi 7 ergibt, gab es konkrete Verhandlungen und Vereinbarungen zwischen der Klägerin und der Bauherrengemeinschaft über Erschließungsanlagen, welcher die streitgegenständliche Bohrpfahlwand zwar nicht beinhalten. Die Klägerin hätte es jedoch selbst in der Hand gehabt, auch grundbuchrechtlich gesicherte Vereinbarungen zur Errichtung und Erhaltung der Bohrpfahlwand einschließlich einer Kostentragungsregelung zu treffen.
Überdies regelt die notarielle Vereinbarung lediglich die Einbringung/Unterhaltung der Fels-Anker und nicht die eines Dränagesystems. Hierzu behauptet die Klägerin zwar, dass die Erfüllung der Nebenpflicht der fortwährenden Wartung der Felsanker im Grundstück mit der Flurstück-Nr. … nur dann erfolgen könne, wenn das gesamte Hangsicherungssystem einschließlich der Dränage gewartet und in Stand gehalten werde. Die Kammer bleibt hier bei ihrer Ansicht, dass dem der eigene Sachvortrag der Klägerin entgegensteht, wonach die Wartung der Felsanker durch die Beklagte letztmals im Jahr 2007 erfolgt ist und der am 19.05.2012 aufgetretene Schaden unstreitig nicht auf Mängel der Fels-Anker zurückzuführen ist. Letztendlich ist dies auf Grund der dargestellten Erwägungen der Kammer nicht streitentscheidend.
3. Sofern die Klägerin die Ansicht vertritt, zwischen den Parteien des Rechtsstreits bestünde ein unkündbares, ewiges Leihvertragsverhältnis hinsichtlich des Grundstücks der Klägerin mit der Flur-Nr. … und der sich darauf befindlichen Hangsicherungsanlage, folgt dem die Kammer nicht. Zwischen der Klägerin und der Beklagten besteht kein Leihvertragsverhältnis.
Die Klägerin bezieht sich insofern auf den tatsächlichen Vorgang, wonach es die Klägerin der … gestattet hat, auf ihrem Grundstück (Flur-Nr. … die Bohrpfahlwand zu errichten und ihrer Behauptung, die Hangsicherungsanlage diene dem ausschließlichen Interesse der Beklagten. Aus diesem Grund gehe der Leihvertrag bei jedem Eigentümerwechsel auf den neuen Eigentümer über. Die Klägerin trägt jedoch keine konkreten – ggfls. auch konkludent abgegebenen – Willenserklärungen zwischen ihr und der … vor, die auf einen Rechtsbindungswillen zum Abschluss eines solchen Vertrages schließen lassen. Es ist aus der Sicht der erkennenden Kammer femliegend, dass die für die Bauherrengemeinschaft handelnde … die zuvor mit dem Eheleuten … die bereits erläuterte notarielle Vereinbarung und die mit der Klägerin einen schriftlichen Vertrag zur Erstellung der Erschließungsanlagen (vgl. Anlage NSi 7) getroffen hat, auf dem benachbarten Grundstück der Klägerin auf eigene Kosten eine Hangsicherung errichtet, um sich anschließend den entsprechenden Grundstücksteil nebst baulicher Anlage formlos für „ewige Zeit“ schuldrechtlich zu entleihen. Wäre ein solcher Wille tatsächlich vorhanden gewesen, hätte sie dieselbe Regelung wie mit den Oberliegern … mit der Klägerin selbst treffen können.
Aber auch auf Seiten der Klägerin ist ein Handeln mit einem solchen Rechtsbindungswillen in den Jahren 1974/1975 nicht substantiiert vorgetragen. Mit ihrem Vortrag zum Zustandekommen eines konkludenten Leihvertrags setzt sich die Klä gerin im Ergebnis in Widerspruch zu ihrem Klagebegehren. Die Klägerin begehrt gegenüber der Beklagten die Freistellung von jeglichen Verpflichtungen aus und in Zusammenhang mit der Hangsicherungsanlage, was mit dem Wesen eines Leihvertrages im vorliegenden Fall nicht vereinbar ist. Nach § 601 BGB hat der Entleiher nur die gewöhnlichen Erhaltungskosten zu tragen. Hierzu gehören aber nicht gewöhnliche Verschleißschäden, die nicht auf dem Gebrauch des Entleihers beruhen (MüKoBGB/Häublein BGB § 601 Rn. 2-3, beck-online). Für Schäden, die im vorliegenden Fall auf die Verschlechterung der Bausubstanz der Bohrpfahlwand zurückzuführen sind, hätte die Klägerin auf Grund des behaupteten unkündbaren Leihvertrages weiterhin selbst aufzukommen. Diese will die Klägerin aber gerade der Beklagten auferlegen.
Im Übrigen ging die Klägerin nach dem Schadensereignis und nach anwaltlicher Beratung selbst nicht vom Vorliegen einer rechtlichen Verpflichtung ihrerseits aus. Insofern wird auf das von der Nebenintervenientin zu 1) vorgelegte Schreiben der Klägerin vom 06.05.2013 an die Beklagte Bezug genommen, dort Seite 2, 2. Absatz (Anlage NSi 2).
Selbst wenn entsprechend dem Vortrag der Klägerin ein schuldrechtlicher Leihvertrag mit der Bauherrengemeinschaft, vertreten durch die … unterstellt würde, ist für einen Übergang der vertraglichen Verpflichtungen auf die jetzige Beklagte nichts vorgetragen. Die Argumentation der Klägerin, allein die Eigentümer des Grundstücks mit der Flur-Nr. … profitierten von der Hangsicherungsanlage, weshalb mit jedem Eigentumswechsel die Pflichten aus dem Leihvertrag auf den/die neuen Eigentümer übergingen, verfängt aus zweierlei Gründen nicht. Zum einen spricht hiergegen bereits die Relativität der Schuldverhältnisse. Zum anderen mag zwar die Abtragung des Hangs zu einer Verbesserung der Bebaubarkeit des Grundstücks mit der Flur-Nr. … beigetragen haben – ob dies auf dem Wunsch der … beruhte oder auf Initiative der Klägerin ist nicht streitentscheidend. Auf Grund der von der Klägerin einmal getroffenen Entscheidung, die Hangabtragung zu genehmigen, gereicht die Hangsicherungsanlage auch den Eigentümern der Grundstücke mit der Flur-Nr. … und … zum Vorteil, sie ist zum Erhalt dieser Grundstücke unstreitig sogar zwingend notwendig. Tatsachenvortrag, die einen Rückschluss auf einen konkludenten Abschluss eine Leihvertrages mit der jetzigen Beklagten rechtfertigen könnten, fehlt völlig. Für die Abgabe entsprechender konkludenter Willenserklärungen wäre ein Verhalten der jetzigen Parteien erforderlich, das unter Berücksichtigung der Begleitumstände mittelbar einen bestimmten Geschäftswillen zum Ausdruck bringt. Allein die beiderseitige stillschweigende Hinnahme einer bestehenden baulichen Situation hat keinen Erklärungswert hinsichtlich eines solchen Vertragsschlusses. Wer schweigt, nimmt gerade keine Erklärung vor. Es bedarf besonderer Umstände, unter denen einem Schweigen ein Erklärungswert beigemessen werden kann, die hier jedoch nicht vorliegen.
Auch der Abschluss eines Vertrages „sui generis“ ist nicht zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen. Die Argumentation der Klägerin, allein der Umstand, dass die Klägerin die Errichtung der Bohrpfahlwand auf ihrem Grundstück gestattet habe und dieses „Gestatten“ habe nicht im rechtsfreien Raum erfolgen können, legt keinen Vertragsschluss nahe.
Die Kammer verbleibt auch in diesem Punkt bei ihrer Ansicht, wonach nicht zwingend darauf geschlossen werden kann, dass die … damals auch den Willen gehabt hatte, eine Verpflichtung zur Wartung sämtlicher Bestandteile der Hangsicherungsanlage auf eigene Kosten gegenüber der Klägerin einzugehen, auf die sich die Klägerin dann auch noch heute gegenüber der Beklagte berufen könnte. Wenn hier seitens der … tatsächlich auch eine weitergehende Verpflichtung zur Wartung und Instandhaltung der vollständigen Hangsicherungsanlage im Grundstück der Klägerin mit der Flurstück-Nr. … gewollt gewesen wäre, so wäre es – wie dargelegt – in Anbetracht der ausdrücklichen Regelung zur Unterhaltung der Fels-Anker im Grundstück der Oberlieger nur naheliegend gewesen, auch eine entsprechende ausdrückliche Vereinbarung, ggf. mit grundbuchrechtlicher Absicherung, mit der Klägerin zu treffen. Es bleibt vorliegend gleichermaßen möglich, dass sämtliche Parteien davon ausgegangen sind, dass eine Hangsicherungsanlage in einem Grundstück, das der öffentlichen Hand gehört, auch von dieser gewartet bzw. unterhalten wird. Im Ergebnis wird dadurch dieselbe Situation geschaffen, wie sie die Klägerin und die Bauherrengemeinschaft für die übrigen Erschließungsanlagen vereinbart haben (vgl. Anlage NSi 7). Die Bauherrengemeinschaft hat die Erschließungsanlagen auf eigene Kosten errichtet und anschließend an die Klägerin zum weiteren Unterhalt übereignet. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass die Erbauung des AI aus damaliger Sicht der Klägerin große Vorteile bei der Förderung des Tourismus und der weiteren Stadtentwicklung versprach.
Sofern die Klägerin argumentiert, man dürfe nicht unterstellen, die damals für die Stadt Sonthofen handelnden Personen hätten eine solch weitgehende Entscheidung mit einer möglichen erheblichen finanziellen Belastung für die Allgemeinheit tatsächlich treffen wollen, verhilft dies der Klägerin nicht weiter. Es obliegt der Klägerin darzulegen und nachzuweisen, dass konkrete anderweitige Vereinbarungen getroffen wurden. Dieser Nachweis ist ihr nicht gelungen. Für die Kammer stellt sich im Übrigen an dieser Stelle weiterhin die Frage, aus welchen Gründen es die Klägerin über 40 Jahre lang unterlassen hat, die behaupteten stillschweigend getroffenen Regelungen festzuhalten und eine wirksame Vereinbarung auch gegenüber evtl. Rechtsnachfolgern herbeizuführen. Einer Verpflichtung auch der Rechtsnachfolger stehen hier ebenfalls die Erwägungen unter Ziffer 3 entgegen.
Aufwendungsersatzansprüche der Klägerin aus §§ 677, 683 BGB bestehen nicht. Die Klägerin hat mit der Sanierung der Beton-Bohrpfahlwand, deren Kosten sie von der Beklagten erstattet verlangt, kein fremdes Geschäft, sondern ein Eigengeschäft ausgeführt.
a) Eine vertragliche Vereinbarung, auf Grund derer die Beklagte zur Übernahme der Sanierungskosten verpflichtet wäre, besteht nicht (s.o.)
b) Die streitgegenständliche Bohrpfahlwand ist mit dem Bau auf dem Grundstück der Klägerin wesentlicher Bestandteil dieses Grundstücksgeworden (§ 94 Abs. 1 S. 1 BGB) so dass sie auch in das Eigentum der Klägerin überging (§ 946 BGB).
Die Hangsicherungsanlage stellt keinen einvernehmlichen Überbau im Sinne des § 912 Abs. 1 BGB dar, was zur Folge haben könnte, dass die Bohrpfahlwand im Eigentum der Beklagten steht. Es liegen aber schon die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 912 BGB nicht vor, weil die Bohrpfahlwand und das dahinterliegende Dränagesystem nicht grenzüberschreitend sind. Über die Grenze ist dann gebaut, wenn ein Teil des auf dem überbauenden Grundstück (sog. Stammgrundstück) errichteten Gebäudes in den Boden oder Luftraum des Nachbargrundstücks hinübergreift. Ein Überbau liegt nicht vor, wenn der Bau nicht vom Stammgrundstück aus, sondern ausschließlich auf fremdem Grund und Boden errichtet wird. (MüKoBGB/Säcker BGB § 912 Rn. 3-26, beck-online). Dies ist vorliegend aber unstreitig der Fall. Damit oblagen der Klägerin die Wartungsarbeiten, die nach ihrem Vortrag erforderlich gewesen wären, den am 19.05.2012 eingetretenen Schäden zu verhindern. Dementsprechend stellten die daraus resultierenden Sanierungsarbeiten eine eigene Angelegenheit der Klägerin dar, für deren Kosten sie selbst aufkommen muss.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Argumentation der Klägerin, die Bohrpfahlwand diene ausschließlich und allein der Beklagten. Die Bohrpfahlwand dient nach der einmal getroffenen Entscheidung der Klägerin, die Abgrabung des Hangs zu genehmigen auch der Sicherung des Grundstücks der Klägerin und des Oberliegergrundstücks 2706/2 (s.o.).
Deliktische Schadensersatzansprüche kommen ebenfalls nicht in Betracht.
a) Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB scheiden aus, nachdem die Beklagte für die Bohrpfahlwand mangels vertraglicher Regelung (s.o.) nicht verkehrssicherungspflichtig war. Verkehrssicherungspflichtig für die Bohrpfahlwand war – unabhängig von der Straßenbaulast des Buchfinkenwegs -die Klägerin als Eigentümerin.
b) Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 909 BGB sind nicht gegeben. Der Verbotstatbestand des § 909 BGB ist nicht erfüllt. Durch die Errichtung des …  im Jahr 1975 erfolgte unstreitig durch die hierbei vorgenommene Abtragung des Hanges auf dem Grundstück mit der Flurnummer … die Gefahr einer Vertiefung des Grundstücks der Klägerin. Um einer solchen Gefahr vorzubeugen, wurde die streitgegenständliche Bohrpfahlwand mit Zustimmung der Klägerin auf deren Grundstück errichtet. Die Bauherrengemeinschaft hat damit für eine genügende anderweitige Befestigung gesorgt.
Nach der Errichtung der Bohrpfahlwand ist diese in das Eigentum der Klägerin übergegangen (s.o.) so dass diese für deren Wartung verantwortlich war und damit die Vertiefung ihres eigenen Grundstücks infolge einer unzureichenden Wartung der Bohrpfahlwand nicht als unzulässige Vertiefung im Sinne des § 909 BGB angesehen werden kann.
7. Ein Schadensersatzanspruch Anspruch ergibt sich auch nicht aus § 836 BGB analog. Es kann dahinstehen, ob die Vorschrift des § 836 BGB im vorliegenden Fall überhaupt analog angewendet werden kann. § 836 BGB erweitert im Ergebnis die Verkehrssicherungspflicht für ein Gebäude auf den Eigenbesitzer. Die Beklagte war jedenfalls für die Bohrpfahlwandanlage nicht verkehrssicherungspflichtig
8. Weitere Anspruchsgrundlagen für Schadensersatz – bzw. Aufwendungsersatzansprüche sind nicht ersichtlich, insbesondere greift die von der Klägerin angeführte Regelung des § 906 Abs. 2 BGB analog nicht. Für eine analoge Anwendung des § 906 BGB ist angesichts der Sonderregelung des § 909 BGB i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB für Vertiefungsmaßnahmen kein Raum.
II.
Anspruch der Klägerin auf Wartung und Instandhaltung der Hangsicherungsanlage Ansprüche der Klägerin gegenüber der Beklagten auf immerwährende Wartung und Instandhaltung aller Bauteile der streitgegenständlichen Bohrpfahlwand bestehen nicht. Vertragliche Anspruchsgrundlagen sind nicht gegeben (s. o.). Ansprüche aus § 1004 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 823 BGB bzw. in Verbindung mit § 909 BGB oder § 906 BGB analog scheiden ebenfalls aus. Insofern wird ebenfalls auf die obigen Ausführungen Bezug genommen.
III.
Anspruch der Klägerin auf Feststellung der Schadensersatz- bzw. Freistellungspflicht der Klägerin für künftige Schäden Aufgrund der dargestellten Ausführungen ist auch der Feststellungsantrag der Klägerin unbegründet. Mangels anderweitiger Regelungen ist die Klägerin zur Wartung und zum Unterhalt der Bohrpfahlwand als deren Eigentümerin verpflichtet. Für Kosten, die infolge einer Verschlechterung der Bausubstanz entstehen, hat die Klägerin aufzukommen. Ein Freistellungsanspruch gegenüber der Beklagten besteht nicht. Hinsichtlich der Felsanker ist die Beklagte im Verhältnis zu den Eigentümern des Grundstücks mit der Flur-Nr. … zu deren Unterhalt verpflichtet.
IV. Billigkeitserwägungen der Klägerin
Die von der Klägerin in den schriftsätzlichen Ausführungen wiederholt angeführten Billigkeitserwägungen können der Klage nicht zum Erfolg verhelfen. Diese können die geltend gemachten Ansprüche nicht begründen. Sollte es tatsächlich der Wille der Klägerin gewesen sein, für keinerlei Folgekosten im Zusammenhang mit der Errichtung der Bohrpfahlwand aufkommen zu müssen, hat sie aus Sicht der Kammer schlicht versäumt, vor Errichtung der Bohrpfahlwand auf ihrem Grundstück, dieWar-tungs- und Instandsetzungsarbeiten durch explizite vertragliche Bestimmungen gegenüber der Bauherrengemeinschaft und – gesichert durch entsprechende grundbuchrechtliche Dienstbarkeiten – gegenüber evtl. nachfolgenden Eigentümer zu regeln. Damit verbleibt es bei den gesetzlichen Bestimmungen, dass die Klägerin Eigentümerin der Bohrpfahlwand wurde, für die sie auch verkehrssicherungspflichtig ist.
V. Neuer Sachvortrag der Klägerin
Der Sachvortrag der Klägerin in den nicht nachgelassenen Schriftsätzen vom 8.5.2017 und 22.5.2017 kann bereits aus prozessualen Gründen keine Berücksichtigung finden. Der Sachvortrag erfolgte nach Schluss der mündlichen Verhandlung und ist damit verspätet (§ 296 a ZPO).
Ein Anlass für die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 156 ZPO besteht nicht. Ein Regelfall des § 156 Abs. 2 ZPO ist nicht gegeben. Im übrigen steht die Entscheidung über die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 156 Abs. 1 ZPO im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Zwar bleibt § 156 ZPO nach § 296 a ZPO unberührt. Dies darf aber nicht zur Folge haben, dass die Präklusionsvorschriften unterlaufen werden dürfen (MüKo ZPO/Fritsche § 156 Rn. 11-13, beck-online). In den zwingenden Präklusionsfällen des § 296 Abs. 1 ZPO scheidet eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung von vornherein aus. Sofern die Zulassung nicht rechtzeitig vorgebrachten Tatsachen gemäß § 296 Abs. 2 ZPO im Ermessen des Gerichts besteht, erstreckt sich dieses Ermessen auch auf die Entscheidung im Rahmen des § 156 Abs. 1 ZPO. In diesen Fällen kommt eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nur ganz ausnahmsweise in Betracht, wobei das Gericht zu berücksichtigen hat, ob das neue Vorbringen nach Verhandlungsschluss auf Nachlässigkeit beruht. Liegt eine solche Sorgfaltspflichtverletzung vor, muss eine Wiedereröffnung ausscheiden (BeckOK ZPO/Wendtland ZPO § 156 Rn. 10 beck-online). Die Klägerin hat in ihren Schriftsätzen aber bereits nicht dargelegt, weswegen ihr es nicht möglich war, die Unterlagen, welche sich in ihren Archiven befanden, nicht vor Schluss der mündlichen Verhandlung vorzulegen. Dies ist angesichts der Tatsache, dass sich der streitgegenständliche Schaden bereits im Mai 2012 ereignete und die Beklagte eine Einstandspflicht für die streitgegenständlichen Ansprüche von vornherein abgelehnt hat, unverständlich. Eine Sorgfaltspflichtverletzung der Klägerin liegt vor.
Überdies rechtfertigen auch die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen nicht die von ihr gezogenen Schlussfolgerungen. Die Klägerin behauptet, die Bauherrengemeinschaft habe die Hangsicherungsanlage entgegen der Baugenehmigung nicht auf ihrem Grundstück mit der Flur-Nr. … errichtet, sondern auf dem Grundstück der Klägerin. Den Bauantrag und die Baugenehmigung hat die Klägerin jedoch nicht vorgelegt. Im übrigen ergibt sich aus der vorgelegten Anlage KK4, dass seitens der Fachreferenten der Klägerin keine Bedenken erhoben wurden, die Stützmauer auf dem städtischen Gelände zu errichten. Eine Entscheidung über die verbindliche Lage der Bohrpfahlwände sollte bzw. musste in einer Hauptsitzung getroffen werden. Dass es dabei zu einer anderen Entscheidung gekommen ist, als bislang im Verfahren unstreitig war, nämlich dass die Bohrpfahlwand mit Zustimmung der Klägerin auf ihrem Grundstück errichtet wurde, ergibt sich aus den Unterlagen nicht. Weiterhin ergibt sich insbesondere aus den Anlagen KK3 und KK4, dass die damaligen Verhandlungspartner über die Unterhaltungspflicht für die Stützmauer und den darüber liegenden öffentlichen Weg gesprochen haben. In Kenntnis der Problematik und in dem Wissen, dass hierzu explizite vertragliche Regelungen notwendig sind, wurden solche unstreitig gerade nicht getroffen, was gegen die Annahme konkludente Vertragsverhältnisse spricht. Soweit im Schriftsatz vom 22.05.2017 vorgetragen wird, die streitgegenständliche Bohrpfahlwand befindet sich vollständig im Bereich des klägerischen Grundstücks, entspricht dies dem bisherigen unstreitigen Sachverhalt.
VI.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91,101 Abs. 1 ZPO
VII. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.


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