Baurecht

Fehlerhaftigkeit der durchgeführten UVP

Aktenzeichen  W 4 S 19.779

Datum:
22.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 34602
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BImSchG § 4
VwGO § 80 Abs. 5, § 124a Abs. 5 S. 4
BayBO Art. 6
UmwRG § 4

 

Leitsatz

1. Einen Rechtssatz, dass sich der einen Genehmigungsbescheid anfechtende Dritte gegenüber dem Genehmigungsempfänger von vornherein in einer bevorzugten verfahrensrechtlichen Position befinden müsste, gibt es nicht. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Rechtskraft eines die Genehmigung aufhebenden Urteils bewirkt vorliegend nicht, dass das Verwaltungsverfahren nicht zur Fehlerbehebung und fehlerfreien Genehmigung für dasselbe Vorhaben fortgesetzt werden kann (ebenso BayVGH BeckRS 2019, 27057). (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die 9. BImSchV enthällt abschließende Regelungen über die in einem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren durchzuführende Umweltverträglichkeitsprüfung. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
4. Aufgrund der bisher vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse, die durch Messungen im Umfeld von Windenergieanlagen belegt sind, ist davon auszugehen, dass im Nahbereich von Windenergieanlagen zwar Infraschallpegel auftreten, sie aber ab einem Abstand von 300 m den Geräuschpegel im Infraschallbereich nicht mehr beeinflussen. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
5. Von Windenergieanlage gehen wegen etwaiger Explosions-, Brand- und Eiswurfgefahren keine über das allgemeine Lebensrisiko hinausreichende Gefahren aus. (Rn. 31 – 43) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich mit dem vorliegenden Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gegen die unter Ziffer IX verfügte Anordnung der sofortigen Vollziehung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für den Bau einer Windkraftanlage.
Die Antragstellerin ist Eigentümerin und Pächterin diverser Grundstücke in der Gemarkung G* … und der Gemarkungen O* … und H* … Diese befinden sich in der Nähe des Grundstücks Fl.Nr. 3548 der Gemarkung H* … (Baugrundstück). Das Baugrundstück weist in Nord-Südrichtung eine Länge von ca. 400 m und eine Breite zwischen 155 m (im Norden) und 250 m (im Süden) auf und ist im Flächennutzungsplan der Gemeinde H* … als Sondergebiet für Windkraftanlagen dargestellt.
Mit Bescheid vom 26. September 2013 erteilte das Landratsamt Würzburg der Beigeladenen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Windkraftanlage des Typs Enercon E 101 mit einer Nennleistung von 3 Megawatt.
Mit Urteil vom 19. Mai 2015 hob das Verwaltungsgericht Würzburg den Genehmigungsbescheid vom 26. September 2013 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 5. März 2014 in der Fassung der Ergänzungsbescheide vom 31. Juni 2014 und 13. Oktober 2014 auf (Az.: W 4 K 14.604). Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 22. Oktober 2015 den Antrag auf Zulassung der Berufung zurückgewiesen.
Unter dem 6. Dezember 2016 beantragte die Beigeladene erneut die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Windkraftanlage, Enercon E 101 mit 3 Megawatt Leistung und einer Nabenhöhe von 135,40 m.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 29. Mai 2019 erteilte das Landratsamt Würzburg der Beigeladenen daraufhin die immissionsschutzrechtliche Genehmigung mit zahlreichen Nebenbestimmungen. Von den baurechtlichen Vorschriften des Art. 6 BayBO wurde für die Abstandsflächen zu mehreren Grundstücken eine Abweichung zugelassen. Unter Ziffer IX des Bescheids wurde die sofortige Vollziehung angeordnet.
Mit Schriftsatz vom 28. Juni 2019 an das Bayerische Verwaltungsgericht Würzburg, hier eingegangen am gleichen Tage, ließ die Antragstellerin Klage erheben und beantragte im vorliegenden Verfahren,
die aufschiebende Wirkung der Klage W 4 K 19.778 gemäß §§ 80a Abs. 1 Nr. 2, 3, 80 Abs. 5 VwGO wiederherzustellen.
Zur Begründung wurde ausgeführt, die Genehmigung sei schon wegen Verstoßes gegen die formelle Rechtskraft des Beschlusses des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs vom 22. Oktober 2015 nichtig. Des Weiteren seien die Untersuchungen im Rahmen der UVP nicht gemäß den Vorgaben des Bayer. Windenergieerlasses vom Juni 2016 durchgeführt worden. Die im Hinblick auf das erhöhte Tötungsrisiko beauflagten Vermeidungsmaßnahmen seien nicht ausreichend und wirksam. Hinweisen auf ein Eingriffsverbot im Hinblick auf geschützte Insekten sei der Antragsgegner überhaupt nicht nachgegangen. Ein besonderes öffentliches Interesse für die Unterschreitung der Abstandsflächen liege nicht vor. Die Antragstellerin berufe sich aber auch auf Art. 4 Abs. 1, 2 GG, da sie ihren Glauben nicht ungestört ausüben könne. Schließlich gingen von der streitgegenständlichen Anlage unzulässige akustische und optische Emissionen aus.
Der Antragsgegner und die Beigeladene beantragten jeweils,
das Eilgesuch nach § 80 Abs. 5 VwGO abzulehnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag nach § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der von der Antragstellerin erhobenen Klage W 4 K 19.778 gegen die der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 29. Mai 2019 ist zulässig, aber unbegründet.
1. Inhaltlicher Maßstab der zu treffenden gerichtlichen Entscheidung im Eilverfahren ist eine umfassende Interessenabwägung. Gegenstand der Abwägung sind das private Aufschubinteresse der Antragstellerin einerseits und das öffentliche Interesse sowie das Interesse der durch den Verwaltungsakt begünstigten Beigeladenen an der Vollziehung des Verwaltungsakts andererseits. Diese Abwägung hat der Gesetzgeber zunächst dahin vorgenommen, dass die Klage im Einklang mit dem verfassungsrechtlichen Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) grundsätzlich aufschiebende Wirkung entfaltet (§ 80 Abs. 1 VwGO), diese aber entfällt, wenn die Behörde – wie hier – die sofortige Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO gesondert angeordnet hat. Das Gericht prüft mithin im Fall einer solchen Anordnung, ob die Behörde zu Recht das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung höher gewichtet hat als das private Interesse der Antragstellerin, bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens von einer Vollziehung des Verwaltungsakts verschont zu bleiben. Im Rahmen dieser Interessenabwägung haben auch Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit oder die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts Bedeutung; allerdings nicht als unmittelbare Entscheidungsgrundlage, sondern als bei Gewichtung des Sofortvollzugsinteresses in die Abwägung einzustellende Gesichtspunkte (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 15.9.2006 – OVG 11 S 57.06 – juris Rn. 2).
2. Unter Berücksichtigung dessen ist der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung unbegründet. Weder ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung in formeller Hinsicht rechtlich zu beanstanden, noch ergibt die vom Gericht im Rahmen des Eilverfahrens zu treffende eigene Ermessensentscheidung, dass die aufschiebende Wirkung der von der Antragstellerin erhobenen verwaltungsgerichtlichen Klage wiederherzustellen wäre.
3. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung erging in formell rechtmäßiger Weise. Der Antragsgegner hat in seiner Anordnung der sofortigen Vollziehung im streitgegenständlichen Bescheid vom 29. Mai 2019 das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts in der von § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO geforderten Form dargelegt und dabei die besonderen, auf den konkreten Fall bezogenen Gründe dargestellt. Er hat ausgeführt, welche finanziellen Nachteile sich für die Beigeladene bei einer Verzögerung des Projekts ergeben und daneben das öffentliche Interesse an der Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien an der Stromversorgung berücksichtigt. Den formellen Erfordernissen wird damit genügt. Eine inhaltliche Überprüfung der von der Behörde eingestellten Erwägungen findet an dieser Stelle nicht statt. Ob die Erwägungen inhaltlich einer Überprüfung standhalten, ist für die Einhaltung des formellen Begründungserfordernisses nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht von Bedeutung. Dies stellt eine Frage des Vollzugsinteresses dar, die eigenständig und losgelöst von der vorangegangenen behördlichen Vollzugsanordnung zu beurteilen ist und die im Rahmen der vom Gericht nach § 80a Abs. 3, Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu treffenden Interessenabwägung zu berücksichtigen ist (vgl. VGH Baden-Württemberg, B.v. 24.1.2012 – 10 S 3175/11 – juris).
4. Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO entfällt die aufschiebende Wirkung der Klage in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten besonders angeordnet wird. § 80a Abs. 3 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO ermächtigt das Gericht der Hauptsache, die aufschiebende Wirkung aufgrund einer eigenen Ermessensentscheidung wiederherzustellen. Die Frage, wer bei einer Drittanfechtungsklage das Risiko der Herbeiführung vollendeter Tatsachen zu tragen hat, bestimmt sich dabei nach dem materiellen Recht, also den Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs. Einen Rechtssatz, dass sich der einen Genehmigungsbescheid anfechtende Dritte gegenüber dem Genehmigungsempfänger von vornherein in einer bevorzugten verfahrensrechtlichen Position befinden müsste, gibt es nicht. Ebenso fordern weder das einfache Recht noch Art. 19 Abs. 4 GG das Bestehen eines besonderen öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung, wenn sich Rechtspositionen gegenüberstehen, die grundsätzlich gleichrangig sind. Dies zugrunde gelegt geht die vom Gericht zu treffende Ermessensentscheidung hier zu Lasten der Antragstellerin aus, da die von ihr erhobene Klage mit überwiegender Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg haben wird. Die Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung durch den Antragsgegner dürfte aller Voraussicht nach rechtmäßig sein.
5. Insbesondere kommt die Kammer bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung zu dem Ergebnis, dass die Einwendungen der Antragstellerin aller Voraussicht nach nicht durchgreifen und die Einwirkungen der Anlage auf die Antragstellerin eher gering sind, wohingegen der Beigeladenen als Folge einer mit der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gebotenen Einstellung des Betriebs der Anlage aktuell erhebliche finanzielle Verluste drohen, und zwar durch entgehende Einnahmen bei weiter anfallenden Wartungs- und Unterhaltungskosten. Dabei mag dahinstehen, ob es auf eine über die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs hinausgehende Betrachtung der Interessen der genannten Beteiligten in den – hier vorliegenden – Fällen des Begehrens eines Dritten nach vorläufigem Rechtsschutz (§§ 80a Abs. 3 Satz 1, 80 Abs. 5 VwGO) überhaupt ankommt (dies verneinend VGH Baden-Württemberg, B.v. 29.1.2019 – 10 S 1919/17 – juris Rn. 4).
Jedenfalls ist die Klage der Antragstellerin mit hoher Wahrscheinlichkeit unbegründet. In dem angesichts der noch ausstehenden Hauptsacheentscheidung für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der Beschlussfassung der Kammer (vgl. VGH Baden-Württemberg, B.v. 25.1.2018 – 10 S 1681/17 – juris Rn. 11 m.w.N.) hat die Antragstellerin aller Voraussicht nach weder durch formelle Mängel der angefochtenen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung begründete Ansprüche auf deren Aufhebung, noch verletzt die Genehmigung sie anderweitig in ihren Rechten.
6. Ohne Erfolg rügt die Antragstellerin zunächst, die Genehmigung sei wegen Verstoßes gegen die formelle Rechtskraft des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 22. Oktober 2015 (Az.: 22 ZB 15.1584) nichtig.
Der Bayer. Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 7. Oktober 2019 (Az. 22 CS 19.1355 – Rn. 28 f.), in der ebenfalls die vorliegende Genehmigung streitgegenständlich war, folgendes ausgeführt:
„Die Rechtskraft des die Genehmigung (vom 26.9.2013) aufhebenden Urteils (vom 19.5.2015 – W 4 K 14.604 u.a.) bewirkte vorliegend nicht, dass das Verwaltungsverfahren nicht hätte fortgesetzt werden dürfen. Dabei durften die vom Verwaltungsgericht bemängelten, zur Rechtswidrigkeit der ersten Genehmigung führenden Fehler behoben und eine fehlerfreie Genehmigung für dasselbe Vorhaben erneut erteilt werden. Gleichermaßen hätte eine derartige Genehmigung mit diesem Inhalt aufgrund eines neuen Genehmigungsantrags in einem neuen Genehmigungsverfahren erteilt werden können.
Die Rechtskraft des Beschlusses, mit dem der Verwaltungsgerichtshof die Berufung gegen das Urteil (vom 19.5.2015) nicht zugelassen hat, steht dem nicht entgegen. Sie bewirkt nach § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO nur, dass das angegriffene Urteil seine durch den Berufungszulassungsantrag zunächst gehemmten Wirkungen, insbesondere die materielle Rechtskraft, entfaltet (Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 121 Rn. 1 und 2; Happ in Eyermann, a.a.0., § 124a Rn. 96); ein Beschluss, mit dem die Berufung nicht zugelassen wird, enthält im Regelfall – und auch vorliegend – inhaltlich keine der Rechtskraft fähige Entscheidung. Ihm kommt deshalb keine materielle Rechtskraft zu (vgl. Rennert in Eyermann, a.a.0., § 121 Rn. 6). Der Verwaltungsgerichtshof hat vorliegend dadurch, dass er die Berufung nicht zugelassen hat, den Weg zu einer (zweitinstanzlichen) Sachentscheidung gerade versperrt. Inwieweit ein rechtskräftiges Urteil, mit dem ein begünstigender Verwaltungsakt aufgehoben wird, einer erneuten Genehmigung wie im vorliegenden Fall entgegensteht, kommt auf die entscheidungstragenden Aufhebungsgründe des Urteils an. Dies hat das Verwaltungsgericht richtig dargestellt, sowohl was fallübergreifend die hierbei zu beachtenden Grundsätze angeht als auch in Bezug auf die Subsumtion des vorliegenden Falls unter diese Grundsätze (vgl. Beschlussabdruck – BA – Nr. 6 auf S. 8 bis 10, unter zutreffender Wiedergabe der wesentlichen Aufhebungsgründe im Urteil vom 19.5.2015 -W4 K 14.604 u.a. -juris Rn. 29 bis 40, 41 bis 51; vgl. auch Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 121 Rn. 22 und 27 m.w.N.). Eine fallübergreifende Kontrollüberlegung rechtfertigt dieses Ergebnis: Einem Bauherrn darf es nicht verwehrt sein, sein Vorhaben (das u.U. nur wegen Fehlern der Genehmigungsbehörde – vorerst – gescheitert ist) durch Aufrechterhaltung des früheren Antrags oder auch durch einen neuen Genehmigungsantrag weiterhin zu verfolgen. Der vom Vorhaben betroffene Nachbar seinerseits kann nicht beanspruchen, dass er von dem Vorhaben, das er wegen dessen Mängeln im Hinblick auf nachbarschützende Rechte „im ersten Anlauf“ erfolgreich abwehren konnte, auch dann noch „verschont“ bleibt, wenn diese Mängel behoben worden sind. Vorliegend war somit nach Aufhebung der ursprünglichen Genehmigung der Genehmigungsantrag tatsächlich wieder „offen“ (mit der Maßgabe, dass die im rechtskräftigen Aufhebungsurteil für die Aufhebung angeführten Gründe zu berücksichtigen waren).“
Die Kammer macht sich diese Ausführungen zu eigen mit der Folge, dass der Antragsgegner aufgrund des Antrags der Beigeladenen mit Schreiben vom 6. Dezember 2016 nicht gehindert war, den streitgegenständlichen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid zu erlassen.
7. Ohne Erfolg rügt die Antragstellerin weiterhin die Fehlerhaftigkeit der durchgeführten Umweltverträglichkeitsprüfung. Unabhängig von der Frage, ob der Antragstellerin überhaupt ein solches Rügerecht zusteht, kann die Kammer jedenfalls bei summarischer Überprüfung nicht erkennen, dass – wie von der Antragstellerin behauptet – Verfahrensfehler vorliegend gegeben ist. So ist zunächst die Auffassung des Antragsgegners, vorliegend finde die 9. BImSchV in ihrer alten Fassung Anwendung, nicht zu beanstanden. Wenn der Antragsgegner in diesem Zusammenhang ausführt, dass nach der Übergangsvorschrift des § 25 Abs. 1a der 9. BImSchV Vorhaben weiterhin nach den Vorschriften der Verordnung über das Genehmigungsverfahren in der bis zum 16. Mai 2017 gültigen Fassung – 9. BImSchV a.F. – zu beurteilen seien, wenn vor diesem Zeitpunkt jedenfalls das Verfahren zur Unterrichtung über die voraussichtlich beizubringende Unterlagen (§ 2a der 9. BImSchV a.F.) eingeleitet worden sei oder die auszulegenden Unterlagen gemäß § 4 bis § 4e der 9. BImSchV a.F. vorgelegt wurden, entspricht dies der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 28.9.2016, Az.: 7 C 1/15, juris), wonach die 9. BImSchV abschließende Regelungen über die in einem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren durchzuführende Umweltverträglichkeitsprüfung enthalte. Das Bundesverwaltungsgericht führt in diesem Zusammenhang weiter aus, dass auch keine Anhaltspunkte dafür erkennbar seien, dass die UVP-Richtlinie hinsichtlich des hier in Rede stehenden Verfahrensrechts im deutschen Recht unzureichend umgesetzt sei. Europarechtliche Bedenken gebe es nicht (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 14 f.). Darüber hinaus seien die Vorschriften des UVPG auch nicht ergänzend anwendbar (vgl. OVG Koblenz, U.v. 25.7.2017, Az.: 8 B 10987/17, juris Rn. 6).
Dass die Bekanntmachung des Vorhabens etwa gegen die speziellen Regelungen des § 9 i.V.m. § 3 der 9. BImSchV verstieße, wird von der Antragstellerseite nicht dargelegt, ist im Übrigen auch für die Kammer nicht ersichtlich.
8. Die Einwände der Antragstellerin im Hinblick auf Verstöße der angefochtenen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung gegen (nicht drittschützende) artenschutzrechtliche Vorschriften (betreffend geschützte Vögel, insbesondere den Rotmilan, Fledermäuse und Insekten) sind unbeachtlich. Denn private Dritte können eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung nicht unter Berufung auf solche Verstöße zu Fall bringen (BayVGH, B.v. 7.5.2018 – 22 ZB 17.2032 u.a. – juris Rn. 24; OVG NW, U.v. 4.7.2018 – 8 A 47/17 – juris Rn. 49 ff., jeweils m.w.N.).
Der Bayer. Verwaltungsgerichtshof hat in der Entscheidung vom 7. Oktober 2019 im Verfahren Az. 22 CS 19.1418 (Rn. 67) hierzu folgendes ausgeführt:
„Erfolgreich kann die Anfechtungsklage privater Dritter gegen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung unter Berufung auf § 4 Abs. 1 bis 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 UmwRG nur dann sein, wenn die geltend gemachten Fehler „Verfahrensfehler“ im Sinne des § 4 UmwRG sind (ganz abgesehen davon, dass eine erfolgreiche Rüge noch weitere Erfordernisse nach § 4 UmwRG erfüllen muss). Verfahrensfehler im Sinn von § 4 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 1a und Abs. 1b UmwRG sind indes nur Verstöße gegen solche Rechtsvorschriften, die die äußere Ordnung des Verfahrens, d.h. den Verfahrensablauf als solchen, betreffen. Hierzu gehören Regelungen über den Beginn des Verfahrens, die Beteiligung anderer Behörden und der Öffentlichkeit sowie sonstige Verfahrensschritte wie die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) oder Vorprüfung. Nicht hierher gehört dagegen der durch materiell-rechtliche Vorgaben gesteuerte Vorgang der Willens- und Entscheidungsbildung, der sich im Fachplanungsrecht regelmäßig auf der Grundlage von Fachgutachten vollzieht. Etwaige methodische Fehler solcher Gutachten beeinträchtigen hiernach nicht den äußeren Verfahrensablauf, sondern die sachliche Richtigkeit der Entscheidung. Sie sind keine Verfahrensfehler (BVerwG, U.v. 28.11.2017 – 7A 17.12 – juris Leitsatz 1 und Rn. 29 u. 30; Rennert in DVBI 2019, 133).“
9. Weiterhin vermag die Antragstellerin auch nicht mit ihrer Einwendung durchzudringen, die streitgegenständliche Genehmigung sei rechtswidrig aufgrund unzulässiger akustischer optischer Immissionen und Einwirkungen.
Der durch Windenergieanlagen erzeugte Infraschall liegt im Allgemeinen unterhalb der Wahrnehmungsschwelle des menschlichen Gehörs und führt nach dem bisherigen Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse grundsätzlich nicht zu Gesundheitsgefahren. Als Infraschall wird der Luftschall unterhalb der Frequenz von 20 Hertz, als tieffrequenter Schall unterhalb der Frequenz von 100 Hertz definiert. Letzterer umfasst damit den Infraschall und die für Menschen gerade noch hörbaren tiefen Töne. Nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft sowie der einhelligen Rechtsprechung zu dieser Frage spricht alles dafür, dass wegen der erheblichen Entfernung zwischen dem Gutshof der Antragstellerin und dem Anlagenstandort eine rechtlich erhebliche Belastung nicht zu erwarten ist. Namentlich mit Blick auf die Auswirkungen von Infraschall – als Teilbereich des tieffrequenten Schalls – geht die obergerichtliche Rechtsprechung aktuell in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Schwelle zu schädlichen Umwelteinwirkungen jedenfalls dann an einem Wohnhaus nicht erreicht wird, sofern der Abstand zwischen Windenergieanlage und Wohnhaus mehr als 500 m beträgt (vgl. beispielsweise OVG Nordrhein-Westfalen, B.v. 17.6.2017 – 8 B 1016/15 – juris Rn. 50 und vom 30.1.2018 – 8 B 1060/17 – juris Rn. 38). Dieser Standpunkt wird in der Rechtsprechung einhellig geteilt (vgl. bereits bei Abständen von mehr als 300 m: VG Düsseldorf, B.v. 12.1.2017 – 28 L 3406/16 – juris Rn. 56 ff.; Niedersächs. OVG, B.v. 19.12.2016 – 12 ME 85/16 – juris Rn. 22; VGH Baden-Württemberg, B.v. 6.7.2015 – 8 S 534/15 – juris Rn. 49; BayVGH, B.v. 28.9.2017 – 22 CS 17.1506 – juris Rn. 25 ff.; HessVGH, B.v. 17.1.2017 – 4 B 1863/16 – juris Rn. 8).
Die Kammer schließt sich in Ergebnis und Begründung der vorzitierten Rechtsprechung an. Aufgrund der bisher vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse, die durch Messungen im Umfeld von Windenergieanlagen belegt sind, ist davon auszugehen, dass im Nahbereich von Windenergieanlagen zwar Infraschallpegel auftreten, sie aber ab einem Abstand von 300 m den Geräuschpegel im Infraschallbereich nicht mehr beeinflussen. Sie liegen jedenfalls ab einem Bereich von 500 m unterhalb der menschlichen Hör- bzw. Wahrnehmungsschwelle (vgl. Bayerisches Landesamt für Umwelt und Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, „Windenergieanlagen – Beeinträchtigt Infraschall die Gesundheit?“, Publikation in der aktualisierten Fassung von August 2016; Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft des Freistaats Sachsen, „Windenergie und Infraschall-Tieffrequenzgeräusche durch Windenergieanlagen“, Publikation mit Redaktionsschluss September 2016).
Dementsprechend gelangt der 6. Monitoring-Bericht der Bundesregierung (erstellt gemäß § 63 Abs. 1 des Energiewirtschaftsgesetzes i.V.m. § 98 des EEG) vom 29. Juni 2018 (BT-Drs. 19/340, dort S. 147, 148) zu folgendem Ergebnis:
„Der technische Standard von Windenergieanlagen hat sich in den letzten Jahren jedoch stark verbessert. Folglich sind diese nicht nur leistungsfähiger geworden, sondern wurden auch mit Blick auf ihre Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit verbessert. Für die Belastung mit Infraschall kann nach heutigem Stand der Forschung davon ausgegangen werden, dass dies in Vergleich mit anderen Quellen sehr gering und ohne negative Auswirkungen auf die Gesundheit ist. Andere dezentrale Energieanlagen (z.B. Wärmepumpen, Blockheizkraftwerke) können indessen durch tieffrequente Geräusche und Infraschall erhebliche Lärmprobleme hervorrufen, insbesondere wenn sie nicht fachgerecht errichtet wird.“
Die in der Literatur zum Teil zum Aspekt Infraschall benannten Gutachten und Studien lassen schon nicht erkennen, dass die dortigen Ergebnisse auch noch in weiteren Entfernungen, wie vorliegend, einschlägig sind. Die Studien sind Teil des wissenschaftlichen Diskurses. Sie ergeben derzeit jedenfalls keinen hinreichend begründeten Ansatz für die Annahme gesundheitlich relevanter tieffrequenterter Immissionen durch die Windenergieanlagen oder nachweisbare gesundheitsschädliche Auswirkungen (vgl. hierzu auch OVG Nordrhein-Westfalen, B.v. 20.2.2018 – 8 B 838/17 – juris Rn. 75).
Nicht unberücksichtigt bleiben darf in diesem Zusammenhang, dass über die Umweltauswirkungen von Windenergieanlagen seit längerem intensiv geforscht wird. So bündeln etwa im Windenergieforschungs-Cluster „WindForS“ die Universitäten Stuttgart und Tübingen, die Technische Universität München, das Karlsruher Institut für Technologie, die Hochschulen Aalen und Esslingen sowie das Zentrum für Sonnenenergie und Wasserstoffforschung Baden-Württemberg in diesem Netzwerk ihre Kompetenzen auf dem Gebiet der Windenergieforschung. Durch die einander ergänzende Expertisen von 23 Instituten und Lehrstühlen der vorgenannten Einrichtungen wurden im Februar 2016 objektive Kriterien zu Erschütterungen und Schallimmissionen durch Windenergieanlagen im Binnenland erforscht. Sollte sich vor dem Hintergrund der offensichtlich noch nicht vollständig abgeschlossenen Forschung in der Zukunft durch neue wissenschaftlich belegte Erkenntnisse herausstellen, dass, vor Ort messtechnisch belegt, von einer genehmigten Anlage tatsächlich relevante beeinträchtigende Infraschallimmissionen auftreten, kommt nach entsprechender Überprüfung der Anlage im Rahmen der Überwachung gegebenenfalls die Anordnung nachträgliche Auflagen nach § 17 BImSchG gegenüber der Beigeladenen in Betracht.
10. Soweit die Antragstellerin des Weiteren vorträgt, von der streitbefangenen Windkraftanlage gehe eine erhöhte Unfallgefahr aus, insbesondere durch Eisbildung und aufgrund von Brandereignissen, verhilft dies ihrem Antragsbegehren ebenso nicht zum Erfolg.
Bei der streitbefangenen Windkraftanlage handelt es sich unstreitig nicht um eine dem Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 der Zwölften Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Störfall-Verordnung – 12. BImSchV) unterworfene Anlage, denn sie stellt keinen Betriebsbereich dar, in dem gefährliche Stoffe in Mengen vorhanden sind, die die in Anhang I Spalte 4 oder Spalte 5 genannten Mengenschwellen erreichen oder überschreiten.
Die Störfall-Verordnung stellt allerdings keine abschließende Konkretisierung der störfallbezogenen Vorgaben des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG dar. Vielmehr sind auch die nicht der Störfall-Verordnung unterfallenden Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass keine konkreten Gefahren (im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BlmSchG) durch betriebsbedingte oder externe Störungen entstehen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12. März 2015 – 10 S 1169/13 – juris unter Verweis auf Jarass, BImSchG, Kommentar, 10. Auflage, § 6 Rn. 42).
Diese Bestimmung ist für Nachbarn drittschützend (st. Rspr., vgl. etwa VGH Baden-Württemberg vom 20. Juli 2011 – 10 S 2102/09 – juris; OVG NRW, Urteil vom 9. Dezember 2009 – 8 D 6/08.AK – juris).
Dies gilt nicht nur für den Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen, sondern auch für die Abwehr sonstiger Einwirkungen im Sinne der 2. Alternative des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BlmSchG. Die Erfüllung der Grundpflichten des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG muss für den Zeitpunkt der Inbetriebnahme sowie für die Dauer des Betriebs sichergestellt sein. Diese Bestimmung hat aber nicht die Bedeutung, dass jedes nur denkbare Risiko der Herbeiführung von schädlichen Umwelteinwirkungen oder sonstigen Gefahren ausgeschlossen sein muss. Vielmehr müssen Risiken, die als solche erkannt sind, nach den konkreten Umständen des Falles mit hinreichender, dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Februar 1978 – I C 102/76 – BVerwGE 55, 250; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12. März 2015 a.a.O.).
Nach überwiegender Auffassung muss eine konkrete Gefährlichkeit bestehen; eine abstrakte Störqualität genügt nicht. Mithin genügt die bloße Eignung von Einwirkungen, einen Schaden herbeizuführen, nicht, um Schutz- und Abwehransprüche nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zu begründen. Die immissionsschutzrechtliche Schutzpflicht greift als Instrument der Gefahrenabwehr vielmehr nur ein, wenn eine hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts besteht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. November 2014 – 7 B 27.14 – BRS 82 Nr. 83; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12. März 2015 a.a.O.).
Je schwerwiegender die zu befürchtenden Schäden sind, desto geringere Anforderungen sind an die Wahrscheinlichkeit zu stellen; umgekehrt muss die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts desto höher sein, je geringer die Schadensfolgen sind. Nach Durchführung der erforderlichen Amtsaufklärung verbleibende Unsicherheiten lassen sich eventuell durch geeignete Nebenbestimmungen kompensieren (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12. März 2015 a.a.O.)
Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BlmSchG sind nach der Legaldefinition in § 3 Abs. 1 BlmSchG solche Immissionen, die nach Art, Ausmaß und Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Welche Beeinträchtigungen dabei als erheblich einzustufen sind, bemisst sich danach, was die Betroffenen an Immissionen nicht mehr hinzunehmen brauchen, weil sie unzumutbar sind. Den normkonkretisierenden technischen Regelwerken der TA Luft und der TA Lärm kommt, soweit sie den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen im Hinblick auf Staub und Lärm konkretisieren, im Rahmen ihres Anwendungsbereichs eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu (st. Rspr., vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 29. August 2007 – 4 C 2/07 – BVerwGE 129, 209, m.w.N.).
Durch Störungen des bestimmungsgemäßen Betriebs oder externe Gefahren hervorgerufene negative Einwirkungen sind den sonstigen Gefahren im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 2. Alternative BlmSchG zuzuordnen. Hierzu gehören insbesondere auch Explosions-, Brand- und Eiswurfgefahren (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12. März 2015 – 10 S 1169/13 – a.a.O.).
Bei der Prognose, ob eine hinreichend konkrete Gefährdung vorliegt, um einen Schutz- und Abwehranspruch zu begründen, ist die Wahrscheinlichkeit und das Ausmaß der denkbaren Störfälle zu berücksichtigen. Auch außerhalb des Störfallrechts im engeren Sinne können insoweit störfallrechtliche Wertungen herangezogen werden. Handelt es sich der Sache nach um einen sog. Dennoch-Störfall, d.h. um eine vernünftigerweise auszuschließende Störung (vgl. § 3 Abs. 2 letzter Halbsatz Störfall-Verordnung), wird regelmäßig keine hinreichend konkrete Gefahr eines Schadenseintritts bestehen, wenn die erforderlichen Vorkehrungen zur Abwehr vernünftigerweise nicht auszuschließender Gefahren getroffen worden sind. Nach dem Grundsatz der umgekehrten Proportionalität von Schadenwahrscheinlichkeit und Schadensausmaß kann jedoch auch der mögliche Eintritt eines vernünftigerweise auszuschließenden Dennoch-Störfalls einen Schutz- und Abwehranspruch begründen, wenn andernfalls erhebliche, nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigungen hochrangiger Rechtsgüter der Nachbarn, wozu auch der Antragsteller zählt, drohen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12. März 2015 a.a.O.).
Von der hier streitigen Windenergieanlage gehen keine über das allgemeine Lebensrisiko hinausreichende Gefahren aus. Die hier zugrunde zu legenden, als Risikoakzeptanzschwelle anzunehmenden, jeder Person zumutbaren Risiken sind vergleichbar mit dem Risiko, einen Verkehrs- oder sonstigen Unfall zu erleiden und werden grundsätzlich mit einer Eintrittswahrscheinlichkeit von einmal in 33.300 Jahren angenommen (vgl. Hess. VGH, Urteil vom 26. September 2013 – 9 B 1674/13 – juris).
Die Antragstellerin hat nicht hinreichend dargelegt, dass dieses Risiko im Fall der von der streitgegenständlichen Windenergieanlage ausgehenden Gefahren erreicht wird oder gar signifikant erhöht ist und es aus diesem Grund eines weitergehenden Schutzkonzeptes bedürfte, das über die durch den Beigeladenen getroffenen Vorkehrungen und die in den Nebenbestimmungen 2.0.2.4 und 2.0.2.5 zur immissionsschutzrechtlichen Genehmigung verankerten Anforderungen hinausginge.
Ergänzend wird auf die Ausführungen des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs in dem o.g. Beschluss vom 7. Oktober 2019 verwiesen, in der der Senat mit überzeugender Begründung darlegt, dass eine Änderung des angegriffenen erstinstanzlichen Beschlusses wegen der Gefahr von Eisfall oder Eiswurf nicht veranlasst sei.
11. Inwiefern vorliegend das Grundrecht der Religionsfreiheit (Art. 4 GG) verletzt sein soll, ist für die Kammer nicht ersichtlich und wird auch vom Antragstellervertreter nicht weiter substantiiert behauptet.
12. Da die Antragstellerin weder mit diesen noch mit ihren weiteren Einwendungen durchzudringen vermag, und das Gericht auch sonst, bei der hier gebotenen summarischen Überprüfung, keine Bedenken im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheids des Landratsamts Würzburg vom 29. Mai 2019 hat, war der Antrag abzulehnen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind gemäß § 162 Abs. 3 VwGO erstattungsfähig, weil sie einen Antrag gestellt und sich damit einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG und berücksichtigt, dass im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wegen des lediglich vorläufigen Charakters der begehrten Entscheidung der Streitwert regelmäßig auf die Hälfte des für das Hauptsacheverfahren anzusetzenden Streitwerts zu beziffern ist.


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