Baurecht

Fortsetzungsfeststellungsklage – Versagung einer Nutzungsänderung in kerngebietstypische Vergnügungsstätte (Wettbüro)

Aktenzeichen  AN 9 K 17.00593

Datum:
10.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 27760
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 113 Abs. 1 S. 4
GG Art. 34
BGB § 839
BauGB § 34 Abs. 2
BauNVO § 6

 

Leitsatz

1. Bei einer Fortsetzungsfeststellungsklage, die der Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses vor dem Zivilgericht dienen soll, ist das Feststellungsinteresse nur zu bejahen, wenn ein solcher Prozess bereits anhängig, mit Sicherheit zu erwarten oder ernsthaft beabsichtigt ist, die begehrte Feststellung in diesem Verfahren erheblich und die Rechtsverfolgung nicht offensichtlich aussichtslos ist. (Rn. 47) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Vergnügungsstätte und nicht lediglich eine Wettannahmestelle, die darauf angelegt ist, Wetten entgegenzunehmen und weiterzuleiten sowie Gewinne auszuzahlen, liegt dann vor, wenn die Kunden durch die konkrete Ausgestaltung der Räumlichkeiten animiert werden, sich dort länger aufzuhalten, die Sportereignisse, auf die sie gewettet haben, in Live-Übertragungen auf Fernsehmonitoren zu verfolgen und weiter an den angebotenen Wettspielen teilzunehmen. (Rn. 60) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei der planungsrechtlichen Beurteilung eines zur Genehmigung gestellten Vorhabens darf der enge räumliche und funktionale Zusammenhang mit einer weiteren Anlage (hier: verbleibender Bereich eines Vereinsheims) nicht unberücksichtigt bleiben. (Rn. 62 – 65) (redaktioneller Leitsatz)
4. Allein die Stellung eines neuen Bauantrages oder eines Änderungsantrages auf den ursprünglichen Bauantrag oder die erteilte Baugenehmigung stellt keinen Verzicht auf eine erteilte Baugenehmigung dar. (Rn. 75) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
1. Die erhobene Fortsetzungsfeststellungsklage ist zulässig, § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO.
Die Umstellung der ursprünglich erhobenen Versagungsgegenklage (§ 113 Abs. 5 VwGO, Art. 68 BayBO) in eine Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO stellt eine zulässige Klageänderung dar, § 173 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO. Das ursprüngliche Begehren auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung für die Nutzungsänderung einer Teilfläche des Vereinsheims in eine ladenmäßige Wettannahmestelle hat sich mit Bescheid der Beklagten vom 18. September 2017, in dem der ablehnende Ausgangsbescheid vom 1. August 2014 aufgeboben und der Klägerin die beantragte Nutzungsänderung einer Teilfläche des Vereinsheimes in eine ladenmäßige Wettannahmestelle erteilt wurde, nach Klageerhebung erledigt.
Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des ablehnenden Baubescheides durch die Beklagte. Sie kann sich im Rahmen der Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage im Rahmen des Fortsetzungserstellungsinteresses auf Präjudizialität berufen.
Hat sich nach Erhebung der Klage der Verwaltungsakt erledigt (Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG), so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn die Klägerin ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
Die von der Klägerin, die dafür die Darlegungslast trägt, in dem Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 5. Juli 2019 geltend gemachte Gesichtspunkt, das Vorliegen eines Interesses an der Klärung der Rechtswidrigkeit der ablehnenden Entscheidung als Vorfrage in einem zu erwartenden Amtshaftungsprozess, begründet hier das erforderliche (besondere) berechtigte Interesse an der Feststellung, dass die Ablehnung der beantragten Baugenehmigung für die Nutzungsänderung einer Teilfläche des Vereinsheims in eine ladenmäßige Wettannahmestelle in dem Bescheid der Beklagten vom 1. August 2014 rechtswidrig gewesen ist.
Ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung kann jedes nach Lage des Falles anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art sein, (BVerwG, U.v. 15.11.1990 – 3 C 49/87 – juris Rn. 25; U.v. 17.12.1991 – 1 C 42/90 -, juris Rn. 13).
Bei einer Fortsetzungsfeststellungsklage, die der Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses vor dem Zivilgericht dienen soll, ist das Feststellungsinteresse nur zu bejahen, wenn ein solcher Prozess bereits anhängig, mit Sicherheit zu erwarten oder ernsthaft beabsichtigt ist, die begehrte Feststellung in diesem Verfahren erheblich und die Rechtsverfolgung nicht offensichtlich aussichtslos ist (BVerwG, U.v. 28.08.1987 – 4 C 31/86 – juris Rn. 13; BayVGH, B.v. 30.09.2014 – 20 ZB 11.1890 -, juris Rn. 22). Von einer offenbaren Aussichtslosigkeit ist nur dann auszugehen, wenn ohne eine ins Einzelne gehende Prüfung erkennbar ist, dass der behauptete Schadensersatz- oder Entschädigungsanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt bestehen kann (vgl. BVerwG, U. v. 29.4.1992 – 4 C 29.90 – juris Rn. 14). In diesem Fall bedarf es keiner nachträglichen Klärung einer öffentlich-rechtlichen Streitfrage, weil der Kläger daraus im Hinblick auf die Erfolglosigkeit eines Zivilverfahrens keinen Nutzen ziehen könnte. Der Kläger muss aufzeigen, was er konkret anstrebt, welchen Schaden bzw. Schadens- oder Entschädigungspositionen er im Zivilrechtsweg geltend machen will. Hierzu gehört auch eine zumindest annähernde Angabe der Schadenshöhe (BayVGH, B.v. 23.6.2015 – 1 ZB 13.92 – juris).
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Klägerin wird den Anforderungen an eine substantiierte Darlegung des geltend zu machenden Schadens gerecht.
Zum einen führt die Klägerin glaubhaft aus, dass ein solcher Schadensersatzprozess tatsächlich überhaupt ansteht, da sie nach ihrem Vortrag konkret in Betracht ziehe, im Rahmen eines Staatshaftungsprozesses von der Beklagten gemäß § 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG den Ersatz von Aufwendungen zu verlangen. Durch die langjährige rechtswidrige Verweigerung der Beklagten mit Bescheid vom 1. August 2014, die beantragte Baugenehmigung für die Nutzungsänderung für eine Teilfläche in eine „ladenmäßige Wettannahmestelle“ zu erteilen, seien der Klägerin erhebliche Schäden in Gestalt entgangener Einnahmen entstanden. Die Klägerin habe in erheblichem Umfang durch den Wettbetrieb Schadensvermeidungsmaßnahmen getroffen, indem sie trotz fehlender Baugenehmigung im Anwesen … Sportwetten und Wettscheine entgegengenommen habe. Zu den entstandenen Kosten würden auch die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (9 ZB 13.1993) gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 15. Mai 2013 (AN 9 K 12.01101) sowie die Rechtsanwaltskosten in den weiteren Klageverfahren AN 9 K 17.02194 und AN 9 K 17.02675 zählen.
Eine offensichtliche Aussichtslosigkeit eines Schadensersatzprozesses in dem Sinne, dass ohne eine ins Einzelne gehende Prüfung bereits erkennbar ist, dass der behauptete zivilrechtliche Anspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt bestehen kann, liegt nicht vor.
2. Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist jedoch unbegründet.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung der materiellen Rechtslage ist der Zeitpunkt unmittelbar vor der Erledigung der Hauptsache und somit der Erteilung der Genehmigung für die Nutzungsänderung der Wettannahmestelle mit Bescheid der Beklagten vom 18. September 2017.
Nach Überzeugung des Gerichts bestand zum Zeitpunkt vor Aufhebung des ablehnenden Bescheides vom 1. August 2014 durch den Bescheid der Beklagten vom 18. September 2017 für die Klägerin kein Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung für die Nutzungsänderung einer Teilfläche im Erdgeschoss des Anwesens … in eine ladenmäßige Wettannahmestelle, § 113 Abs. 5 VwGO. Die Beklagte lehnte in dem Bescheid vom 1. August 2014 in nicht zu beanstandender Weise die beantragte Genehmigung für das Vorhaben Nutzungsänderung in eine ladenmäßige Wettannahmestelle ab.
Dem Vorhaben stehen öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind (Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 BayBO). Es handelt sich bei dem beantragten Vorhaben um eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung (Art. 55 Abs. 1 und 57 Abs. 4 Nr. 1 BayBO (dazu 2.1), die sich nach der Art der Nutzung als kerngebietstypische Vergnügungsstätte darstellt (dazu 2.2). In der als faktisches Mischgebiet (§ 34 Abs. 2 Halbsatz 1 BauGB, § 6 Abs. 1 BauNVO) zu qualifizierenden näheren Umgebung des Vorhabens ist eine solche Nutzung ihrer Art nach bauplanungsrechtlich unzulässig (dazu 2.3).
Die Beklagte war nicht zu einem früheren Zeitpunkt verpflichtet, der Klägerin die beantragte Baugenehmigung für die Nutzungsänderung in ein Wettbüro zu erteilen (dazu 2.4).
2.1 Das Vorhaben der Klägerin stellt eine Nutzungsänderung dar, die gemäß Art. 55 Abs. 1, Art. 57 Abs. 4 Nr. 1 BayBO einer Baugenehmigung bedarf.
Eine Nutzungsänderung liegt vor, wenn durch die Verwirklichung eines Vorhabens die einer genehmigten Nutzung eigene Variationsbreite verlassen wird und durch die Aufnahme dieser veränderten Nutzung andere bauordnungs- oder bauplanungsrechtliche Anforderungen in Betracht kommen als für die bisherige Nutzung, so dass sich die Frage der Genehmigungsfähigkeit neu stellt (vgl. BVerwG, U.v. 18.11.2010 – 4 C 10/09 – juris; BayVGH, B.v. 10.6.2010 – 1 ZB 09.1971 – juris). Voraussetzung für eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung ist nicht, dass tatsächlich andere Anforderungen an die geänderte Nutzung gestellt werden. Nach Art. 57 Abs. 4 Nr. 1 BayBO verbleibt es bei der aus Art. 55 Abs. 1 BayBO folgenden Genehmigungspflicht, wenn derartige Anforderungen „in Betracht kommen“ können. Die Frage, ob das tatsächlich der Fall ist, bleibt einem Genehmigungsverfahren vorbehalten.
Die beabsichtigte Nutzung eines Teils des Erdgeschosses des Anwesens … als Wettannahmestelle bewegt sich ihrer Art nach ersichtlich nicht mehr im Rahmen der zuletzt mit Bescheid der Beklagten vom 23. August 2007 genehmigten Nutzung als Vereinsheim. Es handelt sich – abhängig von der konkreten Ausgestaltung – um ein sonstiges Gewerbe oder eine Vergnügungsstätte. Demgegenüber kann ein Vereinsheim als Anlage für kulturelle Zwecke betrachtet werden kann (vgl. OVG RhPf, U.v. 16.4.2003 – 8 A 11903/02 – juris; Fickert/Fieseler, BauNVO, 11. Aufl. 2008, § 4 Rn. 6.44). Mithin kommen, wie die Zuordnung der Nutzungen sonstiges Gewerbe bzw. Vergnügungsstätte einerseits und Anlage für kulturelle Zwecke andererseits zu den einzelnen Gebietstypen der Baunutzungsverordnung (§§ 2 ff. BauNVO) zeigt, andere bauplanungsrechtliche Anforderungen in Betracht.
2.2 Die von der Klägerin zur Genehmigung gestellte „ladenmäßige Wettannahmestelle“ ist bei Würdigung aller Umstände als eine kerngebietstypische Vergnügungsstätte in Gestalt eines Wettbüros zu betrachten.
Vergnügungsstätten sind besondere Gewerbebetriebe, die in unterschiedlicher Weise unter Ansprache des Geselligkeitsbedürfnisses, des Spiel- oder Sexualtriebs der kommerziellen Freizeitgestaltung und der Zerstreuung dienen (vgl. Roeser in König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 7 Rn. 16). Eine Vergnügungsstätte und nicht lediglich eine Wettannahmestelle, die darauf angelegt ist, Wetten entgegenzunehmen und weiterzuleiten sowie Gewinne auszuzahlen, liegt demnach dann vor, wenn die Kunden durch die konkrete Ausgestaltung der Räumlichkeiten animiert werden, sich dort länger aufzuhalten, die Sportereignisse, auf die sie gewettet haben, in Live-Übertragungen auf Fernsehmonitoren zu verfolgen und weiter an den angebotenen Wettspielen teilzunehmen (vgl. OVG Rhl-Pf, B.v. 14.4.2011- 8 B 10278/11 – juris; VG München, U.v. 18.11.2013 – M 8 K 12.6444 – juris).
Bei Anwendung dieses Maßstabs stellt sich das Vorhaben der Klägerin als ein Wettbüro und damit als eine Vergnügungsstätte dar. Hierzu wird zunächst umfassend auf die Entscheidungsgründe in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 9. April 2014 (AN 9 K 13.01321) sowie auf die Gründe in dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Mai 2016 (9 ZB 14,1419) verwiesen.
Dieser rechtlichen Einschätzung steht nicht entgegen, dass der Bauantrag der Klägerin lediglich darauf gerichtet ist, eine Teilfläche von etwa 50,23 qm des Vereinsheims als Wettannahmestelle zu nutzen und diese insbesondere den Wettkunden keinerlei Sitzmöglichkeiten einräume sowie kein Ausschank von Getränken bzw. keinerlei Verkauf von Waren stattfinden soll, sondern für das Ausfüllen der Lesekarten lediglich zwei Stehtische vorgehalten werden. Bei der planungsrechtlichen Beurteilung des zur Genehmigung gestellten Vorhabens darf der enge räumliche und funktionale Zusammenhang mit dem verbleibenden Bereich des Vereinsheims nicht unberücksichtigt bleiben (vgl. dazu BVerwG, B.v. 29.10.1992 – 4 B 103/92 – NVwZ-RR 1993, 287).
Ein räumlicher Zusammenhang besteht deshalb, weil die Wettannahmestelle gleichsam aus dem als Vereinsheim dienenden Raum herausgeschnitten wird und beide Nutzungen durch zwei unmittelbar nebeneinander liegende Zugänge betreten und verlassen werden können. Ein Besucher der Wettannahmestelle kann so mühelos in das Vereinsheim wechseln und umgekehrt. Hinzu kommt, dass die Wettannahmestelle nach dem Inhalt der Vorlagepläne über keine eigene Toilette verfügt, wohl aber das Vereinsheim. Es liegt damit nahe, dass der in der Wettannahmestelle Beschäftigte diese Toilette mitbenutzt. Ein funktioneller Zusammenhang ergibt sich daraus, dass das Vereinsheim nach der dem Baugenehmigungsbescheid vom 23. August 2007 zugrunde liegenden Betriebsbeschreibung unter anderem dem gemeinsamen Sporterlebnis und dem geselligen Beisammensein dienen soll. Den Vereinsmitgliedern stehen für die Übertragung von Sportereignissen nach dem Inhalt der genehmigten Vorlagepläne fünf größere Flachbildschirme sowie als weitere Informationsmöglichkeit acht Computerplätze zur Verfügung; überdies ist ein Automat für warme und (alkoholfreie) kalte Getränke vorhanden. Wettannahmestelle und Vereinsheim ergänzen sich damit – auch mit Blick auf die im Wesentlichen gleichen Öffnungszeiten (10.00 Uhr – 20.00 Uhr einerseits und 10.00 Uhr – 22.00 Uhr) – in geradezu idealer Weise. Das gilt umso mehr, als das Vereinsheim aufgrund der mit der Nutzungsänderung beantragten Werbeanlage nach außen als Teil der Wettannahmestelle in Erscheinung tritt. Die Schaufenster des Vereinsheims sollen zudem vollständig mit einer Folie versehen werden, die den unmittelbar angrenzenden Betrieb der Klägerin bewirbt.
Nach allem bilde die Wettannahmestelle und das Vereinsheim bei der gebotenen objektiven Betrachtung einen einheitlichen Betrieb, der es ermöglicht, in einem Raum die gewünschten Wetten abzuschließen sowie in den unmittelbar angrenzenden Räumlichkeiten die Sportereignisse, auf die gewettet wurde, in geselliger Atmosphäre in Live-Übertragungen auf Fernsehmonitoren zu verfolgen und gegebenenfalls weiter an den angebotenen Wettspielen teilzunehmen.
Dieser Betrieb hat als kerngebietstypische Vergnügungsstätte zu gelten. Er beschränkt sein Angebot nicht lediglich auf einen begrenzten Stadtteil. Vielmehr ist er angesichts einer gesamten Grundfläche von mehr als 150 qm darauf angelegt, ein größeres und allgemeines Publikum aus einem weiteren Einzugsbereich anzusprechen. Unschädlich ist dabei, dass das Vereinsheim nach dem Inhalt der Betriebsbeschreibung, die der Baugenehmigung vom 23. August 2007 zugrunde liegt, lediglich als Treffpunkt und Vereinslokal der Vereinsmitglieder dienen soll, da eine grundsätzlich öffentliche Zugänglichkeit von Räumlichkeiten kein Wesensmerkmal einer Vergnügungsstätte ist (vgl. Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 4 a BauNVO Rn. 70).
2.3 Eine kerngebietstypische Vergnügungsstätte ist in der als faktisches Mischgebiet (§ 34 Abs. 2 Halbsatz 1 BauGB, § 6 Abs. 1 BauNVO) zu qualifizierenden näheren Umgebung des Vorhabens ihrer Art nach bauplanungsrechtlich weder allgemein noch ausnahmsweise zulässig.
Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben – soweit hier von Bedeutung – zulässig, wenn es sich nach der Art der baulichen Nutzung in die nähere Umgebung ein-fügt (§ 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB). Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9 a BauGB erlassenen Verordnung (Baunutzungsverordnung – BauNVO) bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre (§ 34 Abs. 2 Halbsatz 1 BauGB).
Die nähere Umgebung des Vorhabens entspricht einem Mischgebiet im Sinne des § 6 Abs. 1 BauNVO. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird diesbezüglich auf die Ausführungen in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 9. April 2014 (AN 9 K 13.1321) sowie auf die Gründe in dem dieses Urteil bestätigenden Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Mai 2016 (9 ZB 14.1419) verwiesen.
Nach dem Ergebnis des in diesem Klageverfahren vorgenommenen Augenscheins durch die 9. Kammer sowie der in der Behördenakte enthaltenen Lagepläne konnte der Bereich der wechselseitigen Prägung hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung mit Blick auf die zu erwartenden Auswirkungen des Vorhabens und die vorhandenen baulichen Strukturen als ein (faktisches) Mischgebiet bestimmt werden.
Für eine Einordnung der näheren Umgebung als (faktisches) Kerngebiet, das gemäß § 7 Abs. 1 BauNVO vorwiegend der Unterbringung von Handelsbetrieben sowie der zentralen Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur dient, fehlt es bereits an einem Übergewicht der gewerblichen Nutzung gegenüber der Wohnnutzung. Im Übrigen sind im maßgeblichen Bereich keine zentralen Einrichtungen im vorgenannten Sinn vorhanden. Es wurde auch von Klägerseite nicht vorgetragen, dass sich an der vorliegenden Situation hinsichtlich der Art der Nutzung eine Veränderung ergeben hat, noch ist eine solche ersichtlich.
In einem Mischgebiet sind Vergnügungsstätten zwar allgemein zulässig, wenn sie in Baugebietsteilen mit überwiegend gewerblicher Nutzung angesiedelt sind (§ 6 Abs. 2 Nr. 8 BauNVO); in den übrigen Baugebietsteilen können sie ausnahmsweise zugelassen werden (§ 6 Abs. 3 BauNVO). In beiden Fällen muss es sich allerdings um nicht kerngebietstypische Vergnügungsstätten handeln. Das ist hier nicht der Fall.
2.4. Es bestand keine Verpflichtung der Beklagten, zu einem früheren Zeitpunkt als dem des Bescheidserlasses am 18. September 2017, der Klägerin die Genehmigung für die beantragte Nutzungsänderung einer Teilfläche in dem streitgegenständlichen Anwesen in eine ladenmäßige Wettannahmestelle zu erteilen.
Solange der Bescheid der Beklagten vom 23. August 2007, in dem die Genehmigung für die Nutzungsänderung in ein Vereinsheim erteilt wurde, wirksam gewesen ist und sich nicht erledigt hat (Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG), bestand kein Anspruch der Klägerin auf Erteilung der beantragten Genehmigung eine Nutzungsänderung in eine Wettannahmestelle, da aufgrund der oben genannten Ausführungen nach wie vor von einem räumlichen und funktionalen Zusammenhang mit der verbleibenden Restfläche des Vereinsheims auszugehen war.
Insbesondere ergibt sich ein Anspruch der Klägerin auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung für die Wettannahmestelle nach Art. 68 BayBO nicht bereits aus der Antragstellung vom 18. August 2014, in dem die Klägerin für die Nutzungsänderung einer Teilfläche des Vereinsheims in eine Lagerfläche mit einer gewerbliche Nutzfläche von 243,11 m² eine baurechtliche Genehmigung beantragte, die letztlich mit Genehmigungsbescheid der Beklagten vom 10. Dezember 2014 erteilt wurde. Zwar ergibt sich aus der Betriebsbeschreibung der Klägerin vom 8. August 2014, dass in den Lagerräumen, die keine ständigen Aufenthaltsräume darstellen sollen, unter anderem Papier, Hardware, Ersatzkassen sowie diverses Büromaterial gelagert werden soll. Eine bereits erteilte Nutzungsänderung erledigt sich jedoch nicht dadurch, dass der Betreiber ein anderes Vorhaben gegenüber der Baubehörde beantragt. Die daraufhin erteilte Baugenehmigung verpflichtet nämlich die Klägerin nicht, die beantragte und genehmigte Nutzungsänderung auch zu vollziehen.
Nach Art. 69 BayBO erlöscht eine Baugenehmigung nur dann, wenn innerhalb von vier Jahren nach ihrer Erteilung mit der Ausführung des Bauvorhabens nicht begonnen oder die Bauausführung vier Jahre unterbrochen worden ist. Im Übrigen erledigt sich eine Baugenehmigung „auf andere Weise“ (Art. 43 Abs. 2 Alt. 5 BayVwVfG), wenn der Bauherr auf sie, d. h. auf ihre Rechtswirkungen, unmissverständlich und unzweifelhaft verzichtet (BVerwG, U. v. 15.12.1989 – 4 C 36.86, BVerwGE 84, 209, 211; BayVGH, B.v. 11.4. 2006 – 15 ZB 06.424, juris; VGH BW, U.v. 10.11.1993 – 3 S 1120/92 – juris). Ein solcher Verzicht mit der Folge des Erlöschens der Baugenehmigung ist grundsätzlich rechtlich möglich, (Schwarzer/König, BayBO, 4. Auflage 2012, RdNr. 12 zu Art. 69; Koch/Molodovsky/Famers, BayBO, Anm. 2.3 zu Art. 77 m. w. N.; vgl. ferner BVerwG vom 15.12.1989, BVerwGE 84, S. 211 f.). Allein die Stellung eines neuen Bauantrages oder eines Änderungsantrages auf den ursprünglichen Bauantrag oder die erteilte Baugenehmigung stellt keinen Verzicht dar. Ein Bauherr gibt nicht ohne weiteres sein beantragtes Bauvorhaben endgültig auf, mit der Folge, dass das Rechtsschutzbedürfnis entfällt, wenn er z. B. im verwaltungsgerichtlichen Verfahren seine Bereitschaft zur Abänderung erklärt, da er einen entsprechenden Antrag auch für weitere vom ursprünglichen Vorhaben abweichende Vorhaben stellen kann (Simon/Busse, BayBo, 2019 Rn. 51 zu Art. 64).
Mit einem neuen Bauantrag oder einem Tektur- und Änderungsantrag erklärt der Bauherr zwar häufig, dass er auf den ursprünglichen Bauantrag oder auf die erteilte Baugenehmigung verzichtet. In dem neuen Antrag liegt aber nicht automatisch eine gleichzeitige Rücknahme des gestellten Bauantrags. Er wird auch nicht ohne weiteres gegenstandslos. Ob der Bauherr seinen ursprünglichen Bauantrag noch aufrecht erhält oder auf der erteilten Baugenehmigung noch besteht, hängt von den konkreten Begleitumständen ab (vgl. VGH Bad.-Württ. v. 6.4.1988 – 3 S 2088/87, BauR 1988, 704). Wenn nicht besondere schlüssige Umstände vorliegen, ist eine ausdrückliche Verzichtserklärung erforderlich (Simon/Busse, BayBo, 2019 Rn. 52 zu Art. 64).
So liegt der Fall hier. Erst die ausdrücklich unterzeichnete Verzichtserklärung durch den Eigentümer des streitgegenständlichen Anwesens … in … am 7. April 2016 und der Klägerin am 1. April 2016 gegenüber der Beklagten, die mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 9. Dezember 2016 vorgelegt wurde, verbunden mit dem Hinweis, dass der Verein aus dem Vereinsregister beim Amtsgericht … gelöscht worden sei, bewirkte das Erlöschen der ursprünglichen Baugenehmigung mit Bescheid vom 23. August 2007. Erst ab Zugang dieser ausdrücklichen Verzichtserklärung gegenüber der Beklagten dürfte diese davon ausgehen, dass von dem Bescheid keine Rechtswirkungen mehr ausgehen.
Die am 21. Mai 2015 erfolgte Verzichtserklärung allein durch die Klägerin als Mieterin bewirkt dem gegenüber noch nicht den unmissverständlichen und unzweifelhaften Verzicht bzw. die Unwirksamkeit der zugrunde liegenden Genehmigung für das Vereinsheim, Art. 54 Abs. 2 S. 3 BayBO.
Darüber hinaus erläuterte die Beklagte schlüssig und von der Klägerin unbestritten in dem Termin der mündlichen Verhandlung am 10. Juli 2019, weshalb erst mit Bescheid vom 18. September 2017 die Genehmigung für die Nutzungsänderung einer Teilfläche des Vereinsheims in eine ladenmäßige Wettannahmestelle genehmigt wurde. Die Zwischenzeit wurde für die Prüfung und Bearbeitung des Genehmigungsbescheides verwendet. Zudem mussten noch weitere für das Genehmigungsverfahren erforderliche Unterlagen von der Klägerin angefordert werden.
Nach alledem besteht kein Anspruch der Klägerin auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung für die Nutzungsänderung in ein Wettbüro mit der Folge, dass die Feststellungsklage als unbegründet abzuweisen ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.


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