Baurecht

Gaststättenrechtliche Gestattung für Maibaumfest

Aktenzeichen  W 6 K 17.394

Datum:
21.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 2762
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 113 Abs. 1 S. 4
GastG § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, § 5 Abs. 1 Nr. 3, § 12 Abs. 1, Abs. 3
BImSchG § 3 Abs. 1, § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 1

 

Leitsatz

1. Um die Schädlichkeitsgrenze für eine gaststättenrechtliche Gestattung im Wege einer Abwägung und eines Ausgleichs der widerstreitenden Interessen anhand der Umstände des Einzelfalls ermitteln zu können, hat sich die Behörde Kenntnis über die von der Veranstaltung voraussichtlich ausgehenden Lärmbelästigungen zu verschaffen. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)
2. In die Abwägung sind auch die besonderen Verhältnisse der Umgebung des Veranstaltungsortes einzubeziehen, insbesondere die Schutzwürdigkeit und Sensibilität der betroffenen umliegenden Wohnbebauung unter Berücksichtigung einer eventuellen Vorbelastung (ebenso BVerwG BeckRS 2003, 23584). (Rn. 48) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die rechtsfehlerfreie Erteilung einer gaststättenrechtlichen Gestattung setzt weiter eine ermessensfehlerfreie Würdigung und Abwägung von Alternativstandorten mit einer geringeren Belastung der umliegenden Anwohner voraus (Fortführung von VG Würzburg BeckRS 2015, 41307).(Rn. 51 – 53) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Es wird festgestellt, dass der Bescheid der Beklagten vom 10. März 2017 rechtswidrig gewesen ist.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.
1. Die Klage ist nach Umstellung des Klageantrages auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des gaststättenrechtlichen Gestattungsbescheides vom 10. März 2017 zulässig. Gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO spricht das Gericht, wenn sich der Verwaltungsakt – wie hier nach Durchführung der Veranstaltung durch Zeitablauf – erledigt hat, auf Antrag aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung hat. Der Kläger hat hier ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit, da Wiederholungsgefahr gegeben ist. Das Maibaumfest am Vorabend des 1. Mai soll auch in Zukunft auf dem Platz vor dem Feuerwehrgerätehaus in D. gegenüber dem Wohnanwesen des Klägers stattfinden. Laut Aussage des ersten Bürgermeisters der Gemeinde D. in der mündlichen Verhandlung sei der Standort für das Maibaumfest „alternativlos“. Auch an den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen hat sich nichts geändert. Damit ist davon auszugehen, dass die Beklagte erneut entsprechende gaststättenrechtliche Gestattungen erlassen wird.
Der Kläger besitzt auch die entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis, weil er geltend machen kann, dass er durch die dem Beigeladenen erteilte Gestattung in öffentlich-rechtlichen nachbarschützenden Rechten (s. hierzu unter Nr. 2.4) verletzt werden kann. Sein Wohngrundstück befindet sich in unmittelbarer Nähe zum Veranstaltungsort.
2. Die Klage ist begründet, weil die Gestattung vom 10. März 2017 zum Zeitpunkt ihrer Erledigung rechtswidrig gewesen ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt hat. Die Gestattung vom 10. März 2017 hat den Schutz des Klägers vor unzumutbaren Lärmeinwirkungen nicht hinreichend berücksichtigt und diesen dadurch in seinen Rechten verletzt.
2.1 Gegenstand der Klage ist dabei die Gestattung vom 10. März 2017 ohne Berücksichtigung der vom Gericht in seinem Beschluss vom 27. April 2017 (W 6 S 17.412) im Sofortverfahren angeordneten Maßgaben. Denn diese Maßgaben sind Auflagen entsprechend § 80 Abs. 5 Satz 4 VwGO, die speziell auf die Zwecke des gerichtlichen Aussetzungsverfahrens gemäß § 80 Abs. 5 VwGO zugeschnitten sind. Die Maßgaben dienen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Hinblick auf die Vollziehung eines Verwaltungsaktes, um als milderes Mittel die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage zu vermeiden. Diese Auflagen führen aber nicht dazu, die streitgegenständliche Verwaltungsentscheidung in der Sache selbst zu korrigieren (vgl. BayVGH, U.v. 6.9.1990 – 22 B 90.500 – juris). Die Beklagte hat den streitgegenständlichen Bescheid selbst in der Sache nicht geändert.
2.2 Passivlegitimiert ist vorliegend gemäß § 78 Nr. 1 VwGO die Verwaltungsgemeinschaft M. (vgl. dazu die Ausführungen im B.v. 27.4.2017 – W 6 S 17.412). Auch wenn die Klage ursprünglich ausdrücklich gegen die Gemeinde D. gerichtet wurde, war schon aufgrund der erkennbaren Umstände im Wege der Auslegung einer formlose Berichtigung möglich (Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 76 Rn. 16). Im späteren Verlauf des Verfahrens (vgl. Schriftsatz des Klägers vom 17.5.2017) wurde die Verwaltungsgemeinschaft M. dann auch vom Kläger als Beklagte bezeichnet.
2.3 Die Rechtsgrundlage für die Gestattung des Maibaumfests war vorliegend ausschließlich im Gaststättenrecht zu finden, da der Getränke- und Speisenverkauf bei der Veranstaltung keine nur untergeordnete Rolle spielte. Bei der streitgegenständlichen Veranstaltung standen nach Aktenlage die gaststättenrelevanten Leistungen im Sinne des § 1 GastG im Vordergrund, insbesondere der Ausschank von Getränken und die Abgabe von Speisen. Dem Verkauf der Speisen und Getränke kam gegenüber der geplanten Musikdarbietung auf der Bühne das klare Übergewicht zu. Dies ergab sich schon aus dem Umstand, dass der Festbetrieb auch nach Ende der Musikdarbietung um 22:00 Uhr weiter fortgesetzt wurde. Die Veranstaltung diente ausweislich des Bescheids auch der Einnahmebeschaffung des Beigeladenen und sollte damit zur finanziellen Entlastung der Gemeinde beitragen (vgl. VG Würzburg, U.v. 14.1.2015 – W 6 K 14.494 – BeckRS 2015, 41307; B.v. 18.7.2014 – W 5 S 14.638 – juris). Die parallele Genehmigung nach Art. 19 LStVG war in Relation zum Gaststättenrecht nur subsidiär (siehe Art. 19 Abs. 9 LStVG, der zum Zeitpunkt der Erledigung der Klage noch in Kraft war; aufgehoben mit Wirkung zum 1.8.2017 durch § 3 Nr. 1, § 4 Gesetz v. 24.7.2017, GVBl. 388; durch die Streichung von Art. 19 Abs. 9 LStVG hat sich an der Rechtslage nichts geändert, vgl. LT-Drs. 17/16299, S. 16). Im Rahmen der gaststättenrechtlichen Gestattung waren damit auch die Fragen des Lärmschutzes zu beurteilen (vgl. VG Würzburg, U.v. 14.1.2015 – W 6 K 14.494 – BeckRS 2015; B.v. 18.7.2014 – W 5 S 14.638 – juris). Im Übrigen wären durch das LStVG hinsichtlich des Lärmschutzes auch keine weitergehenden Vorgaben gemacht worden (vgl. VG Ansbach, U.v. 28.7.2009 – AN 4 K 08.01001 – juris).
Konkrete Rechtsgrundlage für die Gestattung des Maibaumfestes war dabei § 12 Abs. 1 GastG. Nach dieser Vorschrift kann aus besonderem Anlass der Betrieb eines erlaubnisbedürftigen Gaststättengewerbes unter erleichterten Voraussetzungen vorübergehend auf Wiederruf gestattet werden. Ein besonderer Anlass liegt vor, wenn die betreffende gastronomische Tätigkeit an ein kurzfristiges, nicht häufig auftretendes Ereignis anknüpft, das außerhalb der gastronomischen Tätigkeit selbst liegt. In jedem Fall muss die beabsichtigte gastronomische Tätigkeit als Annex eines eigenständigen anderen Ereignisses erscheinen. Maßgebend ist eine Gesamtwürdigung des Vorhabens und seines Anlasses. Der besondere Anlass braucht dabei nicht von anderer Seite vorgegeben zu sein, er kann auch – wie z.B. bei der Sommerveranstaltung eines Vereins – vom Antragsteller selbst geschaffen sein (vgl. BVerwG; U.v. 4.7.1989 – 1 C 11/88 – juris LS u. Rn. 16). Vorliegend lag der besondere Anlass im Aufstellen des Maibaums. Diesbezüglich war der Gastronomiebetrieb als Annex anzusehen.
2.4 Die Erteilung der Gestattung nach § 12 Abs. 1 GastG steht im Ermessen der zuständigen Behörde.
Die Behörde hat bei der Erteilung die Schutzgüter des § 4 Abs. 1 GastG zu beachten. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG ist die Erlaubnis zu versagen, wenn der Betrieb im Hinblick auf seine örtliche Lage dem öffentlichen Interesse widerspricht, insbesondere schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes oder sonst erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen für die Allgemeinheit befürchten lässt. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG sind immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürfte Anlagen – hierzu gehören sowohl Gaststätten (einschließlich ihrer Freischankflächen) als auch sonstige Flächen, auf denen durch eine Gestattung im Sinne von § 12 GastG eine von § 1 GastG erfasste Betätigung zugelassen wird – so zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind, verhindert werden. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GastG und § 5 Abs. 1 Nr. 3 GastG wiederholen und bekräftigen dieses Gebot. Wie sich u.a. aus Erwähnung der Nachbarschaft in § 3 Abs. 1 BImschG ergibt, besteht das Erfordernis, umweltschädliche Einwirkungen zu vermeiden, nicht nur im Interesse des Allgemeinwohls, sondern auch betroffener Einzelpersonen. Die vorstehend aufgeführten Normen besitzen deshalb drittschützenden Charakter (BayVGH, B.v. 17.9.2014 – 22 CS 14.2013 – juris Rn. 4).
Wenn § 12 Abs. 1 GastG davon spricht, der Betrieb eines erlaubnisbedürftigen Gaststättengewerbes könne „unter erleichterten Voraussetzungen“ vorübergehend und auf Widerruf gestattet werden, so bedeutet dies insbesondere, dass bei der Bestimmung der Erheblichkeitsbzw. Zumutbarkeitsschwelle die Seltenheit des Anlasses und seine Besonderheit, d.h. seine Bewertung unter den Gesichtspunkten der Herkömmlichkeit, der Sozialadäquanz und der allgemeinen Akzeptanz zu berücksichtigen ist. Eine generelle Freistellung von der Rücksichtnahme auf die benachbarte Wohnbebauung ist damit nicht verbunden. Je kleiner die Zahl der Tage und Nächte mit Ruhestörungen ist, desto eher ist diese der Nachbarschaft aus besonderem Anlass zumutbar. Je größer die Zahl von Tagen und Nächten mit Ruhestörungen ist, desto gewichtiger muss der besondere Anlass sein, um die Zumutbarkeit für die Nachbarschaft zu begründen. Die Schädlichkeitsgrenze ist nicht nach einem festen und einheitlichen Maßstab, sondern vielmehr auf Grund einer auf die konkrete Situation bezogenen Abwägung und eines Ausgleichs der widerstreitenden Interessen im Einzelfall zu bestimmen. Notwendig ist eine umfassende Würdigung aller Umstände (vgl. BayVGH, B.v. 23.6.2016 – 22 CS 16.1199 – juris Rn. 26).
Im Rahmen von Gestattungen nach § 12 GastG kann für die Beurteilung der Zumutbarkeit die Freizeitlärmrichtlinie der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) vom 6. März 2015 (Freizeitlärm-Richtlinie) als Orientierungshilfe herangezogen werden (BVerwG, U.v. 16.5.2001 – 7 C 16.00 – juris; OVG NW, B.v. 25.5.2016 – 4 B 581/16 – juris Rn. 9). Die Freizeitlärmrichtlinie sieht hierbei Immissionsrichtwerte vor, oberhalb derer in der Regel mit erheblichen Belästigungen zu rechnen ist (Nr. 4.1 – 4.3). In allgemeinen Wohngebieten – das klägerische Wohngrundstück liegt ausweislich des Bebauungsplans „F.“ in einem solchen – betragen die Immissionsrichtwerte „Außen“ an Werktagen außerhalb der Ruhezeiten 55 dB(A), tags an Werktagen innerhalb der Ruhezeit und an Sonn- und Feiertagen 50 dB(A), nachts 40 dB(A). Für seltene Veranstaltungen mit hoher Standortgebundenheit oder sozialer Adäquanz und Akzeptanz ist vorgesehen, dass diese trotz Überschreitung der allgemeinen Immissionsrichtwerte auf der Grundlage einer Sonderfallbeurteilung zulässig sein können (Ziffer 4.4). Eine hohe Standortgebundenheit ist bei besonders örtlichen oder regionalen Bezug gegeben (z.B. Feste mit kommunaler Bedeutung). Von sozialer Adäquanz und Akzeptanz ist auszugehen, wenn die Veranstaltung eine soziale Funktion oder Bedeutung hat (Nr. 4.4.1). Liegt ein derartiger Sonderfall vor, prüft die zuständige Behörde zunächst die Unvermeidbarkeit und Zumutbarkeit der zu erwartenden Immissionen. Unvermeidbarkeit kann insbesondere dann vorliegen, wenn geeignete Ausweichstandorte nicht zur Verfügung stehen (Nr. 4.4.2). Zu prüfen ist die Zumutbarkeit der Immissionen unter Berücksichtigung von Schutzwürdigkeit und Sensibilität des Einwirkungsbereichs. Dabei sind bei zu erwartenden Überschreitungen des Beurteilungspegels vor den Fenstern im Freien von 70 dB(A) tags und/oder 55 dB(A) nachts deren Zumutbarkeit explizit zu begründen, Überschreitungen eines Beurteilungspegels nachts von 55 dB(A) sollen vermieden werden. Die Anzahl der Tage mit seltenen Veranstaltungen sollen 18 pro Kalenderjahr nicht überschreiten. Geräuschspitzen sollen die Werte von 90 dB(A) tags und 65 dB(A) nachts einhalten. In besonders gelagerten Fällen kann eine Verschiebung der Nachtzeit von bis zu zwei Stunden zumutbar sein. Die Unvermeidbarkeit und Zumutbarkeit der zu erwartenden Immissionen ist schriftlich zu begründen. Nach Nr. 4.4.3 der Richtlinie soll die Verschiebung der Nachtzeit auf Abende vor Samstagen sowie vor Sonn- und Feiertagen beschränkt werden.
Bei sehr seltenen Ereignissen kann sogar von den Vorgaben der Freizeitlärm-Richtlinie abgewichen werden, falls keine geeigneten Alternativstandorte existieren; aber selbst dies gilt nicht grenzenlos (vgl. dazu BayVGH, U.v. 13.5.1997 – 22 B 96.3327 – NJW 1998, 401).
2.4.1 Die Regelungen hinsichtlich des Lärmschutzes im Bescheid der Beklagten vom 10. März 2017 haben sich weitgehend an den Vorgaben der LAI Freizeitlärm-Richtlinie orientiert. Entsprechend den unter Nr. 4.4.2 angegebenen Werten wurde festgelegt, dass der Geräuschpegel am nächstgelegenen Wohnhaus 70 dB(A) nicht überschreiten darf und einzelne Geräuschspitzen einen Wert von 90 dB(A) nicht überschreiten dürfen (Nr. 12 des Bescheides). Außerdem wurde festgelegt, dass die Musikdarbietung um 22:00 Uhr zu beenden ist und die Beschallungstechnik so auszurichten und auszuwählen ist, dass die Belastung der Nachbarschaft minimiert wird (Nr. 12 des Bescheides). Weiter wurde angeordnet, dass die Veranstaltung mit Musikende um 22:00 Uhr vom Feuerwehrhaus in die Feuerwehrgerätehalle zu verlegen sind und die Tore daraufhin zu schließen sind und geschlossen gehalten werden müssen (Nr. 2 des Bescheides). Nicht klar geht aus dem Bescheid hervor, wie hoch der Beurteilungspegel nach Beendigung der Musikdarbietung um 22:00 Uhr sein durfte. Die Festlegung in Nr. 12 des Bescheides könnte man zum einen so verstehen, dass der festgelegte Wert von 70 dB(A) auch nach Ende der Musikdarbietung um 22:00 Uhr bis zum Ende der Veranstaltung um 24:00 Uhr gilt, da hinsichtlich dieser Festsetzung keine Differenzierung nach der Uhrzeit vorgenommen wurde. Auf der anderen Seite könnte man die Bestimmung so verstehen, dass die Festlegung des Grenzwerts nur bis zum Ende der Musikdarbietung gilt. In diesem Falle wäre für die Zeit von 22:00 Uhr bis 24:00 Uhr kein maximal zulässiger Lärmpegel festgelegt.
2.4.2 Unabhängig von der Frage der zulässigen Geräuschimmissionen nach 22:00 Uhr, war die so ausgestalte Gestattung des Maibaumfestes am 30. April 2017 unter Zugrundelegung der zuvor dargestellten Maßstäbe ermessensfehlerhaft, da die Abwägung mangels Ermittlung der Erheblichkeitsbzw. Zumutbarkeitsschwelle und möglicher evt. Alternativstandorte rechtsfehlerhaft erfolgte.
2.4.2.1 Die Gestattung des Maibaumfestes vom 10. März 2017 war schon deshalb rechtsfehlerhaft, weil die Beklagte keine Ermittlungen hinsichtlich der zu erwartenden Geräuschbelastung angestellt hat und somit keine Kenntnis davon hatte, welche Belastungen auf die umliegende Wohnbebauung ausgehen können.
Wie ausgeführt, ist die im Rahmen des § 12 Abs. 1 GastG zu ermittelnde Schädlichkeitsgrenze nicht nach einem festen und einheitlichen Maßstab, sondern vielmehr auf Grund einer auf die konkrete Situation bezogenen Abwägung und eines Ausgleichs der widerstreitenden Interessen im Einzelfall zu bestimmen. Um diese Abwägung durchführen zu können, ist es erforderlich, Kenntnis darüber zu haben, welche Lärmbelästigungen von der geplanten Veranstaltung voraussichtlich ausgehen werden. Hat die Genehmigungsbehörde keine dahingehenden Anhaltspunkte, kann sie die Belastung für die umgebende Wohnbebauung nicht verlässlich abschätzen. Das führt dazu, dass in die durchzuführende Abwägung keine verlässlichen Werte eingestellt werden können. Die Zumutbarkeitsschwelle kann auf diese Weise nicht ermittelt werden (vgl. OVG NW, B.v. 25.5.2016 – 4 B 581/16 – NVwZ-RR 2016, 849; vgl. auch VG München, B. v. 17.6.2017 – 16 S 17.2177, BeckRS 2017, 113656). Erforderlich ist es deshalb, im Vorfeld einer solchen Veranstaltung Ermittlungen anzustellen, die aussagekräftige Werte über die zu erwartenden Geräuschbelastungen liefern, etwa durch die Erstellung einer Lärmprognose. Auch die LAI-Freizeitlärmrichtline sieht in Nr. 4.3.3 vor, dass die Immissionsschutzbehörde den Veranstalter zu verpflichten hat, Unterlagen vorzulegen, anhand derer die Geräuschbelastung der Umgebung abgeschätzt werden kann.
Vorliegend hatte die Beklagte keine Kenntnis von den zu erwartenden Lärmbelastungen durch die konkrete Veranstaltung. Die Beklagte hat weder eigene Ermittlungen angestellt, noch hat sie den Beigeladenen verpflichtet Unterlagen vorzulegen, aus denen die zu erwartenden Lärmbelastungen verlässlich abzuschätzen gewesen wären. Auch aus der im Zuge des Baugenehmigungsverfahrens für das Feuerwehrgerätehaus erstellten Lärmprognose der Fa. W. vom 3. März 2011 ließen sich keine dahingehenden Werte gewinnen; Veranstaltungen wurden in dieser Prognose nicht betrachtet. Die Beklagte hatte damit keine Anhaltspunkte, welche Auswirkungen von der Veranstaltung auf die Nachbarschaft ausgehen. Die im Bescheid festgesetzten maximal zulässigen Lärmpegel wurden damit „ins Blaue hinein“, lediglich schematisch und ohne Kenntnis von den tatsächlichen Verhältnissen festgesetzt. Es ließ sich nicht verlässlich beurteilen, ob die festgesetzten Werte durch die konkret zur Gestattung gestellte Veranstaltung überhaupt eingehalten werden können. Da die Beklagte keine Kenntnis von den zu erwartenden Immissionen hatte, konnte sie auch keine geeigneten Maßnahmen festschreiben, um die Lärmimmissionen zu verringern. Auch bei Durchführung der Veranstaltung am 30. April 2017 wurden keine belastbaren Werte ermittelt.
Die Notwendigkeit der Ermittlung der zu erwartenden Lärmbelastungen wäre in der konkreten Konstellation v.a. deshalb erforderlich gewesen, weil es nach Durchführung einer vergleichbaren Veranstaltung im Vorjahr am 30. April 2016, zu Beschwerden aufgrund der durch das Fest ausgehenden Lärmimmissionen durch den Kläger gekommen war. Außerdem gab es schon im Zuge des Genehmigungsverfahrens für das Feuerwehrgerätehaus Spannungen mit der Nachbarschaft aufgrund der erwarteten Lärmbelastung durch den Betrieb des Feuerwehrgerätehauses, sodass Konflikte, ausgelöst durch die zusätzliche Gestattung einer lärmrelevanten Veranstaltung, zu erwarten waren.
2.4.2.2 Die Gestattung des Maibaumfestes war auch deshalb ermessensfehlerhaft, weil die Beklagte die besonderen Verhältnisse des Einwirkungsbereichs der Festveranstaltung nicht ausreichend berücksichtigt hat.
In die Abwägung der wiederstreitenden Interessen im Rahmen der Entscheidung nach § 12 Abs. 1 GastG sind u.a. auch die besonderen Verhältnisse der Umgebung des Veranstaltungsortes zu berücksichtigen. Insbesondere ist dabei auch die Schutzwürdigkeit und Sensibilität (vgl. Nr. 4.4. der LAI-Freizeitlärmlinie) der betroffenen umliegenden Wohnbebauung zu beachten (vgl. auch BVerwG, U.v. 17.7.2003 – 4 B 55/03 – NJW 2003, 3360). Je größer die Vorbelastung der Umgebung mit Immissionen ist, desto mehr muss bei der Gestattung einer Veranstaltung Rücksicht auf die Bedürfnisse der Anwohner genommen werden.
Dies ist vorliegend nicht in ausreichendem Maße geschehen. Die Beklagte hat zwar zutreffend erkannt, dass sich die Geräuschbelastungen durch das Fest auf ein allgemeines Wohngebiet auswirken. Allerdings hat die Beklage nicht beachtet (zumindest hat dies keinen Niederschlag im Bescheid vom 10. März 2017 oder im Schriftsatz der Beklagten vom 25. April 2017 gefunden), dass der Einwirkungsbereich des Maibaumfestes schon durch Geräuschimmissionen ausgehend vom benachbarten Feuerwehrgerätehaus belastet ist. Die Auswertung der Schallimmissionsprognose der Fa. W. vom 3. März 2011 zeigt die Lärmbelastung der Umgebung, insbesondere auch des Anwesens des Klägers, durch den Betrieb des Feuerwehrgerätehauses auf. Aus der Prognose geht im Einzelnen hervor, dass das Grundstück des Klägers von Lärmimmissionen durch den Parkverkehr auf dem Anlagengrundstück sowie durch den Fahr- und Parkverkehr der Feuerwehrfahrzeuge und den Übungsbetrieb auf der Freifläche betroffen ist. Die Prognose kommt zwar zu dem Ergebnis, dass die Nachbarschaft bei Einhaltung bestimmter Vorgaben keinen schädlichen Umwelteinwirkungen ausgesetzt ist. Dennoch handelt es sich bei diesen Lärmimmissionen um eine relevante Vorbelastung, die eine besondere Sensibilität der umliegenden Bebauung begründet. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass das Anwesen des Klägers in einem allgemeinen Wohngebiet liegt, die Lärmprognose der Fa. W. ging dagegen von einem Dorf- und Mischgebiet aus. Darüber hinaus ist die Umgebung des Feuerwehrhauses durch Immissionen belastet, die von Einsätzen der Feuerwehr, insbesondere zur Nachtzeit, ausgehen. Laut der Prognose kommt es durch solche Einsätze zu einer Überschreitung der maximal zulässigen Spitzenpegel (S. 11 der Schallimmissionsprognose). Zwar dürfen bei solchen Einsätzen die Immissionsrichtwerte der TA-Lärm überschritten werden. Allerdings handelt es sich dabei trotzdem um Vorbelastungen mit Lärmimmissionen, die bei einer Abwägungsentscheidung nach § 12 GastG zu berücksichtigen sind. Wenn ein Nachbar eines Feuerwehrhauses die Überschreitung von Grenzwerten durch Einsätze zum Wohle der Allgemeinheit hinnehmen muss, so muss dies zumindest bei einer Entscheidung über die Gestattung von Veranstaltungen, die zusätzliche Lärmbelastung begründen, berücksichtigt werden.
Das Gericht weist in diesem Zusammenhang allerdings darauf hin, dass vorliegend nur festgestellt wird, dass die Vorbelastung bei der Entscheidung im Rahmen der Ermessenentscheidung nach § 12 GastG hätte berücksichtigt werden müssen. Dies bedeutet nicht, dass die Durchführung eines Festes auf dem Gelände des Feuerwehrgerätehauses aufgrund der dargestellten Vorbelastung zwingend ausgeschlossen ist. Bei einer erneuten Entscheidung über die Gestattung einer Veranstaltung sind allerdings – wie oben dargelegt – alle relevanten Faktoren einzustellen, was bei der Entscheidung über das Fest am 30. April 2017 nicht geschehen war. Dies bedeutet auch, dass, sollten zukünftige Ermittlungen ergeben, dass die umliegenden Grundstücke aufgrund der Nähe zum Feuerwehrgerätehaus und Rathaus darüber hinaus Belastungen ausgesetzt sind (in der mündlichen Verhandlung wurde etwa der An- und Abfahrtsverkehr zu dort befindlichen Geldautomaten vom Klägervertreter benannt), diese ebenfalls bei einer Entscheidung über die Gestattung der Festveranstaltung zu berücksichtigen sein werden.
2.4.2.3 Die Gestattung war auch deshalb rechtsfehlerhaft, da eine ermessensfehlerfreie Würdigung und Abwägung von Alternativstandorten (Ausweichstandorten) im Bescheid nicht erfolgte. Im Hinblick auf die Unvermeidbarkeit der zu erwartenden Immissionen hat sich die Genehmigungsbehörde im Rahmen der Entscheidung nach § 12 Abs. 1 GastG auch damit auseinanderzusetzen, ob für die konkrete Veranstaltung Alternativstandorte in Frage kommen, an denen die umliegenden Anwohner durch die Veranstaltung in geringerem Maße belastet werden (VG Würzburg, U.v. 14.1.2015 – W 6 K 14.494 – BeckRS 2015, 41307; vgl. auch Nr. 4.4.2 der LAI-Freizeitlärmrichtlinie).
Eine solche Auseinandersetzung ist nicht im gebotenen Maße erfolgt. Die Beklagte hat in ihrem Bescheid vom 10. März 2017 zwar ausgeführt, dass das Feuerwehrgerätehaus der ideale Standort für das Maibaumfest sei, da es sich bei dem Maibaumfest um ein gemeinsames Fest der beiden ehemals selbständigen Ortsteile K. und W. handele und das Feuerwehrgerätehaus zentral zwischen den beiden Ortsteilen liege und deshalb auch von allen Besuchern zu Fuß erreicht werden könne. Diese Begründung kann den oben genannten Anforderungen allerdings nicht gerecht werden. Dabei ist v.a. zu beachten, dass aus dem Bescheid der Beklagten auch hervorgeht, dass es zentrale Funktion des gemeinsamen Festes ist, den sozialen Zusammenhalt im Ort D. durch ein gemeinsames Maibaumfest zu stärken. Das Ziel der Stärkung der Ortsgemeinschaft ist jedoch nicht zwangsläufig an einen bestimmten Ort in der Gemeinde gebunden. Ein gemeinsames Fest könnte grundsätzlich auch an anderen Stellen im Ort ausgerichtet werden, auch wenn ein solcher Ort nicht so zentral gelegen ist, wie das bei dem Feuerwehrgerätehaus der Fall ist. Als entscheidend für die Förderung des Zusammenhalts stellt sich nach dem Vortrag der Beklagten dar, dass ein gemeinsames Fest stattfindet, an dem die Bewohner beider Ortsteile zusammenkommen. Aus diesem Grunde hätte sich die Beklagte damit auseinandersetzen müssen, ob dieses Ziel auch an anderen Standorten in der Gemeinde erreicht werden kann. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass das Maibaumfest als traditioneller Anlass nicht zwangsläufig einen Bezug zur Feuerwehr D. hat; im Jahr 2016 wurde das Fest von einem anderen Verein ausgerichtet. Die Berücksichtigung anderer Standorte wäre insbesondere auch deshalb angezeigt gewesen, da sich gegenüber dem Veranstaltungsgelände ein allgemeines Wohngebiet befindet, das im Hinblick auf Lärmbelastungen besonders schutzwürdig ist. Auch aufgrund der bereits beschriebenen Vorbelastung der Umgebung des Feuerwehrgerätehauses (s. Ausführungen unter 2.4.2.2) hätte sich eine Beschäftigung mit Alternativen aufdrängen müssen.
Es ist davon auszugehen, dass in der Gemeinde D. grundsätzlich Ausweichstandorte für die Veranstaltung des Maibaumfestes bestanden. So hat etwa der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass im Ort eine Veranstaltungshalle existiert. Auch in der Gemeinderatssitzung vom 17. Februar 2017 wurde die Auffassung geäußert, dass man sich mit Alternativstandorten auseinandersetzen müsste. Sollten die alternativen Standorte – wie vom Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlungen ausgeführt – für die Veranstaltung des Maibaumfestes tatsächlich nicht in Frage kommen, hätte dies in der Begründung des Bescheids dargelegt werden müssen. Nicht ausreichend war es, einen bestimmten Veranstaltungsort – wie im Bescheid vom 10. März 2017 geschehen – als optimalen Standort zu bezeichnen, ohne Alternativen zu bedenken.
2.4.3 Ergänzend weist das Gericht noch darauf hin, dass die Zusage des Ersten Bürgermeisters, dass auf dem Gelände des Feuerwehrgerätehauses keine Veranstaltungen stattfinden werden, die im Zuge des Genehmigungsverfahren für das Feuerwehrgerätehaus gefallen sein soll (vgl. dazu das Protokoll der Gemeinderatssitzung vom 17. März 2017), der Gestattung eines Maibaumfestes nach § 12 GastG an besagtem Ort nicht entgegenstehen kann. Fest steht, dass dem Kläger eine solche Zusage – unabhängig von ihrem genauen Inhalt – jedenfalls nur mündlich und nicht schriftlich gemacht wurde. Damit kann es sich um keine rechtsverbindliche Zusage gemäß Art. 38 BayVwVfG handeln, welche die Beklagte bindet. Die Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt in der Zukunft zu unterlassen, bedarf gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG der Schriftform.
Entgegen der Ansicht des Klägervertreters steht auch die Baugenehmigung des Landratsamts Aschaffenburg für das Feuerwehrhaus vom 16. August 2011 der Ausrichtung von Veranstaltungen an diesem Standort nicht grundsätzlich entgegen. Unter Nr. 22 der Baugenehmigung vom 16. August 2011 ist zwar ausgeführt, dass von Seiten der Gemeinde dafür Sorge zu tragen ist, dass auf dem Gelände des Feuerwehrgerätehauses keine lärmrelevanten Veranstaltungen stattfinden. Allerdings ist dieser Passus unter der Überschrift „Hinweise“ in die Baugenehmigung aufgenommen worden, sodass es sich dabei um keine Inhalts- oder Nebenbestimmung der Baugenehmigung und damit um keine verbindliche Regelung handelt. Außerdem ist – v.a. weil der Satz auf den Hinweis folgt, dass Veranstaltungen in der vorgelegten Schallprognose nicht berücksichtigt worden sind – davon auszugehen, dass Veranstaltungen nicht generell untersagt werden sollten. Vielmehr ist der Satz so zu verstehen, dass auf Grundlage der in der Baugenehmigung genehmigten Nutzungen keine (weiteren) lärmrelevanten Veranstaltungen zulässig sind. Dem steht es grundsätzlich aber nicht entgegen, dass die Beklagte eine gaststättenrechtliche Gestattung nach § 12 Abs. 1 GastG erteilt, in deren Rahmen zu prüfen ist, ob dem Kläger weitere Lärmeinwirkungen zuzumuten sind. Diese Auffassung hat auch das Landratsamt Aschaffenburg in mehreren Schreiben geäußert.
3. Die Kostenentscheidung zulasten der Beklagten beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Beigeladene hat seine außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen, da er sich mangels Antragstellung nicht am Prozesskostenrisiko beteiligt hat (vgl. § 154 Abs. 3 und § 162 Abs. 3 VwGO)
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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