Baurecht

Genehmigungsfrei gestelltes Bauvorhaben, selbstständiges Gebäude

Aktenzeichen  9 CE 22.1333

Datum:
25.7.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 18971
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 58
BayBO Art. 6 Abs. 7
BayBO Art. 2 Abs. 2

 

Leitsatz

Verfahrensgang

W 4 E 22.755 2022-05-12 Bes VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt mit seinem Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO, die bereits begonnenen Bauarbeiten zur Ausführung des genehmigungsfrei gestellten Bauvorhabens der Beigeladenen (Wohnhaus mit 3 Wohneinheiten sowie 7 Stellplätze) durch eine für sofort vollziehbar zu erklärende Ordnungsverfügung vorläufig stillzulegen. Sowohl das Grundstück des Antragstellers als auch das benachbarte Baugrundstück der Beigeladenen befinden sich im Geltungsbereich desselben Bebauungsplans des Marktes G. …
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 12. Mai 2022 abgelehnt. Der Antragsteller habe keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Ein Verstoß gegen Vorgaben des Abstandsflächenrechts sei weder mit Blick auf das grenzständige, überwiegend unterirdische Kellergebäude, noch den auf diesem geplanten Fahrradunterstand ersichtlich. Ersteres weise keinerlei Zugangsmöglichkeit zum Hauptgebäude auf und sei damit als funktional selbstständig anzusehen. Letzterer halte die im Bebauungsplan vorgeschriebene talseitige Wandhöhe ein und sei deshalb auch nicht zu beanstanden. Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme liege ebenfalls nicht vor.
Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Rechtsschutzziel weiter. Unter Wiederholung und teilweiser Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens ist er der Auffassung, das an der Grundstücksgrenze liegende Vorhaben beeinträchtige ihn erheblich, denn es verschatte sein Grundstück und insbesondere das an der Grenze befindliche Hochbeet. Der grenzständige Gebäudeteil sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht selbstständig nutzbar, was durch die ursprünglich zur Unterschrift vorgelegten Pläne bestätigt werde. Diese hätten einen Durchbruch vom Wohngebäude in den Kelleranbau vorgesehen. Er gehe davon aus, dass auch künftig seitens der Beigeladenen keine selbstständige Nutzung des Anbaus beabsichtigt sei. Vielmehr planten diese weiterhin einen direkten Zugang vom Wohnin das Kellergebäude. Er hat beantragt,
den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 12. Mai 2022 aufzuheben und dem Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO aufzugeben, die Bauarbeiten zur Ausführung des Wohnbauvorhabens der Beigeladenen auf ihrem Grundstück durch eine für sofort vollziehbar zu erklärende Ordnungsverfügung vorläufig stillzulegen.
Der Antragsgegner – Landesanwaltschaft Bayern – hat beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen
und verteidigt den erstinstanzlichen Beschluss.
Die Beigeladenen halten den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts ebenfalls für zutreffend und haben beantragt,
die Beschwerde kostenpflichtig zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen und den vorgelegten Behördenakt verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die vom Antragsteller dargelegten Gründe, auf die sich die Prüfung des Senats im Beschwerdeverfahren beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses. In rechtlich nicht zu beanstandender Weise hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass der Antragsteller keinen Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten gemäß Art. 75 BayBO glaubhaft gemacht hat, weil das streitgegenständliche Bauvorhaben keine nachbarschützenden Rechte verletzt und nicht rücksichtslos ist. Der Senat nimmt deshalb zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses und sieht von einer weiteren Begründung ab. Lediglich ergänzend bleibt im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen folgendes zu bemerken:
Entgegen der Ansicht des Antragstellers verletzt der unmittelbar an der Grenze zu seinem Grundstück geplante Kellerbau samt Fahrradunterstellraum keine – drittschützenden – Vorschriften des Abstandsflächenrechts. Es handelt sich um ein selbstständig nutzbares Gebäude (vgl. Art. 2 Abs. 2 BayBO), das aufgrund seiner Größe, Höhe und Beschaffenheit gemäß Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 BayBO nicht abstandsflächenpflichtig und auch direkt an der Grundstücksgrenze zulässig ist. Maßgeblich für diese rechtliche Einschätzung ist insbesondere der Umstand, dass nach den aktuellen Plänen keine unmittelbare Verbindung zwischen Wohn- und Kellergebäude vorgesehen ist, sondern letzteres lediglich über eine seitliche Tür vom Garten aus erreichbar ist. Der Einwand des Antragstellers, er fühle sich „hintergangen“ und aufgrund seines „hohen Alters übergangen“, weil in den ursprünglichen, ihm zur Unterschrift vorgelegten Plänen noch eine Verbindungstür zum Hauptgebäude ausgewiesen gewesen sei, verhilft seiner Beschwerde schon deshalb nicht zum Erfolg, weil es insoweit entscheidend auf die aktuelle Planung und die darauf beruhende Bauausführung des genehmigungsfrei gestellten Bauvorhabens (Art. 58 BayBO) ankommt. Danach ist keine Verbindungstür (mehr) vorgesehen, ein Umstand, der im Übrigen in tatsächlicher Hinsicht anlässlich einer am 29. Juni 2022 stattgefundenen Baukontrolle bestätigt wurde. Gleichwohl erscheint die Sorge des Antragstellers, die Beigeladenen hätten ihre Planung offensichtlich nur „auf dem Papier“ geändert und beabsichtigten nach wie vor, eine direkte Zugangsmöglichkeit zwischen Wohnhaus und Kellergebäude herzustellen, nachvollziehbar. Denn anlässlich der Baukontrolle wurde auch festgestellt, dass augenscheinlich doch ein Türsturz in die betreffende Wand eingebaut wurde. Darüber hinaus lassen die bei dieser Kontrolle gefertigten Lichtbilder erkennen, dass wohl eine zuvor bestehende Türöffnung nachträglich zugemauert worden ist. Dies alles ändert aber nichts daran, dass gegenwärtig eine solche Verbindungstür nicht besteht und damit nicht planabweichend gebaut wird. Ein Anordnungsanspruch des Antragstellers im Hinblick auf die von ihm gewünschte Einstellung der Bauarbeiten (vgl. Art. 75 BayBO) besteht daher nicht.
Soweit der Antragsteller im Übrigen geltend macht, das Vorgehen der Beigeladenen sei auch deshalb rücksichtslos, weil sie im Zuge der von ihnen veranlassten Bauarbeiten Abgrabungen auf seinem Grundstück vorgenommen, das angefallene Erdreich abtransportiert und dort befindliche Anpflanzungen beschädigt hätten, sind derartige Vorfälle nicht Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens. Abgesehen davon, dass die Beigeladenen einen entsprechenden, kleineren Erdabrutsch aufgrund eines Versehens der beauftragten Baufirma bereits eingeräumt und entsprechende Wiederherstellung bzw. Schadensersatz angekündigt haben, wären eventuelle, aus derartigen Vorkommnissen resultierende Ansprüche mangels Verletzung öffentlich-rechtlicher Bauvorschriften ggf. auf dem Zivilrechtsweg geltend zu machen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Da die Beigeladenen einen Antrag gestellt und begründet haben, entspricht es der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten erstattet erhalten (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.7.1 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung von 2013. Sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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