Baurecht

Immissionsschutzrechtliche Änderungsgenehmigung für eine Eisengießerei, Nichtigkeit des Bebauungsplans wegen der Festsetzung eines „Gebietspegels“, Gemengelage nach § 34 Abs. 1 BauGB, Fremdkörper, Zwischenwertbildung, Lärmimmissionen, fehlende Spruchreife

Aktenzeichen  22 B 20.2178

Datum:
3.5.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 13368
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BImSchG §§ 5 Abs. 1 Nr. 1, 6 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2, 16
BauGB §§ 29 Abs. 1 S. 1, 34 Abs. 1 und 2, 233 Abs. 2
BauGB 1987 § 244 Abs. 2
BauNVO §§ 1 Abs. 4 S. 1 Nr. 2, 8
TA Lärm Nr. 6.1, 6.5 und 6.7
VwGO § 113 Abs. 5

 

Leitsatz

Verfahrensgang

B 2 K 18.182 2019-05-23 Endurteil VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 23. Mai 2019 wird geändert. Der Beklagte wird verpflichtet, unter Aufhebung des Bescheides vom 16. Januar 2018 den Antrag der Klägerin vom 28. April 2017 auf Erteilung der Genehmigung zur Änderung der bestehenden Eisenmetallgießerei unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Die Klägerin trägt ein Viertel und der Beklagte drei Viertel der Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten in beiden Instanzen selbst.
IV. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung des Beklagten hat teilweise Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat zwar zu Recht entschieden, dass die Ablehnung des Antrags der Klägerin auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Änderungsgenehmigung vom 28. April 2017 durch den streitgegenständlichen Bescheid vom 16. Januar 2018 rechtswidrig ist, weil der herangezogene Versagungsgrund die Ablehnung nicht trägt und die Genehmigung nicht aus anderen Gründen offensichtlich zu versagen ist (I.). Die Klägerin hat jedoch nur einen Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten zur Neubescheidung ihres Genehmigungsantrags vom 28. April 2017 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. (II.). Der Schutz vor schädlichen Geräuscheinwirkungen ist grundsätzlich bei Einhaltung der dem schalltechnischen Gutachten vom 31. März 2016 zugrundeliegenden Immissionsrichtwerte von 40 dB(A) nachts und 55 dB(A) tagsüber am nach Nr. 2.3 TA Lärm maßgeblichen Immissionsort sichergestellt (II.1.). Der Beklagte hat im Rahmen des Genehmigungsverfahrens bislang insbesondere nicht abschließend geprüft, ob die Sicherstellung der Genehmigungsvoraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG durch entsprechende Nebenbestimmungen erfolgen kann (II.2.). Der Senat war nach den Grundsätzen des steckengebliebenen Genehmigungsverfahrens auch nicht verpflichtet, die Spruchreife im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens selbst herbeizuführen (II.3.). Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist daher entsprechend abzuändern und die Klage der Klägerin ist im Übrigen abzuweisen. Da der Beklagte mit seiner Berufung nur teilweise erfolgreich war, ist die Berufung im Übrigen zurückzuweisen (III.).
I. Die Versagung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nach § 16 BImSchG für die wesentliche Änderung der bestehenden Eisenmetallgießerei durch eine Umstellung auf einen Drei-Schicht-Betrieb und die damit verbundene Kapazitätserhöhung auf max. 88 Tonnen Flüssigeisen pro Tag ist rechtswidrig, weil entgegen der Auffassung des Beklagten die Vorschriften des Bauplanungsrechts der beantragten Änderungsgenehmigung nicht entgegenstehen.
Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG ist die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zu erteilen, wenn andere öffentlich-rechtliche Vorschriften als die in § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG genannten und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen. Das Vorhaben der Klägerin ist bauplanungsrechtlich zulässig, weil der Bebauungsplan „Gewerbegebiet Südwest“ insgesamt unwirksam ist, so dass auch die Festsetzung zur Art der baulichen Nutzung (Gewerbegebiet) im Bebauungsplan der Änderung des klägerischen Betriebs nicht entgegensteht (I.1.). Das Vorhaben der Klägerin fügt sich gemäß § 34 Abs. 1 BauGB nach der Art der baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung ein (I.2.). Bei der Bestimmung der Eigenart der näheren Umgebung des Vorhabens ist die genehmigte Art der Nutzung auf dem Vorhabengrundstück zu berücksichtigen (I.2.1.). Der klägerische Betrieb stellt keinen Fremdkörper dar (I.2.2.) und fügt sich in seine Umgebung ein, weil er sich innerhalb des aus seiner Umgebung hervorgehenden Rahmens hält (I.2.3.).
I.1. Die für die Beurteilung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Betriebs der Klägerin in der Gestalt der beantragten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung maßgeblichen Festsetzungen des Bebauungsplans „Gewerbegebiet Südwest“ sind inzident auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen. Die Inzidentprüfung eines Bebauungsplans ist nach Ablauf der Jahresfrist des § 215 Abs. 1 Satz 1 BauGB grundsätzlich auf die von dieser Vorschrift nicht erfassten Mängel beschränkt. Insoweit kommen ein Verstoß gegen den Erforderlichkeitsgrundsatz (§ 1 Abs. 3 BauGB), ein Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz, der Fall eines fehlerhaften Abwägungsergebnisses (§ 1 Abs. 7 BauGB) sowie das Fehlen jeglicher oder die Überschreitung einer Rechtsgrundlage in Betracht. Denn § 215 Abs. 1 BauGB zielt auf eine Beschränkung der gerichtlichen Kontrolle nicht nur im Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO, sondern auch im Rahmen einer inzidenten gerichtlichen Überprüfung (BayVGH, B.v. 16.3.2020 – 1 ZB 18.336 – juris Rn. 8 m.w.N.).
Die Festsetzung eines Gewerbegebiets für den gesamten Bereich des Bebauungsplans verstößt nicht gegen das Gebot der Erforderlichkeit des § 1 Abs. 3 BauGB (I.1.1.). Der Bebauungsplan leidet jedoch an einem Abwägungsmangel nach § 1 Abs. 7 BauGB, der allerdings gemäß § 233 Abs. 2 Satz 3 BauGB, § 244 Abs. 2 i.V.m. § 215 Abs. 1 Nr. 2 BauGB i.d.F. vom 8. Dezember 1986 (BauGB 1987) unbeachtlich ist (I.1.2). Die Festsetzung eines Gebietspegels verstößt aber gegen § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO (I.1.3). Dieser Fehler hat zur Folge, dass der Bebauungsplan „Gewerbegebiet Südwest“ insgesamt unwirksam ist (I.1.4.).
I.1.1. Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB haben die Gemeinden die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Der Gesetzgeber ermächtigt die Gemeinden, diejenige Städtebaupolitik zu betreiben, die ihren städtebaulichen Entwicklungs- und Ordnungsvorstellungen entspricht. Nicht erforderlich im Sinn des § 1 Abs. 3 BauGB sind Pläne, die nicht dem wahren Willen der Gemeinde entsprechen, bei denen also zwischen Planungswillen und Planungsinhalt eine Diskrepanz besteht, sowie Pläne, die einer positiven städtebaulichen Planungskonzeption entbehren und ersichtlich der Förderung von Zielen dienen, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des Baugesetzbuches nicht bestimmt sind. Ferner dürfen der Verwirklichung der Planung keine dauerhaften Hindernisse tatsächlicher oder rechtlicher Art entgegenstehen. Mit dem Gebot der Erforderlichkeit der Bauleitplanung wird eine erste, wenn auch strikt bindende Schranke gesetzt, die lediglich grobe und einigermaßen offensichtliche Missgriffe ausschließt. Für die Einzelheiten einer konkreten planerischen Lösung ist demgegenüber das Abwägungsgebot maßgeblich, das gemäß § 1 Abs. 7 BauGB darauf gerichtet ist, die von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen und unverhältnismäßige oder gleichheitswidrige Belastungen zu vermeiden (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 25.7.2017 – 4 BN 2.17 – juris Rn. 3; U.v. 10.9.2015 – 4 CN 8.14 – juris Rn. 10 ff.; U.v. 5.5.2015 – 4 CN 4.14 – juris Rn. 10; U.v. 27.3.2013 – 4 C 13.11 – juris Rn. 9).
Unter dem Blickwinkel des § 1 Abs. 3 BauGB ist somit lediglich zu prüfen, ob die Planung der Beigeladenen von vornherein keine Aussicht auf Verwirklichung bot. Dies ist nicht der Fall. Es ist zwar zutreffend, dass der Betrieb der Klägerin bereits bei Erlass des Planaufstellungsbeschlusses am 20. März 1979 als Industriebetrieb im künftigen Plangebiet vorhanden war und die ursprüngliche Planungsabsicht der Beigeladenen dahinging, im Anschluss an das Plangebiet der Stadt B. ebenfalls ein Industriegebiet festzusetzen. Da aber im Planaufstellungsverfahren deutlich wurde, dass ein Industriegebiet aufgrund der angrenzenden Wohnnutzung zu städtebaulichen Konflikten führen würde, entsprach es dem planerischen Willen der Beigeladenen, ein Gewerbegebiet festzusetzen, dessen Verwirklichung auch nicht von vornherein ausgeschlossen war, weil abgesehen vom Betrieb der Klägerin kein anderer Industriebetrieb im Plangebiet vorhanden war und die Beigeladene mittels Festsetzung eines Gewerbegebiets die Entwicklung des Plangebiets steuern konnte. Es gibt keinen Planungsgrundsatz, nach dem die vorhandene Bebauung eines Gebiets nach Art und Maß der baulichen Nutzung auch bei der Überplanung des Gebiets weiterhin zugelassen werden müsste (BVerwG, U.v. 31.8.2000 – 4 CN 6.99 – juris Rn. 23). Die Gemeinde darf durch ihre Bauleitplanung die (bauliche) Nutzbarkeit von Grundstücken verändern und dabei auch die privaten Nutzungsmöglichkeiten einschränken oder gar aufheben (VGH BW, U.v. 6.2.2014 – 3 S 207/13 – juris Rn. 47).
I.1.2. Eine wirksame städtebauliche Planung setzt allerdings voraus, dass hinreichend gewichtige städtebaulich beachtliche Allgemeinbelange für sie bestehen. Diese städtebaulich beachtlichen Allgemeinbelange müssen umso gewichtiger sein, je stärker die Festsetzungen eines Bebauungsplans die Privatnützigkeit von Grundstücken beschränken oder gar ausschließen. Die Beschränkung der Nutzungsmöglichkeiten eines Grundstücks muss von der Gemeinde als wichtiger Belang privater Eigentümerinteressen in der nach § 1 Abs. 7 BauGB gebotenen Abwägung der öffentlichen und der privaten Belange beachtet werden. Entscheidend ist deshalb allein, ob die von der planenden Gemeinde vorgenommene Abwägung einer rechtlichen Überprüfung standhält (VGH BW, U.v. 29.4.2015 – 3 S 1122/14 – juris Rn. 58 unter Verweis auf BVerwG, B.v. 26.8.2009 – 4 BN 35.09 – BauR 2010, 54; U.v. 31.8.2000 – 4 CN 6.99 – BVerwGE 112, 41).
Der Begründung zum Bebauungsplanentwurf vom 29. Juli 1980 lässt sich mit keinem Wort entnehmen, dass zum damaligen Zeitpunkt eine etwaige Nutzungseinschränkung für das Grundstück und den bereits genehmigten und errichteten Betrieb der Klägerin bei der Entscheidung, im Planungsgebiet als Art der gewerblichen Nutzung ein Gewerbegebiet festzusetzen, in die Abwägung miteingeflossen wäre. Von Bedeutung waren für die Beigeladene (und die Stadt B., die die Planungsarbeiten übernommen hatte) der Standort der Müllverladestation und des Gleisanschlusses dafür sowie der Schallschutz für an das künftige Gewerbegebiet angrenzende Wohngebiete. Die bestehende industrielle Nutzung durch den Betrieb der Klägerin wurde offensichtlich nicht berücksichtigt. In Bezug auf das klägerische Grundstück und die darauf bereits verwirklichte Nutzung liegt somit ein Abwägungsausfall und damit ein Verstoß gegen § 1 Abs. 7 BauGB vor.
Dieser Verstoß ist jedoch unbeachtlich. Gemäß § 233 Abs. 2 Satz 1 BauGB sind die Vorschriften zur Planerhaltung auch auf Satzungen entsprechend anzuwenden, die auf der Grundlage bisheriger Fassungen dieses Gesetzes in Kraft getreten sind. Die hat zur Folge, dass der hier vorliegende Abwägungsmangel grundsätzlich nach § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB i.V.m. § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB zu beurteilen ist (Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 15. Aufl. 2022, § 233 Rn. 4). Ausnahmen hierzu regeln § 233 Abs. 2 Sätze 2 und 3 BauGB. § 233 Abs. 2 Satz 2 BauGB stellt sicher, dass Fehler, die nach bisherigem Recht unbeachtlich waren, auch unbeachtlich bleiben; nach Satz 3 gilt das alte Recht für die Geltendmachung von Fehlern bei Satzungen, die vor Inkrafttreten einer Änderung in Kraft getreten sind, fort. Aufgrund dieser Bestimmung kommt für den am 19. September 1980 rechtsverbindlich gewordenen (§ 12 Satz 3 BBauG) Bebauungsplan § 244 Abs. 2 BauGB i.V.m § 215 Abs. 1 Nr. 2 BauGB 1987 zur Anwendung. § 244 Abs. 2 BauGB 1987 bestimmt, dass Mängel der Abwägung von Satzungen, die vor dem 1. Juli 1987 bekannt gemacht worden sind, unbeachtlich sind, wenn sie nicht innerhalb von sieben Jahren nach dem 1. Juli 1987 schriftlich gegenüber der Gemeinde geltend gemacht worden sind. Innerhalb von sechs Monaten nach dem 1. Juli 1987 ist durch ortsübliche Bekanntmachung in der Gemeinde auf die Rechtsänderung hinzuweisen. Diese Bekanntmachung hat jedoch nur Hinweischarakter, sie ist nicht konstitutiv für den Beginn der Siebenjahresfrist. Erfolgt die Bekanntmachung – wie vorliegend anzunehmen ist – nicht, so tritt dennoch Verfristung ein (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand August 2021, § 233 Rn. 62 ff.). Die Siebenjahresfrist für die Geltendmachung des Abwägungsmangels ist daher am 1. Juli 1994 abgelaufen.
I.1.3. Der im Bebauungsplan festgesetzte maximal zulässige Gebietspegel von 60 dB(A) tags und 45 dB(A) nachts gehört jedoch nicht zu den in der BauNVO zugelassenen Festsetzungen. Nach § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO in der hier maßgeblichen Fassung vom 15. September 1977 können für die in den §§ 4 bis 9 und 11 BauNVO bezeichneten Baugebiete im Bebauungsplan für das jeweilige Baugebiet Festsetzungen getroffen werden, die das Baugebiet nach der Art der Betriebe und deren besonderen Bedürfnissen und Eigenschaften gliedern. Hierzu können auch Emissionsgrenzwerte nach dem Modell der sog. immissionswirksamen flächenbezogenen Schallleistungspegel festgesetzt werden (BVerwG, B.v. 2.10.2013 – 4 BN 10.13 – juris Rn. 5, B.v. 27.1.1998 – 4 NB 3.97 – juris Rn. 5 f.). Der immissionswirksame flächenbezogene Schallleistungspegel ist ein zulässiger Maßstab für das Emissionsverhalten eines Betriebes oder einer Anlage, der als deren „Eigenschaft“ im Sinne von § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO festgesetzt werden kann. Die Festsetzung setzt allerdings voraus, dass die Emissionsgrenzwerte das Emissionsverhalten jedes einzelnen Betriebes und jeder einzelnen Anlage in dem betreffenden Gebiet verbindlich regeln. Ein Summenpegel für mehrere Betriebe oder Anlagen ist unzulässig, weil mit ihm keine Nutzungsart, insbesondere nicht das Emissionsverhalten als „Eigenschaft“ von Anlagen und Betrieben im Sinne des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO festgesetzt, sondern nur ein Immissionsgeschehen gekennzeichnet wird, das von unterschiedlichen Betrieben und Anlagen gemeinsam bestimmt wird und er anders als ein immissionswirksamer flächenbezogener Schallleistungspegel nicht bestimmt, welche Emissionen von einer einzelnen Anlage oder einem einzelnen Betrieb ausgehen dürfen (BVerwG, U.v.16.12.1999 – 4 CN 7.98 – juris Rn. 24).
Der hier streitgegenständliche maximal zulässige Gebietspegel von 60/45 dB(A) setzt jedoch nicht das Emissionsverhalten als „Eigenschaft“ bestimmter Anlagen und Betriebe im Sinne von § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO fest. Es handelt sich vielmehr um einen Summenpegel. Bereits aus der Bezeichnung als „Gebietspegel“ und der Planzeichnung wird deutlich, dass nicht das Emissionsverhalten eines einzelnen Betriebs begrenzt wird, sondern der festgesetzte Wert für den Bereich innerhalb der Baugrenzen des Plangebiets zwischen der Bahnlinie und der St.-G. H1. Straße gilt. Weiter ergibt sich aus der Begründung zum Bebauungsplanentwurf vom 29. Juli 1980, der als gesonderte Anlage dem Bebauungsplan beigefügt ist, dass es sich bei dem festgesetzten Gebietspegel um einen gegenüber dem zulässigen Planungspegel der Vornorm DIN 18005 reduzierten Pegel handelt. Nach der DIN 18005-1 „Schallschutz im Städtebau“ ist für die Berechnung der in der Umgebung eines geplanten Industrie- oder Gewerbegebiets ohne Emissionsbegrenzung zu erwartenden Beurteilungspegel dieses Gebiet als Flächenschallquelle (mit flächenbezogenen Schallleistungspegeln) anzusetzen. Bei diesem Gebietspegel handelt es sich also um eine Planungshilfe. Jedenfalls wird mit dem Gebietspegel nicht bestimmt, welche Emissionen von einem einzelnen Betrieb oder einer einzelnen Anlage ausgehen dürfen.
§ 9 Abs. 1 Nr. 24 BBauG/BauGB scheidet als Rechtsgrundlage für die Festsetzung eines Summenpegels für Emissionen bzw. eines immissionsseitigen Orientierungswertes aus, weil Vorkehrungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen nach dieser Vorschrift nur bauliche oder technische Maßnahmen sein können (BVerwG, B.v. 18.12.1990 – 4 N 6.88 – juris Rn. 15).
Da die Beigeladene an den Festsetzungskatalog des § 9 BauGB und der BauNVO gebunden ist, führt die Festsetzung eines „Gebietspegels“ ohne Rechtsgrundlage zur Unwirksamkeit der Festsetzung.
I.1.4. Mängel, die einzelnen Festsetzungen eines Bebauungsplans anhaften, führen nicht zu dessen Gesamtunwirksamkeit, wenn die übrigen Regelungen, Maßnahmen oder Festsetzungen für sich betrachtet noch eine sinnvolle städtebauliche Ordnung im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB bewirken können und die Gemeinde nach ihrem im Planungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen im Zweifel auch eine Satzung dieses eingeschränkten Inhalts beschlossen hätte (BVerwG, B.v. 30.10.2019 – 4 B 37.18 – juris Rn. 6; U.v. 11.9.2014 – 4 CN 3.14 – juris Rn. 26 m.w.N.).
Die Festsetzung der baulichen Nutzung des Plangebiets als Gewerbegebiet in Nachbarschaft zu einer Wohnnutzung ohne jegliche Emissionsbeschränkung für das Gewerbegebiet kann eine sinnvolle städtebauliche Ordnung nicht bewirken. Denn die beanstandete Festsetzung des „Gebietspegels“ steht in einem untrennbaren Regelungszusammenhang mit der Festsetzung der Art der baulichen Nutzung als Gewerbegebiet. Zwar stellt die Festsetzung der baulichen Nutzung als Gewerbegebiet den Kerngehalt des „Bebauungsplans Südwest“ dar, weil die Beigeladene mit dieser Festsetzung eine planerische Grundaussage getroffen hat. Diese Grundkonzeption konnte in Anbetracht der auf der anderen Seite der Bahnlinie bereits vorhandenen Wohnnutzung konfliktfrei nur verwirklicht werden, wenn das Emissionsverhalten der Betriebe, die sich im künftigen Gewerbegebiet ansiedeln sollten, gesteuert werden konnte. Ohne die Festsetzung eines Emissionskontingents hätte sich der bereits vorgezeichnete Nutzungskonflikt verschärft und der Bebauungsplan sein Ziel, eine städtebauliche Ordnung zu bewirken, verfehlt. Denn anders als in der vom Beklagten angeführten Entscheidung (BayVGH, B.v. 10.3.2015 – 15 ZB 13.2234 – juris) hat die Beigeladene keine zusätzlich steuernden Maßnahmen zum Schutz der Wohnbebauung vor unzumutbaren Lärmbeeinträchtigungen getroffen. Das Plangebiet ist weder gegliedert noch sind bestimmte Anlagen, die in einem Gewerbegebiet grundsätzlich allgemein oder ausnahmsweise zulässig sind, ausgeschlossen. Von Bebauung freizuhaltende Flächen sind ebenfalls nicht festgesetzt. Das Pflanzgebot entlang der Bahnlinie dient nicht dem Immissionsschutz für die angrenzende Wohnnutzung, sondern der Abschirmung des Gewerbegebiets gegen die Wohnbebauung (siehe „Nr. 4 Grünplanung“ der Begründung vom 29.7.1980). Jedenfalls hätte die Beigeladene den Bebauungsplan „Gewerbegebiet Südwest“ nicht ohne die Festsetzung einer Emissionsbegrenzung zum Schutz des benachbarten Wohngebiets beschlossen. Den Unterlagen im Planaufstellungsverfahren lässt sich eindeutig entnehmen, dass der Schutz des Wohngebiets eine zentrale Frage bei der Festsetzung des Gewerbegebiets war. Der ursprüngliche Planentwurf enthielt keine „Lärmpegelbegrenzung für den westlichen Teil des geplanten Gewerbegebiets“. Die Regierung von Oberfranken wies in ihrer Stellungnahme vom 14. März 1980 auf die Notwendigkeit von Lärmschutzmaßnahmen für das Wohngebiet „S.“ hin und erinnerte im Schreiben vom 18. Juni 1980 nochmals daran. Daraufhin hat sich die Beigeladene offensichtlich entschlossen, einen gegenüber den Orientierungswerten der DIN 18005 – Vorentwurf reduzierten Gebietspegel festzusetzen, so dass die Regierung im Schreiben vom 18. Juli 1980 mitteilte, dass aus Sicht des Immissionsschutzes keine grundsätzlichen Einwendungen mehr erhoben werden. Da diese Festsetzung erkennbar eine zentrale Frage der Gesamtplanung betrifft, ist der gesamte Bebauungsplan unwirksam. Die gewerbliche Nutzung des Plangebiets ist in unmittelbarer Nachbarschaft zur vorhandenen (und sich weiter entwickelnden) Wohnbebauung nur hinnehmbar, wenn die entstehenden Immissionsprobleme durch entsprechende Festsetzungen im Bebauungsplan bewältigt worden sind. Der Verstoß führt daher nicht nur zur Teil-, sondern zur Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans (vgl. BVerwG, U.v. 16.12.1999 – 4 CN 7.98 – juris Rn. 26 m.w.N.; B.v. 18.12.1990 – 4 N 6.88 – juris Rn. 14; BayVGH, U.v. 28.7.2016 – 1 N 13.2678 – juris Rn. 29, vgl. auch OVG NW, U.v. 17.8.2020 – 2 D 25718.NE – juris Rn. 125).
Angesichts dessen kommt es nicht mehr darauf an, ob der Bebauungsplan „Gewerbegebiet Südwest“ zudem aus formellen Gründen ungültig ist. Wie sich aus der Planurkunde ergibt, wurde die Planurkunde nach dem Satzungsbeschluss vom 21. Juli 1980 am 1. August 1980 nochmals geändert. Aufgrund des Verlaufs des Aufstellungsverfahrens spricht vieles dafür, dass die Änderung der Planurkunde erfolgte, um die Begründung vom 29. Juli 1980 in die Planurkunde aufzunehmen. Die Planurkunde, die den Ausfertigungsvermerk trägt, kann somit aufgrund der erst nach der Beschlussfassung am 21. Juli 1980 erfolgten Änderung nicht mit der vom Gemeinderat der Beigeladenen beschlossenen Fassung identisch sein. Das Rechtsstaatsgebot verlangt die Identität der anzuwendenden Norm und ihres Inhalts mit dem vom Normgeber Beschlossenen (sog. „Identitätsfunktion“, „Beurkundungs- und Gewährleistungsfunktion“; BVerwG, U.v.1.7.2010 – 4 C 4.08 – juris Rn. 13). Aus dieser Beurkundungs- und Gewährleistungsfunktion folgt, dass geprüft werden muss, ob die zu verkündende Fassung der Rechtsnorm mit der vom Normgeber beschlossenen Fassung der Norm übereinstimmt. Die Identität des Normtextes mit dem vom Normgeber Beschlossenen wird dabei durch seine Ausfertigung bestätigt. Die fehlende Identität der bekannt gemachten Satzung mit der beschlossenen stellt ebenso wie ein Ausfertigungsmangel einen Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Gültigkeitserfordernis dar (OVG Bln-Bbg, B.v. 24.6.2021 – 2 A 20.19 – juris Rn. 29).
I.2. Ist der Bebauungsplan „Gewerbegebiet Südwest“ insgesamt unwirksam, beurteilt sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens der Klägerin nach § 34 Abs. 1 bzw. 2 BauGB. Nach den Feststellungen im Ortstermin ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass sich das Vorhaben (2.1) nach der Art der baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung, die keinem Baugebiet der BauNVO entspricht (2.2), einfügt (2.3).
I.2.1. Auch wenn die Änderung des Betriebs der Klägerin, so wie sie bislang im immissionsschutzrechtlichen Verfahren beantragt ist, nicht zu einer baulichen Umgestaltung der bestehenden Anlage führt, handelt es sich bei der Einführung des Drei-Schicht-Betriebs und der damit verbundenen Kapazitätserweiterung dennoch um ein Vorhaben im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB, weil durch die Intensivierung der Nutzung eine Nutzungsänderung vorliegt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts reicht allerdings eine Nutzungsintensivierung allein nicht aus, um den Vorhabenbegriff einer Nutzungsänderung im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB zu erfüllen; vielmehr kommt es maßgeblich auf objektive Kriterien an (BVerwG, U.v. 29.10.1998 – 4 C 9.97 – juris Rn. 14). Ändert der Betreiber objektive, vor allem in Maß und Zahl ausdrückbare Merkmale der baulichen Anlage, ist von einer Nutzungsänderung auszugehen (vgl. BVerwG, B.v. 11.7.2001 – 4 B 36.01 – juris Rn. 8). Eine Nutzungsänderung liegt demgemäß vor, wenn anstelle der genehmigten Nutzung eine qualitativ andersartige Nutzung aufgenommen wird (OVG NW, U.v. 11.1.2014 – 2 D 15/13.NE – juris Rn. 136 ff.). bzw. wenn sich die Genehmigungsfrage im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB neu stellt (vgl. BVerwG, B.v. 11.2.2001 – 4 B 36.01 – juris Rn. 7). Bei gewerblich genutzten Anlagen stellt sich jede Änderung der Nutzung, die mit einer Änderung der Emissionsverhältnisse verbunden ist, als genehmigungspflichtige Nutzungsänderung dar (VGH BW, B.v. 28.3.1995 – 3 S 2267/94 – juris Rn. 6). Da mit dem beantragten Drei-Schicht-Betrieb die Immissionsbelastung durch Lärm sowohl tagsüber als auch nachts ansteigt und aufgrund der Kapazitätserweiterung auch die Immissionssituation bezüglich Geruch und Luftschadstoffen neu zu beurteilen ist, ist folglich von einer Nutzungsänderung auszugehen.
I.2.2. Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich u.a. nach der Art der baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Bei einer Nutzungsänderung ist diesbezüglich die bauliche Anlage in ihrer in ihrer erweiterten bzw. geänderten Form als Einheit zu betrachten (OVG NW, U.v. 22.5.2014 – A 3002/11 – juris Rn. 67). Die nähere Umgebung ist für jedes der in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB für die Zulässigkeit von Vorhaben benannten Merkmale – Art und Maß der baulichen Nutzung, Bauweise und überbaubare Grundstücksfläche – gesondert zu ermitteln (BVerwG, B.v. 13.5.2014 – 4 B 38.13 – juris Rn. 7; BayVGH, B.v. 8.2.2022 – 2 ZB 20.1803 – juris Rn. 4; OVG NW, B.v. v. 27.9.2016 – 10 A 2670.15 – juris Rn. 25 ff.; OVG SH, U.v. 31.8.2016 – 1 LB 4.14 – juris Rn. 34). Der Begriff der „näheren Umgebung“ muss vom Sinn und Zweck des Einfügungsgebots bestimmt werden. Dementsprechend kommt es auf die Umgebung zum einen insoweit an, als sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann, und zum anderen insoweit, als die Umgebung ihrerseits das Baugrundstück prägt (vgl. BVerwG, U.v. 26.5.1978 – 4 C 9.77 – juris Ls. 5; U. v. 8.12.2016 – 4 C 7.15 – juris Rn. 7; BayVGH, B.v. 15.2.2017
– 1 CS 16.2396 – juris Rn. 6). Ausschlaggebend ist daher nicht nur die Bebauung in der unmittelbaren Nachbarschaft des Baugrundstücks, sondern auch die Bebauung der weiteren Umgebung des Grundstückes, soweit diese noch prägend auf das Baugrundstück einwirkt. Der räumliche Umkreis, innerhalb dessen die tatsächlich vorhandene, städtebauliche Situation zu bewerten ist, lässt sich nicht schematisch, etwa durch Angabe von bestimmten Entfernungen, beurteilen. Es ist daher die gesamte städtebauliche Situation zu würdigen, in die das für die Bebauung vorgesehene Grundstück eingebettet ist (BVerwG, B.v. 28.8.2003 – 4 B 74.03 – juris Rn. 2).
I.2.2.1. Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs reicht der Rahmen, der im vorliegenden Fall die „nähere Umgebung“ betreffend die Art der baulichen Nutzung bildet, auf der Ostseite der St.-G. H1. Straße von der Fa. W. (FlNr. …) im Norden bis zur D. (FlNr. …1) im Süden. Von der D. aus besteht noch eine Sichtbeziehung zum Betriebsgelände der Klägerin. Bei der sich im Süden an das D.-Gelände anschließenden Bebauung handelt es sich um eine Hinterliegerbebauung (FlNr. …, Autohaus K.) und flache Nebengebäude der Firma L. (Hauptgebäude bereits Stadtgebiet B.), die wegen ihrer abgeschirmten Lage bzw. ihrer geringen Höhe und Fläche nicht mehr auf das Baugrundstück einwirken. Hinzukommt, dass die Bebauung auf dem Stadtgebiet von B. keine Berücksichtigung bei der Bildung des prägenden Rahmens findet (BVerwG, U.v. 3.12.1998 – 4 C 7.98 – juris Rn. 11). Auf der Westseite der St.-G. H1. Straße reicht die „nähere Umgebung“ im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB vom Einrichtungshaus (FlNr. …) im Süden bis zur Asylbewerberunterkunft (FlNr. …8) im Norden. Der St.-G. H1. Straße kommt insoweit keine trennende Funktion zu, weil sie das Gebiet als Hauptverkehrsader erschließt. Der Senat sieht das Einrichtungshaus als zur näheren Umgebung gehörig an, auch wenn die Beigeladene für das Grundstück (FlNr. …) mit der 1. Änderung des Bebauungsplans „Gewerbegebiet Südwest“ ein Sondergebiet festgesetzt hat. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass der Bebauungszusammenhang, den § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB voraussetzt, nach den rein äußerlich wahrnehmbaren Verhältnissen zu bestimmen ist, also auf das abzustellen ist, was in der Umgebung des Vorhabens tatsächlich an Bebauung vorhanden ist (vgl. BVerwG, U.v. 3.12.1998 – 4 C 7.98 – juris Rn. 11.). Zu der maßstabsbildenden „vorhandenen Bebauung“ kann auch qualifiziert beplantes Gebiet innerhalb des Gemeindegebiets gehören. Das unterstreicht auch der Wortlaut von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB, der ersichtlich als (im Zusammenhang) „bebaut“ die Grundstücke mit „vorhandener Bebauung“ begreift (BVerwG, B.v. 10.7.2000 – 4 B 39.00 – juris Rn. 7, B.v. 24.11.2009 – 4 B 1.09 – juris Rn. 5). Somit kommt es auch nicht darauf an, ob die 1. Änderung des Bebauungsplans „Gewerbegebiet Südwest“ mit der Festsetzung Sondergebiet wirksam bleibt, obwohl der Bebauungsplan insgesamt unwirksam ist.
Eine Zäsur bildet die freie Fläche südlich des Einrichtungshauses. Die Bebauung südlich dieses Grundstücks (Firma S.) prägt aufgrund seiner Entfernung und der dazwischen liegenden Grünfläche das Vorhabengrundstück nicht mehr. Eine Sichtbeziehung besteht auch wegen der abschirmenden Wirkung des Einrichtungshauses nicht.
I.2.2.2. Das Vorhabengrundstück ist zur Bestimmung der Eigenart der näheren Umgebung in den Blick zu nehmen, denn die nähere Umgebung wird durch dasjenige bestimmt, was auf dem Baugrundstück selbst und in der Umgebung tatsächlich vorhanden ist (BVerwG, U.v. 8.12.2016 – 4 C 7.15 – juris Rn. 10). Soweit es auf die Nutzung eines Gebäudes ankommt, ist grundsätzlich ebenfalls auf die tatsächlich vorhandene Nutzung abzustellen. Im Falle einer Nutzungsänderung ist auch die bisherige Nutzung „prägend“ (NdsOVG, B.v. 3.11.1986 – 6 OVG B 115/86 – BauR 1987, 300). Nichts anderes ergibt sich aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Juni 2019 (4 C 10.18 – juris Rn. 12 ff.). Danach darf die bauliche Anlage, die zur Genehmigung gestellt wird, bei der Ermittlung des Gebietscharakters nicht zugleich Prüfungsmaßstab sein. Diese Rechtsprechung ist dahin zu verstehen, dass das auf dem Grundstück Vorhandene die Umgebung nur dann nicht prägt, wenn die Genehmigung den Bestand erst legalisieren soll, wenn also der Altbestand ohne Genehmigung errichtet worden ist. Vorliegend wird das Vorhabengrundstück aber seit Jahren legal durch den Betrieb der Klägerin genutzt, so dass grundsätzlich auch die Bebauung auf dem Vorhabengrundstück bzw. deren Nutzung die Eigenart der näheren Umgebung mitbestimmt (siehe auch BayVGH, U.v. 27.9.2021 – 15 B 20.828 – juris Rn. 45).
I.2.2.3. Die auf dem Vorhabengrundstück verwirklichte Bebauung und Nutzung stellt auch keinen „Fremdkörper“ in dem durch die „nähere Umgebung“ bestimmten Rahmen dar. Nicht jegliche vorhandene Bebauung in der näheren Umgebung bestimmt deren Charakter. Vielmehr muss die Betrachtung auf das Wesentliche zurückgeführt werden. Es muss alles außer Acht gelassen werden, was die vorhandene Bebauung nicht prägt oder in ihr gar als Fremdkörper erscheint. Auszusondern sind zum einen solche baulichen Anlagen, die von ihrem quantitativen Erscheinungsbild (Ausdehnung, Höhe, Zahl usw.) nicht die Kraft haben, die Eigenart der näheren Umgebung zu beeinflussen, die der Betrachter also nicht oder nur am Rande wahrnimmt. Ihre Aussonderung hat mit dem Begriff „Fremdkörper“ nichts zu tun, sondern ist Ergebnis einer Beschränkung auf das Wesentliche. Zum anderen können auch solche Anlagen aus der Bestimmung der Eigenart der näheren Umgebung auszusondern sein, die zwar quantitativ die Erheblichkeitsschwelle überschreiten, aber nach ihrer Qualität völlig aus dem Rahmen der sonst in der näheren Umgebung anzutreffenden Bebauung herausfallen. Das wird dann anzunehmen sein, wenn eine singuläre Anlage in einem auffälligen Kontrast zur übrigen Bebauung steht. In Betracht kommen insbesondere solche baulichen Anlagen, die nach ihrer – auch äußerlich erkennbaren – Zweckbestimmung in der näheren Umgebung einzigartig sind. Sie erlangen die Stellung eines „Unikats“ umso eher, je einheitlicher die nähere Umgebung im Übrigen baulich genutzt ist (BayVGH, B.v. 23.11.2120 – 22 ZB 12.2120 – juris Rn. 14). Trotz ihrer deutlich in Erscheinung tretenden Größe und ihres nicht zu übersehenden Gewichts in der näheren Umgebung bestimmen sie nicht deren Eigenart, weil sie wegen ihrer mehr oder weniger ausgeprägt vom übrigen Charakter der Umgebung abweichenden Struktur gleichsam isoliert dastehen (BVerwG, U.v. 15.1990 – 4 C 23.86 – juris Rn. 13 ff.; U.v. 18.10.1974 – 4 C 77.73 – juris Rn. 15).
In der näheren Umgebung des Baugrundstücks lässt sich eine einheitliche bauliche Nutzung nicht feststellen. Es finden sich kleinere Handelsbetriebe (Groß- und Einzelhandel), Reparaturwerkstätten, Dienstleister (D.), große Handelsbetriebe (das Möbelhaus und die Firma W.) sowie vereinzelt (teilweise nicht prägende) Wohnnutzung bzw. ein Wohnheim. Auch wenn der Betrieb der Klägerin das einzige produzierende Gewerbe darstellt, wird er dadurch nicht zum Fremdkörper. Das fragliche Gebiet war von der Beigeladenen als Gewerbegebiet konzipiert und hat sich – die Wohnnutzung ausgenommen – auch als solches entwickelt. In einem Gewerbegebiet wäre auch produzierendes Gewerbe, so lange es nicht erheblich belästigt, zulässig. Entscheidender Faktor für „Einzigartigkeit“ ist folglich der Belästigungsgrad und nicht die Art des Gewerbebetriebs. Schließlich haben der Beklagte bzw. die Beigeladene in der Vergangenheit den Betrieb der Klägerin als mit der Nutzungsstruktur eines Gewerbegebiets vereinbar angesehen wie die erteilten immissionsschutzrechtlichen Änderungsgenehmigungen zeigen. Festzuhalten ist zudem, dass beim Ortstermin auf der St.-G. H1. Straße aus dem Betrieb der Klägerin keine belästigenden Immissionen wahrnehmbar waren. Die Wohnnutzung tritt in dem Baugebiet nicht prägend hervor. Dies gilt insbesondere für die beiden Wohngebäude HausNr. 10a und 10b, die als Hinterliegerbebauung direkt an der Bahnlinie von der St.-G H1. Straße aus nicht wahrgenommen werden. Die Asylbewerberunterkunft hat aufgrund der Größe des Gebäudes zwar die Kraft die Umgebung zu prägen, stellt aber keine Wohnung im Sinne der BauNVO dar, ihre „Errichtung“ wurde nur durch das Flüchtlingsunterbringungs-Maßnahmengesetz (ins. § 246 BauGB) möglich. Die beiden Wohngebäude auf FlNr. …5 und FlNr. … wirken in der sie umgebenden gewerblichen Bebauung eher als Fremdkörper, weil sie sowohl qualitativ als auch quantitativ aus dem Rahmen der Umgebungsbebauung herausfallen.
Auch von der Größe her – die bei Beurteilung der Fremdkörpereigenschaft auch innerhalb der Art der baulichen Nutzung berücksichtigt werden kann (vgl. etwa BVerwG, U.v. 7.12.2006 – 4 C 11.05 – juris Rn. 9) – steht die Bebauung auf dem Grundstück der Klägerin nicht in auffälligem Kontrast zur näheren Umgebung. Direkt neben dem Grundstück liegt das Einrichtungshaus. Dieser Baukörper ist in seinen Ausmaßen wuchtiger als die Bebauung auf dem klägerischen Grundstück. Durch die bauliche Aufteilung des Betriebs der Klägerin in mehrere Gebäude bzw. Abschnitte, die auf dem großen Grundstück verteilt sind, weicht er nicht von der in der Umgebung vorhandenen Baustruktur ab. Die übrigen Gewerbebetriebe sind zwar – quantitativ betrachtet – in der Regel kleiner, wurden dafür aber auch auf kleineren Grundstücksflächen errichtet, so dass der Betrieb der Klägerin sich nicht von den auf der Ostseite der St.-G H1. Straße vorhandenen Gewerbeflächen abhebt. Beim Abschreiten der St.-G H1. Straße fällt der Betrieb der Klägerin augenscheinlich nicht aus dem Rahmen. Auch in der Höhenentwicklung findet er im Einrichtungshaus Entsprechungen. Die Betriebsgebäude der Klägerin werden durch den Baukörper des Einrichtungshauses teilweise verdeckt. Auch wenn das Gelände der Firma L. auf dem Stadtgebiet B. nicht mehr zu näheren Umgebung im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB gehört, darf nicht übersehen werden, dass die Schlote und Silos dieses Betriebs im gesamten Bereich des Bebauungsplans „Gewerbegebiet Südwest“ sichtbar sind und auf das Gebiet ausstrahlen, so dass auch deshalb der Betrieb der Klägerin nicht als „Fremdkörper“ wahrgenommen wird.
I.2.2.4. Da die Eigenart der näheren Umgebung bezogen auf die Art der baulichen Nutzung dadurch bestimmt wird, welche Nutzungen in der Umgebung und auf dem Baugrundstück vorhandenen sind, stellt sich die nähere Umgebung als Gemengelage nach § 34 Abs. 1 BauGB mit einem Überwiegen der in einem Gewerbegebiet nach § 8 BauNVO zulässigen Nutzungen dar. Dennoch handelt es sich um kein faktisches Gewerbegebiet. Denn neben den gemäß § 8 Abs. 2 BauNVO in einem Gewerbegebiet allgemein zulässigen Gewerbebetrieben befinden sich in der „näheren Umgebung“ im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB mehrere Wohnhäuser, die Asylbewerberunterkunft, das Möbelhaus sowie der bestehende (Industrie-)Betrieb der Klägerin. Der nach § 8 BauNVO zu bestimmende Gebietscharakter wird zwar durch Ausnahmen noch nicht in Frage gestellt, solange beispielsweise die erkennbaren „Grundzüge der Planung“ nicht berührt werden (BVerwG, B.v. 11.2.2000 – 4 B 1.00 – juris Rn. 34; OVG LSA, B.v. 27.3.2017 – 2 L 88/16 – juris Rn. 12). Dass in einem Gewerbegebiet Anlagen vorhanden sind, die nach § 8 Abs. 3 BauNVO ausnahmsweise zugelassen werden können, steht daher der Annahme eines faktischen Gewerbegebiets noch nicht entgegen, solange es sich um wirkliche Ausnahmefälle handelt. Die beschriebenen, nicht unter § 8 Abs. 2 BauNVO fallenden Nutzungen wären aber in einem Gewerbegebiet auch nicht ausnahmsweise zulässig. Um die Errichtung des Einrichtungshauses zu ermöglichen, hat die Beigeladene den Bebauungsplan „Gewerbegebiet Südwest“ mit der Festsetzung Gewerbegebiet geändert und ein Sondergebiet festgesetzt. Bei den vorhandenen Wohnhäusern handelt es sich zumindest derzeit nicht um einem Gewerbebetrieb zugeordnete Wohnungen. Weder die Beigeladene noch der Beklagte konnten belegen, dass sie als Betriebsleiterwohnungen genehmigt wurden oder derzeit als solche genutzt werden. Der Betrieb der Klägerin stellt einen Industriebetrieb dar, der nach Auffassung der Beigeladenen und des Beklagten auch nicht über eine Befreiung im Baugebiet zugelassen werden könne.
I.2.3. In diese Gemengelage fügt sich das Vorhaben der Klägerin nach der Art der baulichen Nutzung ein. Bei der Prüfung der planungsrechtlichen Zulässigkeit nach § 34 Abs. 1 BauGB kann nicht isoliert auf die gewünschte Änderung des Betriebs abgestellt werden. Es kommt vielmehr darauf an, ob sich das Gesamtvorhaben in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Immer dann, wenn eine Erweiterung zugleich den Bestand der vorhandenen baulichen Anlage verändert – hier wegen der Qualitätsveränderung des Bestands aufgrund der Änderung der Emissionslage – ist eine isolierte Beurteilung nicht möglich (BVerwG, U. v. 17.6.1993 – 4 C 17.91 – juris Rn. 16). Das Merkmal des Einfügens verlangt, dass das zu beurteilende Vorhaben zu dem aus seiner (maßgebenden) Umgebung ableitbaren Rahmen in bestimmter Beziehung steht. Das bedeutet: Ein Vorhaben, das sich – in jeder Hinsicht – innerhalb des aus seiner Umgebung hervorgehenden Rahmens hält, fügt sich in der Regel in seiner Umgebung ein (BVerwG, U.v. 26.5.1978 – 4 C 9.77 – juris Rn. 46; U.v. 3.4.1981 – 4 C 61.78 – juris Rn. 14). Der maßstabsbildende Umgebungsrahmen ist beim Einfügen nach der Art der baulichen Nutzung aus der Bandbreite der in der Umgebung tatsächlich vorhandenen Nutzungen zu bestimmen (Spannowsky in ders./Uechtritz, BeckOK, BauGB, Stand 1.1.2022, § 34 Rn. 38; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand August 2021, § 34 Rn. 39). In der maßgeblichen näheren Umgebung ist durch den bereits bestehenden Betrieb der Klägerin ein erforderliches Vorbild im Sinne eines das Gebiet prägenden Industriebetriebs vorhanden. Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem Rücksichtnahmegebot. Das Rücksichtnahmegebot ist keine allgemeine Härteklausel, die über den speziellen Vorschriften des Städtebaurechts steht, sondern spielt im unbeplanten Innenbereich im Rahmen des § 34 Abs. 1 BauGB unter dem Begriff des Einfügens eine Rolle (BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1.78 – juris). Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot kann vorliegen, wenn sich ein Vorhaben objektiv-rechtlich nach seiner Art oder seinem Maß der baulichen Nutzung, nach seiner Bauweise oder nach seiner überbauten Grundstücksfläche nicht in die Eigenart seiner näheren Umgebung einfügt (BVerwG, U.v. 5.12.2013 – 4 C 5.12 – juris Rn. 21; B.v. 11.1.1999 – 4 B 128/98 – juris Rn. 6) oder wenn ein Vorhaben zwar in jeder Hinsicht den aus seiner Umgebung hervorgehenden Rahmen wahrt, sich aber gleichwohl in seine Umgebung nicht einfügt, weil das Vorhaben es an der gebotenen Rücksicht auf die sonstige, also vor allem auf die in seiner unmittelbaren Nähe vorhandene Bebauung fehlen lässt (BVerwG, U.v. 26.5.1978 – 4 C 9.77 – juris Rn. 46). Vorliegend könnte das Gebot der Rücksichtnahme allenfalls wegen der mit der Betriebsänderung verbundenen erhöhten Immissionsbelastung Bedeutung erlangen, weil das Vorhaben hinsichtlich der in § 34 Abs. 1 BauGB genannten Kriterien den maßgeblichen Rahmen wahrt. Allerdings vermittelt das Bauplanungsrecht gegenüber schädlichen Umwelteinwirkungen keinen andersartigen oder weitergehenden Schutz als § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG (BVerwG, U.v. 30.9.1983 – 4 C 74.87 – juris Rn. 11), so dass das Rücksichtnahmegebot nur dann verletzt sein könnte, wenn die beantragte Genehmigung aus immissionsschutzrechtlichen Gründen zu versagen wäre. Insoweit kommt dem Rücksichtnahmegebot bei der Frage des Einfügens keine eigenständige Bedeutung zu.
II. Die Klage der Klägerin auf Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung der beantragten Änderungsgenehmigung nach § 16 Abs. 1, § 6 Abs. 1 BImSchG hat nur teilweise Erfolg. Zwar stehen der Verpflichtung des Beklagten bauplanungsrechtliche Vorschriften nicht entgegen (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG; s.o.). Die Sache ist jedoch in Bezug auf die Erteilungsvoraussetzungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG nicht spruchreif (II.2.), auch wenn das Verwaltungsgericht zu Recht von einem vom klägerischen Betrieb am maßgeblichen Immissionsort einzuhaltenden Immissionsrichtwert von 40 dB(A)/55 dB(A) ausgegangen ist (II.1.). Der Senat war auch nicht verpflichtet, die Spruchreife herzustellen (II.3.), so dass nur die Verpflichtung des Beklagten, den Antrag der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden, auszusprechen ist (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
II.1.1. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG ist die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zu erteilen, wenn sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 und einer auf Grund des § 7 erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erfüllt werden. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können.
II.1.2. Die dem Gutachten vom 31. Januar 2016 zugrundeliegenden Immissionsrichtwerte von 40 dB(A) nachts und 55 dB(A) tags gewährleisten auch nach Auffassung des Senats ein ausreichendes Schutzniveau zum Schutz der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen. Diese Ansicht hatte auch der Beklagte im Verwaltungsverfahren ursprünglich vertreten. Erst im gerichtlichen Verfahren brachte der Beklagte vor, dass der Nachtwert von 40 dB(A) nicht ausreiche, um das Wohngebiet auf der Westseite des Bahngleises vor schädlichen Lärmimmissionen zu schützen.
Mit Blick auf Geräuschimmissionen kommt den Regeln der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) vom 26. August 1998 (GMBl. S. 503), zuletzt geändert durch Verwaltungsvorschrift vom 1. Juni 2017 (BAnz AT vom 8.6.2017 B5), eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu, soweit sie für Geräusche den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen konkretisieren. Die normative Konkretisierung des gesetzlichen Maßstabs für die Schädlichkeit von Geräuschen ist insoweit abschließend, als sie bestimmte Gebietsarten und Tageszeiten entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit bestimmten Immissionsrichtwerten zuordnet und das Verfahren zur Ermittlung und Beurteilung der Geräuschimmissionen vorschreibt. Für eine einzelfallbezogene Beurteilung der Schädlichkeitsgrenze aufgrund tatrichterlicher Würdigung lässt das normkonkretisierende Regelungskonzept grundsätzlich nur insoweit Raum, als die TA Lärm insbesondere durch Kann-Vorschriften und Bewertungsspannen Spielräume eröffnet (vgl. BVerwG, B.v. 25.2.2014 – 4 B 2.14 – juris Rn. 4; B. v. 8.1.2013 – 4 B 23.12 – juris Rn. 5; U. v. 29.11.2012 – 4 C 8.11 – juris Rn. 18; U. v. 29.8.2007 – 4 C 2.07 – juris Rn. 12; VGH BW, B.v. 26.10.2021 – 10 S 471/21 – juris Rn. 13).
II.1. 2.1. Nach Nr. 2.3 TA Lärm ist maßgeblicher Immissionsort der nach Nummer A.1.3 des Anhangs zu ermittelnde Ort im Einwirkungsbereich der Anlage, an dem eine Überschreitung der Immissionsrichtwerte am ehesten zu erwarten ist. Laut schalltechnischem Gutachten (Bl. 6) ist dies das Wohngebäude E.gasse … in 50 Meter Entfernung vom Hauptgebäude des klägerischen Betriebs, dessen Schutzbedürftigkeit den für ein allgemeines Wohngebiet anzusetzenden Immissionsrichtwerten entspreche. Bei Einhaltung der immissionsschutzrechtlichen Anforderungen an diesem Ort könnten auch an allen anderen schutzbedürftigen Nutzungen im Umfeld schalltechnische Probleme ausgeschlossen werden.
Diese Aussage im schalltechnischen Gutachten hat trotz der Unwirksamkeit des Bebauungsplans „Gewerbegebiet Südwest“ weiterhin Gültigkeit. Auch wenn die Festsetzung zur Art der baulichen Nutzung für dieses Baugebiet damit gegenstandslos ist und das faktische Baugebiet bezüglich der Art der Nutzung keinem Gewerbegebiet entspricht, führt dies nicht dazu, dass die Immissionsrichtwerte der TA Lärm für ein Gewerbegebiet (65 dB(A)/50 dB(A)) nicht mehr der Schutzbedürftigkeit dieses Gebiets entsprechen und deshalb der maßgebliche Immissionsort nicht mehr das Wohngebäude E.gasse … wäre. Der Gemengelage zwischen überwiegend gewerblicher/industrieller Nutzung und vereinzelter Wohnnutzung in diesem Gebiet tragen am ehesten die Immissionsrichtwerte für ein Gewerbegebiet Rechnung, zumal die Wohnnutzung in dem Baugebiet aufgrund der Festsetzung der Art der baulichen Nutzung als Gewerbegebiet nur unter Beachtung von § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO hätte zugelassen werden dürfen und folglich nicht den Schutzanspruch einer Wohnnutzung in einem allgemeinen oder reinen Wohngebiet für sich in Anspruch nehmen kann. Um ein Mischgebiet im Sinne des § 6 BauNVO handelt es sich bei dem Baugebiet alleine wegen des schon vor dem Erlass des Bebauungsplans bestehenden Betriebs der Klägerin nicht.
Anhaltspunkte dafür, dass an einem der Wohnhäuser in diesem Gebiet die Immissionsrichtwerte für ein Gewerbegebiet überschritten werden könnten und der maßgebliche Immissionsort nach Nr. 2.3 TA Lärm ein anderer als der im Gutachten angegebene sein könnte, bestehen nach Auffassung des Senats nicht. Die maßgeblichen Emissionsquellen befinden sich an der Westseite des klägerischen Grundstücks. Dort soll deshalb die Einhausung errichtet werden. Auch das Geräusch, das bei der Sandaufbereitung im Sandbunker entsteht, war nur im dem Wohngebiet westlich der Bahnlinie hörbar. Von diesen Emissionsquellen ist die Wohnbebauung im „Gewerbegebiet“ weiter entfernt als der Immissionsort E.gasse, dem zudem aufgrund seiner Lage im Wohngebiet eine bedeutend höhere Schutzwürdigkeit zuzuerkennen ist als der Wohnbebauung im „Gewerbegebiet“ östlich der Bahnlinie.
II.1.2.2. Für die Bestimmung des maßgeblichen Immissionsrichtwertes und damit der Schutzwürdigkeit des Immissionsortes nach Nr. 2.3 TA Lärm ist der Gebietscharakter des den Immissionsort umgebenden Gebiets einschlägig, weil sich danach die Schutzbedürftigkeit definiert (Nr. 6.6 Satz 2 TA Lärm). Dabei ist jeweils auf den Gebietstyp abzustellen, der an dem für die Beurteilung maßgeblichen Immissionsort anzutreffen ist (Hansmann in Landmann/Rohmer, TA Lärm, Nr. 6 Rn. 13). Liegt keine Festsetzung im Bebauungsplan vor, sind die Immissionsrichtwerte nach Nr. 6.1 TA Lärm heranzuziehen, die der Schutzwürdigkeit des Gebiets am ehesten entsprechen. Dabei sind jeweils die besonderen Verhältnisse in dem jeweiligen Gebiet zu würdigen. Einwirkungen von außen auf ein Baugebiet ändern den Charakter des Baugebiets nicht, solche Einwirkungen können auf der Ebene des Rücksichtnahmegebots berücksichtigt werden (Feldhaus, TA Lärm, Nr. 6 Rn. 47).
Ausgehend von den im Augenschein getroffenen Feststellungen ist das unbeplante Gebiet westlich der Bahnlinie kein allgemeines, sondern ein reines Wohngebiet. Für die Einordnung von faktischen Baugebieten in die Baugebietstypik der BauNVO kommt es auf die tatsächlich vorhandene Bebauung an, die den bodenrechtlichen Charakter des Baugebiets prägt. Maßgeblich für die Beurteilung des Baugebietstyps ist die nähere Umgebung. Die Grenzen der näheren Umgebung lassen sich nicht schematisch festlegen, sondern sind nach der tatsächlichen städtebaulichen Situation zu bestimmen, in die das betreffende Grundstück eingebettet ist. Dies zugrunde gelegt, beschränkt sich die nähere Umgebung des Immissionsortes 1 nach den Feststellungen im Ortstermin auf die auf die einzeilige Bebauung westlich der Bahnlinie und entlang der E.gasse. Die Bebauung westlich der S. H2. straße unterscheidet sich durch ihre topographische Lage im ansteigenden Gelände von der Bebauung direkt an der Bahnlinie. Unmittelbar hinter dem Anwesen E.gasse … endet die Bebauung und geht in den Außenbereich über. In dem so umrissenen Gebiet war beim Ortstermin lediglich Wohnnutzung festzustellen. Ein angeblich vorhandenes IT-Büro im Haus E.gasse … war weder von außen erkennbar, noch befand sich ein Türschild am Haus, das auf einen derartigen Betrieb hingewiesen hätte. Das Gleiche gilt für das Kosmetikstudio an der Ecke S. H2. straße/E.gasse. Einem reinen Wohngebiet ordnet Nr. 6.1 TA Lärm Immissionsrichtwerte von 35 dB(A)/50 dB(A) zu.
II.1.2.3. Diese Werte müssen aber durch Bildung eines Zwischenwertes erhöht werden, da vorliegend von einer Gemengelage im Sinne der Nr. 6.7 TA Lärm auszugehen ist. Wenn die TA Lärm die Beurteilungswerte in Nr. 6.1 ausdrücklich als Immissionsrichtwerte bezeichnet, so wird damit zum Ausdruck gebracht, dass es sich nicht um strikte Grenzwerte handelt, die eindeutig die Grenze zur schädlichen Umwelteinwirkung durch Lärm markieren, sondern um Werte indikatorischen Charakters für den Regelfall, von denen bei Vorliegen besonderer Umstände abgewichen werden darf (vgl. BR-Drs. 254/98, S. 45). In Anknüpfung an Rechtsgrundsätze, die in der Rechtsprechung zur TA Lärm vom 16. Juli 1968 (Beilage zum Bundesanzeiger Nr. 137 vom 16.7.1968) entwickelt und ständig fortgeführt worden waren (vgl. BVerwG, U.v. 12.12.1975 – IV C 71.73 – juris Rn. 23) enthält die TA Lärm in ihrer ab 1998 geltenden Fassung in Nr. 6.7 erstmals ausdrücklich Regelungen für die Beurteilung der besonderen Umstände, die im Falle sog. Gemengelagen zu beachten sind. Danach können die für die zum Wohnen dienenden Gebiete geltenden Immissionsrichtwerte im Falle eines Aneinandergrenzens dieser Gebiete mit gewerblich, industriell oder hinsichtlich ihrer Geräuschauswirkungen vergleichbar genutzten Gebieten auf einen „geeigneten Zwischenwert“ der für die aneinandergrenzenden Gebietskategorien geltenden Werte erhöht werden, soweit dies nach der gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme erforderlich ist. Maßgeblich zur Bestimmung der Höhe des geeigneten Zwischenwertes ist gemäß Nr. 6.7 Abs. 2 TA Lärm die konkrete Schutzbedürftigkeit des betroffenen Gebietes, welche sich wesentlich nach der Prägung des Einwirkungsgebietes durch den Umfang der Wohnbebauung einerseits und durch Gewerbe- und Industriebetriebe andererseits, die Ortsüblichkeit eines Geräuschs und die Frage, welche der unverträglichen Nutzungen zuerst verwirklicht wurde, bestimmt. Diese differenzierten Maßstäbe machen deutlich, dass die Bestimmung des Zwischenwertes nicht einfach durch die Bildung des arithmetischen Mittels zweier Richtwerte benachbarter Baugebiete getroffen werden kann (Hansmann in Landmann/Rohmer, TA Lärm, Nr. 6.7 Rn. 26). Beim Zwischenwert handelt es sich vielmehr um einen „Richtwert“ für die Bestimmung der Zumutbarkeit anhand der Umstände des Einzelfalls (Hansmann in Landmann/Rohmer; TA Lärm, Nr. 6 Rn. 27; Feldhaus/Tegeder in Feldhaus, TA Lärm, Nr. 6 Rn. 66 ff.). Ob der emittierende Betrieb an das dem Wohnen dienende Gebiet herangerückt ist oder ob sich das zum Wohnen dienende Gebiet – umgekehrt – in Richtung auf den emittierenden Betrieb ausgeweitet hat, beurteilt sich wiederum nach tatsächlichen, von der Würdigung konkreter Begebenheiten des Einzelfalls abhängender Faktoren (BVerwG, B.v. 21.12.2010 – 7 B 4.10 – juris Rn. 32, B.v. 12.9.2007 – 7 B 24.07 – juris Rn. 4 ff., B.v. 28.9.1993 – 4 B 151.93 – juris Rn. 12). Bei der Bewertung der zeitlichen Priorität kann ausschlaggebend sein, welchen rechtlichen Status die Nutzungen wann erlangt haben und ob in der Vergangenheit die Rechtsmittel gegen das Entstehen unverträglicher Nutzungen ausgeschöpft wurden. Die Bewandtnis der zeitlichen Priorität kann durch den schieren Zeitablauf beim Nebeneinander der widerstreitenden Nutzungen sowie durch andere Umstände relativiert werden (Hess. VGH, U.v. 24.9.2008 – 6 C 1600/07.T – juris Rn. 116).
II.1.2.3.1. Der Anwendung von Nr. 6.7 TA Lärm steht vorliegend nicht entgegen, dass es sich bei den aneinandergrenzenden Gebieten nicht um durch Bebauungsplan festgesetzte Baugebiete nach der BauNVO handelt und sie nicht direkt einander grenzen, sondern durch die Bahnlinie getrennt sind (Hansmann in Landmann/Rohmer, TA Lärm, Nr. 6 Rn. 25; Feldhaus/Tegeder in Feldhaus, TA Lärm, Nr. 6 Rn. 58, 60; OVG Bln-Bbg, B.v. 15.1.2009 – OVG 10 S 17.08 – juris Rn. 15).
II.1.2.3.2. Unter Würdigung der vorgenannten Erwägungen für den von Nr. 6.7 TA Lärm intendierten Interessenausgleich unter Berücksichtigung der gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme hält der Senat es vorliegend für begründbar, für das durch die Kenngrößen von 50 dB(A) nachts gem. Nr. 6.1 Buchst. b) TA Lärm als oberer Ausgangswert und von 35 dB(A) nachts gem. Nr. 6.1 Buchst. f) TA Lärm als unterer Ausgangswert begrenzte Spannungsverhältnis einen Lärmpegel von 40 dB(A) nachts als geeigneten Zwischenwert anzusehen. Ob nicht möglicherweise sogar von einem höheren Wert auszugehen ist, braucht der Senat vorliegend nicht zu entscheiden.
II.1.2.3.3. Die Festlegung des geeigneten Zwischenwertes erfordert auch im vorliegenden Fall eine Einzelfallprüfung unter Berücksichtigung der gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme, die sich an der konkreten Schutzwürdigkeit des betroffenen Gebietes auszurichten hat. Eine die Einzelfallprüfung ausschließende Bindung an die in der Genehmigung vom 7. Juli 1992 festgelegten Immissionsrichtwerte (55 dB(A)/40 dB(A)) kann schon deshalb nicht bestehen, weil der Beklagte bei der nach § 16 BImSchG zu erteilenden Änderungsgenehmigung über einen anderen Antragsgegenstand zu entscheiden hat, nämlich darüber, ob die zur Genehmigung gestellte, wesentlich geänderte Anlage nach der geltenden Rechtslage immissionsschutzrechtlich zulässig ist (vgl. Jarass, BImSchG, 13. Aufl. 2020, § 16 Rn. 32).
II.1.2.3.4. Bei der Ermittlung der für die aneinandergrenzenden Gebiete geltenden Immissionsrichtwerte ist hier zu berücksichtigen, dass sowohl die Betriebsanlagen der Klägerin als auch der Immissionsort 1 nicht in bauplanungsrechtlich festgesetzten Baugebieten liegen und sich ihre Schutzwürdigkeit deshalb anhand der tatsächlichen Bebauung und ihrer Zuordnung zu den in Nr. 6.1 Satz 1 Buchst. a) bis f) TA Lärm genannten Gebieten beurteilt. Dies ist für den Immissionsort 1 unproblematisch, da die nähere Umgebung einem reinen Wohngebiet entspricht. Im Baugebiet auf der anderen Seite des Bahngleises finden sich industrielle, gewerbliche und vereinzelte Wohnnutzung nebeneinander. Diese Gemengelage wird durch den Immissionsrichtwert für ein Gewerbegebiet von 50 dB(A) nachts und 65 dB(A) tagsüber gut abgebildet, weil die sich richtwerterhöhend auswirkende industrielle Nutzung durch die vorhandene Wohnnutzung kompensiert wird.
II.1.2.3.5. Zur Bestimmung der für die Höhe des Zwischenwertes maßgeblichen konkreten Schutzwürdigkeit des betroffenen Gebietes sind in Ansehung der in Nr. 6.7 Abs. 2 Satz 2 TA Lärm beispielhaft genannten Kriterien folgende Erwägungen bedeutsam: Die Ortsüblichkeit eines Geräusches ist keine Frage der Quantität, sondern der Qualität der Geräuschbelästigung. Unabhängig von der Höhe des Immissionspegels fragt die Ortsüblichkeit nach der charakteristischen Vergleichbarkeit mit den übrigen am Immissionsort vorherrschenden Geräuschen (NdsOVG, U.v. 21.1.2004 – 7 LB 54.02 – juris Rn. 49). Es geht um die spezifische Lästigkeit der Geräusche. Aufgrund des vom bereits vorhandenen Betrieb der Klägerin ausgehenden Anlagenlärms ist den durch die beabsichtigte Betriebserweiterung nunmehr auch nachts auftretenden Lärmemissionen, die bis auf den Lkw-Verkehr identisch sind, die Ortsüblichkeit in diesem Sinne nicht abzusprechen. Die Tageszeit, zu der ein Geräusch betriebsbedingt üblicherweise auftritt oder nicht, ist für die Frage der Ortsüblichkeit unerheblich. Soweit nach den Beurteilungsmaßgaben in Nr. 6.7 Abs. 2 TA Lärm als ein weiterer Gesichtspunkt zu berücksichtigen ist, welche der Nutzungen zuerst verwirklicht wurde, ist vorliegend bedeutsam, dass dieser Gesichtspunkt der Priorität zunächst für eine höhere Schutzwürdigkeit der Wohnbebauung spricht, weil die Baugenehmigung für den Neubau eines Wohnhauses, dem heutigen Immissionsort 1, bereits im Jahr 1955 erteilt wurde, während die Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb der Eisengießerei erst mit Bescheid vom 9. Juli 1970 erfolgte. Aber auch wenn der Betrieb der Klägerin somit an die Wohnnutzung in der E.gasse „heranrückte“, wird die Priorität und damit die Schutzbedürftigkeit dadurch relativiert, dass sich die beiden Baugebiete im Osten und Westen der Bahnlinie über Jahrzehnte nebeneinander entwickelt haben, ohne dass Rechtsmittel gegen die Ansiedlung und die Erweiterungen/Änderungen des klägerischen Betriebs erhoben worden wären. Die Genehmigung vom 9. Juli 1970 erwähnt sogar ausdrücklich in den Gründen, dass das Vorhaben öffentlich bekannt gemacht worden sei und keine Einwendungen erhoben und die Gesichtspunkte des Nachbarschutzes berücksichtigt worden seien. Auch hat sich die Wohnbebauung auf der Westseite des Bahngleises erst nach Erteilung der Genehmigung für den klägerischen Betrieb weiter intensiviert.
Da es sich bei der Ortsüblichkeit und der Priorität nur um beispielhaft genannte Kriterien für die Beurteilung der Schutzwürdigkeit eines Gebiets handelt, können auch andere Gesichtspunkte herangezogen werden (Feldhaus/Tegeder in Feldhaus, TA Lärm, Nr. 6 Rn. 70). Dies ist die auch unter Nr. 6.7 TA Lärm genannte Prägung des Einwirkungsbereichs durch den Umfang der Wohnbebauung einerseits und durch Gewerbe- und Industriebetriebe andererseits. Diesbezüglich ist festzustellen, dass die Bebauung entlang der Bahnlinie direkt gegenüber dem emittierenden Betrieb der Klägerin bedeutend mehr durch Immissionen aus dem Betrieb geprägt ist als die sonstige Wohnbebauung, die bereits bedeutend weiter von der Emissionsquelle entfernt liegt. Gänzlich unberücksichtigt bleiben darf bei der Beurteilung der Schutzwürdigkeit des Wohngebiets nach Auffassung des Senats auch nicht, dass eine erhebliche Vorbelastung durch Verkehrslärm durch den Bahnbetrieb und die nahe gelegene Bundesautobahn besteht. Diese Vorbelastung ist zwar nicht der Prägung durch das gewerblich/industriell genutzte Baugebiet, in dem sich der Betrieb der Klägerin befindet, geschuldet, mindert aber dennoch die Schutzwürdigkeit des Wohngebiets. Insoweit ist unerheblich, dass „der Verkehrslärm in der TA Lärm nicht berücksichtigt werden dürfe“, wie der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat Die TA Lärm trifft zwar Regelungen dazu, unter welchen Voraussetzungen Verkehrslärm bei der Ermittlung der Vorbelastung bzw. Zusatzbelastung zu berücksichtigen ist. Nach Nr. 2.4 TA Lärm darf Verkehrslärm nicht als Vorbelastung berücksichtigt werden, Aussagen zur Zusatzbelastung durch Verkehrsgeräusche trifft Nr. 7.4 TA Lärm. Vorliegend geht es aber nicht um die Ermittlung der Gesamtbelastung für den Immissionsort 1, sondern darum, welche Schutzbedürftigkeit dieser Immissionsort bzw. das an ihn angrenzende Wohngebiet für sich in Anspruch nehmen kann.
Nr. 6.5 TA Lärm (Schriftsatz der LAB vom 22.10.2020) steht in keinem Zusammenhang mit der Zwischenwertbildung nach Nr. 6.7 TA Lärm. Nr. 6.5 TA Lärm betrifft die Ermittlung des Beurteilungspegels, Nr. 6.7 TA Lärm den Immissionsrichtwert, an dem der ermittelte Beurteilungspegel zu messen ist.
II.1.2.3.6 Die Bildung eines geeigneten Zwischenwerts nach Nr. 6.7 TA Lärm hat in gleicher Weise für den Immissionsrichtwert für den Tag zu erfolgen. Die Schallimmissionsprognose vom 31. März 2016 legt hier einen Wert von 55 dB(A) als Immissionsrichtwert für ein allgemeines Wohngebiet zugrunde. Gemäß den Feststellungen im Ortstermin ist der Immissionsort 1 aber einem Gebiet zuzuordnen, das einem reinen Wohngebiet entspricht, so dass als Ausgangswert für die Zwischenwertbildung gemäß Nr. 6.1 Buchst. f) TA Lärm von einem Immissionsrichtwert von 50 dB(A) auszugehen ist. Bei einer Spannbreite von 65 dB(A) als Tagesrichtwert für ein Gewerbegebiet und 50 dB(A) ist unter Beachtung der oben genannten Kriterien der Tagesrichtwert von 55 dB(A) ein geeigneter Zwischenwert im Sinne von Nr. 6.7 TA Lärm. Dieser Wert liegt näher am unteren Ausgangswert für ein reines Wohngebiet und trägt daher vorhandenen Wohnnutzung im gebotenen Maße Rechnung.
II.2. Derzeit ist aber nicht sichergestellt, dass die sich aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG ergebenden Pflichten erfüllt werden, insbesondere dass durch den geänderten Anlagenbetrieb am maßgeblichen Immissionsort keine schädlichen Geräuschimmissionen zur Nachtzeit hervorgerufen werden. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts lässt sich dem von der Klägerin im Genehmigungsverfahren vorgelegten Gutachten vom 31. März 2016 (aktualisierte und ergänzte Schallimmissionsprognose zur Ermittlung und Beurteilung der Geräuschimmissionen in der Wohnnachbarschaft, verursacht durch den künftigen nächtlichen Betrieb) und der ergänzenden Stellungnahme vom 12. Oktober 2017 sowie den Ausführungen des Beklagten im streitgegenständlichen Bescheid nicht entnehmen, dass das Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sichergestellt ist.
II.2.1. Die Einwände des Beklagten gegen die Richtigkeit der Ermittlung des Beurteilungspegels für den Tag tragen allerdings nicht. Der Verweis zur erhöhten Schutzwürdigkeit der Tagesrandzeit in einem Wohngebiet und auf die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 2. November 2004 (20 ZB 04.1559 – juris) geht an der Sache vorbei. Nr. 6.5 TA Lärm sieht für Tageszeiten mit erhöhter Empfindlichkeit in bestimmten Baugebieten ein Zuschlag von 6 dB vor. Dieser Zuschlag wird u.a. für allgemeine und für reine Wohngebiete berücksichtigt. Das schalltechnische Gutachten vom 31. März 2016 hat den entsprechenden Zuschlag bei der Ermittlung des Beurteilungspegels vorgenommen (S. 32 des Gutachtens). Die Aussage in der genannten Entscheidung (a.a.O. Rn. 8), wonach Tagesrandzeiten „kritisch betrachtet werden müssen“, bezieht sich darauf, dass für Dorfgebiete in der TA Lärm 1968 ein besonderer Schutz von Tagesrandzeiten nicht vorgesehen war, obwohl unter dem Blickwinkel des Gebots der Rücksichtnahme Wohnhäuser schutzbedürftig seien. Dieses Problem stellt sich aber bei einem reinem bzw. allgemeinen Wohngebiet nicht, da hierfür sowohl in der TA Lärm 1968 als auch in der TA Lärm 1998 ein Zuschlag von 6 dB bei der Ermittlung des Beurteilungspegels zu berücksichtigen ist.
Soweit der Beklagte den beim Abkippen von Stanzabfällen ermittelten Spitzenpegel (73 dB(A)) und die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 2. Dezember 2010 (15 ZB 08.1428 – juris Rn. 19) anführt, folgt daraus nicht, dass der maßgebliche Immissionsrichtwert von 55 dB(A) am Tag nicht eingehalten werden könnte. Die TA Lärm ordnet die Tagesrandzeit noch der Tageszeit zu und sieht nur einen Zuschlag von 6 dB auf den Schalldruckpegel vor. Maßgeblich ist somit der gemittelte Beurteilungspegel und nicht der Spitzenpegel. Das Spitzenpegelkriterium ist sowohl für ein reines als auch ein allgemeines Wohngebiet eingehalten (80 dB(A)/85 dB(A), weil die Tagesrandzeit zur Tageszeit gehört. Unabhängig davon wird nach Angaben der Klägerin in der Tagesrandzeit kein Metallschrott in die Gattierung abgekippt. Im Übrigen bezieht sich die vom Beklagten genannte Entscheidung auf den nächtlichen Lärmpegel in Innenräumen und eben nicht auf Tagesrandzeiten, denen die TA Lärm eine geringere Schutzwürdigkeit als der Nachtzeit zuordnet. Da die TA Lärm insoweit keine Bewertungsspannen oder Spielräume eröffnet, bleibt für eine einzelfallbezogene Beurteilung der Schädlichkeitsgrenze in der Tagesrandzeit aufgrund tatrichterlicher Würdigung kein Raum.
II.2.2. Auf der Grundlage des schalltechnischen Gutachtens vom 31. März 2016, der ergänzenden Stellungnahme vom 12. Oktober 2017 sowie den Stellungnahmen des Fachbereichs Gesundheitswesen und des Umweltschutzingenieurs der Beklagten ist der Senat nicht in der Lage, abschließend über das Vorliegen eines Anspruchs der Klägerin auf Erteilung der beantragten immissionsschutzrechtlichen Änderungsgenehmigung zu entscheiden.
Das schalltechnische Gutachten kommt zwar zu dem Ergebnis, dass am maßgeblichen Immissionsort E.gasse … unter Einhaltung bestimmter Auflagen (Bl. 37 des Gutachtens) der Immissionsrichtwert von 40 dB(A) nachts und 55 dB(A) tags für ein allgemeines Wohngebiet eingehalten werden kann. Der Beklagte führt im Bescheid vom 16. Januar 2018 (S. 4) aus, dass der Fachbereich Gesundheitswesen mit der Stellungnahme vom 29. Mai 2017 Bedenken geäußert habe, weil der zulässige Immissionswert für die Nachtzeit vollständig ausgeschöpft werde. Mit der Festsetzung entsprechender Nebenbestimmungen wäre die Einhaltung des Immissionsrichtwerts grundsätzlich möglich. Allgemein seien die Bedenken des Fachbereichs nicht derart erheblich, um das beantragte Vorhaben abzulehnen. Auf die Anmerkungen des Umweltschutzingenieurs in der Stellungnahme vom 12. September 2017 geht der Ablehnungsbescheid nicht weiter ein.
Im Gutachten wird weiter ausgeführt, dass der beantragte Betrieb der Klägerin ohne Realisierung von Schallschutzmaßnahmen zu einer Überschreitung des Immissionsrichtwerts von 40 dB(A) um 6 dB führt und daher Schallschutzmaßnahmen zu ergreifen sind. Der Gutachter schlägt u.a. den Einbau eines Schalldämpfers und den Bau einer bereits genehmigten Einhausung vor. Zudem sind im westlichen, südwestlichen und südlichen Bereich Gabelstaplerfahrten sowie Lkw-Fahrten und Be- und Entladungen von Lkw auszuschließen. Gabelstaplerfahrten im östlichen Freibereich sind auf das technologisch erforderliche Maß zu begrenzen (S. 37), damit der maßgebliche Immissionsrichtwert von 40 dB(A) nachts am Immissionsort 1 bei Aufnahme des Drei-Schicht-Betriebs eingehalten werden kann. Der Fachbereich Gesundheitswesen des Landratsamtes bewertet in seiner Stellungnahme vom 29. Mai 2017 die Vorschläge hinsichtlich der betrieblichen Abläufe als unrealistisch. Auch der Umweltschutzingenieur meldet in seiner Stellungnahme vom 12. September 2017 Bedenken an.
Bezüglich der Auflagenvorschläge ist zunächst festzustellen, dass der erforderliche Bau der Einhausung im westlichen Teil des Betriebsgeländes gegenüber dem Immissionsort 1 derzeit nicht sichergestellt ist. Die Gültigkeitsdauer der Baugenehmigung ist abgelaufen, über den erneuten Verlängerungsantrag ist noch nicht entschieden. Das Verfahren ruht. Der Vertreter des Landratsamtes konnte in der mündlichen Verhandlung auch keine Angaben zu einer weiteren Verlängerung der Baugenehmigung machen, weil die Ableitung des Niederschlagswassers vom Dach der Einhausung auch im Hinblick auf die Situation auf dem Betriebsgelände insgesamt noch zu überprüfen sei. Es kommt hinzu, dass die Angaben zur Niederschlagswasserbeseitigung in den Antragsunterlagen nicht den Tatsachen entsprechen und zu korrigieren sind (vgl. hierzu die Stellungnahme des Flussmeisters vom 20.6.2017). Ist – wie hier – der Bau der Einhausung aber unabdingbare Voraussetzung, damit es zu keinen schädlichen Geräuschimmissionen kommt und ist die Einhausung Gegenstand eines noch nicht abgeschlossenen baurechtlichen Genehmigungsverfahrens, kann hinsichtlich des Antrags auf Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung keine Spruchreife bestehen.
Desweiteren wurde bislang im Genehmigungsverfahren nicht geklärt, wie sichergestellt werden kann, dass im westlichen, südwestlichen und südlichen Bereich Gabelstaplerfahrten sowie Lkw-Fahrten und Be- und Entladungen von Lkw in der Nachtzeit nicht stattfinden. Innerbetriebliche Vereinbarungen bzw. Vereinbarungen mit den Lieferanten reichen mangels Verbindlichkeit für die Klägerin gegenüber der Genehmigungsbehörde nicht aus. Der Auflagenvorschlag, die Gabelstaplerfahrten im östlichen Freibereich auf das technologisch erforderliche Maß zu begrenzen, ist nicht hinreichend bestimmt. Das Vermeidungs- und Minimierungsverbot des § 22 Abs. 1 Satz Nr. 2 BImSchG, auf das der Gutachter der Klägerin in der Stellungnahme vom 12. Oktober 2017 diesbezüglich verweist, hat lediglich für nicht genehmigungsbedürftige Anlagen Bedeutung. Die Beachtung des Vorsorgegebots des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG ist Genehmigungsvoraussetzung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG, auch wenn es nicht dem Schutz der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen dient.
Eine Umsetzung der vorgeschlagenen Auflagen in hinreichend bestimmte Nebenbestimmungen für einen noch zu erlassenden Genehmigungsbescheid, deren Einhaltung ggf. überwacht und durchgesetzt werden kann, ist bislang seitens der Genehmigungsbehörde nicht erfolgt, weil die Genehmigung bereits aus bauplanungsrechtlichen Gründen abgelehnt worden ist.
II.2.3. Nach den Grundsätzen des „steckengebliebenen Genehmigungsverfahrens“ (Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 113 Rn. 47; Wolff in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018; § 113 Rn. 430) durfte der Senat ausnahmsweise davon absehen, die Sache spruchreif zu machen. Es entspricht einer sachgerechten Funktionsteilung zwischen Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit, dass die Genehmigungsbehörde die erforderlichen Schritte des Verwaltungsverfahrens selbst durchführt (Wolff in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018; § 113 Rn. 428). Da Voraussetzung für die Genehmigungsfähigkeit der Änderung des Anlagenbetriebs die baurechtliche Genehmigung für den Bau der Einhausung ist (entweder durch Einbeziehung des Bauantrags in das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren oder durch Beifügung einer entsprechenden Nebenbestimmung in den Genehmigungsbescheid), obliegt es dem Beklagten das auch für die Verlängerung der Baugenehmigung vom 12. Juni 2008 erforderliche gemeindliche Einvernehmen einzuholen, die Träger öffentlicher Belange zu beteiligen und die noch offenen Fragen bei der Niederschlagswasserbeseitigung zu klären. Den vorliegenden Verwaltungsakten lässt sich nicht entnehmen, dass dies bereits geschehen ist.
Zudem hat die Genehmigungsbehörde bezüglich des Schutzes vor Geräuschimmissionen keine umfassende Prüfung vorgenommen (OVG NW, U.v. 19.6.2007 – 8 A 2677/06 – juris 40) bzw. keinen Katalog von Nebenbestimmungen erarbeitet, mit denen die Umsetzung der im schalltechnischen Gutachten angesprochenen Vorschläge zur Realisierung von Schallschutzmaßnahmen, die Voraussetzung für die immissionsschutzrechtliche Änderungsgenehmigung sind, sichergestellt werden könnte (siehe auch Stellungnahme des Umweltschutzingenieurs vom 12.9.2017). Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, entsprechende Nebenbestimmungen zu erarbeiten bzw. die Auflagenvorschläge so zu formulieren, dass eine Überwachung möglich ist, um eine Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung der beantragten Genehmigung aussprechen zu können.
Auch bezüglich der Luftreinhaltung erachtet der Umweltschutzingenieur die Auflagenvorschläge im Gutachten vom 20. Januar 2015 für nicht ausreichend, ohne dass insoweit die Auflagenvorschläge von der Genehmigungsbehörde entsprechend überarbeitet worden wären.
III. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist abzuändern, da die Klägerin keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Änderungsgenehmigung hat, sondern nur einen Anspruch auf Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Im Übrigen ist die Klage daher abzuweisen. Die Berufung des Beklagten, die auf Änderung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 23. Mai 2019 und Klageabweisung gerichtet war, hat nur im tenorierten Umfang Erfolg, so dass die Berufung im Übrigen zurückzuweisen ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1, § 154 Abs. 3 VwGO. Die Klägerin ist teilweise unterlegen, weil sie die uneingeschränkte Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Änderungsgenehmigung beantragt hat. Dieses Teilunterliegen bewertet der Senat mit ein Viertel der Verfahrenskosten. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst, weil sie keinen Antrag gestellt hat.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da ein Zulassungsgrund im Sinne von § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegt.


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