Baurecht

In Ortsrandlage unzulässige Wohnhäuser – Beeinträchtigung der Eigenart der Landschaft

Aktenzeichen  1 ZB 16.2599

Datum:
6.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 6986
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 34 Abs. 1 S. 1, § 35 Abs. 2, Abs. 3 S. 1 Nr. 5

 

Leitsatz

1. Im Falle einer Grundstückslage am Ortsrand endet der Bebauungszusammenhang unabhängig vom Verlauf von Grundstücksgrenzen regelmäßig am letzten mit den übrigen Häusern im Zusammenhang stehenden Baukörper. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Beeinträchtigung der natürlichen Eigenart der Landschaft im Sinn von § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 BauGB liegt schon dann vor, wenn ein Bauvorhaben die beplante Fläche der naturgegebenen Bodennutzung entzieht. Eines Eingriffs in eine besonders schutzwürdige Landschaft bedarf es hierbei nicht. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 11 K 15.4677 2016-10-20 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 80.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Der Kläger begehrt die Erteilung eines Vorbescheids zur bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit der Errichtung von 4 Wohnhäusern auf dem Grundstück FlNr. … Gemarkung B. (im Folgenden: „Baugrundstück“). Mit Bescheid vom 17. September 2015 lehnte das Landratsamt den Vorbescheidsantrag des Klägers ab. Das Vorhaben liege im Außenbereich. Das Baugrundstück sei Teil einer etwa 70 m breiten Wiesenfläche, die nach Norden in die freie Landschaft übergehe. Die natürliche Eigenart der Landschaft werde durch das Vorhaben beeinträchtigt. Die gegen den ablehnenden Bescheid gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht München durch Urteil vom 20. Oktober 2016 abgewiesen. Zur Begründung nahm das Gericht im Wesentlichen auf den ablehnenden Bescheid Bezug und ergänzte, dass der gerichtliche Augenschein die Beurteilung des Beklagten bestätigt habe.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), auf dessen Prüfung der Senat beschränkt ist, liegt nicht vor (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Ernstliche Zweifel, die die Zulassung der Berufung gem. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546) und Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838). Das ist nicht der Fall.
Das Verwaltungsgericht hat das Baugrundstück zu Recht dem Außenbereich im Sinne von § 35 BauGB zugeordnet. Die Zulassungsbegründung zeigt keine Umstände auf, die eine Zurechnung des Baugrundstücks zu einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB rechtfertigen können.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hängt die Frage, ob ein Grundstück Teil eines Bebauungszusammenhangs ist, davon ab, inwieweit eine aufeinanderfolgende Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken nach der Verkehrsanschauung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt. Die Abgrenzung zwischen Innen- und Außenbereich lässt sich dabei nicht nach geografisch-mathematischen Maßstäben, sondern nur aufgrund einer umfassenden Würdigung der gesamten örtlichen Gegebenheiten, insbesondere der optisch wahrnehmbaren topographischen Situation und der Umgebungsbebauung bestimmen. Im Fall einer Grundstückslage am Ortsrand endet der Bebauungszusammenhang unabhängig vom Verlauf von Grundstücksgrenzen regelmäßig am letzten mit den übrigen Häusern im Zusammenhang stehenden Baukörper (vgl. BVerwG, U.v. 19.4.2012 – 4 C 10.11 – NVwZ 2012, 1631; B.v. 8.10.2015 – 4 B 28.15 – ZfBR 2016, 67; BayVGH, B.v.19.12.2017 – 1 ZB 16.1301 – juris Rn. 5).
Bei Berücksichtigung dieser Vorgaben kommt es auf die Entfernung zwischen dem Gebäude westlich des Baugrundstücks (FlNr. …) und dem Gebäude östlich des Baugrundstücks (FlNr. …), die der Kläger mit 68 m angibt, nicht entscheidend an, da diese geografisch-mathematischen Größen keine Aussagekraft haben. Der Beklagte und das Erstgericht haben das Bestehen eines Bebauungszusammenhangs unabhängig von dieser Entfernung auf Grund eines Augenscheines anhand der vorstehend dargestellten Maßstäbe beurteilt. Sie haben dabei zu Recht maßgebend darauf abgestellt, dass sich das Baugrundstück nach Norden zur freien Landschaft hin öffnet, auch wenn in größerer Entfernung im Nordosten noch der gemeindliche Friedhof und eine Kirche zu finden sind. Aus den von den Klägern im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegten Luftbildern (vgl. Anlage K5 zum Schriftsatz vom 30. November 2015) ergibt sich, dass nördlich des Baugrundstücks eine unbebaute Wiesenfläche liegt, die offenbar landwirtschaftlich genutzt ist. Das Baugrundstück sowie der nördlich und nordwestlich daran anschließende Bereich westlich der S-Straße sind unbebaut. Der Friedhof liegt östlich der S-Straße und ist deshalb unabhängig davon, ob diese Fläche überhaupt geeignet ist, die Grenzen des Bebauungszusammenhangs zu verschieben, keine Zäsur, die das Baugrundstück und die nördlich daran anschließenden Freiflächen dem im Zusammenhang bebauten Ortsteil zuordnen könnte. Angesichts dieser Situation kommt es weder darauf an, ob die westlich des Baugrundstücks gelegenen Wohnhäuser S-Straße … und … einem Bebauungszusammenhang zuzurechnen sind, noch, ob die südlich des Baugrundstücks verlaufende Bahnlinie die daran anschließende Bebauung vom Baugrundstück trennt.
Aufgrund der Lage im Außenbereich ist das geplante Vorhaben gemäß § 35 Abs. 2 und 3 BauGB unzulässig. Das Verwaltungsgericht geht zutreffend davon aus, dass durch die geplante Bebauung die natürliche Eigenart der Landschaft im Sinn von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB beeinträchtigt wird. Eine solche Beeinträchtigung liegt schon dann vor, wenn ein Bauvorhaben die beplante Fläche der naturgegebenen Bodennutzung entzieht. Dies ist bei der Errichtung von Wohngebäuden auf der bisher gärtnerisch genutzten Fläche der Fall (vgl. BVerwG, U.v. 25.1.1985 – 4 C 29.81 – BauR 1985, 427). Eines Eingriffs in eine besonders schutzwürdige Landschaft bedarf es hierbei nicht (vgl. BVerwG, U.v. 15.5.1997 – 4 C 23.95 – NVwZ 1998, 58). Eine Beeinträchtigung dieses Belangs durch eine Wohnbebauung scheidet in der Regel nur dann aus, wenn das Baugrundstück wegen seiner natürlichen Beschaffenheit weder für die Bodennutzung noch für Erholungszwecke geeignet ist und es seine Schutzwürdigkeit durch bereits erfolgte anderweitige Eingriffe eingebüßt hat (BayVGH, B.v. 11.8.2011 – 15 ZB 11.1214 – juris Rn. 5). Hierfür bestehen weder Anhaltspunkte noch hat der Kläger solche vorgetragen.
Es kommt nicht darauf an, ob darüber hinaus noch ein weiterer ungeschriebener öffentlicher Belang in Form eines Planungsbedürfnisses beeinträchtigt wird. Bei der Frage, ob ein Vorhaben nach § 35 Abs. 2 und 3 BauGB bauplanungsrechtlich unzulässig ist, genügt schon der Verstoß gegen einen der in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB beispielhaft genannten öffentlichen Belange (BVerwG, B.v. 8.11.1999 – 4 B 85.99 – BauR 2000, 1171).
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen, da sein Rechtsmittel erfolglos geblieben ist (§ 154 Abs. 2 VwGO). Es entspricht der Billigkeit, dass die Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt, da sie sich im Zulassungsverfahren nicht geäußert hat (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.1.1 und 9.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 und entspricht dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Betrag. Da mit dem Vorbescheid abschließend über die Baulandqualität und damit über den Wert des betroffenen Grundstücks entschieden wird, entspricht der Streitwert demjenigen der Klage auf Erteilung einer Baugenehmigung für 4 Einfamilienhäuser (BayVGH, B.v. 19.2.2015 – 1 ZB 14.2696 – juris Rn. 6).
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124 Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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