Baurecht

Kein Anspruch des Nachbarn auf Nutzungsuntersagung eines Parkplatzes

Aktenzeichen  W 4 K 17.1500

Datum:
12.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 58407
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 76 S. 2
VwGO § 42 Abs. 2, § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, § 113 Abs. 5

 

Leitsatz

Der Nachbar hat hinsichtlich der Nuzungsuntersagung gem. § 76 S. 2 BayBO lediglich einen Rechtsanspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung, nicht jedoch einen Rechtsanspruch auf ein bestimmtes Handeln (Decker, in: Simon/Busse/Decker, BayBO, 131. EL, Okt. 2018, Art. 76 Rnrn. 490). Die Anordnung steht selbst dann im pflichtgemäßen Ermessen der Bauaufsichtsbehörde, wenn nachbarschützendes Recht verletzt ist (vgl. schon BVerwG NJW 1961, 793). (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger haben gesamtschuldnerisch die Kosten des Verfahrens zu tragen einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die Kläger begehren im vorliegenden Verfahren vom Beklagten den Erlass einer Nutzungsuntersagung gemäß Art. 76 Satz 2 BayBO bezüglich eines Parkplatzes, den der Beigeladene für Kunden und Personal des von ihm betriebenen Einkaufsmarktes errichtet hat.
1. Es kann dahingestellt bleiben, ob die von den Klägern erhobene Klage überhaupt zulässig ist. Denn die Verpflichtungsklage auf ein repressives Einschreiten des Beklagten gegen den Beigeladenen erfordert eine Klagebefugnis im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO. Diese ist nur dann anzunehmen, wenn der Nachbar, hier also die Kläger, durch die Benutzung des Parkplatzes in seinen Rechten verletzt wäre. Insbesondere unter Berücksichtigung der beiden Stellungnahmen des Ing.-Büros … S. vom 10. März 2015 und 30. April 2018, aber auch unter Berücksichtigung des Eindrucks, den das Gericht im Rahmen des Augenscheins am 23. Oktober 2018 gewonnen hat, bestehen bereits Zweifel an der Verletzung des von den Klägern allein geltend gemachten Gebots der Rücksichtnahme.
2. Die Klage hat jedenfalls in der Sache keinen Erfolg. Die Kläger haben gegenüber dem Beklagten keinen Anspruch auf Erlass einer Nutzungsuntersagung (§ 113 Abs. 5 VwGO).
a) Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung ist Art. 76 Satz 2 BayBO. Nach dieser Vorschrift kann die Nutzung untersagt werden, wenn die Anlage im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt wird. Wie sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt, liegt die Entscheidung, ob und in welcher Weise die Bauaufsichtsbehörde von ihrer Befugnis zur Nutzungsuntersagung Gebrauch macht, allein in deren pflichtgemäßen Ermessen. Sie hat für den konkreten Fall die maßgeblichen Umstände, die für oder gegen ein Einschreiten sprechen, gegeneinander abzuwägen. Das hat zur Folge, dass der Nachbar lediglich einen Rechtsanspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung hat, nicht jedoch einen Rechtsanspruch auf ein bestimmtes Handeln (Decker in Simon/Busse/Decker, BayBO, 131. EL, Oktober 2018, Art. 76 Rn. 490 ff.). Die Anordnung steht selbst dann im pflichtgemäßen Ermessen der Bauaufsichtsbehörde, wenn nachbarschützendes Recht verletzt ist (vgl. schon BVerwG, U.v. 18.8.1960, BVerwGE 11, 95).
Eine Ausnahme kann nur dann gelten, wenn jede andere Entscheidung mit Rücksicht auf die schutzwürdigen Interessen des Nachbarn ermessensfehlerhaft wäre (vgl. BayVGH, U.v. 6.3.1974, Nr. 174 II 71; BayVGH, U.v. 12.11.1997, Nr. 2 B 86.01342, BRS 48, 425), d.h. das Ermessen aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls auf Null reduziert ist. Eine solche Ermessensreduzierung auf Null kann allerdings nur dann angenommen werden, wenn eine besondere Intensität der Störung oder der Gefährdung nachbargeschützter Rechtsgüter gegeben ist. Das ist (so BayVGH, B.v. 18.6.2008, Az. 9 ZB 07.497) nur dann der Fall, wenn eine unzumutbare, auf andere Weise nicht zu beseitigende Gefahr für hochwertige Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit droht oder sonst unzumutbare Belästigungen abzuwehren sind. Allein der Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften führt somit nicht zu einer Ermessensreduzierung auf Null, denn solche Schutzvorschriften des einfachen Rechts regeln nicht die Frage, ob die Bauaufsichtsbehörden im Falle ihrer Verletzung strikt oder nur im Rahmen pflichtgemäßen Ermessens zum Einschreiten verpflichtet sind (so schon BVerwG v. 24.5.1988, Buchholz 406.19 Nachbarschutz Nr. 80). Die Bauaufsichtsbehörde ist daher insbesondere auch nicht kraft Bundesrechts verpflichtet, zu Gunsten eines Nachbarn gegen die baurechtswidrige Nutzung eines Grundstücks einzuschreiten (so bereits BVerwG, U.v. 18.8.1960, BVerwGE 11,95; BVerwG, U.v. 4.6.1996, NVwZ-RR 1997, 271).
b) Unter Berücksichtigung dieser allgemeinen Grundsätze und unter Einbeziehung des im Rahmen des Augenscheinstermins gewonnenen Gesamteindrucks, aber auch unter Heranziehung der bereits genannten Stellungnahmen des Ingenieurbüros für Bauphysik, … S. vom 30. April 2018 und 10. März 2015 ist im vorliegenden Fall folgendes festzustellen:
Die von den Klägern mehrfach vorgetragenen Einwendungen, es bestünde immer noch die Möglichkeit der Durchfahrt zum Nachbargrundstück mit der Fl.Nr. …2/2, die Leuchten seien von 06:00 Uhr bis 21:00 Uhr an, das Lagerhäuschen für die Einkaufswägen mit dem Verbundpflaster erhöhe den Lärm, durch das Dach des Lagerhäuschens würden die Kläger geblendet, die angebrachte Höhenbegrenzung könne umgangen werden, die Lärmschutzwand erschlage sie optisch und der Lärm habe sich durch die Drehung der Lärmschutzwand noch erhöht, führen jedenfalls nicht zu einer unzumutbaren, auf andere Weise nicht zu beseitigenden Gefahr für hochwertige Rechtsgüter, wie Leben oder Gesundheit und damit auch nicht zu einem Anspruch der Kläger auf Erlass einer Nutzungsuntersagung.
aa) Der Beigeladenenvertreter weist zu Recht darauf hin, dass von dem Parkplatz keine unzumutbaren Lichtimmissionen ausgehen. Im Rahmen des Augenscheinstermins hat sich ergeben, dass der Beigeladene von den insgesamt 13 Lampen 6 Lampen abgeschaltet hat. Zusätzlich wurden andere Lampen vom Grundstück der Kläger weggedreht. Nur noch zwei Lampen befinden sich im 5 m-Randbereich zum Grundstück der Kläger. Sie sind, wie die Kläger selbst vortragen, lediglich in der Zeit von 06:00 Uhr bis 21:00 Uhr in Betrieb. Insbesondere unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Lampen vom materiellen Baurecht gedeckt sind (Art. 57 Abs. 1 Nr. 5e BayBO), kann jedenfalls von einer erheblichen Belästigung durch die restlichen sieben Lampen, die die Grenze der Zumutbarkeit überschreiten würden, nicht ausgegangen werden, zumal von der Klägerseite selbst substantiierte Belege, die das Gegenteil aufzeigten und nicht nur Behauptungen ins Blaue hinein darstellten, nicht angeführt wurden. In dem begrenzten Zeitraum, in dem eine Beeinträchtigung überhaupt nur in Betracht kommen kann, ist es den Klägern im Rahmen des sozialadäquaten und ortsüblichen Eigenschutzes jedenfalls zumutbar, die Auswirkungen durch Vorhänge und Rollläden abzufangen. Eine ständige Ausleuchtung der Räume ist jedenfalls mit dem Betrieb der Lampen nicht verbunden.
bb) Inwieweit der von den Klägern behauptete mögliche „Durchfahrtsverkehr“ auf das angrenzende Grundstück Fl.Nr. …2/2 die Kläger selbst unzumutbar beeinträchtigt, wird von ihnen selbst nicht substantiiert dargelegt. Im Übrigen hat der Augenschein ergeben, dass eine Durchfahrt auf das Nachbargrundstück über den Parkplatz nicht möglich ist, da der Beigeladene die Durchfahrtsmöglichkeit durch große Steinbrocken unterbunden hat.
cc) Nach Überzeugung der Kammer gehen von dem Parkplatz auch keine unzumutbaren Lärmemissionen aus. Wie sich aus den Stellungnahmen des Ing.-Büros für Bauphysik … S. vom 30. April 2018 und 10. März 2015 ergibt, wird der Immissionsrichtwert tagsüber von 49 dB(A) bezüglich des im allgemeinen Wohngebiet gelegenen Grundstücks der Kläger als Beurteilungspegel auch unter Berücksichtigung der Einkaufswagenbox eingehalten. Für die Kammer sind die in den Stellungnahmen des Ing.-Büros vorgenommenen Berechnungen auch plausibel und nachvollziehbar, die Kläger haben diese nicht substantiiert in Frage gestellt.
dd) Soweit die Kläger der Auffassung sind, die vom Beigeladenen errichtete Lärmschutzwand sei nicht schallabsorbierend, der Lärm habe sich durch die später vorgenommene Drehung sogar noch erhöht, wird auf die Stellungnahme der H*. …, Lärmschutzsysteme vom 6. August 2018 hingewiesen, in der dem Beigeladenen bestätigt wurde, dass die Lärmschutzwand SA 92 hochabsorbierend nach Weisung des Verfassers des Lärmschutzgutachtens an der Westseite des Parkplatzes fachgerecht gedreht worden sei, d.h. der senkrechte Teil der absorbierenden LSW ist jetzt dem Nachbargrundstück zugewandt und entspricht somit der Änderungsgenehmigung.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der von den Klägern im Rahmen des Augenscheins bemängelten „Lücken und Löcher“ in der Lärmschutzwand. Diese sind, wie die im Rahmen des Augenscheins gefertigten Bilder zeigen, derart geringfügig, es handelt sich hierbei teilweise nur um Astlöcher, dass für die Kammer nicht erkennbar ist, wie diese zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung der Kläger führen könnten.
ee) Soweit die Kläger schließlich die Blendwirkung der Einkaufswagenbox bemängeln, führt auch das nicht zur Annahme einer unzumutbaren Rücksichtslosigkeit, da die Blendung allenfalls kurzfristig sein kann, da von einem bestimmten Winkel der Sonneneinstrahlung abhängig. Im Übrigen ist den Klägern für diese kurze Zeit das Ergreifen von herkömmlichen Schutzmaßnahmen, wie Jalousien und Vorhängen sowie das Verwenden von Sonnenbrillen durchaus zumutbar, da so Abhilfe geschaffen werden kann.
c) Da die Kammer nach alldem und unter Berücksichtigung des weiteren Vortrags der Kläger eine besondere Intensität der Störung oder der Gefährdung nachbargeschützter Rechtsgüter nicht erkennen kann, war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Da der Beigeladene einen eigenen Antrag gestellt und sich damit einem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat, erscheint es angebracht, dass die Kläger auch seine außergerichtlichen Kosten tragen (§ 162 Abs. 3 VwGO). Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben