Baurecht

Kein Rechtsschutzbedürfnis bei Fertigstellung der baulichen Anlage

Aktenzeichen  9 CS 21.2292

Datum:
15.11.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 36766
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5, § 80a Abs. 3, § 146 Abs. 4 S. 6
UmwRG § 2 Abs. 1
BauGB § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 5

 

Leitsatz

Das Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag eines Baunachbarn nach § 80a Abs. 3 VwGO, § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO entfällt bei einem Eilrechtsbehelf gegen die Baugenehmigung regelmäßig mit der Fertigstellung des Rohbaus des angegriffenen Bauvorhabens, soweit sich dieser gegen Beeinträchtigungen zur Wehr setzt, die von der Errichtung der baulichen Anlage als solcher – also vom Baukörper selbst und nicht auch von dessen Nutzung – ausgehen. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 4 S 21.992 2021-08-23 Bes VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.750,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich als eine vom Landesamt für Umwelt anerkannte Umwelt- und Naturschutzvereinigung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens gegen die der Beigeladenen vom Landratsamt R. … mit Bescheid vom 7. Mai 2021 erteilte Baugenehmigung für den Neubau eines Mobilfunkturms (21,93 m-Schleuderbetonmast mit 6,02 m-Aufsatzrohr und 2 Plattformen sowie Outdoortechnik auf Betonbodenplatten).
Das Bauvorhaben soll nach den genehmigten Bauvorlagen auf dem Grundstück FlNr. … Gemarkung I. … in … H. …, ca. 130 m entfernt von der als Einzeldenkmal in die Bayerische Denkmalliste eingetragenen Kirche St. J. … auf dem Grundstück FlNr. … derselben Gemarkung, errichtet werden. Im Rahmen des Bauantragsverfahrens sah dies das angehörte Bayerische Landesamt für Denkmalpflege als erhebliche Beeinträchtigung der landschaftsprägenden Wirkung des Kirchenbaus an.
Der Antragsteller hat gegen den Bescheid vom 7. Mai 2021 Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Seinen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage hat das Verwaltungsgericht nach Versagung einer zugleich beantragten Zwischenentscheidung (B.v. 29.7.2021) mit Beschluss vom 23. August 2021 abgelehnt. Der Antrag sei mangels Antragsbefugnis unzulässig. Die vom Antragsteller als verletzt angeführten denkmalschutzrechtlichen Vorschriften und § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 Alt. 3 BauGB stellten keine umweltbezogenen Rechtsvorschriften dar. Die außerdem von ihm geltend gemachte Verunstaltung des Orts- und Landschaftsbildes (§ 35 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Alt. 5 BauGB) sei nicht substantiiert dargelegt.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers. Die von ihm geltend gemachten denkmalschutzrechtlichen Normen seien umweltbezogene Rechtsvorschriften im Sinne des Umweltrechtsbehelfsgesetzes. Das Verwaltungsgericht verkenne die europarechtliche Ausstrahlung in das nationale Recht. Der in der Nähe zum Außenbereich errichtete Funkmast verunstalte auch das Orts- und Landschaftsbild, welches durch den Kirchenbau und die umliegende Natur geprägt werde. Dies bestätigten Stellungnahmen der Regierung von Unterfranken und des Landesamtes für Umwelt.
Der Antragsteller beantragt,
unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 23. August 2021 die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Baugenehmigung vom 7. Mai 2021 anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zu verwerfen.
Die Beschwerde sei unzulässig, da es wegen der bereits erfolgten Errichtung des Mobilfunkmastes am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis fehle. Die Abnahme sei am 26. August 2021 erfolgt; nur der Strom sei noch nicht angeschlossen. Der Antragsteller habe auch keine Antragsbefugnis. Der Denkmalschutz (Kulturgüterschutz) gehöre ausweislich der Vereinssatzung des Antragstellers nicht zu dessen originärem Vereinszweck. Eine europarechtsfreundliche Auslegung des Umweltbegriffs unter Berücksichtigung der Aarhus-Konvention rechtfertige es zudem nicht, denkmalschutzrechtliche Vorschriften als umweltbezogen anzusehen. Diese Rechtsfrage könne im summarischen Verfahren möglicherweise nicht abschließend beantwortet werden, hier aber auch dahinstehen, da die Beschwerde jedenfalls unbegründet sei. Das Erscheinungsbild der Kirche werde durch den Funkturm nicht erheblich gestört.
Die Beigeladene beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Das Verwaltungsgericht habe zutreffend entschieden. Der Antragsteller sei zudem nicht in seinem satzungsgemäßen Aufgabenbereich betroffen.
Mit Schreiben vom 5. Oktober 2021 übermittelte das Verwaltungsgericht einen bei diesem am 1. Oktober 2021 eingegangenen Schriftsatz des Landratsamts vom 27. September 2021 mit Lageplan und Lichtbilddokumentation. Danach seien die Bauarbeiten für den Funkmast am 26. Juli 2021 begonnen worden und die Rohbauarbeiten abgeschlossen. Eine Inbetriebnahme sei noch nicht erfolgt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die von den Antragstellern dargelegten Gründe, auf die die Prüfung im Beschwerdeverfahren beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz jedenfalls im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Dem Antragsteller fehlt es für seinen Antrag nach § 80a Abs. 3 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO am Rechtsschutzbedürfnis.
Das Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag eines Baunachbarn nach §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO entfällt bei einem Eilrechtsbehelf gegen die Baugenehmigung regelmäßig mit der Fertigstellung des Rohbaus des angegriffenen Bauvorhabens, soweit sich dieser gegen Beeinträchtigungen zur Wehr setzt, die von der Errichtung der baulichen Anlage als solcher – also vom Baukörper selbst und nicht auch von dessen Nutzung – ausgehen. Denn das mit dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage verbundene Ziel, die Schaffung vollendeter Tatsachen zu verhindern, ist nach Fertigstellung der baulichen Anlage nicht mehr zu erreichen. Dem rechtsschutzsuchenden Dritten würde eine Einstellung der Bauarbeiten, die er infolge einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs erreichen könnte, keinen rechtlichen Vorteil verschaffen, da die behauptete Rechtsverletzung mit der Fertigstellung des Rohbaus bereits eingetreten ist und diese nicht mehr durch Anordnung der aufschiebenden Wirkung vorläufig – bis zur Entscheidung in der Hauptsache – verhindert werden kann. Die Inanspruchnahme stellt sich dann, soweit sich der Rechtsmittelführer gegen die Errichtung der baulichen Anlage als solche wendet, als unnütz dar (vgl. BayVGH, B.v. 9.4.2021 – 9 CS 21.553 – juris Rn. 16 m.w.N.; B.v. 30.10.2013 – 9 CS 13.1728 – juris Rn. 3).
Die vorgenannte Rechtsprechung lässt sich auf den hier zu entscheidenden Fall übertragen (vgl. zum Eilantrag einer Gemeinde betreffend die Errichtung einer Mobilfunkanlage auf ihrem Gebiet: BayVGH, B.v. 4.3.2015 – 15 CS 15.361 – juris Rn. 3). Nach den Ausführungen von Antragsgegnerseite sowie den vom Landratsamt vorgelegten Lichtbildern ist der streitgegenständliche Mobilfunkturm nahezu vollständig errichtet. Dem hat der Antragsteller nicht widersprochen. Er hat zudem nichts dargelegt, woraus geschlossen werden könnte, dass sein Rechtsschutzbedürfnis dennoch fortbesteht. Hierfür ist auch sonst nichts ersichtlich. Der Antragsteller hat nur Einwände gegen den Baukörper als solchen erhoben. Dieser sei mit denkmalschutzrechtlichen Anforderungen nicht zu vereinbaren, weil die Fernwirkung der ein Baudenkmal darstellenden Kirche St. J. … durch den Funkturm erheblich beeinträchtigt werde. Zudem verunstalte er das Orts- und Landschaftsbild. Nutzungsbezogene Nachteile durch das Bauvorhaben macht er damit nicht geltend.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Da sich die Beigeladene im Beschwerdeverfahren geäußert und auch einen Antrag gestellt hat, entspricht es der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten erstattet erhält (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Nr. 9.7.1 und Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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