Baurecht

Keine rechtsmissbräuchliche Grundstücksteilung

Aktenzeichen  B 2 K 18.1252

Datum:
4.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 58542
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 6 Abs. 9, Art. 75, Art. 76

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
4. Der Kläger darf die Vollstreckung durch die übrigen Beteiligten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 115 v. H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 v. H. des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg, da der Kläger keinen Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen den Neubau des Mehrzweckgebäudes auf dem Grundstück Fl.-Nr. … der Gemarkung … hat.
I.
Die Klage ist zulässig.
Insbesondere ist für den geltend gemachten Abstandsflächenverstoß und den daraus abgeleiteten Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten gegenüber der Beigeladenen die Verpflichtungsklage als Untätigkeitsklage nach § 42 Abs. 1 2. Alt. der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – statthaft. Rechtsschutz gegen ein Vorhaben ist über die Verpflichtung auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Ausführung des Vorhabens zu suchen, wenn ein Verstoß des Vorhabens gegen eine drittschützende Vorschrift geltend gemacht wird, die im Baugenehmigungsverfahren nicht zu prüfen war, da die Baugenehmigung insoweit keine Regelung trifft. Vorliegend konnte der Kläger seine Bedenken bezüglich der Abstandsflächen nicht mittels einer Anfechtungsklage gegen die Baugenehmigung vom … geltend machen. Denn diese enthält keine Festsetzungswirkungen zu den Vorschriften des Abstandsflächenrechts, da sie im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach Art. 59 der Bayerischen Bauordnung – BayBO – a. F. ergangen ist. Die Abstandsflächenvorschriften gehörten bis zur Änderung der BayBO durch das Gesetz zur Änderung der Bayerischen Bauordnung und weiterer Rechtsvorschriften vom 10.07.2018, das am 01.09.2018 in Kraft trat, grundsätzlich nicht zum Prüfprogramm des einfachen Genehmigungsverfahrens.
Weiterhin ist die Klage nach § 75 VwGO vor Erlass eines ablehnenden Verwaltungsaktes zulässig. Ein dazu erforderlicher Antrag auf Vornahme des begehrten Verwaltungsaktes ist mit den E-Mails des Klägers vom … und … gegeben. Zwar beantragt der Kläger ausdrücklich die Baugenehmigung zurückzunehmen, der Antrag ist dennoch als Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten auszulegen. Denn der Kläger bezieht sich auf die geplante Grenzsituation mit beabsichtigter weiterer Grundstücksteilung der von seinem Grundstück abgetrennten Teilfläche, begehrt also ein Einschreiten gegen eine von ihm angenommene Verletzung des Abstandsflächenrechts, zu dem die Baugenehmigung keine Regelung trifft (s. o.). Dies wurde vom Beklagten auch erkannt, der in seinem Schreiben vom … neben dem Umstand, dass Abstandsflächenrecht nicht zum Prüfungsumfang im Baugenehmigungsverfahren gehörte auch darauf hinwies, dass Vorschriften zu Abstandsflächen eingehalten seien. Vorliegend konnte Klage vor Ablauf der Frist von 3 Monaten seit Antragstellung nach § 75 Satz 2 VwGO gestellt werden, da zum Zeitpunkt der Klageerhebung bereits mit der Bauausführung begonnen wurde und aufgrund der Ausführungen des Beklagten vom … auch nicht zu erwarten war, dass der Beklagte gegen das Vorhaben bauaufsichtlich einschreiten würde.
II.
Die Klage ist jedoch unbegründet, da der Kläger keinen Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen den Neubau des Mehrzweckgebäudes auf dem Grundstück Fl.-Nr. … Gemarkung … hat und die Unterlassung des Erlasses einer Baueinstellungsanordnung (Art. 75 Abs. 1 BayBO) oder einer Beseitigungsanordnung (Art. 76 Satz 1 BayBO) also rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Ein Anspruch des Klägers auf bauaufsichtliches Einschreiten gegenüber der Beigeladenen nach Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO besteht nicht.
Ein Verstoß des Vorhabens gegen das auch dem Schutz des Klägers als Nachbarn dienende Abstandsflächenrecht (Art. 6 BayBO) liegt nicht vor. Maßgeblich für die Einhaltung der Abstandsflächen auf einem Baugrundstück sind grundsätzlich die Grenzen des Baugrundstücks, wie sie katastermäßig ausgewiesen sind (BayVGH, B. v. 16.8.2010 – 2 ZB 10.134 – juris Rn. 6), weshalb grundsätzlich auf das Buchgrundstück abzustellen ist (vgl. BayVGH, U. v. 7.8.2009 – 15 B 09.1239n – juris Rn. 20); jedoch werden bereits geplante, absehbare Grundstücksänderungen berücksichtigt (BayVGH, B. v. 12.03.2019 – 2 CE 19.211).
Unter Berücksichtigung der geplanten, im Flurbereinigungsverfahren vorgenommenen Trennung des Grundstücks Fl.-Nr. … der Gemarkung … in einen nördlichen Teil, der dem Kläger verbleibt und einen südlichen Teil, den die Beigeladene erhält, und der weiteren Grundstückstrennung des südlichen Teils des Grundstücks (s. o.) liegt eine Verletzung von Abstandsflächen nicht vor.
Das streitgegenständliche Mehrzweckgebäude darf nach Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO mit seiner Nordwand auf der neuen Grundstücksgrenze zwischen der nördlichen und südlichen Teilfläche des Grundstücks Fl.-Nr. … errichtet werden, da es sich um ein Gebäude ohne Aufenthaltsräume und Feuerstätten mit einer mittleren Wandhöhe von unter 3 m und einer Gesamtlänge an der vom Gebäude aus gesehen nördlichen Grundstücksgrenze von 9 m handelt.
Der Bau des Mehrzweckgebäudes auf der neuen Grenze ist auch nicht nach Art. 6 Abs. 9 Satz 2 BayBO ausgeschlossen. Denn die Länge der die Abstandsflächentiefe gegenüber den Grundstücksgrenzen nicht einhaltenden Bebauung nach Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nrn. 1 und 2 BayBO auf dem maßgeblichen Baugrundstück beträgt insgesamt nicht über 15 m. Denn durch die weitere Unterteilung der südlichen Teilfläche des Grundstücks Fl.-Nr. … der Gemarkung … liegt der Anbau des Feuerwehrhauses nicht auf demselben Grundstück wie das Mehrzweckgebäude und bleibt bei der Berechnung der Länge nach Art. 6 Abs. 9 Satz 2 BayBO außer Betracht. Der Anbau des Feuerwehrhauses ist auch nicht aufgrund rechtsmissbräuchlicher Grundstücksteilung in die Berechnung der insgesamt zulässigen Grenzbebauung einzubeziehen, da die weitere Unterteilung der südlichen Teilfläche des Grundstücks Fl.-Nr. … und die Nutzung der sich daraus ergebenden Baumöglichkeit nicht rechtsmissbräuchlich sind.
Nicht jede Ausnutzung einer durch Grundstücksteilung erlangten Rechtsposition stellt einen Missbrauch dar. Hinzukommen müssen vielmehr zusätzliche Elemente, welche erst den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs zu begründen vermögen. Dabei ist auf die konkreten Umstände des Einzelfalls abzustellen, insbesondere ob der Standort der Anlage, der mit der Grundstücksteilung zur Baurechtmäßigkeit verholfen werden soll, das Interesse der Grundstücksnachbarn an ausreichender Belichtung, Belüftung und Besonnung einseitig und ohne dass dies durch triftige Erwägungen des Bauherren gerechtfertigt wäre, hintenanstellt (BayVGH, B. v. 01.03.2016 – 1 ZB 15.1560 – juris Rn. 5).
Nach diesen Maßstäben ist die vorgenommene weitere Grundstücksteilung nicht rechtsmissbräuchlich. Denn es liegen keine über die Ausnutzung der durch Grundstückteilung erlangten Baumöglichkeit hinausgehenden Elemente vor, die nach der vorzunehmenden Abwägung den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs begründen. Durch das Mehrzweckgebäude wird das Interesse des Klägers an ausreichender Belichtung, Belüftung und Besonnung nicht betroffen, da das Mehrzweckgebäude nicht in Abstandsflächen eines bestehenden Gebäudes liegt. Dem Umstand, dass der Kläger durch den Bau des Mehrzweckgebäudes bei eigenen, zukünftigen Bauvorhaben auf dem ihm verbleibenden nördlichen Grundstücksteil der Fl.-Nr. … der Gemarkung … nicht von der Möglichkeit Gebrauch machen kann, etwaige Abstandsflächen nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayBO bis zur Mitte auf den südlichen Teil des Grundstücks als öffentliche Grünfläche zu erstrecken, kommt in der vorzunehmenden Abwägung geringes Gewicht zu. Denn über das Abstandsflächenrecht hat der Kläger keinen öffentlich-rechtlichen Anspruch auf die Schaffung oder Erhaltung einer öffentlichen Grünfläche. Demgegenüber steht das Interesse der Beigeladenen an der Grundstücksteilung, dass das Feuerwehrhaus und dessen Anbau auf einem Grundstück liegen, sowie das Interesse, öffentliche Toiletten in der Ortsmitte des Ortsteils … zu schaffen.
Aufgrund des fehlenden Widerspruchs des Mehrzweckgebäudes zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die zumindest auch dazu bestimmt sind dem Schutz des Klägers als Nachbarn zu dienen, ist ein Anspruch des Klägers auf Erlass einer Anordnung gegenüber der Beigeladenen, das Mehrzweckgebäude ganz oder teilweise zu beseitigen, nach Art. 76 Satz 1 BayBO nicht gegeben.
Die Klage war nach alledem abzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO und beruht bezüglich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen auf § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, da diese einen Sachantrag gestellt und damit selbst gemäß § 154 Abs. 3 VwGO ein Kostenrisiko übernommen hat. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung – ZPO.


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