Baurecht

Keine Verletzung des Rücksichtnahmegebots bei immissionsschutzrechtlich zulässigen Immissionen durch Tranformatorenhaus

Aktenzeichen  AN 3 K 16.00414

Datum:
15.9.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 52357
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 34
BauNVO § 6, § 14, § 15
BImSchG § 3

 

Leitsatz

Gehen von einer geplanten Heizwärme- und Stromverteilerstation keine Immissionen aus, die geeignet wären, im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG erhebliche Belästigungen für die Nachbarschaft hervorzurufen, liegt wegen der vom Vorhaben ausgehenden Immissionen auch keine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme vor. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Die Klägerin kann das streitgegenständliche Vorhaben zur Errichtung einer Heizwärme- und Stromverteilerstation mit Notstromversorgung und von zwei Stellplätzen auf dem Grundstück FlNr. … aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften nicht abwehren.
Die Klägerin wird durch die angefochtene Baugenehmigung vom 9. Februar 2016 in der Fassung des Ergänzungsbescheids vom 31. August 2016 und in der Fassung des Änderungsbescheids vom 5. September 2016 in ihren Rechten nicht verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Einen Rechtsanspruch auf Aufhebung einer Baugenehmigung haben Nachbarn nicht schon dann, wenn die Baugenehmigung objektiv rechtswidrig ist. Vielmehr setzt die Aufhebung der Baugenehmigung weiter voraus, dass der Nachbar durch sie zugleich in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dies ist nur dann der Fall, wenn die zur Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung führende Norm zumindest auch dem Schutz der Nachbarn dient, also drittschützende Wirkung hat (vgl. BVerwG v. 6.10.1989 – 4 C 40.87 – juris).
Eine solche Rechtsverletzung der Klägerin durch den Baugenehmigungsbescheid des Land-ratsamtes … in der nunmehr geltenden Fassung liegt weder hinsichtlich der Vorschriften des öffentlichen Baurechts, die gerade dem Schutz individueller Interessen dienen, noch hinsichtlich des Gebots der Rücksichtnahme vor.
Bauplanungsrechtlich ist das Vorhaben der Beigeladenen als Vorhaben im planungsrechtlichen Innenbereich nach § 34 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 BauGB einzustufen. Danach ist innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist.
Entspricht, wie im vorliegenden Fall, die Eigenart der näheren Umgebung einem Mischgebiet nach § 6 BauNVO, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre.
In einem Mischgebiet nach § 6 BauNVO ist die streitgegenständliche Heizwärme- und Stromverteilerstation mit Notstromversorgung als sonstiger nicht störender Gewerbebetrieb nach § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO allgemein zulässig.
Im Übrigen würde sich die Zulässigkeit des streitgegenständlichen Vorhabens aus der Regelung des § 14 Abs. 2 BauNVO ergeben, wonach die der Versorgung der Baugebiete mit Elektrizität, Gas, Wärme und Wasser sowie zur Ableitung von Abwasser dienenden Nebenanlagen in den Baugebieten als Ausnahme zugelassen werden können. In dieser Vorschrift wird deutlich, dass die hier genannten Nebenanlagen nach der Art der baulichen Nutzung in allen Baugebieten nach § 1 Abs. 2 BauNVO mit der umgebenden Bebauung grundsätzlich städtebaulich vereinbar sind. Diese Vorschrift ist auch über § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. den Vorschriften des § 2 ff. BauNVO auch auf das hier vorliegende faktische Baugebiet anwendbar. Das geplante Vorhaben als den Baugebieten funktional zugeordnete Infrastruktureinrichtung ist damit von der Art seiner baulichen Nutzung bauplanungsrechtlich zulässig.
Ein nachbarlicher Abwehranspruch der Klägerin kann sich dann nur noch entweder über § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 15 Abs. 1 BauNVO oder über § 34 Abs. 2 BauGB aus dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme ergeben.
Nach der vorliegenden schallimmissionsschutztechnischen Untersuchung und Beurteilung gemäß TA-Lärm des Ingenieurbüros … vom 24. Februar 2016 liegen derzeit aber keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass die Klägerin durch die Nutzung der streitgegenständlichen Anlage der Beigeladenen unzumutbar in der Nutzung ihres Grundstücks beeinträchtigt wird.
Um abschätzen zu können, welche Immissionen auf das bestehende Gebäude der Klägerin auf dem Grundstück FlNr. … einwirken, die vom Vorhaben der Beigeladenen ausgehen, wurde in dem Gutachten … an der Ostfassade des Gebäudes der Klägerin der Immissionsort 1 angenommen. In diesem Gutachten wird dann festgestellt, dass auf diesen Immissionsort 1 ein Beurteilungspegel von 39 dB(A) tags und von 20 dB(A) nachts einwirkt.
Nach Ziffer 6.1 c) TA-Lärm beträgt der Immissionsrichtwert für den Beurteilungspegel für Immissionsorte außerhalb von Gebäuden in einem Mischgebiet tags 60 dB(A) und nachts 45 dB(A).
Aufgrund möglicher Summenwirkungen mit weiteren, auf die Immissionsorte einwirkenden bestehenden und geplanten Anlagen, außerhalb von Gebäuden, hat das Landratsamt entsprechend Ziffer 3.2.1 der TA-Lärm im Ergänzungsbescheid vom 31. August 2016 unter 4.2 um 6 dB(A) reduzierte Immissionsrichtwerte von 54 dB(A) tagsüber und 39 dB(A) nachts festgesetzt, die nicht überschritten werden dürfen.
Nach dem vorliegenden …-Gutachten werden diese festgesetzten Immissionsrichtwerte durch das streitgegenständliche Vorhaben um das 32-fache unterschritten, d. h. die vom streitgegenständlichen Vorhaben ausgehenden Immissionen könnten gegenüber dem angenommenen Beurteilungspegel von 39 dB(A) tags und 20 dB(A) nachts 32-fach höher sein, ohne dass der im Ergänzungsbescheid für das Anwesen der Klägerin festgesetzte Immissionsrichtwert überschritten wird.
Dies zeigt, dass für die aus dem streitgegenständlichen Vorhaben der Beigeladenen ausgehenden Immissionen noch „Luft nach oben“ besteht, um die im Ergänzungsbescheid festgelegten Immissionsgrenzwerte einhalten zu können.
Entgegen der klägerischen Auffassung entsteht zwischen der geplanten Heizwärme- und Stromverteilerstation in der Südostecke des Grundstücks FlNr. … und dem bestehenden Gebäude auf dem klägerischen Grundstück FlNr. … keine Konfliktlage.
Entsprechend Nr. 6.7 der TA-Lärm ist auch kein Raum für die Festlegung eines Zwischenwertes zum klägerischen Grundstück hin, da Baugrundstück und klägerisches Grundstück im gleichen Gebietstyp, nämlich in einem Mischgebiet, liegen.
Somit löst das Vorhaben der Beigeladenen keine Immissionen aus, die gegenüber dem klägerischen Anwesen unzumutbar sind, weil, wie oben bereits festgestellt, die Immissionen, wie das vorgelegte Lärmgutachten vom 24. Februar 2016 zeigen, nicht geeignet sind, im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG, erhebliche Belästigungen für die Nachbarschaft hervorzurufen.
Ist nach ständiger Auffassung (vgl. BayVGH, B.v. 29.9.2010 – 14 CS 10.1780 – juris) davon auszugehen, dass der Schutz vor Immissionen für das Gebot der Rücksichtnahme kein anderer ist und nicht weitergeht als der Schutz nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz, ist gleichermaßen davon auszugehen, dass durch das streitgegenständliche Vorhaben und dessen beabsichtigte Nutzung das gegenüber dem klägerischen Gebäude zu wahrende Gebot der Rücksichtnahme nicht verletzt wird.
Eine Verletzung sonstiger Vorschriften, die Prüfungsgegenstand des durchgeführten vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens nach Art. 59 BayBO waren, ist nicht erkennbar.
Die Klage war demnach abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708, 711 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift:
Ludwigstraße 23, 80539 München;
Postfachanschrift:
Postfach 34 01 48, 80098 München, oder in
in Ansbach:
Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Antragsschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Beschluss:
Der Gegenstandswert wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG).
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.


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