Baurecht

Kostenentscheidung nach Verfahrenseinstellung einer baurechtlichen Nachbarklage

Aktenzeichen  M 8 K 16.762

Datum:
24.11.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 92 Abs. 3, § 161 Abs. 2
BayBO BayBO Art. 59 S. 1 Nr. 2

 

Leitsatz

Auf die Entscheidung der Beklagten hin, eine rechtwidrige Baugenehmigung aufzuheben und auch die Erledigung der Hauptsache zu veranlassen, ist das Ermessen über die Kostenentscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO dahingehend auszulegen, dass die Kosten dem Beklagten auferlegt werden. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Das Verfahren wird eingestellt.
II.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III.
Der Streitwert wird auf 7.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Am 28. September 2016 erließ die Beklagte den Aufhebungs- und Ablehnungsbescheid, mit dem der streitgegenständliche Bescheid vom 19. Januar 2016 aufgehoben und der diesem zugrunde liegende Bauantrag vom 2. Dezember 2015 abgelehnt wurde.
Mit Schreiben vom 1. November 2016 teilten die Bevollmächtigten der Beigeladenen dem Gericht mit, dass dieser Aufhebungs- und Ablehnungsbescheid bestandskräftig geworden sei. Im Hinblick auf die Bestandskraft des Aufhebungsbescheids vom 28. September 2016 erklärten die Bevollmächtigten der Beigeladenen den Rechtsstreit für erledigt.
Mit Schreiben vom 10. November 2016, beim Gericht eingegangen am 14. November 2016, stimmte die Beklagte der Erledigung der Hauptsache zu.
Mit einem am selben Tag beim Gericht eingegangenen Schreiben vom 23. November 2016 erklärten die Klägerbevollmächtigten die Hauptsache für erledigt und beantragten,
der Beklagten sowie den Beigeladenen die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Aufwendungen der Kläger für die Einschaltung der Unterfertigten aufzuerlegen.
Durch die im Ergebnis zutreffende, die rechtswidrige Baugenehmigung aufhebende Entscheidung der Beklagten vom 28. September 2016 habe die Beklagte nicht nur dem Klagebegehren der Kläger entsprochen, sie habe überdies auch einseitig den Grund für die eingetretene Hauptsacheerledigung gesetzt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte verwiesen.
II.
1. Die Erklärung der Beigeladenen vom 1. November 2016 ist als eine Anregung zur Abgabe einer prozessbeendenden Erklärung aufgrund des Eintritts des erledigenden Ereignisses zu verstehen. Mit Schreiben vom 23. November 2016 haben die Kläger die Hauptsache für erledigt erklärt. Die Beklagte hat der Erledigung bereits vorab mit ihrem Schreiben vom 10. November 2016 zugestimmt.
2. Das Verfahren ist daher in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) einzustellen. Über die Kosten des Verfahrens ist gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen zu entscheiden. Dem billigen Ermessen entspricht es im vorliegenden Fall, die Kosten der Beklagten aufzuerlegen. Durch die Rücknahme der streitgegenständlichen Baugenehmigung vom 19. Januar 2016 mit Aufhebungs- und Ablehnungsbescheid vom 28. September 2016 hat die Beklagte aus eigenem Willensentschluss die Erledigung der Hauptsache veranlasst (vgl. Schmidt in: Eyermann, VwGO 14. Auflage 2014, § 161 Rn. 18 m. w. N.). Die Beklagte begründete ihre Rücknahmeentscheidung insbesondere damit, dass die Baugenehmigung vom 19. Januar 2016 rechtswidrig ist und Nachbarrechte verletzt (vgl. Seite 2, 1. Absatz des Bescheids vom 28. September 2016).
2.1 Es entspricht ferner der Billigkeit die Kosten des Verfahrens allein der Beklagten und nicht – entsprechend dem Antrag der Klagepartei – auch den Beigeladenen aufzuerlegen. Eine anteilige Kostentragungspflicht der Beigeladenen wäre in Orientierung an §§ 154 Abs. 1 und 3, 159 Satz 1 VwGO i. V. m. § 100 Abs. 1 ZPO nur gerechtfertigt, wenn das Gericht im Rahmen der summarischen Prüfung der voraussichtlichen Erfolgsaussichten der Hauptsache nach bisherigem Sach- und Streitstand zu dem Ergebnis gekommen wäre, dass die Beigeladenen im Rechtsstreit unterliegen würden (vgl. BayVGH, B.v. 31.10.2016 – 15 B 16.1001 – juris).
Vorliegend sind jedoch die Erfolgsaussichten der Drittanfechtungsklage der Kläger nach bisherigem Sach- und Streitstand als offen zu betrachten.
Aus dem Aufhebungs- und Ablehnungsbescheid der Beklagten ergibt sich zwar, dass die streitgegenständliche Baugenehmigung rechtswidrig ist und insbesondere auch Nachbarrechte verletzt. Eine Nachbarrechteverletzung der Kläger durch das streitgegenständliche Vorhaben geht jedoch aus den dem Gericht vorliegenden Unterlagen nicht mit hinreichender Deutlichkeit hervor.
2.2 Dritte können sich gegen eine Baugenehmigung nur dann mit Aussicht auf Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit zumindest auch auf der Verletzung von im Baugenehmigungsverfahren zu prüfenden Normen beruht, die gerade dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind (BayVGH, B. v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20, 22).
Aus der Ziffer 1 des Aufhebungsbescheids vom 28. September 2016 folgt, dass unter anderem fehlerhafte Pläne zur Rücknahme der streitgegenständlichen Baugenehmigung geführt haben. Allerdings kann diesen Ausführungen nicht entnommen werden, dass diese Mängel der Planunterlagen geeignet sind, gerade die Nachbarrechte der Kläger zu verletzen.
In Ziffer 2 des Bescheids vom 28. September 2016 ist ausgeführt, dass zwischen dem klägerischen Grundstück Fl.Nr. … (…straße 44) und dem geplanten Wintergarten ein zu geringer Abstand entstehe, da der Wintergarten weit auf das Vorhabengrundstück vorrücke. Allerdings hat die Beklagte die Verletzung des planungsrechtlichen Gebots der Rücksichtnahme nur im Hinblick auf das Nachbargrundstück Fl.Nr. … (…straße 46) bejaht, so dass sich aus der Aufhebungsentscheidung keine Verletzung des Rücksichtnahmegebots gegenüber dem Klägergrundstück ergibt. Eine Rücksichtslosigkeit des streitgegenständlichen Vorhabens gegenüber dem Klägeranwesen kann nach bisherigem Sach- und Streitstand weder bestätigt noch widerlegt werden.
Soweit in Ziffer 3 des Aufhebungsbescheids vom 28. September 2016 ein Abstandsflächenverstoß des streitgegenständlichen Vorhabens gegenüber dem Grundstück der Kläger festgestellt wurde, kann daraus keine Rechtsverletzung der Kläger abgeleitet werden. Die angefochtene Baugenehmigung wurde im vereinfachten Verfahren nach Art. 59 BayBO erteilt, so dass die Vorschriften des Bauordnungsrechts von der Beklagten grundsätzlich nicht zu prüfen waren. Abweichungen wegen Nichteinhaltung drittschützender Vorschriften des Bauordnungsrechts – insbesondere die des Abstandsflächenrechts – wurden vorliegend weder beantragt noch erteilt (vgl. Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO).
3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetztes (GKG) i. V. m. Ziffer 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


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