Baurecht

Nachbarantrag gegen Baugenehmigung für Mehrfamilienhaus

Aktenzeichen  RN 6 S 20.3059

Datum:
23.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 43386
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 6 Abs. 6

 

Leitsatz

1. Das Rechtsschutzbedürfnis für Nachbaranträge auf vorläufigen Rechtsschutz entfällt mit der Fertigstellung des Rohbaus in der Regel dann, wenn der Nachbar nur eine Beeinträchtigung durch das Gebäude als solches vorläufig abwehren will. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der Frage, ob das 16 m-Privileg in Anspruch genommen werden kann, sind nur die abstandsflächenrelevanten Abschnitte der Außenwand, mithin diejenigen Abschnitte, die die Abstandsfläche von 1 H nicht einhalten, relevant. Es ist daher möglich, dass auf einer Wandlänge von 16 m nur die halbierte Abstandsflächentiefe eingehalten wird und für den restlichen Teil der Außenwand sodann eine Abstandsflächenübernahme auf ein Nachbargrundstück erklärt wird, vgl. VGH München BeckRS 1992, 10982. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
III. Der Streitwert wird auf 7.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Antragsteller, Eigentümer des Grundstücks …, (FlNr. 106/70 der Gemarkung …), wenden sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine der Beigeladenen vom Landratsamt P. (LRA) erteilte Baugenehmigung für die Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit drei Garagen auf dem südlich angrenzenden Grundstück …, … (FlNr. 106/79 der Gemarkung …). Die Grundstücke befinden sich im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplanes „…“ (Dbl. Nr. 20), in dem für den betreffenden Bereich ein allgemeines Wohngebiet festgesetzt ist.
Das Bauvorhaben (bestehend aus mehreren Häusern) war von der Gemeinde … zunächst im Rahmen eines Genehmigungsfreistellungsverfahrens im Sinne von Art. 58 BayBO als von der Genehmigungspflicht freigestelltes Vorhaben behandelt worden. Nachdem bei einer Baukontrolle durch das LRA am 5. November 2020 planabweichende Baumaßnahmen festgestellt worden waren, ordnete dieses am 6. November 2020 die Einstellung der Bauarbeiten an.
Mit Bauantrag vom 8. November 2020, eingegangen bei der Gemeinde … am 18. November 2020, beantragte die Beigeladene die Baugenehmigung für die Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit drei Garagen auf dem Baugrundstück. Darüber hinaus beantragte sie die Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes wegen Überschreitung der Baugrenzen im Süden im Rahmen der Errichtung zweier Balkone, sowie im Norden im Rahmen der Errichtung einer Stützmauer.
Mit Erklärung vom 18. November 2020 erklärten die Eigentümer des nördlich angrenzenden Grundstücks FlNr. 106/65 der Gemarkung … ihre Zustimmung zur Abstandsflächenübernahme auf einer Breite von 10 cm und in einer Tiefe von 2,29 m auf ihr Grundstück.
Mit ihrer Stellungnahme vom 20. November 2020 erteilte die Gemeinde … für das Bauvorhaben das gemeindliche Einvernehmen.
Mit Erklärung vom 29. November 2020 erklärte die Beigeladene als Eigentümerin des südlich angrenzenden Grundstücks FlNr. 106/77 der Gemarkung … ihre Zustimmung zur Übernahme von Abstandsflächen auf einer Breite von 4,25 m und in einer Tiefe von 23 cm auf ihr Grundstück.
Mit Bescheid vom 3. Dezember 2020 erteilte das LRA die Baugenehmigung für das Bauvorhaben. Zudem erteilte es antragsgemäß die Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplanes für die Überschreitung der Baugrenzen im Norden und Süden. Der Bescheid wurde den Antragstellern mittels Übergabeeinschreiben (Art. 4 VwZVG) am 7. Dezember 2020 zugestellt.
Mit Schreiben vom 9. Dezember 2020, eingegangen beim LRA am 14. Dezember 2020, zeigte der nunmehrige Bevollmächtigte der Antragsteller deren Vertretung gegenüber dem LRA an. Gleichzeitig beantragte er, die Vollziehung der Baugenehmigung vom 3. Dezember 2020 auszusetzen und gegen die Bautätigkeit bauaufsichtlich einzuschreiten. Auf die im Schreiben enthaltene Begründung wird Bezug genommen.
Mit am 11. Dezember beim Verwaltungsgericht Regensburg eingegangenen Telefax ließen die Antragsteller über ihren nunmehrigen Bevollmächtigten vorliegenden Antrag im einstweiligen Rechtsschutz stellen und mit am 14. Dezember 2020 beim Verwaltungsgericht Regensburg eingegangenem Telefax Klage gegen die Baugenehmigung vom 3. Dezember 2020 erheben (Az. RN 6 K 20.3076), über die noch nicht entschieden ist. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, die Baugenehmigung sei rechtswidrig und verletze die Antragsteller in ihren Rechten. Dies sei deswegen der Fall, weil durch das Bauvorhaben das Abstandsflächenrecht verletzt werde. Auf der Nordseite sei die Situation gegeben, dass in fertigem Zustand auf einer Länge von mehr als 16 m gegen Abstandsflächenrecht verstoßen werde. Die Überschreitung der Länge sei unstreitig, da nach der weiteren Bauausführung – wobei unter anderem die Wände noch verputzt werden müssen – die im Eingabeplan angegebene Länge von 15,99 m nicht eingehalten werden könne. Es könne vorliegend auch nicht das Halbseitenprivileg in Anspruch genommen werden durch eine Abstandsflächenübernahme von 10 cm auf ein fremdes, drittes Grundstück. Es liege auf der Hand, dass ein Nachbar nicht zulasten eines anderen Nachbarn eine TeilÜbernahme von Abstandsflächen erklären könne und sich dadurch die Wandlänge reduzieren solle.
Der Antragsteller beantragt,
1. die Vollziehung der der Beigeladenen mit Bescheid des Landratsamtes Passau vom 3. Dezember 2020 erteilten baurechtlichen Genehmigung auszusetzen,
bzw. die aufschiebende Wirkung der Klage gegen diesen Genehmigungsbescheid des Landratsamtes Passau anzuordnen, sowie
2. dem Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung aufzugeben, die Bauarbeiten auf dem Grundstück der Beigeladenen durch eine für sofort vollziehbar zu erklärende Ordnungsverfügung vorläufig stillzulegen, sowie vorsorglich
3. der Beigeladenen einstweilen bis zur endgültigen Entscheidung der Kammer über den Eilantrag aufzugeben, die weitere Bauausführung zu unterlassen und ggf. auch die Aufnahme der genehmigten Nutzung zu untersagen,
bzw. dem Antragsgegner aufzugeben, durch für sofort vollziehbar erklärte Verfügung die bereits seitens der Beigeladenen begonnenen Ausführungsarbeiten stillzulegen und ihr ggf. auch die Aufnahme der Nutzung zu untersagen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, der Antrag sei wegen fehlendem Rechtsschutzbedürfnis bereits unzulässig. Dies sei deswegen der Fall, weil in der Gesamtschau davon ausgegangen werden könne, dass der Rohbau als fertiggestellt angesehen werden könne. Wenn ein Bauvorhaben in diesem Sinne ganz oder zum Teil fertiggestellt sei, fehle einem auf Einstellung der Bauarbeiten gerichteten Eilantrag das Rechtsschutzinteresse. Zudem sei der Antrag unbegründet, da das Vorhaben insbesondere nicht gegen Abstandsflächenrecht verstoße. Hinsichtlich der nördlichen und südlichen Außenwand habe die Beigeladene vom 16 m-Privileg des Art. 6 Abs. 6 BayBO Gebrauch gemacht. Für die Berechnung der relevanten Länge des Gebäudes sei nur die abstandsrelevante Länge entscheidend, mithin nur diejenigen Wandteile, die eine geringere Abstandsfläche einhalten als 1 H. Möglich sei die Einhaltung des 16 m-Privilegs, wenn für den übrigen Wandteil die Abstandsfläche ganz oder teilweise gem. Art. 6 Abs. 2 Satz 3 BayBO von angrenzenden Nachbarn übernommen würden. Aufgrund der Übernahme von Abstandsflächen auf einer Breite von 10 cm und einer Tiefe von 2,29 m durch die Eigentümer des an das Baugrundstück angrenzenden Grundstückes FlNr. 106/65 der Gemarkung … reduziere sich im vorliegenden Fall der abstandsflächenrelevante Wandteil von 15,99 m auf 15,89 m. Auch nach Auftragung des Außenputzes werde die nördliche Außenwand eine Länge von 16 m nicht überschreiten. Damit sei die Anwendung des 16 mPrivilegs rechtlich zulässig.
Mit Schreiben vom 21. Dezember 2020 erklärte der Bevollmächtigte der Antragsteller, dass der Rohbau keineswegs als fertig zu betrachten sei, da wesentliche typische Rohbauleistungen noch ausstünden.
Für weitere Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist bereits unzulässig. Der Hilfsantrag auf bauaufsichtliches Einschreiten ist jedenfalls unbegründet.
1. Hinsichtlich des Antrages auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist das Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses zu verneinen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes entfällt das Rechtsschutzbedürfnis für Nachbaranträge auf vorläufigen Rechtsschutz mit der Fertigstellung des Rohbaus in der Regel dann, wenn der Nachbar nur eine Beeinträchtigung durch das Gebäude als solches vorläufig abwehren will. Im Falle einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung erst nach der Fertigstellung des Rohbaus und einer darauf folgenden Baueinstellung durch die Behörde könnte die Rechtsstellung des Nachbarn im Regelfall nicht mehr verbessert werden, sofern sich der Nachbar nur gegen Beeinträchtigungen zur Wehr setzt, die von der Errichtung des Baukörpers als solchem ausgehen. Dann nämlich sind durch die Fertigstellung des Rohbaus gerade in Bezug auf die geltend gemachten Rechtsverletzungen bereits vollendete Tatsachen geschaffen. Die Rechtsverletzung ist dann bereits eingetreten und kann nicht mehr durch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung und die Einstellung der Bauarbeiten, die der Nachbar infolge der Anordnung der aufschiebenden Wirkung letztlich erreichen könnte, vorläufig – bis zur Entscheidung in der Hauptsache – verhindert werden. Anders ist dies lediglich dann, wenn sich der Antragsteller nicht nur gegen Rechtsverletzungen wendet, die vom – fertiggestellten – Baukörper als solchem ausgehen, sondern er sich zudem auch durch die Nutzung des betreffenden Bauvorhabens in seinen Rechten verletzt sieht (vgl. zum Ganzen BayVGH, B.v. 12.2.2020 – 15 CS 20.45 – juris Rn.11; B.v. 14.6.2007 – 1 CS 07.265 – juris Rn. 16; B.v. 7.7.2008 – 15 CS 08.1303 – juris Rn. 9; B.v. 4.3.2009 – 2 CS 08.3331 – juris Rn. 2 f.; B.v. 26.7.2010 – 2 CS 10.465 – juris Rn. 2; B.v. 12.8.2010 – 2 CS 10.20 – juris Rn. 2 f.; B.v. 8.4.2014 – 9 CS 13.2007 – juris Rn. 17; B.v. 17.11.2015 – 9 CS 15.1762 – juris Rn. 18 f.; B.v. 8.12.2017 – 1 CS 17.2159 – juris Rn. 3; B.v. 18.12.2017 – 1 CS 17.2337 – juris Rn. 3; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 10.04.2018 – OVG 10 S 40.17 – juris Rn. 3; VGH BW, B.v. 27.8.2014 – 3 S 1400/14 – juris Rn. 5; B.v. 1.4.2019 – 5 S 2102/18 – BauR 2019, 1298 = juris Rn. 4; OVG S-A, B.v. 21.12.2018 – 2 M 117/18 – juris Rn. 9; OVG NW, B.v. 16.5.2011 – 2 B 385/11 – juris Rn. 8; ebenso bei einem Antrag gem. § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO vgl. BayVGH, B.v. 20.2.2013 – 15 CS 12.2425 – juris Rn. 19; BayVGH, B.v. 5.11.2019 – 15 CS 19.1845 – juris Rn. 14).
2. Im vorliegenden Fall ist nach Auffassung des Gerichts von der Fertigstellung des Rohbaus auszugehen. Auf den Fotos auf den Seiten 116-126 der Behördenakte zum Genehmigungsverfahren ist der Baufortschritt vom 14. Dezember 2020 zu sehen. Dort wird deutlich, dass neben der Errichtung sämtlicher Außenwände des Gebäudes auch der Dachstuhl vollständig fertiggestellt wurde. Auch die Dachziegel wurden inzwischen bis auf kleinere, lückenhafte Stellen angebracht, des Weiteren die Fenster zum Teil inzwischen eingebaut. Die Tatsache, dass nach den Angaben des LRA die Dacheindeckung noch nicht vollständig fertiggestellt sei, sowie das Traufblech und die Abläufe noch fehlen würden, ändert nichts daran, dass bei einer derartigen Sachlage bei summarischer Prüfung davon auszugehen ist, dass der Zustand der Fertigstellung des Rohbaus erreicht, wenn nicht sogar überschritten wurde. Auch der Einwand der Antragstellerseite, dass die Balkonplatten noch fehlen würden oder die Breite der Treppen noch geändert werden müsse, kann nicht verfangen, da dies die Tatsache des Vorliegens eines fertigen Rohbaus nicht in Zweifel ziehen kann.
Die Antragsteller berufen sich vorliegend zudem mit dem geltend gemachten Verstoß gegen Abstandsflächenrecht lediglich auf eine Rechtsverletzung, die ausschließlich von der baulichen Anlage als solcher ausgeht. Dabei liegen nach Auffassung des Gerichts im Hinblick auf diesen geltend gemachten Rechtsverstoß in der konkreten Form auch schon vollendete Tatsachen im Sinne der oben dargelegten Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vor. Es wird gerügt, dass ein Verstoß gegen Abstandsflächenrecht auf der Nordseite des Gebäudes vorliege. Dabei wird thematisiert, dass das 16 m-Privileg des Art. 6 Abs. 6 BayBO auf dieser Seite nicht in Anspruch genommen werden könne, weil die im Eingabeplan enthaltene Längenangabe von 15,99 m durch die Anbringung des Außenputzes noch überschritten werde und auch durch die erfolgte Abstandsflächenübernahme durch die Eigentümer des angrenzenden Grundstückes FlNr. 106/65 eine Unterschreitung der Länge von 16 m nicht mehr erreicht werden könne. Obwohl nach summarischer Prüfung davon auszugehen ist, dass der Außenputz bislang noch nicht angebracht wurde und die Antragsteller letztlich eine Rechtsverletzung aufgrund der Länge der Außenwand samt Putz geltend machen, ist hierbei festzuhalten, dass auch in einem so gelagerten Fall der Kern eines potentiellen Rechtsverstoßes wegen Überschreitung der relevanten Länge von 16 m im Sinne des Art. 6 Abs. 6 BayBO durch die vollständige Errichtung des Baukörpers als solchem im Wesentlichen vollendet wäre. Hinzu kommt, dass im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen eine Baugenehmigung streitgegenständlich die Baugenehmigung in der Form zu betrachten ist, wie sie sich in Verbindung mit dem dazugehörigen Eingabeplan darstellt. Nach diesem erstreckt sich die Außenwand des Bauvorhabens über eine Länge von 15,99 m und eine Bauausführung entsprechend der Genehmigung hielte somit die Vorgabe des Art. 6 Abs. 6 BayBO ein. Auch dies spricht gegen das Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses der Antragsteller im vorliegenden Fall.
3. Da der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung keinen Erfolg hat, war über den Hilfsantrag gem. § 123 Abs. 1 VwGO auf bauaufsichtliches Einschreiten zu entscheiden.
Nach § 123 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf die Streitsache treffen, wenn die Gefahr besteht, dass ohne die beantragte Maßnahme die Verwirklichung eines Rechtes der Antragsteller vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog. Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn die Regelung notwendig ist, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gefahren zu verhindern (sog. Regelungsanordnung). In entsprechender Anwendung des § 920 ZPO (§ 123 Abs. 3 VwGO) sind sowohl ein Anordnungsgrund als auch ein Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen.
Ein Anordnungsanspruch ist nur dann gegeben, wenn für das Hauptsacheverfahren bei summarischer Prüfung überwiegende Erfolgsaussichten bestehen. Maßgeblich ist für diese Bewertung des Hauptsacheverfahrens die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts. Im vorliegenden Fall fehlt es an einem Anordnungsanspruch, da die Antragsteller nicht mit der im Rahmen der Glaubhaftmachung erforderlichen Wahrscheinlichkeit darlegen können, dass sie einen Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten infolge der Verletzung von nachbarschützenden Vorschriften haben. Streitig ist hier der Abstandsflächenverstoß auf der Nordseite des Gebäudes nach Anbringung des Außenputzes, dabei insbesondere die Frage, ob das 16 m-Privileg des Art. 6 Abs. 6 BayBO in Anspruch genommen werden kann. Hierbei ist festzuhalten, dass für die Längenberechnung in diesem Rahmen nur die abstandsflächenrelevanten Abschnitte der Außenwand, mithin diejenigen Abschnitte, die die Abstandsfläche von 1 H nicht einhalten, relevant sind (vgl. Simon/Busse/Hahn, 139. EL Oktober 2020, BayBO Art. 6 Rn. 350). Insofern ist es nach der Aktenlage als überwiegend wahrscheinlich anzusehen, dass eine Nachbarrechtsverletzung in diesem Kontext nicht gegeben sein wird, da voraussichtlich eine abstandsflächenrelevante Länge von weniger als 16 m anzunehmen sein wird. Dies ist deswegen der Fall, weil es nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes für möglich gehalten wurde, dass auf einer Wandlänge von 16 m nur die halbierte Abstandsflächentiefe eingehalten wird und für den restlichen Teil der Außenwand sodann eine Abstandsflächenübernahme auf ein Nachbargrundstück erklärt wird (vgl. Simon/Busse/Hahn, 139. EL Oktober 2020, BayBO Art. 6 Rn. 351; BayVGH, Urt. v. 18.2.1992 – 20 CS 91. 3604, BeckRS 1992, 10982; v. 16.7.1997 – 2 B 96. 201). Eine solche Abstandsflächenübernahme wurde von den Eigentümern des ebenfalls nördlich angrenzenden Grundstückes FlNr. 106/65 der Gemarkung … erklärt. Ob die genaue Situierung der Abstandsflächenübernahme in der Art und Weise wie sie hier erfolgt ist, so möglich ist, wird im Hauptsacheverfahren zu klären sein und kann im Rahmen der summarischen Prüfung des vorläufigen Rechtsschutzes nicht geklärt werden.
Zudem ist der Umstand einzubeziehen, dass die Anbringung des Putzes eine bauliche Maßnahme darstellt, die nicht als irreversibel einzustufen wäre, was zur Folge hat, dass deren potentielle Vornahme die Antragsteller nicht über Gebühr belasten würde. Ebenfalls zu berücksichtigen ist der Umstand, dass sich das Gebäude, welches sich auf dem Grundstück der Antragsteller befindet, ausweislich der Auszüge aus dem Liegenschaftskataster, sowie der Fotos auf den Seiten 61-63 der Behördenakte zum Genehmigungsfreistellungsverfahren, leicht versetzt zum errichteten Rohbau befindet. Auch dies redu ziert die Spürbarkeit der Belastung, die sich durch einen potentiellen Abstandsflächenverstoß des Bauvorhabens auf der Nordseite für die Antragsteller ergeben könnte.
Der Eilantrag war damit mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren den Antragstellern nicht aufzuerlegen, da die Beigeladene keinen eigenen Antrag gestellt und sich damit keinem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich gem. § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. den Nr. 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Der Hilfsantrag war entsprechend Nr. 1.1.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit streitwerterhöhend zu berücksichtigen.


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