Baurecht

Nachbarklage, Baugenehmigung für den Neubau eines Einfamilienhauses, Rücksichtnahmegebot, grenzständiger Versatz des Bauvorhabens gegenüber Nachbargebäude, keine Abstandsflächen bei zulässigem Grenzanbau

Aktenzeichen  M 8 K 20.2379

Datum:
11.10.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 41773
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1
BauGB § 34
BauNVO § 15 Abs. 1
BayBO Art. 6 Abs. 1 S. 3

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist für die Beklagte ohne, für die Beigeladene gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet. 

Gründe

I. Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die streitgegenständliche Baugenehmigung vom 29. April 2020 verstößt nicht gegen im vorliegend einschlägigen vereinfachten Genehmigungsverfahren nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 i.V.m Art. 59 Satz 1 Bayerische Bauordnung (BayBO) zu prüfende, (auch) die Klägerin schützende öffentlich-rechtliche Vorschriften (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
Dritte können sich gegen eine Baugenehmigung nur dann mit Aussicht auf Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit zumindest auch auf der Verletzung von Normen beruht, die gerade auch dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO; BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20). Es genügt daher nicht, wenn die Baugenehmigung gegen Rechtsvorschriften des öffentlichen Rechts verstößt, die nicht – auch nicht teilweise – dem Schutz der Eigentümer benachbarter Grundstücke zu dienen bestimmt sind. Dabei ist zudem zu beachten, dass ein Nachbar eine Baugenehmigung nur dann mit Erfolg anfechten kann, wenn die Genehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit sich aus einer Verletzung von Vorschriften ergibt, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen waren, also die gerügte Rechtsverletzung Gegenstand des Prüfprogramms im einschlägigen Baugenehmigungsverfahren war (vgl. BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20; B.v. 8.8.2016 – 9 ZB 14.2808 – juris Rn. 9; B.v. 20.3.2018 – 15 CS 17.2523 – juris Rn. 23). Verstößt ein Vorhaben gegen eine drittschützende Vorschrift, die im Baugenehmigungsverfahren nicht zu prüfen war, trifft die Baugenehmigung insoweit keine Regelung und ist der Nachbar darauf zu verweisen, Rechtsschutz gegen das Vorhaben über einen Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Ausführung dieses Vorhabens zu suchen (vgl. BVerwG, B.v. 16.1.1997 – 4 B 244/96 – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 14.10.2008 – 2 CS 08.2132 – juris Rn. 3).
1. Das Vorhaben, dessen bauplanungsrechtliche Zulässigkeit sich im Hinblick auf das vorhandene Bauliniengefüge nach § 30 Abs. 3 Baugesetzbuch (BauGB) und im Übrigen nach § 34 BauGB richtet, verletzt keine (auch) die Klägerin schützende Vorschriften des Bauplanungsrechts, die im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a) BayBO zu prüfen sind.
Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist ein Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der Baunutzungsverordnung (BauNVO) bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre, § 34 Abs. 2 Halbsatz 1 BauGB.
a) Eine Verletzung von Nachbarrechten hinsichtlich des Einfügensmerkmals der Art der baulichen Nutzung, namentlich eines etwaigen Gebietserhaltungsanspruchs, ist nicht ersichtlich.
Der Gebietserhaltungsanspruch des Nachbarn setzt voraus, dass das Grundstück in einem festgesetzten oder in einem faktischen Baugebiet (§ 34 Abs. 2 BauGB) liegt, und ist im Ergebnis darauf gerichtet, Vorhaben zu verhindern, die nach Art der baulichen Nutzung weder regelmäßig noch ausnahmsweise in diesem Gebiet zulässig sind (vgl. BVerwG, U.v. 16.9.1993 – 4 C 28/91 – juris Rn. 13).
Maßgeblicher Beurteilungsrahmen ist die Eigenart der näheren Umgebung. Der die nähere Umgebung bildende Bereich reicht so weit, wie sich die Ausführung des zur bauaufsichtlichen Prüfung gestellten Vorhabens auswirken kann und wie die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst (vgl. BVerwG, U.v. 26.5.1978 – 4 C 9.77 – juris Rn. 33; U.v. 5.12.2013 – 4 C 5.12 – juris Rn. 10; B.v. 20.8.1998 – 4 B 79.98 – juris Rn. 7; U.v. 8.12.2016 – 4 C 7.15 – juris Rn. 9; B.v. 27.3.2018 – 4 B 60.17 – juris Rn. 7), wobei darauf abzustellen ist, was in der Umgebung tatsächlich vorhanden ist, so dass zur maßstabsbildenden „vorhandenen Bebauung“ auch ein qualifiziert geplantes Gebiet gehören kann (vgl. BVerwG, B.v. 27.3.2018 – 4 B 60.17 – juris Rn. 7; B.v. 10.7.2000 – 4 B 39.00 – juris Rn. 7; B.v. 24.11.2009 – 4 B 1.09 – juris Rn. 5). Daraus folgt, dass nicht nur die unmittelbare Nachbarschaft des Baugrundstücks zu berücksichtigen ist, sondern auch die Bebauung der weiteren Umgebung insoweit berücksichtigt werden muss, als auch diese noch prägend auf das Baugrundstück einwirkt (vgl. BVerwG, U.v. 26.5.1978 – 4 C 9.77 – juris Rn. 33). Wie weit diese wechselseitige Prägung reicht, ist eine Frage des Einzelfalls. Die Grenzen der näheren Umgebung lassen sich nicht schematisch festlegen, sondern sind nach der städtebaulichen Situation zu bestimmen, in die das für die Bebauung vorgesehene Grundstück eingebettet ist (vgl. BVerwG, B.v. 28.8.2003 – 4 B 74.03 – juris Rn. 2; BayVGH, B.v. 16.12.2009 – 1 CS 09.1774 – juris Rn. 21; B.v. 27.9.2010 – 2 ZB 08.2775 – juris Rn. 4). In der Regel gilt bei einem inmitten eines Wohngebiets gelegenen Vorhaben als Bereich gegenseitiger Prägung das Straßengeviert und die gegenüberliegende Straßenseite (vgl. BayVGH, U.v. 10.7.1998 – 2 B 96.2819 – juris Rn. 25; B.v. 27.9.2010 – 2 ZB 08.2775 – juris Rn. 4; U.v. 12.12.2013 – 2 B 13.1995 – juris Rn. 16; B.v. 30.1.2013 – 2 ZB 12.198 – juris Rn. 5; U.v. 24.7.2014 – 2 B 14.1099 – juris Rn. 20; B.v. 14.2.2018 – 1 CS 17.2496 – juris Rn. 16 f.; OVG Koblenz, U.v. 8.3.2017 – 8 A 10695/16 – Rn. 30; VG München, U.v. 25.1.2016 – M 8 K 14.5723 – juris Rn. 34; U.v. 22.1.2018 – M 8 K 16.3662 – juris Rn. 47 f.). Dabei ist jedoch die maßgebliche nähere Umgebung für jedes der in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB aufgeführten Zulässigkeitsmerkmale gesondert zu ermitteln, weil die prägende Wirkung der jeweils maßgeblichen Umstände unterschiedlich weit reichen kann (vgl. BVerwG, B.v. 6.11.1997 – 4 B 172.97 – juris Rn. 5; B.v. 13.5.2014 – 4 B 38.13 – juris Rn. 7; U.v. 8.12.2016 – 4 C 7.15 – juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 16.12.2009 – 1 CS 09.1774 – juris Rn. 21; U.v. 18.7.2013 – 14 B 11.1238 – juris Rn. 19; B.v. 14.2.2018 – 1 CS 17.2496 – juris Rn. 13). Entscheidend ist auch hier, wie weit die wechselseitigen Auswirkungen im Verhältnis von Vorhaben und Umgebung im Einzelfall reichen (vgl. OVG Münster, U.v. 1.3.2017 – 2 A 46/16 – juris Rn. 35 m.w.N).
Die Grenze zwischen näherer und fernerer Umgebung kann auch dort zu ziehen sein, wo jeweils einheitlich geprägte Komplexe mit voneinander verschiedenen Bebauungs- und Nutzungsstrukturen aneinanderstoßen (vgl. BVerwG, B.v. 28.8.2003 – 4 B 74.03 – juris Rn. 2; OVG NW, U.v. 6.3.2015 – 7 A 1777/13 – juris Rn. 32). Allgemein ist der Grenzverlauf der näheren Umgebung nicht davon abhängig, dass die unterschiedliche Bebauung durch eine künstliche oder natürliche Trennlinie (Straße, Schienenstrang, Gewässerlauf, Geländekante etc.) entkoppelt ist. Eine solche Linie hat bei einer beidseitig andersartigen Siedlungsstruktur nicht stets eine trennende Funktion; umgekehrt führt ihr Fehlen nicht dazu, dass benachbarte Bebauungen stets als miteinander verzahnt anzusehen sind und insgesamt die nähere Umgebung ausmachen (BVerwG, B.v. 28.8.2003 – 4 B 74.03 – juris Rn. 2).
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben und auf der Grundlage der im Rahmen des gerichtlichen Augenscheins getroffenen Feststellungen, der in den Akten befindlichen Lagepläne und über das Internet zugänglichen Luftbilder (google maps) gelangt das Gericht zu der Überzeugung, dass das durch die … straße, die … Straße, die … straße sowie den Platz … … und die … straße gebildete Geviert als maßgebliche nähere Umgebung anzusehen ist. Aufgrund der Lage des geplanten Bauvorhabens im rückwärtigen Bereich des Grundstücks FlNr. … zählt das Gericht die Bebauung nördlich der … straße nicht mehr zu maßgeblichen, das Vorhaben prägenden und von ihm geprägt werdenden maßgeblichen Umgebungsbebauung (vgl. dazu auch VG München, U.v. 9.10.2017 – M 8 K 16.2971 – juris Rn. 21; U.v. 11.11.2013 – M 8 K 12.3084 – juris Rn 66).
Vorliegend kann offenbleiben, ob die Eigenart der näheren Umgebung einem der in §§ 3 ff. BauNVO festgesetzten Gebiete entspricht. Die Verletzung eines etwaigen Gebietserhaltungsanspruchs ist hier anlässlich des Hinzutretens eines weiteren Wohngebäudes zu den bereits vorhandenen Wohngebäuden (u.a. das Vordergebäude auf dem Baugrundstück, die Bebauung auf dem Grundstück der Klägerin oder die Bebauung auf den FlNrn. …, …, …) nicht gegeben. Wäre die maßgebliche Umgebung als Gemengelage nach § 34 Abs. 1 BauGB anzusehen, bestünde ohnehin kein Gebietserhaltungsanspruch.
Stößt eine Wohnnutzung auf eine vorhandene Wohnnutzung, dann kommt überdies unter dem Gesichtspunkt der Nutzungsart ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen – welche hier nicht ansatzweise erkennbar sind – in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 15.11.2010 – 2 ZB 09.2191 – juris Rn. 7 m.w.N.).
b) Die Regelungen zum Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, beinhalten grundsätzlich keinen Drittschutz (vgl. z.B. BVerwG, B.v. 11.3.1994 – 4 B 53/94 – juris Rn. 4; B.v. 23.6.1995 – 4 B 52.95 – juris Rn. 3; B.v. 19.10.1995 – 4 B 215/95 – juris Rn. 3; U.v. 5.12.2013 – 4 C 5/12 – juris Rn. 19f.; BayVGH, B.v. 29.9.2008 – 1 CS 08.2201 – juris Rn. 1; B.v. 6.11.2008 – 14 ZB 08.2327 – juris Rn. 9; B.v. 6.11.2008 – 14 ZB 08.2327 – juris Rn. 9; B.v. 5.12.2012 – 2 CS 12.2290 – juris Rn. 3; B.v. 12.9.2013 – 2 CS 13.1351 – juris Rn. 3; B.v. 30.9.2014 – 2 ZB 13.2276 – juris Rn. 4; B.v. 2.2.2019 – 9 CS 18.2305 – juris Rn. 14 m.w.N.; B.v. 4.7.2016 – 15 ZB 14.891 – juris Rn. 8 m.w.N.; B.v. 2.11.2020 – 1 CS 20.1955 – juris Rn. 3; B.v. 2.2.2019 – 9 CS 18.2305 – juris Rn. 14 m.w.N.; B.v. 4.7.2016 – 15 ZB 14.891 – juris Rn. 8 m.w.N.; VG München, B.v. 5.4.2017 – M 8 S7 17.1207 – juris Rn. 2; U.v. 17.5.2021 – M 8 K 19.6030 – juris Rn. 82), weshalb sich die Klägerin auf eine subjektive Rechtsverletzung diesbezüglich nicht berufen kann. Eine Rechtsverletzung der Klägerin kommt insofern in bauplanungsrechtlicher Hinsicht nur unter dem Aspekt einer Verletzung des Rücksichtnahmegebots in Betracht, welches hier jedoch ebenfalls nicht verletzt ist (siehe nachfolgend d)).
c) Unbeschadet dessen fügt sich das Bauvorhaben jedoch auch hinsichtlich der vorgenannten Parameter in die maßgebliche nähere Umgebung ein.
Ein Vorhaben fügt sich im Allgemeinen ein, wenn es sich innerhalb des Rahmens hält, der durch die in der Umgebung vorhandene Bebauung gezogen wird. Ein rahmenwahrendes Vorhaben kann ausnahmsweise unzulässig sein, wenn es nicht die gebotene Rücksicht auf die Bebauung in der Nachbarschaft nimmt. Umgekehrt fügt sich ein den Rahmen überschreitendes Vorhaben ausnahmsweise ein, wenn es bodenrechtlich beachtliche Spannungen weder herbeiführt noch erhöht (BVerwG, U.v. 26.5.1978 – IV C 9.77 – juris Rn. 47; U.v. 15.12.1994 – 4 C 13.93 – juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 19.10.2020 – 15 ZB 20.280 – juris Rn. 7; B.v. 14.2.2018 – 1 CS 17.2496 – juris Rn. 13; ThürOVG, U.v. 26.4.2017 – 1 KO 347/14 – juris Rn. 40). Die Betrachtung muss auf das Wesentliche zurückgeführt und alles außer Acht gelassen werden, was die vorhandene Bebauung nicht prägt oder in ihr als Fremdkörper erscheint (BVerwG, B.v. 22.9.2016 – 4 B 23.16 – juris Rn. 6).
aa) Hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung wird der durch die Umgebungsbebauung vorgegebene Rahmen nicht überschritten. Das Vorhaben hält sich mit vier Geschossen und einer Wandhöhe von 8,96 m bis max. 11,86 m und seiner Grundfläche im Rahmen der vorhandenen maßgeblichen Umgebungsbebauung (etwa: FlNr. …: fünfgeschossiges Gebäude mit ausgebautem Dachgeschoss, Baugrundstück (Vordergebäude): viergeschossig mit ausgebautem Dachgeschoss; Grundstück der Klägerin: viergeschossig mit ausgebautem Dachgeschoss; FlNr. …, FlNr. …).
bb) Das Vorhaben fügt sich auch hinsichtlich der Bauweise in die Eigenart der näheren Umgebung – auch insoweit das von der … straße, der … Straße, der … straße, dem Platz … … und der … straße gebildete Geviert – ein, § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB.
Entlang der … straße findet sich straßenseitig sowohl offene (siehe FlNrn. … und …: ca. 38 m Länge; FlNrn. …, … und …: ca. 43 m Länge) als auch geschlossene Bebauung, zu der auch das Nachbar- und das Baugrundstück gehören (FlNrn. …, … und …: ca. 52 m Länge; vgl. zur Beurteilung von Eckgrundstücken: Schilder, in: Bönker/Bischopink, Baunutzungsverordnung, 2Auflage 2018, § 22 BauNVO Rn. 17 a.E.), im rückwärtigen Bereich ist zum Teil grenzständige Bebauung an einer Grundstücksgrenze (FlNrn. …, …, …, …) vorhanden. Entlang der … straße/Platz … … ist straßenseitig ebenfalls geschlossene Blockrandbebauung vorhanden (FlNrn. …, …, …: ca. 57 m), die sich bis zum Grundstück … straße 21 fortsetzt. Auch die Bebauung … straße 7, 9, 11, 17, 19 (FlNrn. …, …, …, … und …) stellt sich straßenseitig als geschlossene Blockrandbebauung dar (Länge ca. 81 m, gemessen aus dem amtlichen Lageplan). In den rückwärtigen Grundstücksbereichen entlang der …- und … straße/Platz … … findet sich offene (FlNr. …) wie auch grenzständige Bebauung an einer Grundstücksgrenze (z.B. FlNrn. …, …, …, …, …). Das geplante, zum Grundstück der Klägerin grenzständige Vorhaben fügt sich demnach hinsichtlich der Bauweise in seine maßgebliche Umgebung ein.
Die Möglichkeit, nach § 34 Abs. 1 BauGB ein Gebäude an der Grenze zu errichten, scheidet zwar dann aus, wenn wegen der auf dem Nachbargrundstück bestehenden Bebauung eine Grenzbebauung gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstößt und sich daher nicht einfügt, d.h. dann, wenn der Grenzanbau für den Nachbarn unzumutbar und damit rücksichtslos ist (BayVGH, U.v. 4.5.2017 – 2 B 16.2432 – juris Rn. 29 m.w.N). Das Gebot der Rücksichtnahme erfordert vorliegend jedoch kein Zurückweichen des Bauvorhabens von der Grenze. Der Klägerin ist eine besondere Schutzwürdigkeit gegenüber einem Grenzanbau nicht zuzubilligen (vgl. dazu d)).
cc) Schließlich fügt sich das Vorhaben auch hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche in die Eigenart der näheren Umgebung ein.
(1) Eine von der Klägerin gedachte faktische rückwärtige Baugrenze (vgl. Klagebegründung vom 29. September 2021, S. 6) ist in der näheren Umgebung nicht erkennbar, da jenseits der aus Sicht der Klägerin zu ziehenden Linie Gebäude mit Hauptnutzungen vorhanden sind, beispielsweise auf den Grundstücken … straße 12 (FlNr. …) und … straße 10 (FlNrn. …).
(2) Hinsichtlich seiner Bebauungstiefe (ca. 29,2 m) findet das Vorhaben prägende Vorbilder in der näheren Umgebung, insbesondere in der Bebauung auf dem Grundstück … straße 12 (FlNr. …), dessen wohngenutzte (Haupt-)Baukörper im Süden fast bis zur südlichen Grundstücksgrenze reichen. Dort besteht lediglich in einem kurzen Bereich eine eingeschossige Bebauung, an die sich wiederum von Süden her ein zweigeschossiges, grenzständiges Wohngebäude anschließt. Allein die Bebauungstiefe bis zu vorgenanntem eingeschossigen Gebäude auf dem Grundstück … straße 12 beträgt ca. 41 m (gemessen aus dem amtlichen Lageplan). Hierbei handelt es sich – entgegen der von der Klagepartei in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung – auch nicht um einen sog. „Ausreißer“. Ein nicht zu berücksichtigender Ausreißer oder Fremdkörper liegt dann vor, wenn eine bauliche Anlage von ihrem quantitativen Erscheinungsbild oder nach ihrer Qualität völlig aus dem Rahmen der sonst in der näheren Umgebung anzutreffenden Bebauung herausfällt (BayVGH, U.v. 6.5.2021 – 15 B 20.2689 – juris Rn. 18). Davon kann schon wegen der baulichen Situation auf dem Grundstück … straße 10 nicht die Rede sein. Nach den Darstellungen in dem in den Bauvorlagen enthaltenen Lageplan sowie den über Google Maps abrufbaren Luftbildern reicht die dortige Bebauung zu Hauptnutzungszwecken allein auf dem Grundstück FlNr. …, d.h. ohne Einbeziehung der auf dem Grundstück FlNr. … bestehenden, jedoch augenscheinlich von Süden her erschlossenen Hauptnutzung, bereits ca. 29 m tief in das Geviertsinnere.
d) Das Vorhaben verletzt zu Lasten der Klägerin auch nicht das drittschützende Gebot der Rücksichtnahme.
Es kann dahinstehen, ob sich das Gebot der Rücksichtnahme aus dem Begriff des „Einfügens“ des § 34 Abs. 1 BauGB oder aus § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 BauNVO ableitet, da im Ergebnis dieselbe Prüfung stattzufinden hat (vgl. BayVGH, B.v. 12.9.2013 – 2 CS 13.1351 – juris Rn. 4).
Inhaltlich zielt das Gebot der Rücksichtnahme darauf ab, Spannungen und Störungen, die durch unverträgliche Grundstücksnutzungen entstehen können, möglichst zu vermeiden. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugutekommt, umso mehr kann er eine Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Für eine sachgerechte Bewertung des Einzelfalls kommt es wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zumutbar ist, an (vgl. BVerwG, U.v. 25.2.1977 – 4 C 22.75 – juris Rn. 22; U.v. 28.10.1993 – 4 C 5.93 – juris Rn. 17; U.v. 23.9.1999 – 4 C 6.98 – juris Rn. 20; U.v. 18.11.2004 – 4 C 1/04 – juris Rn. 22; U.v. 29.11.2012 – 4 C 8/11 – juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 12.9.2013 – 2 CS 13.1351 – juris Rn. 4). Bei der Interessengewichtung spielt es eine maßgebliche Rolle, ob es um ein Vorhaben geht, das grundsätzlich zulässig und nur ausnahmsweise unter bestimmten Voraussetzungen nicht zuzulassen ist, oder ob es sich – umgekehrt – um ein solches handelt, das an sich unzulässig ist und nur ausnahmsweise zugelassen werden kann. Bedeutsam ist ferner, inwieweit derjenige, der sich gegen das Vorhaben wendet, eine rechtlich geschützte wehrfähige Position inne hat (vgl. BVerwG, B.v. 6.12.1996 – 4 B 215/96 – juris Rn. 9 m.w.N.). Das Rücksichtnahmegebot ist dann verletzt, wenn unter Berücksichtigung der Schutzwürdigkeit des Betroffenen, der Intensität der Beeinträchtigung und der wechselseitigen Interessen das Maß dessen, was billigerweise noch zumutbar ist, überschritten wird (vgl. BVerwG, U.v. 25.2.1977 – IV C 22.75 – juris Rn. 22).
Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass auch aus dem Rücksichtnahmegebot kein Recht des Nachbarn abzuleiten ist, dass in seiner Nachbarschaft nur objektiv rechtmäßige Bauvorhaben entstehen (vgl. BayVGH, B.v. 13.3.2014 – 15 ZB 13.1017 – juris Rn. 11; BayVGH, B.v. 13.3.2014 – 15 ZB 13.1017 – juris Rn. 11; B.v. 20.3.2018 – 15 CS 17.2523 – juris Rn. 26). Das Rücksichtnahmegebot legt dem Bauherrn zudem auch keine Pflicht auf, generell die für den Nachbarn am wenigsten beeinträchtigende Alternative für seine Bauabsicht zu wählen (BVerwG, B.v. 26.6.1997 – 4 B 97/97 – juris Rn. 6). Das Gebot der Rücksichtnahme gibt den Nachbarn schließlich auch nicht das Recht, von jeglicher Beeinträchtigung der Licht- und Luftverhältnisse oder der Verschlechterung der Sichtachsen von seinem Grundstück aus verschont zu bleiben. Denn eine Rechtsverletzung ist erst dann zu bejahen, wenn von dem Vorhaben eine unzumutbare Beeinträchtigung ausgeht (vgl. BayVGH, B.v. 22.6.2011 – 15 CS 11.1101 – juris Rn. 17; B.v. 23.4.2014 – 9 CS 14.222 – juris Rn. 12; B.v. 7.2.2012 – 15 CE 11.2865 – juris Rn. 14; B.v. 30.9.2015 – 9 CS 15.1115 – juris Rn. 14; B.v. 3.6.2016 – 1 CS 16.747 – juris Rn. 7).
aa) In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots dann in Betracht kommt, wenn durch die Verwirklichung des genehmigten Vorhabens ein in der unmittelbaren Nachbarschaft befindliches Wohngebäude „eingemauert“ oder „erdrückt“ wird. Auf der Grundlage einer Gesamtschau der Umstände des konkreten Einzelfalls (vgl. zur Einschlägigkeit dieses Maßstabs ausdrücklich BayVGH, B.v. 23.4.2014 – 9 CS 14.222 – juris Rn. 12; B.v. 19.3.2015 – 9 CS 14.2441 – juris Rn. 31; B.v. 30.9.2015 – 9 CS 15.1115 – juris Rn. 13; B.v. 22.6.2021 – 9 ZB 21.466 – juris Rn. 12) gelangt das Gericht jedoch zu dem Ergebnis, dass dies vorliegend nicht der Fall ist.
Eine erdrückende oder unzumutbar einengende Wirkung ist nur anzunehmen, wenn eine bauliche Anlage wegen ihrer Ausmaße, ihrer Baumasse oder ihrer massiven Gestaltung ein benachbartes Grundstück unangemessen benachteiligt, indem es diesem förmlich „die Luft nimmt“, wenn für den Nachbarn das Gefühl des „Eingemauertseins“ oder eine „Hinterhof“- bzw. „Gefängnishofsituation“ entsteht, oder wenn die Größe des „erdrückenden“ Gebäudes aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls derart übermächtig ist, dass das „erdrückte“ Gebäude oder Grundstück nur noch oder überwiegend wie eine von einem „herrschenden Gebäude“ dominierte Fläche ohne eigene Charakteristik wahrgenommen wird (vgl. BayVGH, B.v. 9.2.2015 – 2 CS 15.17 – juris; B.v. 5.9.2016 – 15 CS 16.1536 – juris; B.v. 29.8.2018 – 2 CS 18.1222 – n.v.; B.v. 22.6.2020 – 2 ZB 18.1193 – juris Rn. 8). Hauptkriterien bei der Beurteilung einer „erdrückenden“ bzw. „abriegelnden“ Wirkung sind die Höhe des Bauvorhabens und seine Länge sowie die Distanz der baulichen Anlage in Relation zur Nachbarbebauung (vgl. BayVGH, B.v. 5.12.2012 – 2 CS 12.2290 – juris Rn. 9; B.v. 17.7.2013 – 14 ZB 12.1153 – juris Rn. 14; B.v. 5.9.2016 – 15 CS 16.1536 – juris Rn. 30; B.v. 10.3.2018 – 15 CS 17.2523 – juris Rn. 27). Eine solche Wirkung kommt daher vor allem bei nach Höhe und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 10.12.2008 – 1 CS 08.2770 – juris Rn. 23; B.v. 5.7.2011 – 14 CS 11.814 – juris Rn. 21; B.v. 13.3.2014 – 15 ZB 13.1017 – juris Rn. 9; B.v. 23.4.2014 – 9 CS 14.222 – juris Rn. 12; B.v. 19.3.2015 – 9 CS 14.2441 – juris Rn. 31; B.v. 30.9.2015 – 9 CS 15.1115 – juris Rn. 13; B.v. 5.9.2016 – 15 CS 16.1536 – juris Rn. 28; B.v. 10.3.2018 – 15 CS 17.2523 – juris Rn. 27). Ein Vorhaben übt grundsätzlich dann „erdrückende“ bzw. „einmauernde“ Wirkung gegenüber dem Nachbarn aus, wenn es in Höhe und Volumen ein Übermaß besitzt und auch nicht annähernd den vorhandenen Gebäuden gleichartig (vgl. BayVGH, B.v. 12.9.2013 – 2 CS 13.1351 – juris Rn. 5 m.w.N.) ist. Für die Annahme einer „erdrückenden“ Wirkung eines Nachbargebäudes besteht insofern grundsätzlich schon dann kein Raum, wenn dessen Baukörper nicht erheblich höher ist als der des betroffenen Gebäudes (vgl. BayVGH, B.v. 11.5.2010 – 2 CS 10.454 – Rn. 5; B.v. 5.12.2012 – 2 CS 12.2290 – juris Rn. 9; B.v. 17.7.2013 – 14 ZB 12.1153 – juris Rn. 14; B.v. 5.9.2016 – 15 CS 16.1536 – juris Rn. 30). Dies gilt insbesondere dann, wenn beide Gebäude im dicht bebauten städtischen Bereich liegen (vgl. BayVGH, v. 20.4.2010 – 2 ZB 07.3200 – juris Rn. 3; B.v. 11.5.2010 – 2 CS 10.454 – juris Rn. 5; U.v. 7.10.2010 – 2 B 09.328 – juris Rn. 22; B.v. 5.12.2012 – 2 CS 12.2290 – juris Rn. 9).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat das streitgegenständliche Bauvorhaben keinen „einmauernden“ oder „abriegelnden“ Effekt zu Lasten des klägerischen Grundstücks. Maßgeblich ist insoweit das Verhältnis der beiden Hauptbaukörper untereinander (vgl. VG München, B.v. 9.8.2017 – M 1 SN 17.2668 – juris Rn. 37). Die streitgegenständliche Planung sieht einen viergeschossigen Baukörper mit einer Wandhöhe an höchster Stelle (zum Grundstück der Klägerin hin) von 11,86 m vor. Das Gebäude der Klägerin ist – ausweislich der Eintragungen im Lageplan und der im gerichtlichen Augenschein gewonnenen Eindrücke – viergeschossig mit ausgebautem Dachgeschoss. Die Höhe der einzelnen Geschosse des Neubaus ist jedoch – wie sich den in den Bauvorlagen enthaltenen Ansichten, Schnitten und der 3d-Skizze entnehmen lässt – geringer als die Geschosshöhe im Vordergebäude der … straße 18 und dem Gebäude auf dem klägerischen Grundstück. Damit bleibt der Neubau in seiner Höhenentwicklung hinter dem Nachbargebäude zurück und ist nicht geeignet, eine erdrückende Wirkung auf dieses zu entfalten. Besonders deutlich wird das Fehlen einer „Einmauerung“ zulasten der Klägerin, wenn man die Fälle in Blick nimmt, in denen die Rechtsprechung das Vorliegen einer „erdrückenden“ bzw. „abriegelnden“ Wirkung bejaht bzw. ebenfalls verneint hat (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1.78 – juris Rn. 32 ff.: elf- bzw. zwölfgeschossiges Gebäude in naher Entfernung zu zweieinhalbgeschossigem Wohnhaus; BVerwG, U.v. 23.5.1986 – 4 C 34.85 – juris Rn. 15: grenznahe 11,5 m hohe und 13,31 m lange, wie eine „riesenhafte metallische Mauer“ wirkende Siloanlage bei einem sieben Meter breiten Nachbargrundstück; BayVGH, B.v. 5.2.2015 – 2 CS 14.2456 – juris Rn. 33: keine erdrückende Wirkung eines ca. 160 m langen Baukörpers mit einer Höhe von 6,36 m bis 10,50 m und einem Abstand von 13 – 16 m zum Gebäude des Nachbarn; BayVGH, B.v. 4.7.2016 – 15 ZB 14.891 – juris Rn. 9: keine erdrückende Wirkung eines 33,3 m langen Baukörpers mit einer maximalen Höhe von 11 m und einem Abstand von mindestens 15 m zur Baugrenze auf dem Nachbargrundstück). Bei der gegebenen Sachlage und den im Rahmen des Augenscheins gewonnenen Erkenntnissen ist nicht ersichtlich, dass das streitgegenständliche Bauvorhaben dem benachbarten Wohnhaus der Klägerin förmlich „die Luft nimmt“, weil es derartig übermächtig wäre, dass das Nachbargebäude der Klägerin nur noch oder überwiegend wie von einem „herrschenden“ Gebäude dominiert und ohne eigene Charakteristik wahrgenommen würde (vgl. BayVGH, B.v. 5.9.2016 – 15 CS 16.1536 – juris Rn. 30 m.w.N.; B.v. 20.3.2018 – 15 CS 17.2523 – juris Rn. 28). Ebensowenig ist ersichtlich, dass durch das Hinzukommen der Bebauung der Beigeladenen auf dem klägerischen Grundstück ein objektiv begründetes Gefühl des „Eingemauertseins“
oder eine „Hinterhof“- bzw. „Gefängnishofsituation“ hervorgerufen werden könnte. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass sich das streitgegenständliche Bauvorhaben und das Anwesen der Klägerin in einem extrem dicht besiedelten städtischen Bereich befinden.
bb) Eine unzumutbare Verschattungswirkung durch das im Osten des Nachbargrundstücks geplante Vorhaben kann hier ebenfalls nicht ausgemacht werden. Eine Belichtung ist von Süden und Westen weiterhin ohne Änderung möglich. Gleiches gilt hinsichtlich der Luftzufuhr. Verschattungseffekte als typische Folge der Bebauung sind insbesondere in innergemeindlichen bzw. innerstädtischen Lagen bis zu einer im Einzelfall zu bestimmenden Unzumutbarkeitsgrenze in der Regel nicht rücksichtslos und daher hinzunehmen (vgl. BayVGH, B.v. 10.12.2008 – 1 CS 08.2770 – juris Rn. 24; B.v. 16.10.2012 – 1 CS 12.2036 – juris Rn. 5; U.v. 18.7.2014 – 1 N 13.2501 – juris Rn. 34; B.v. 3.6.2016 – 1 CS 16.747 – juris Rn. 7f.; B.v. 5.9.2016 – 15 CS 16.1536 – juris Rn. 31; B.v. 20.3.2018 – 15 CS 17.2523 – juris Rn. 28 m.w.N.; OVG Bremen, B.v. 19.3.2015 – 1 B 19/15 – juris Rn. 19; SächsOVG, B.v. 4.8.2014 – 1 B 56/14 – juris Rn. 19). Dass diese Grenze vorliegend aufgrund einer besonderen Belastungswirkung im konkreten Fall überschritten sein könnte, ist nicht ersichtlich.
2. Die Klägerin kann sich weiter auch nicht auf den Verstoß gegen drittschützende Normen des Bauordnungsrechts berufen, insbesondere scheidet eine Verletzung der im vereinfachten Genehmigungsverfahren zu prüfenden (Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b) BayBO) nachbarschützenden Vorschriften des Abstandsflächenrechts vorliegend aus.
Gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayBO (sowohl in der bis zum 31. Januar 2021 geltenden wie auch in der aktuellen Fassung) sind vor den Außenwänden von Gebäuden Abstandsflächen von oberirdischen Gebäuden freizuhalten. Gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO müssen die Abstandsflächen auf dem Grundstück selbst liegen. Die westliche Außenwand des geplanten Gebäudes ist grenzständig und hält keine Abstandsfläche auf dem Baugrundstück zum Grundstück der Klägerin ein.
Hieraus ergibt sich jedoch kein Verstoß gegen die drittschützenden Vorschriften des Abstandsflächenrechts, weil die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO vorliegen.
Hiernach ist eine Abstandsfläche nicht erforderlich vor Außenwänden, die an Grundstücksgrenzen errichtet werden, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden muss oder gebaut werden darf.
Ob ein Grenzanbau im fraglichen Grundstücksbereich (dem Grunde nach) zulässig ist, beurteilt sich in erster Linie nach dem bauplanungsrechtlichen Zulässigkeitskriterium der Bauweise, unter Umständen auch nach der überbaubaren Grundstücksfläche (vgl. hierzu Kraus in: Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, 143. EL Juli 2021, Art. 6 Rn. 46 ff.; Schönfeld in: BeckOK Bauordnungsrecht Bayern, 20. Edition 1.4.2021, Art. 6 Rn. 44 ff., 54), wobei das Vorliegen der jeweiligen Voraussetzungen bei Innenbereichsvorhaben, wenn entsprechende planerische Festsetzungen durch einfachen Bebauungsplan nicht getroffen wurden, gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB nach Maßgabe des Einfügensgebots im Hinblick auf Eigenart der näheren Umgebung zu bestimmen ist (vgl. Schönfeld in: BeckOK Bauordnungsrecht Bayern, 20. Edition 1.4.2021, Art. 6 Rn. 54). Welches Kriterium einschlägig ist, hängt davon ab, ob es sich um eine vordere, seitliche oder rückwärtige Grundstücksgrenze handelt. Diese Einteilung bestimmt sich nach der das Grundstück erschließenden Verkehrsfläche. In Bezug auf die von der Verkehrsfläche aus gesehen seitliche Grundstücksgrenze, hier der Grenze zum Grundstück der Klägerin, beurteilt sich die Zulässigkeit einer Grenzbebauung ausschließlich nach dem Kriterium der Bauweise. Wie oben bereits dargelegt, fügt sich das Vorhaben hinsichtlich der Bauweise in die Eigenart der näheren Umgebung ein.
Ob allein das genügt, um die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO zu bejahen, oder ob die Privilegierung nach dieser Vorschrift nur greift, wenn das Vorhaben unter allen bauplanungsrechtlichen Gesichtspunkten zulässig ist, kann vorliegend dahinstehen (vgl. dazu: BayVGH, U.v. 15.4.1992 – 14 B 90.856 – juris Rn. 17; U.v. 22.9.2011 – 2 B 11.762 – juris Rn. 34; offengelassen: BayVGH, U.v. 05.07.2017 – 2 B 17.824 – juris Rn. 56; VG München, B.v. 13.5.2020 – M 29 SN 20.684 – juris Rn. 44). Denn auch wenn man der zuletzt genannten Auffassung folgen würde, lägen die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO vor. Wie bereits vorstehend dargelegt, ist der streitgegenständliche Grenzanbau bauplanungsrechtlich zulässig.
II. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Es entspricht der Billigkeit, der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, da diese einen Sachantrag gestellt und sich dadurch einem Kostenrisiko ausgesetzt hat, § 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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