Baurecht

Nachbarklage gegen Baugenehmigung wegen Lärmimmissionen und Substantiierungspflicht bei positiven umwelttechnischen Berichten

Aktenzeichen  15 ZB 17.767

Datum:
7.11.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 133274
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauNVO § 15 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

Belegen umwelttechnische Berichte als Bestandteil der Baugenehmigung, dass ein ausreichender Lärmschutz für die Nachbarschaft gesichert und ein verträgliches Nebeneinander von Gewerbe und Wohnen möglich ist und bestehen auch aus Sicht des die umwelttechnischen Berichte fachlich überprüfenden Technischen Umweltschutzes des Landratsamts gegen das Bauvorhaben keine Bedenken, sind vom klagenden Nachbarn hiergegen erhobene Einwände zu substantiieren. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 6 K 15.1889 2017-02-23 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin wendet sich gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung (Bescheid vom 16.7.2014 über „Neubau Kommissionierungshalle mit Hochregallager“, geändert durch Bescheid vom 21.8.2014).
Das Verwaltungsgericht Regensburg hat die auf Aufhebung des Baugenehmigungsbescheids (vom 16.7.2014 in der Fassung vom 21.8.2014) gerichtete Klage mit Urteil vom 23. Februar 2017 abgewiesen. Die Baugenehmigung verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Das Bauvorhaben der Beigeladenen verstoße insbesondere nicht gegen das Gebot der Rücksichtnahme (§ 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO). Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil Bezug genommen.
Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung macht die Klägerin geltend, an der Richtigkeit des Urteils bestünden ernstliche Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts verstoße das Bauvorhaben gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Die Nebenbestimmungen der Baugenehmigung seien nicht hinreichend bestimmt, soweit sie auf zwei gutachterliche Stellungnahmen verweisen. Auch sei der Bebauungsplan, welcher der Baugenehmigung zu Grunde liege, unwirksam. Ferner sei nicht gesichert, dass der „Irrelevanzwert“ eingehalten werde. Die Klägerin habe im Rahmen des Bauleitplanungsverfahrens zudem Einwände gegen die „umwelttechnischen Berichte“ erhoben. Das Verwaltungsgericht hätte „die Parteigutachten der Beigeladenen nochmals mittels amtlichem Sachverstand verifizieren müssen“. In die gerichtliche Prüfung hätte auch das Betriebskonzept der Beigeladenen in Bezug auf künftige Gebäude im Plangebiet einbezogen werden müssen. Ebenso hätte auch bei der „Gliederung des Baugebiets“ berücksichtigt werden müssen, dass weitere Vorhaben errichtet werden. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des Bevollmächtigten der Klägerin vom 8. Mai 2017 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Der von der Klägerin geltend gemachte Zulassungsgrund liegt nicht vor.
1. An der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts bestehen keine ernstlichen Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Klägerin wird durch die Genehmigung des Bauvorhabens der Beigeladenen nicht in ihren Rechten verletzt. Der Senat folgt den ausführlichen Gründen des angefochtenen Urteils und nimmt hierauf Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Lediglich ergänzend ist zu bemerken:
Das Vorbringen der Klägerin im Zulassungsverfahren ist nicht näher substantiiert und nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Feststellung des Verwaltungsgerichts zu begründen, dass von dem Bauvorhaben keine für die Umgebung unzumutbaren Belästigungen oder Störungen (insbesondere in Bezug auf Lärmimmissionen) ausgehen (§ 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO).
a) Die im Auftrag der Beigeladenen erstellten umwelttechnischen Berichte vom 17. April 2014 und 20. August 2014 sind Bestandteil der Baugenehmigung (Bescheid vom 16.7.2014 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 21.8.2014) und bei Bau und Betrieb der Anlage der Beigeladenen zu beachten (vgl. Nr. 3.1 der immissionsschutzrechtlichen Auflagen im Bescheid vom 16.7.2014 sowie Nr. 1 des Änderungsbescheids vom 21.8.2014). Sie belegen, dass ein ausreichender Lärmschutz für die Nachbarschaft gesichert und ein verträgliches Nebeneinander von Gewerbe und Wohnen möglich ist. Auch aus Sicht des die umwelttechnischen Berichte fachlich überprüfenden Technischen Umweltschutzes des Landratsamts bestehen gegen das Bauvorhaben keine Bedenken. Die Klägerin hat weder im erstinstanzlichen Verfahren noch im Zulassungsverfahren ihre hierzu pauschal erhobenen Einwände näher dargelegt. Weshalb die „Nebenbestimmungen“ der Baugenehmigung nicht hinreichend bestimmt sein sollen, soweit sie auf die beiden umwelttechnischen Berichte vom 17. April 2014 und 20. August 2014 verweisen und diese damit zum Bestandteil der Baugenehmigung erklären, erschließt sich dem Senat nicht. Ebenso ist der klägerische Einwand, der Bebauungsplan, welcher der Baugenehmigung zu Grunde liege, sei unwirksam, für die gerichtliche Entscheidung unerheblich, weil aus einer etwaigen Unwirksamkeit des Bebauungsplans nicht folgt, dass das Bauvorhaben der Beigeladenen im Rahmen der hierzu erteilten Genehmigung die Klägerin unzumutbar beeinträchtigt.
b) Auch die weiteren Einwände der Klägerin sind nicht substantiiert. Das Verwaltungsgericht führt zu Recht aus, dass bezüglich der fehlenden Untersuchung etwaiger Vorbelastungen deswegen keine Bedenken bestehen, weil bei einer – wie vorliegend der Fall – Unterschreitung der zulässigen Immissionsrichtwerte um mindestens 6 dB(A) durch die vom streitgegenständlichen Vorhaben ausgehende Lärmzusatzbelastung von der Irrelevanz dieser Vorbelastungen auszugehen ist (vgl. auch Nr. 3.2.1 Abs. 2 Satz 2, Abs. 6 Satz 2 TA Lärm). In die gerichtliche Prüfung muss entgegen der Ansicht der Klägerin das Betriebskonzept der Beigeladenen in Bezug auf künftige Gebäude ebenso nicht einbezogen werden, weil künftige Bauvorhaben der Beigeladenen einer erneuten eigenständigen baurechtlichen Prüfung unterliegen. Schließlich ist auch der Einwand der Klägerin, bei der „Gliederung des Baugebiets“ hätte berücksichtigt werden müssen, dass weitere Vorhaben errichtet werden, vorliegend für die gerichtliche Entscheidung unerheblich. Im Übrigen ist dieser Einwand auch unbegründet, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits anlässlich einer früheren Klage der Klägerin entschieden hat (vgl. BayVGH, B.v. 14.9.2015 – 2 ZB 14.1866 – Rn. 5 n.V.).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten billigerweise selbst, weil sie sich im Zulassungsverfahren keinem eigenen Kostenrisiko aussetzt und kein Grund ersichtlich ist, der es gebieten würde, ihre außergerichtlichen Kosten ausnahmsweise als erstattungsfähig anzusehen (vgl. § 162 Abs. 3 VwGO). Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 3 und § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der 2013 aktualisierten Fassung (abgedruckt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, Anhang) und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
3. Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO), ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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