Baurecht

Nachbarschutz gegen Befreiungen von den Festsetzungen eines Bebauungsplans

Aktenzeichen  W 5 S 19.94

Datum:
28.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 5841
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 31 Abs. 2
BayBO Art. 6 Abs. 5 S. 2, Art. 59, Art. 68 Abs. 1 S. 1
BauNVO § 15 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Hinsichtlich des Nachbarschutzes bei Befreiungen von Festsetzungen des Bebauungsplans muss unterschieden werden, ob die Vorschrift, von der befreit wird, ihrerseits unmittelbar nachbarschützend ist oder nicht. Grundsätzlich vermitteln Bebauungsplanfestsetzungen keinen allgemeinen auf Plangewährleistung gerichteten Anspruch. Die nachbarschützende Wirkung ist für jede einzelne Festsetzung zu überprüfen und durch Auslegung des jeweiligen Bebauungsplans sowie der Begründung zu ermitteln. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
2 Festsetzungen eines Bebauungsplans entfalten – mit Ausnahme der Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung – nicht schon kraft Gesetzes nachbarschützende Wirkung. Die Frage der drittschützenden Wirkung solcher Regelungen hängt wesentlich von der Auslegung des Bebauungsplans und damit vom Willen der planenden Gemeinde ab (hier nachbarschützende Wirkung für Festsetzungen des Bebauungsplans zur Geländegestaltung verneint). (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Anträge werden abgelehnt.
II. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Aufwendungen des Beigeladenen haben die Antragsteller als Gesamtschuldner zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller wenden sich als Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. …5 der Gemarkung …, … … … 5 in G* …, gegen die dem Beigeladenen mit Bescheid vom 20. Dezember 2018, ergänzt durch den Ergänzungsbescheid vom 6. Februar 2019, erteilte Baugenehmigung zum Neubau einer Mehrzweckhalle für Lagerzwecke, Maschinen und Kraftfahrzeuge und zur Errichtung einer Stützmauer auf dem Grundstück Fl.Nr. *7*/1 der Gemarkung E* …, … … … 3 in G* … (Baugrundstück).
1. Eine Ortseinsicht durch das Landratsamt Würzburg am 18. Februar 2019 ergab, dass sich auf dem Baugrundstück die Schlosserei … mit Büro, ein Heizungstrakt, eine Abstelle sowie ein Materiallager für die Schlosserei befinden. Zudem ist das Baugrundstück mit dem Wohn- und Geschäftsgebäude der Fa. … … bebaut. In dessen Erdgeschoss ist die Fa. … … und in dessen Dachgeschoss die Wohnung des Betriebsinhabers, des Beigeladenen, untergebracht. Im Obergeschoss werden derzeit zwei Wohnungen zu einer Wohnung umgebaut. In dem Gebäude auf der Fl.Nr. *7* (* … … … 1), die zusammen mit dem Baugrundstück westlich an das Grundstück der Antragsteller angrenzt, befinden sich im Erdgeschoss eine (wohl private) Werkstatt, eine Abstelle sowie ein Lager. Das Obergeschoss sowie das Dachgeschoss werden offensichtlich jeweils als Wohnung genutzt. Das Grundstück der Antragsteller ist in seinem südlichen Bereich mit einem Wohnhaus bebaut, in dem aktuell eine reine Wohnnutzung stattfindet. Im Wohn- und Geschäftshaus auf der Fl.Nr. …3 (* … … … 7) liegt im Erdgeschoss eine Büronutzung, im Obergeschoss und im Dachgeschoss jeweils eine Wohnnutzung vor (Dachgeschoss Wohnung …*). Die vorhandene Halle wird als Werkstatt und Lagerhalle für die Fa. S* … genutzt, hier wurde zum Zeitpunkt der Ortseinsicht gerade ein Kettenbagger repariert. Im Anschluss an die Halle befindet sich ein Pferdestall mit drei Boxen, eine offene Überdachung sowie eine Abstelle bzw. ein Lager. Außerdem ist eine Tankstelle vorhanden und auf dem Gelände liegt eine größere Menge Recyclingmaterial.
Alle vorstehenden Grundstücke befinden sich zusammen mit der unbebauten Fl.Nr. …7 im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Schleifweg“ vom 5. Juli 1993, ortsüblich bekannt gemacht am 13. Oktober 1993. Dieser setzt u.a. als Art der baulichen Nutzung ein Gewerbegebiet (§ 8 i.V.m. § 1 Abs. 9 BauNVO 1990) fest, wobei Fuhr- und Bauunternehmen zulässig sind, bei denen LKW-Fahrten vor 6.00 Uhr nur ausnahmsweise erforderlich sind. In Ziffer 6 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans wird unter „Geländegestaltung“ geregelt, dass ein Geländeabtrag oder -auftrag bis 4,00 m Böschungshöhe zulässig ist, jedoch nur in dem Umfang, der zur Erstellung der Gebäude und Betriebsflächen und eines eventuellen Lärmschutzwalles zwischen den Bauparzellen 2 und 3 unbedingt erforderlich ist. Als Böschungshöhe gilt die Gesamthöhendifferenz auch bei terrassiertem Gelände, soweit die dazwischen liegenden Bermen nicht breiter als 20,00 m sind. Diese Böschungen sind mit dichtwachsenden, bodenständigen Sträuchern und Bäumen zu bepflanzen.
2. Mit Bauantrag vom 12. Oktober 2018 beantragte der Beigeladene die Erteilung einer Baugenehmigung zum streitgegenständlichen Bauvorhaben. Des Weiteren stellte er einen Antrag auf Befreiung von den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans „Schleifweg“ in „Nr. 6 Geländegestaltung“. Hierzu führte er aus, dass für die Errichtung der Halle die bestehenden Stützmauern abgebrochen würden und näher an der Grundstücksgrenze eine neue Stützmauer errichtet werde. Dazu sei ein Geländeabtrag über 4,00 m Böschungshöhe nötig. Das Höhenniveau des Hofes werde beibehalten. Damit werde die vom bestehenden Hof aus nutzbare Fläche erweitert. Der Beigeladene reichte zudem einen Betriebsbewertungsbogen vom 22. November 2018 beim Landratsamt Würzburg ein, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird.
3. Mit Bescheid vom 20. Dezember 2018, ergänzt durch den Ergänzungsbescheid vom 6. Februar 2019, erteilte das Landratsamt Würzburg dem Beigeladenen im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren die beantragte Baugenehmigung (Ziffer 1). Von den Festsetzungen des rechtsverbindlichen Bebauungsplans „Schleifweg“ wurde eine Befreiung bezüglich der Geländegestaltung erteilt (Ziffer 2). Die Genehmigung wurde mit folgenden immissionsschutzrechtlichen Auflagen verbunden:
„1. Die Nutzung ist auf den beantragten Umfang (Dienstleistungen, Brandschutz, Hausmeisterservice) begrenzt.
2. Der Betriebsbewertungsbogen vom 22.11.2018 ist Bestandteil der Genehmigung. Die Betriebs- und Arbeitszeit werden antragsgemäß auf den Zeitraum von 07.00 bis 18.00 Uhr, die Fahrzeugbewegungen und Verladetätigkeit auf 06.00 bis 19.00 Uhr begrenzt.
3. Hinsichtlich der nachfolgenden Auflagen, den Lärmschutz betreffend, sind die Bestimmungen der technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA-Lärm) vom 26.08.1998 zu beachten.
4. Die Beurteilungspegel der von allen Anlagen auf dem Betriebsgelände ausgehenden Geräusche (einschließlich Fahrverkehr und Ladetätigkeiten) dürfen am nächstmöglichen schutzbedürftigen Raum nach DIN 4109 bzw. am nächstgelegenen Grundstück, wo nach Bau- und Planungsrecht Gebäude mit schutzbedürftigen Räumen erstellt werden dürfen,
innerhalb des Gewerbegebietes (z.B. Flurstücke *7* und …5) folgenden um 6 dB(A) reduzierten Immissionswert nicht überschreiten:
tagsüber (65 – 6) dB(A) = 59 dB(A)

Die Nachtzeit beginnt um 22.00 Uhr und endet um 6.00 Uhr. Kurzzeitige Geräuschspitzen dürfen den Immissionsrichtwert am Tage um nicht mehr als 30 dB(A) überschreiten.
Lärmvorbelastung:
Die Immissionsrichtwerte der TA-Lärm sind in der Summe aller einwirkenden Gewerbegeräuschimmissionen einzuhalten. Eine Vorbelastung durch bestehende gewerbliche Anlagen ist teilweise vorhanden, aber nicht näher bekannt. Daher sind vorsorglich für die Beurteilung der Schallimmissionssituation der hier zu betrachtenden Anlage teilweise nachstehende, gegenüber den Immissionsrichtwerten um 6 dB(A) reduzierte Immissionsrichtwertanteile „außen“ (0,5 m vor den vom Lärm am stärksten betroffenen Fenstern von schutzbedürftigen Räumen oder schutzbedürftige Bereiche wie Terrassen) zugrunde zu legen.
Hinweis: Die lärmtechnische Beurteilung der Anlage erfolgte nach der TA-Lärm, analog nach Nr. 3 „Allgemeine Grundsätze für genehmigungsbedürftige Anlagen“ und Nr. 3.2.1 Absatz 2. Demnach darf die Genehmigung für die zu beurteilende Anlage auch bei einer Überschreitung der Immissionsrichtwerte aufgrund einer vorhandenen Vorbelastung aus Gründen des Lärmschutzes nicht versagt werden, wenn der von der Anlage verursachte Immissionsbeitrag im Hinblick auf den Gesetzeszweck als nicht relevant anzusehen ist. Das ist in der Regel der Fall, wenn die von der zu beurteilenden Anlage ausgehende Zusatzbelastung die Immissionsrichtwerte nach Nummer. 6 am maßgeblichen Immissionsort um mindestens 6 dB(A) unterschreitet.

8. Lärmintensive Tätigkeiten (z.B. Hämmern, usw.) sind stets innerhalb der Halle bei geschlossenen Fenstern, Türen und Toren durchzuführen.“
Zur Begründung wurde ausgeführt: Von den Festsetzungen des rechtsverbindlichen Bebauungsplans „Schleifweg“ (i.d.F. vom 5.7.1993) werde bzgl. der Geländegestaltung (geplanter Geländeabtrag 5,42 m; zulässig 4,00 m) nach § 31 Abs. 2 BauGB eine Befreiung erteilt. Es handele sich um eine Überschreitung der zulässigen Abgrabungstiefe von 4,00 m um 1,54 m in einem festgesetzten Gewerbegebiet (GE). Diese maximale Abgrabungstiefe finde sich jedoch lediglich an der höchsten Stelle des abschüssigen Geländes, an deren übrigen Enden der insoweit abfallend verlaufenden Stützmauer betrage die Abgrabungstiefe nur 3,59 m bzw. 3,47 m. Die Befreiung sei städtebaulich vertretbar, die Grundzüge der Planung würden hierdurch nicht berührt. Die Befreiung sei auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen zuzulassen. Insbesondere stelle sich das Geländeniveau an den Grundstücksgrenzen unverändert dar. Durch die Abgrabung und die damit möglichst tiefe Einstellung des zu errichtenden Gebäudes würden die Belange der betroffenen Nachbarn nicht nur in ausreichender Form gewahrt, vielmehr diene sie sogar dem nachbarlichen Interesse. Der Geländeabtrag ermögliche die Minimierung etwaiger Folgen für die betroffenen Nachbarn. Auch die notwendig werdende Stützmauer grabe sich komplett ein und werfe insofern im Übrigen keine eigenen Abstandsflächen auf. Die Erteilung der Befreiung entspreche daher pflichtgemäßem Ermessen.
Mit Antrag vom 31. Januar 2019 begehrten die Antragsteller beim Landratsamt Würzburg die Feststellung der aufschiebenden Wirkung der eingereichten Klage sowie den Erlass eines vorläufigen Bauverbots gegen den Bauwerber. Diesen Antrag lehnte das Landratsamt Würzburg mit Bescheid vom 6. Februar 2019 ab.
4. Gegen den Bescheid vom 20. Dezember 2018, ergänzt durch den Ergänzungsbescheid vom 6. Februar 2019, ließen die Antragsteller am 21. Januar 2019 durch ihren Bevollmächtigten Klage erheben (W 5 K 19.42). Sie stellten am 31. Januar 2019 im hiesigen Verfahren die
A n t r ä g e,
I. die aufschiebende Wirkung der eingereichten Klage festzustellen und II. ein vorläufiges Bauverbot gegen den Bauwerber zu erlassen.
Zur Begründung wurde zuletzt vorgetragen: Die Festsetzungen des rechtsverbindlichen Bebauungsplans „Schleifweg“ seien missachtet worden. Die erteilte Befreiung wirke sich nachteilig auf das Nachbargrundstück der Antragsteller aus, weil der tiefe Eingriff in den Hang zu schädigenden Be- und Entwässerungsverhältnissen führe. Im Hinblick auf die immissionsschutzrechtlichen Auflagen werde die Nutzung nicht auf den beantragten Umfang begrenzt sein. Es sollten, soweit seien die Antragsteller informiert worden, auch Maschinen aufgebaut werden, die Lärmemissionen produzierten. Es bestehe zudem rechter Hand des Grundstücks der Antragsteller bereits ein Gewerbebetrieb, dessen Emissionen bei den Messungen zu berücksichtigen seien. Die Lärmschutzauflagen seien nicht ausreichend für die wahrscheinliche Nutzung. Die Stützmauer sei in dem normalerweise baufreien Raum zwischen der Flurstücksgrenze …5 und dem zu errichtenden Gebäude vorgesehen. Demzufolge werde eine Feuerwehrumfahrung der 20,00 m langen geplanten Halle unmöglich. Die nachbarschützende Norm, die zur Einhaltung der Mindestabstandsfläche von 3,00 m aufrufe, werde verletzt. Die bis zu 7,00 m hohe Halle, die entlang des Grundstücks der Antragsteller errichtet werden solle, verschatte nicht nur die Erdgeschosswohnung der Antragsteller, sondern auch die beiden Terrassen am Wohnhaus. Das geplante Bauwerk verstoße auch gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Eine ernsthafte Interessenabwägung sei durch die Verwaltungsbehörde nicht erfolgt. Im Bauverfahren selbst sei gerade die Berücksichtigung der nachbarlichen Interessen unterlassen worden und zwar bei der Frage der Einstellung des Gebäudes auf der geschaffenen Baufläche und die Prüfung, ob die Errichtung einer 7,20 m hohen Gebäudewand, die mit etwa 3,00 m über das Geländeniveau der Fl.Nr. …5 herausrage, hätte vermieden werden können. Würde die Halle hypothetisch um 180 Grad gedreht, würde ein Teil der Belastungen wegfallen. Die Ausweisung des Gewerbegebiets Schleifweg sei seit langem überholt. Die faktische Nutzung des Gebiets entspreche einem Wohn- bzw. Mischgebiet. Fakt sei, dass im Januar 2019 sämtliche Gebäude des Areals ihren Besitzern entweder zur reinen Wohnfunktion oder zur reinen Vermietung dienten bzw. zum Wohnen der Gewerbetreibenden bei gleichzeitiger Vermietung. Das Gebäude auf der Fl.Nr. …3 (* … … … 7) werde im Dachgeschoss seit dem Ableben des Herrn … im Jahr 2008 von seiner Tochter als Familienwohnung genutzt und vor etwa zwei Jahren sei die Mutter von Frau … in die Wohnung im Obergeschoss eingezogen. Dass die Mietwohnung im Hause … von der Fahrdienstleiterin bewohnt werde, sei insoweit falsch. Auch die Art der Baugenehmigungen zeige eine überwiegende Betonung der Wohnfunktion. Von den sechs Gebäuden im Bereich des Gewerbegebiets Schleifweg seien vier Gebäude als Wohnhäuser genehmigt (* … … … 1, 2, 4 und 5), eines als Büro- und Werkstattgebäude mit Wohnung (* … … … 3) sowie ein weiteres als Wohnhaus im Genehmigungsfreistellungsverfahren beantragt und erbaut (* … … … 7). Das Wohnhaus der Antragsteller sei ohne gewerbliche Auflagen irgendwelcher Art genehmigt worden. Die Fl.Nrn. …4/1 und …2/1 (* … … … 2 und 4) seien in die Betrachtung mit einzubeziehen, weil der geltende Flächennutzungsplan beide Gebäude in das Gewerbegebiet integriere. Die Gemeinde habe in ihrer Sitzung am 5. November 2018 die Bereitschaft zur Umwidmung des Gewerbegebiets in ein Mischgebiet in Aussicht gestellt.
5. Das Landratsamt Würzburg stellte für den Antragsgegner den
A n t r a g, den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde auf den ablehnenden Bescheid vom 6. Februar 2019 verwiesen: Die Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB sei insbesondere unter Würdigung der nachbarlichen Interessen zuzulassen. Das geplante Gebäude halte die notwendigen Abstandsflächen ein, die Stützmauer werfe keine eigenen Abstandsflächen auf, weil sie sich komplett eingrabe. Im Gewerbegebiet gelte eine Tiefe der Abstandsflächen von 0,25 H. Dies verdeutliche, dass vorliegend auch keine Verletzung des bauplanungsrechtlichen Gebots der Rücksichtnahme gegeben sei, was im Rahmen des § 30 BauGB sowieso lediglich in Ausnahmefällen in Betracht käme. Ausweislich der Auflage Nr. 4 der immissionsschutzrechtlichen Auflagen des Genehmigungsbescheids vom 20. Dezember 2018 sei eine Lärmvorbelastung berücksichtigt worden. Die bauplanerische Festsetzung des Gewerbegebiets sei auch nicht funktionslos geworden. Zunächst sei klarzustellen, dass im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Schleifweg“ lediglich die genannten Fl.Nrn. *7*, *7*/1, …5 sowie …3 (* … … … 1, 3, 5, und 7) lägen. Nur diese seien vorliegend zu betrachten. Bei den Fl.Nrn. *7* und *7*/1 habe es sich ursprünglich um ein Grundstück gehandelt, das geteilt worden sei. Auf Fl.Nr. *7* seien ein Garagen-Neubau mit Fremdenwohnheim (1966), ein Büro- und Werkstattgebäude mit Hausmeisterwohnung und angrenzenden Hallen, eine Tektur für u.a. die Wohnung im Dachgeschoss (1986) und der Umbau und die Modernisierung einer Tankstelle (2005) genehmigt worden. Auf Fl.Nr. *7*/1 sei darüber hinaus eine Erweiterung der bestehenden Büro- und Sozialräume im Erdgeschoss sowie eine Erweiterung der bestehenden Hausmeisterwohnung im 1. Obergeschoss (2018) genehmigt worden. Das Wohnhaus auf der Fl.Nr. …5 sei 1996 isoliert als Bauabschnitt einer insgesamt auf dem Grundstück geplanten gewerblichen bzw. betrieblichen Nutzung genehmigt worden, jedoch ohne Ausspruch einer Ausnahme für ein Betriebsinhaberwohnhaus und ohne entsprechende Bedingungen. Die vorhandene Nutzung auf Fl.Nr. …3 entspreche auch der Genehmigungssituation. Bei den Wohnnutzungen auf den Fl.Nrn. …3 sowie *7*/1 handele es sich jeweils um Betriebsinhaber- bzw. Betriebsleiterwohnungen i.S.v. § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO. Auf Fl.Nr. *7* lasse sich eine mögliche betriebliche Zuordnung nicht endgültig ermitteln. Im Übrigen würden die baulichen Anlagen gewerblich genutzt und entsprächen dem Katalog des § 8 Abs. 2 BauNVO. Die geringfügige Abweichung zwischen der planerischen Festsetzung und der tatsächlichen Situation habe in ihrer Erkennbarkeit auch nicht einen Grad erreicht, der einem in die Fortgeltung der Festsetzung gesetzten Vertrauen die Schutzwürdigkeit nehmen würde. Höchsthilfsweise werde darauf hingewiesen, dass das streitgegenständliche Bauvorhaben auch in einem faktischen Mischgebiet bzw. erst recht in einer Gemengenlage bauplanungsrechtlich zulässig wäre. Unabhängig von der Frage, inwieweit ein Dritter sich hierauf überhaupt berufen könne, bedürfe es bei einem Vorhaben der vorliegenden Größe jedenfalls keiner eigenen Feuerwehrumfahrung. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass eine baurechtliche Genehmigung vorhabenbezogen erteilt werde, Gegenstand der bauaufsichtlichen Prüfung seien daher nur die vom Antragsteller vorgelegten Planunterlagen, was insbesondere hinsichtlich der Art der Nutzung gelte. Daneben obliege der Bauaufsichtsbehörde kein Optimierungsgebot hinsichtlich der eingereichten Planung.
6. Der Beigeladene stellte durch seine Bevollmächtigte den
A n t r a g, den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde vorgetragen: Der geplante Geländeabtrag betrage tatsächlich weniger als 5,42 m, wie sich aus den bemaßten und genehmigten Ansichten ergebe. Ausgehend hiervon überschreite die geplante Abgrabung die im Bebauungsplan festgesetzte Höhe von 4,00 m nicht auf der gesamten Länge der Abgrabung, sondern nur in der südöstlichen Ecke auf einer Länge von wenigen Metern. Zu berücksichtigen sei, dass die Abgrabung zum Zwecke der Errichtung der beantragten und genehmigten Lagerhalle erfolge, sodass von vorneherein fraglich sei, ob es sich hierbei überhaupt um eine Maßnahme der Geländegestaltung i.S.d. Nr. 6 der textlichen Festsetzung des Bebauungsplans handele. Die geplante Halle solle dabei im Abstand von nur 50 cm bis maximal 77,5 cm von der geplanten Stützmauer entfernt errichtet werden. Letztlich sei die Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB aber jedenfalls rechtmäßig erteilt worden. Die Voraussetzungen lägen vor, insbesondere seien auch die nachbarlichen Interessen gewürdigt worden. Im Hinblick auf die Einwendungen zum Immissionsschutz gelte das Antragsprinzip. Genehmigt sei das, was der Beigeladenen beantragt habe, wie unter Nr. 1 der Auflagen zum Immissionsschutz ausdrücklich klargestellt sei. Der Beigeladene beabsichtige auch nicht, das Vorhaben abweichend von der Genehmigung zu nutzen. Bereits bestehende Vorbelastungen seien berücksichtigt worden. Ungeachtet dessen sei festzuhalten, dass der Bebauungsplan vorliegend als Art der baulichen Nutzung ein Gewerbegebiet festsetze. Diese Festsetzung sei auch nicht funktionslos geworden. Im Geltungsbereich finde nach wie vor völlig überwiegend gewerbliche Nutzung statt wie sich bereits aus entsprechenden Luftbildaufnahmen ergebe. Allein auf den Fl.Nrn. *7* und *7*/1 fänden sich vier Gewerbebetriebe: Neben dem Sachverständigenbüro und dem Ingenieurbüro … … werde hier die … … … sowie die Schlosserei … betrieben. Die vorhandenen Lagerhallen und Werkstattgebäude seien teilweise an andere Gewerbebetriebe vermietet. Auf der Fl.Nr. …3 sei ein Bau- und Abbruchunternehmen ansässig. Hier würden auch lärm- und staubintensive Arbeiten ausgeführt und das Unternehmen habe eine Brecherlaubnis für die Herstellung von Recyclingschotter auf dem Gelände inne. Bei der Wohnnutzung handele es sich überwiegend um betriebsbezogenes Wohnen. Es sei auch zu berücksichtigen, dass das Grundstück der Antragsteller nur auf einer sehr geringen Fläche im südlichen Grundstücksbereich mit dem Wohnhaus bebaut sei, sodass die Verwirklichung einer großflächigen Gewerbenutzung auf dem Grundstück im Übrigen auch künftig möglich bleibe. Auf die Bebauung der außerhalb des Geltungsbereichs liegenden Grundstücke könne es insoweit nicht ankommen. Die angeblich seitens der Gemeinde signalisierte Bereitschaft zur Änderung des Bebauungsplans führe nicht zu einer anderen Beurteilung. Im Übrigen wäre das Vorhaben auch gemäß § 34 BauGB zulässig. Soweit zwischen der Außenwand der Halle und der Grundstücksgrenze eine Abgrabung und die Errichtung einer Stützmauer vorgesehen seien, ergebe sich keine Erhöhung des natürlichen Geländes. Die Maßnahmen lösten daher von vorneherein keine Abstandsflächen aus. Auch die genehmigte Halle verstoße nicht gegen die Abstandsflächenvorschriften. Die Tiefe der Abstandsfläche betrage nach Art. 6 Abs. 5 Satz 2 BayBO in Gewerbegebieten 0,25 H, mindestens aber 3,00 m. Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot komme nicht in Betracht. Eine erdrückende Wirkung komme dem genehmigten Vorhaben ersichtlich nicht zu. Eine unzumutbare Beeinträchtigung der Belichtung und Belüftung des Wohnhauses sei nicht gegeben. Die Ausführungen zu alternativen Bauvarianten gingen ins Leere. Es ergebe sich auch kein Verstoß gegen die nicht nachbarschützenden brandschutzrechtlichen Vorschriften. Eine Rechtsgrundlage für eine Feuerwehrumfahrung gebe es nicht, der Brandabstand nach Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayBO werde eingehalten.
7. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichts- und Behördenakten sowie auf die Gerichtsakte im Verfahren W 5 K 19.42 Bezug genommen.
II.
Die Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 21. Januar 2019 sowie auf Erlass einer vorläufigen Baueinstellung gegen den Beigeladenen haben keinen Erfolg. Sie sind zulässig, aber unbegründet.
1. Der Antrag zu I. ist als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragsteller vom 21. Januar 2019 zulässig (§ 88 VwGO). Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragsteller (§ 80 Abs. 1 VwGO) entfällt, weil sie sich gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens wenden (§ 212a BauBG). In einem solchen Fall kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs ganz oder teilweise anordnen (§ 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO). Ein derartiger Antrag kann unmittelbar bei Gericht gestellt werden.
Der Antrag zu II. ist hingegen dahingehend auszulegen, dass die Antragsteller den Erlass einer vorläufigen Baueinstellung gegen den Beigeladenen begehren (§ 88 VwGO), und insoweit auch zulässig. Nach § 123 VwGO kann der Erlass einer einstweiligen Anordnung bei Gericht beantragt werden. Das Landratsamt Würzburg hat vorliegend zudem einen entsprechenden Antrag der Antragsteller mit Bescheid vom 6. Februar 2019 abgelehnt. Die Antragsteller haben schließlich ein subjektives Recht geltend gemacht, das infolge des behördlichen Handelns des Antragsgegners verletzt sein könnte (vgl. hierzu Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 123 Rn. 20; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 123 Rn. 41).
2. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 21. Januar 2019 ist unbegründet.
Im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung anhand der in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO normierten Kriterien. Hierbei ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage bzw. seines Widerspruchs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache dann von maßgeblicher Bedeutung, wenn nach summarischer Prüfung von der offensichtlichen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Verwaltungsakts und der Rechtsverletzung des Antragstellers auszugehen ist. Jedenfalls hat das Gericht die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs bei seiner Entscheidung mit zu berücksichtigen, soweit diese sich bereits übersehen lassen (vgl. BVerfG, B.v. 24.2.2009 – 1 BvR 165/09 – NVwZ 2009, 581; BayVGH, B.v. 17.9.1987 – 26 CS 87.01144 – BayVBl. 1988, 369; Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 68 und 73 ff.). Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vollkommen offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen.
Die Baugenehmigung ist nur dann aufzuheben, wenn sie rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Nachbar eines Vorhabens kann eine Baugenehmigung nur dann mit Erfolg anfechten, wenn öffentlich-rechtliche Vorschriften verletzt sind, die auch seinem Schutz dienen, oder wenn es das Vorhaben an der gebotenen Rücksichtnahme auf seine Umgebung fehlen lässt und dieses Gebot im Einzelfall Nachbarschutz vermittelt.
Vorliegend lässt sich nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung anhand der Akten feststellen, dass die Anfechtungsklage der Antragsteller gegen die Baugenehmigung des Landratsamt Würzburg vom 20. Dezember 2018, ergänzt durch den Ergänzungsbescheid vom 6. Februar 2019, voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, weil der angefochtene Bescheid die Antragsteller nicht in nachbarschützenden Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BayBO ist die Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Vorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Nach Art. 59 BayBO ist der Prüfungsrahmen im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren beschränkt. Die Übereinstimmung des Vorhabens mit den Vorschriften der Bayerischen Bauordnung wird grundsätzlich nicht mehr geprüft. Nach Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO hat die Bauaufsichtsbehörde aber die Übereinstimmung mit den Vorschriften über die Zulässigkeit der baulichen Anlagen nach den §§ 29 bis 38 BauGB, den Vorschriften über Abstandsflächen nach Art. 6 BayBO und den Regelungen örtlicher Bauvorschriften i.S.d. Art. 81 Abs. 1 BayBO zu prüfen und nach Art. 59 Satz 1 Nr. 2 BayBO beantragte Abweichungen i.S.d. Art. 63 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 BayBO.
2.1. Aus bauplanungsrechtlichen Gründen spricht nach summarischer Prüfung nichts für einen Erfolg der Antragsteller im Hauptsacheverfahren.
2.1.1. Die Antragsteller werden durch das Vorhaben nicht in ihrem Gebietserhaltungsanspruch verletzt. Die geplante Mehrzweckhalle für Lagerzwecke, Maschinen und Kraftfahrzeuge mit Stützmauer ist in dem wirksam festgesetzten Gewerbegebiet der Art der baulichen Nutzung nach zulässig, § 30 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 8 BauNVO 1990.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann sich ein Nachbar im Plangebiet gegen die Zulässigkeit einer gebietswidrigen Nutzung im Plangebiet wenden, auch wenn er durch sie selbst nicht unzumutbar beeinträchtigt wird. Der Nachbar hat also bereits dann einen Abwehranspruch, wenn das baugebietswidrige Vorhaben im jeweiligen Einzelfall noch nicht zu einer tatsächlich spürbaren und nachweisbaren Beeinträchtigung führt. Der Abwehranspruch wird grundsätzlich bereits durch die Zulassung eines mit der Gebietsfestsetzung unvereinbaren Vorhabens ausgelöst. Begründet wird dies damit, dass im Rahmen des nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnisses jeder Planbetroffene das Eindringen einer gebietsfremden Nutzung und damit die schleichende Umwandlung des Baugebiets verhindern können soll (vgl. BVerwG, B.v. 2.2.2000 – 4 B 87/99 – NVwZ 2000, 679; U.v. 16.9.1993 – 4 C 28/91 – BVerwGE 94, 151). Derselbe Nachbarschutz besteht auch im unbeplanten Innenbereich, wenn die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete der Baunutzungsverordnung entspricht, § 34 Abs. 2 BauGB (BVerwG, U.v. 16.9.1993 – 4 C 28/91 – BVerwGE 94, 151; Dirnberger in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Stand: März 2018, Art. 66 Rn. 347 und 395). Danach hat der Nachbar in einem Gebiet, auf das § 34 Abs. 2 BauGB entsprechend Anwendung findet, einen Schutzanspruch auf Bewahrung der Gebietsart.
Ausgangspunkt der bauplanungsrechtlichen Beurteilung des Vorhabens des Beigeladenen ist § 30 Abs. 1 BauGB. Das Baugrundstück und das Grundstück der Antragsteller liegen im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans „Schleifweg“ vom 5. Juli 1993. Der Bebauungsplan setzt im Bereich des Baugrundstücks und des Grundstücks der Antragsteller u.a. die Gebietsart Gewerbegebiet, das Maß der baulichen Nutzung und Baugrenzen fest. In Ziffer 6 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans werden Vorgaben für die Geländegestaltung geregelt.
Insbesondere ist die Festsetzung des Gewerbegebiets nicht funktionslos geworden. Bebauungsplanfestsetzungen können zwar funktionslos werden und damit außer Kraft treten (vgl. Külpmann in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautz-berger, Baugesetzbuch, Oktober 2018, § 10 BauGB Rn. 407 ff.). Die Voraussetzungen für eine Funktionslosigkeit in diesem Sinne sind jedoch nicht gegeben. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs kann eine Festsetzung eines Bebauungsplans funktionslos werden, wenn die tatsächliche Entwicklung einen Zustand erreicht hat, der eine Verwirklichung der Festsetzung auf unabsehbare Zeit ausschließt und wenn die dadurch fehlende Steuerungsfunktion der Festsetzung offenkundig ist, so dass ein Vertrauen auf die Fortgeltung der Festsetzung nicht mehr schutzwürdig ist (vgl. BVerwG, U.v. 18.11.2004 – 4 CN 11/03 – m.w.N.; BayVGH, B.v. 25.9.2013 – 15 ZB 11.2302 – m.w.N.). Bloße Zweifel an der Verwirklichungsfähigkeit des Plans reichen für die Annahme eines unüberwindlichen Hindernisses indes nicht aus. Ein Bebauungsplan tritt wegen nachträglicher Funktionslosigkeit nur dann außer Kraft, wenn offenkundig ist, dass er als Instrument für die Steuerung der städtebaulichen Entwicklung nicht mehr tauglich ist.
Für die Beurteilung des Zustands der tatsächlichen Entwicklung ist maßgeblich auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts abzustellen. Zwar ist bei Nachbarklagen für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage grundsätzlich der Zeitpunkt der Genehmigungserteilung maßgeblich (vgl. BayVGH, U.v. 4.10.1991 – 2 B 88.284 – juris). Aus Gründen der Prozessökonomie sind jedoch nachträgliche Änderungen zugunsten des Bauherrn zu berücksichtigen, weil ihm aufgrund der veränderten Umstände im Falle der Aufhebung der Baugenehmigung ein Anspruch auf erneute Genehmigungserteilung zustünde (BayVGH, U.v. 4.10.1991 – 2 B 88.284; BVerwG, B.v. 22.4.1996 – 4 B 54.96 – beide juris).
Nach den o.g. Maßgaben ist die Festsetzung des Gewerbegebiets nicht funktionslos geworden. Es sind hierbei ausschließlich diejenigen Grundstücke zu betrachten, die innerhalb des Geltungsbereichs dieser Festsetzung liegen (hier insbesondere Fl.Nrn. *7*, *7*/1, …5 sowie …3, d.h. … … … 1, 3, 5 und 7). Vorhandene Nutzungen außerhalb des Geltungsbereichs (Fl.Nrn. …4/1 und …2/1, … … … 2 und 4) können hingegen nicht zu ihrer Funktionslosigkeit führen. Hieran ändern auch etwaige Darstellungen im Flächennutzungsplan nichts, der deshalb auch nicht beizuziehen war. Einerseits sind die Regelungen des Bebauungsplans gegenüber dem Flächennutzungsplan spezieller (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB). Andererseits entfaltet eine Festsetzung im Bebauungsplan für Grundstücke außerhalb ihres Geltungsbereichs keine unmittelbaren Rechtswirkungen, sodass im Umkehrschluss eine dort vorhandene Nutzung die Verwirklichung der Festsetzung auch nicht ausschließen kann. Wie das Landratsamt Würzburg im Rahmen der Ortseinsicht am 18. Februar 2019 festgestellt hat, werden die Anwesen auf dem Grundstück Fl.Nr. *7* (* … … … 1) und dem Grundstück der Antragsteller zwar ausschließlich bzw. überwiegend zum Wohnen genutzt. Auf dem Baugrundstück befindet sich demgegenüber aber die Schlosserei … mit Büro und einem Materiallager. Zudem ist das Baugrundstück mit dem Wohn- und Geschäftsgebäude der Fa. … … bebaut. In dessen Erdgeschoss sind die Geschäftsräume und in dessen Dachgeschoss die Wohnung des Betriebsinhabers, des Beigeladenen, untergebracht. Im Obergeschoss befinden sich im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (nach den Angaben des Landratsamts Würzburg als Hausmeisterwohnung genehmigte) Wohnräume, die derzeit unbewohnt sind und umgebaut werden. Auf der Fl.Nr. …3 (* … … … 7) befindet sich schließlich ein Wohn- und Geschäftshaus, das im Erdgeschoss für die Büroräume der Fa. S* … genutzt wird. Im Dachgeschoss ist die Wohnung der Familie … und im Obergeschoss eine weitere Wohnnutzung untergebracht. Die darüber hinaus auf dem Grundstück vorhandene Halle dient der Fa. S* … als Werkstatt und Lagerhalle. Schließlich ist u.a. eine Tankstelle vorhanden und das Gelände wird zum Teil als Lagerplatz genutzt. Das Baugrundstück wird damit insgesamt und das Grundstück Fl.Nr. …3 (* … … … 7) jedenfalls aber weit überwiegend einem Gewerbegebiet entsprechend genutzt, wobei die im jeweiligen Dachgeschoss vorhandene Wohnnutzung gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO 1990 betriebsbezogen und untergeordnet ist. Ob es sich auch bei der Wohnnutzung im Obergeschoss des Wohn- und Geschäftshauses auf der Fl.Nr. …3 (* … … … 7) um eine solche Wohnnutzung i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO 1990 handelt, kann letztlich dahinstehen, weil es hierauf für die Beurteilung der Funktionslosigkeit der Gebietsfestsetzung nicht entscheidend ankommt.
Aus diesen tatsächlich vorhandenen Nutzungen folgt keine Funktionslosigkeit der Festsetzung des Gewerbegebiets im Bebauungsplan. Denn der überwiegende Teil des betreffenden Gebiets wird der Festsetzung eines Gewerbegebiets entsprechend genutzt. Allein aufgrund der planabweichenden Nutzungen auf dem Grundstück der Antragsteller und dem Grundstück Fl.Nr. *7* (* … … … 1) erscheint ein Planvollzug nicht wegen eines unüberwindlichen Hindernisses auf unüberschaubare Zeit ausgeschlossen. Es bestehen insoweit noch nicht einmal bloße Zweifel an der Verwirklichungsfähigkeit des Plans, die allein für eine Funktionslosigkeit schon nicht ausreichen würden. Denn auf Grundlage der Festsetzung des Gewerbegebiets im Bebauungsplan und vor dem Hintergrund der bereits bestehenden gewerblichen Nutzungen erscheint es vorliegend gerade möglich, auch die beiden planabweichend genutzten Grundstücke in Zukunft noch einer gewerbegebietsverträglichen Nutzung zuzuführen. Eine solche Entwicklung zeichnete sich nach dem Vortrag der Antragsteller in dem betreffenden Gebiet in den letzten Jahren bereits ab. Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass das Grundstück der Antragsteller nur auf einer vergleichsweise kleinen Fläche im südlichen Grundstücksbereich mit ihrem Wohnhaus bebaut ist, sodass die Verwirklichung einer Gewerbenutzung auf dem Grundstück im Übrigen auch künftig möglich bleibt. Der Festsetzung des Gewerbegebiets im Bebauungsplan kommt damit die Funktion als Instrument für die Steuerung der städtebaulichen Entwicklung gerade zu. Dies gilt letztlich auch im Hinblick auf die Wohnnutzung im Obergeschoss des Wohn- und Geschäftshauses auf der Fl.Nr. …3 (* … … … 7), die keiner abschließenden Klärung zugeführt werden konnte. Sie besitzt – in Zusammenschau mit dem Grundstück Fl.Nr. *7* (* … … … 1) und dem Wohnhaus der Antragsteller – nicht das Gewicht, um hier zu einer Funktionslosigkeit der Festsetzung zu führen. Eine weitere Aufklärung war daher auch nicht angezeigt. Etwaige signalisierte zukünftige Handlungsabsichten der Gemeinde können insoweit nicht berücksichtigt werden.
Auch im Hinblick auf die seitens des Landratsamts Würzburg dargelegte Genehmigungssituation spricht nichts für eine solche Funktionslosigkeit. Zwar lässt sich für das Anwesen auf Fl.Nr. *7* (* … … … 1) eine mögliche betriebliche Zuordnung nicht endgültig ermitteln. Seit Inkrafttreten des betreffenden Bebauungsplans am 13. Oktober 1993 ist demgegenüber aber auch keine der Festsetzung des Gewerbegebiets entgegenstehende Baugenehmigung erteilt worden. Das Wohnhaus der Antragsteller auf der Fl.Nr. …5 ist nach den Ausführungen des Landratsamts Würzburg 1996 sogar nur isoliert als Bauabschnitt einer insgesamt auf dem Grundstück geplanten gewerblichen bzw. betrieblichen Nutzung genehmigt worden. Es hat lediglich kein Ausspruch einer Ausnahme für ein Betriebsinhaberwohnhaus und entsprechender Bedingungen stattgefunden.
Gegen die nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO 1990 in dem im Bebauungsplan festgesetzten Gewerbegebiet als gewerbliche Nutzung der Art nach zulässige Mehrzweckhalle steht den Antragstellern kein Gebietserhaltungsanspruch zu.
2.1.2. Weiter verletzt die nach § 31 Abs. 2 BauGB erteilte Befreiung von der in Ziffer 6 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans „Schleifweg“ geregelten Geländegestaltung nicht das Rücksichtnahmegebot zu Lasten der Antragsteller.
Die Erteilung dieser Befreiung war entgegen der Auffassung des Beigeladenen für das streitgegenständliche Vorhaben notwendig. Denn die beabsichtigte Abgrabung endet gerade nicht unmittelbar an der Außenwand der geplanten Mehrzweckhalle, sondern reicht über den Baukörper hinaus, sodass auch die Errichtung der geplanten Stützmauer erforderlich wird. Dass es sich hierbei lediglich um einen 50 cm bis maximal 77,5 cm breiten Zwischenraum handelt, ändert nichts daran, dass in diesem (schmalen) Bereich eine entsprechende Geländegestaltung vorgenommen wird. Die textliche Festsetzung des Bebauungsplans knüpft auch nicht an ein bestimmtes horizontales Ausmaß der Geländegestaltung an. Eine Wiederverfüllung des Zwischenraums mit Erdreich oder anderem ist hingegen gerade nicht vorgesehen.
Hinsichtlich des Nachbarschutzes bei Befreiungen von Festsetzungen des Bebauungsplans muss unterschieden werden, ob die Vorschrift, von der befreit wird, ihrerseits unmittelbar nachbarschützend ist oder nicht. Im ersten Fall kann das Fehlen einer der objektiven Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB für die Gewährung einer Befreiung zu einer Verletzung von Nachbarrechten führen, da ein Verstoß gegen eine unmittelbar nachbarschützende Vorschrift vorliegt. Im zweiten Fall fehlt es an einer solchen Verletzung einer nachbarschützenden Vorschrift aufgrund unzutreffender Annahme der Befreiungsvoraussetzungen. Nachbarschutz kommt hier nur im Rahmen des Rücksichtnahmegebots in Betracht (BVerwG, U. v. 19.9.1986 – 4 C 8/84 – juris). Grundsätzlich vermitteln Bebauungsplanfestsetzungen keinen allgemeinen auf Plangewährleistung gerichteten Anspruch. Die nachbarschützende Wirkung ist für jede einzelne Festsetzung zu überprüfen und durch Auslegung des jeweiligen Bebauungsplans sowie der Begründung zu ermitteln.
Hinsichtlich der nachbarschützenden Wirkung von Festsetzungen eines Bebauungsplans ist zu beachten, dass diese – mit Ausnahme der Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung – nicht schon kraft Gesetzes nachbarschützende Wirkung entfalten. Die Frage der drittschützenden Wirkung solcher Regelungen hängt damit wesentlich von der Auslegung des Bebauungsplans und damit vom Willen der planenden Gemeinde ab. Ob eine Festsetzung nicht nur der Gestaltung des jeweiligen Ortsbilds, sondern auch dem Schutz eines bestimmbaren und von der Allgemeinheit abgrenzbaren Personenkreises dient, kann sich deshalb (nur) aus dem Bebauungsplan selbst oder aus seiner Begründung ergeben (vgl. BVerwG, B.v. 9.10.1991 – 4 B 137/91 – juris). Wie weit die drittschützende Wirkung einer Festsetzung reicht, muss sich mit hinreichender Deutlichkeit aus dem Inhalt der erlassenen Vorschrift oder aus den übrigen, objektiv erkennbaren Umständen ergeben. Lässt sich daraus eine solche Zweckbestimmung nicht hinreichend erkennen, ist eine nachbarschützende Wirkung abzulehnen.
Der Festsetzung der Geländegestaltung in Ziffer 6 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans kommt nach dem Bebauungsplan und seiner Begründung keine unmittelbar nachbarschützende Wirkung zu. Es ergibt sich hieraus kein Anhaltspunkt dafür, dass die Festsetzung aus nachbarschützenden Gründen aufgenommen worden wäre.
Durch die erteilte Befreiung wird das Gebot der Rücksichtnahme zu Lasten der Antragsteller schließlich nicht verletzt, denn ihre nachbarlichen Interessen sind hinreichend berücksichtigt worden.
Wird von nicht nachbarschützenden Festsetzungen des Bebauungsplans eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB erteilt, so hat der Nachbar über die das Rücksichtnahmegebot konkretisierende „Würdigung nachbarlicher Interessen“ hinaus keinen Anspruch auf eine Einhaltung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB (vgl. BVerwG, B.v. 8.7.1998 – 4 B 64/98 – juris). Drittschutz im Falle einer Befreiung von einer nicht nachbarschützenden Festsetzung besteht vielmehr nur dann, wenn seine nachbarlichen Interessen nicht hinreichend berücksichtigt worden sind.
Das Gebot der Rücksichtnahme (grundlegend BVerwG, U.v. 25.2.1977 – IV C 22/75 – juris) soll einen angemessenen Interessenausgleich gewährleisten. Die an das Gebot der Rücksichtnahme zu stellenden Anforderungen hängen im Wesentlichen von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Die vorzunehmende Interessenabwägung hat sich daran zu orientieren, was dem Rücksichtnahmebegünstigten und dem Rücksichtnahmeverpflichteten jeweils nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Dies beurteilt sich nach der jeweiligen Situation der benachbarten Grundstücke. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung des Rücksichtnahmeberechtigten ist, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die Interessen des Bauherrn sind, die er mit dem Vorhaben verfolgt, desto weniger muss er Rücksicht nehmen (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1/78 – juris). Das Gebot der Rücksichtnahme ist demnach nur dann verletzt, wenn die den Antragstellern aus der Verwirklichung des geplanten Vorhabens resultierenden Nachteile das Maß dessen übersteigen, was ihnen als Nachbarn billigerweise noch zumutbar ist (vgl. Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 12. Aufl. 2014, Vorbem. zu §§ 29 – 38 Rn. 49).
Der Antragsgegner hat die nachbarlichen Belange im Ergänzungsbescheid vom 6. Februar 2019 hinreichend gewürdigt. Die erteilte Befreiung ermöglicht es dem Beigeladenen die geplante Mehrzweckhalle aus Sicht des Grundstücks der Antragsteller bis zu 5,42 m unter das natürliche Gelände einzustellen. Hiermit werden für die Antragsteller in erster Linie günstige Folgen ausgelöst. Soweit sie vortragen, dass die geplante Abgrabung zu schädigenden Entwässerungsverhältnissen auf ihrem Grundstück führt, bleibt der Einwand äußerst pauschal. Aufgrund des Geländeabfalls auf dem Baugrundstück und dem demgegenüber höher liegenden Grundstück der Antragsteller sind solche schädigende Entwässerungsverhältnisse für die Kammer auch nicht ersichtlich. Erst recht nicht ersichtlich ist, dass gerade die Überschreitung der Abgrabungstiefe von 4,00 m – auf die es für die Rechtmäßigkeit der erteilten Befreiung ankommt – zu solchen schädigenden Entwässerungsverhältnissen führt. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die Überschreitung der Abgrabungstiefe von 4,00 m auf die Entwässerungsverhältnisse auf dem Grundstück der Antragsteller keinerlei Auswirkungen hat. Damit ist eine Beeinträchtigung der nachbarlichen Belange insbesondere bei einem Vergleich mit den Verhältnissen ohne Erteilung einer Befreiung nicht festzustellen.
2.1.3. Soweit die Antragsteller im Übrigen eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots (§ 15 Abs. 1 BauNVO) geltend machen, können sie auch damit nicht durchdringen.
Die anhand des Rücksichtnahmegebots durchzuführende Interessenabwägung führt im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass die Antragsteller dem Interesse des Beigeladenen an der Verwirklichung des Vorhabens keine überwiegenden eigenen Interessen entgegenzusetzen haben.
Zu beachten ist zunächst, dass im Rahmen des § 30 BauGB eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme über § 15 Abs. 1 BauNVO nur in Ausnahmefällen in Betracht kommt. Denn i.d.R. ist eine sachgerechte Umsetzung des Rücksichtnahmegebots bereits in der den einzelnen Festsetzungen zugrunde liegenden Abwägung (§ 1 Abs. 7 BauGB) enthalten. Eine Konfliktlösung im Baugenehmigungsverfahren über das Gebot der Rücksichtnahme setzt daher voraus, dass der Bebauungsplan für sie noch offen ist. Je konkreter eine Festsetzung ist, desto geringer ist die Gestaltungsfreiheit für den Betroffenen und damit auch der Spielraum für die Anwendung des § 15 Abs. 1 BauNVO. Nur soweit der Bebauungsplan selbst noch keine abschließende planerische Entscheidung enthält, ermöglicht das Rücksichtnahmegebot eine „Nachsteuerung“ im Baugenehmigungsverfahren. Festsetzungen eines Bebauungsplans können folglich über das Gebot der Rücksichtnahme nur ergänzt, nicht aber korrigiert werden (Decker in Jäde/Dirnberger, BauGB – BauNVO, 9. Aufl. 2018, § 15 BauNVO Rn. 5 m.w.N. insb. zur Rspr. des Bundesverwaltungsgerichts).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben die vom Abstandsflächenrecht geschützten Belange einer ausreichenden Belichtung, Belüftung, Besonnung und Wahrung des Wohnfriedens auch städtebauliche Bedeutung (BVerwG, U.v. 16.5.1991 – 4 C 17/90 – NVwZ 1992, 165). Das Bundesverwaltungsgericht geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot, das selbstständig neben den bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften zu prüfen ist, im Hinblick auf die genannten Belange auch dann verletzt sein kann, wenn die Abstandsflächenvorschriften eingehalten sind (BVerwG, B.v. 11.1.1999 – 4 B 128/98 – NVwZ 1999, 879; s.a. BayVGH, B.v. 21.1.2008 – 15 ZB 06.2304 – juris). Mit diesem Grundsatz lässt sich zwar nicht im Umkehrschluss bei jedem Verstoß gegen Abstandsflächenvorschriften ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot herleiten; diesbezüglich kommt es vielmehr stets auf die tatsächlichen Verhältnisse des jeweiligen Einzelfalls an (BayVGH, B.v. 9.10.2006 – 26 ZB 06.1926 – juris). Es ist aber zumindest bei offenkundig nicht eingehaltenen Abstandsflächen zu prüfen, ob hierin nicht zugleich auch eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme gesehen werden kann (Wolf in Simon/Busse, BayBO, Art. 59 Rn. 43).
Von derart offenkundig nicht eingehaltenen Abstandsflächen kann im vorliegenden Fall allerdings nicht die Rede sein. Vielmehr werden die Abstandsflächenvorschriften offenkundig eingehalten (vgl. hierzu unten unter 2.2.1.). Auch soweit die Antragsteller eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme unter dem Aspekt einer Verschattung ihrer Erdgeschosswohnung und der beiden Terrassen ansprechen, kann dies nicht zum Erfolg des Antrags führen. Denn das Vorhaben liegt zum Grundstück der Antragsteller hin zwischen 5,42 m und 4,01 m unterhalb des geplanten Geländes, das zugleich dem natürlichen Gelände entspricht. Daher überragt die geplante Mehrzweckhalle dieses Gelände aus Sicht des Grundstücks der Antragsteller lediglich um 1,53 m bis 2,94 m. Die geplante Stützmauer tritt hingegen überhaupt nicht in Erscheinung. Zugleich liegt das Wohnhaus der Antragsteller insgesamt etwa 18,00 m von der geplanten Mehrzweckhalle entfernt. Aufgrund der auf das Grundstück der Antragsteller einwirkenden Ausmaße des Vorhabens und der zwischen dem Vorhaben und dem Wohnhaus bestehenden Entfernung ist eine entsprechende Verschattung schon nicht zu befürchten. Darüber hinaus entfaltet das Vorhaben aber auch ersichtlich keine erdrückende Wirkung auf das Wohnhaus der Antragsteller, weil dessen Baukörper aufgrund der geplanten Abgrabung nicht erheblich höher ist als das betroffene Gebäude (vgl. BayVGH, B.v. 11.5.2010 – 2 CS 10.454 – juris).
Schließlich ist nicht zu erwarten, dass die Antragsteller durch die nach dem Bescheid zulässigen Lärmimmissionen in unzumutbarer Weise beeinträchtigt werden. Das Landratsamt Würzburg hat im Anhang zum Baugenehmigungsbescheid vom 20. Dezember 2018, der gemäß Ziffer 3 des Bescheids zum Bestandteil der Baugenehmigung erklärt wurde, immissionsschutzrechtliche Nebenbestimmungen erlassen („601: Auflagen Immissionsschutz“). Unter Ziffer 1 und 2 dieser Nebenbestimmungen wird zunächst die genehmigte Nutzung auf den beantragten Umfang begrenzt und der Betriebsbewertungsbogen vom 22. November 2018 zum Bestandteil der Baugenehmigung gemacht. Die Betriebs- und Arbeitszeit wird zudem antragsgemäß auf den Zeitraum von 7.00 Uhr bis 18.00 Uhr, die Fahrzeugbewegungen und Verladetätigkeit werden auf den Zeitraum von 6.00 Uhr bis 19.00 Uhr begrenzt. Soweit die Antragsteller darüber informiert sein wollen, dass über den genehmigten Umfang hinaus immissionsschutzrechtliche Nutzungen erfolgen sollen, kann dies gegen die erteilte Baugenehmigung nicht eingewendet werden. Die Antragsteller sind in diesem Fall auf ein bauaufsichtliches Einschreiten der zuständigen Bauaufsichtsbehörde zu verweisen. Bestehende Lärmvorbelastungen werden unter Ziffer 4 der immissionsschutzrechtlichen Nebenbestimmungen ausreichend berücksichtigt, indem bestimmt wird, dass die Beurteilungspegel der von allen Anlagen auf dem Betriebsgelände ausgehenden Geräusche (einschließlich Fahrverkehr und Ladetätigkeiten) am nächstmöglichen schutzbedürftigen Raum bzw. am nächstgelegenen Grundstück den um 6 dB(A) reduzierten Immissionswert von 59 dB(A) nicht überschreiten dürfen. Dies entspricht den Vorgaben der TA-Lärm, wonach die Genehmigung für die zu beurteilende Anlage auch bei einer Überschreitung der Immissionsrichtwerte aufgrund einer vorhandenen Vorbelastung aus Gründen des Lärmschutzes nicht versagt werden darf, wenn der von der Anlage verursachte Immissionsbeitrag im Hinblick auf den Gesetzeszweck als nicht relevant anzusehen ist. Das ist in der Regel der Fall, wenn die von der zu beurteilenden Anlage ausgehende Zusatzbelastung die Immissionsrichtwerte nach Nr. 6 am maßgeblichen Immissionsort um mindestens 6 dB(A) unterschreitet (Nr. 3.2.1 Absatz 2). Anhaltspunkte für eine vom Regelfall abweichende Beurteilung liegen nicht vor. Inwieweit die weiteren Lärmschutzauflagen – wie von den Antragstellern vorgetragen – nicht ausreichend für die wahrscheinliche Nutzung sein sollen, ist weder dargetan noch ersichtlich.
Die seitens der Antragsteller vorgebrachten, im Baugenehmigungsverfahren unberücksichtigt gebliebenen alternativen und nachbarschaftsfreundlicheren Bauausführungen führen schließlich auch nicht zu einer Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme. Es besteht insoweit keine pauschale Verpflichtung, ein Bauvorhaben möglichst nachbarschaftsverträglich auszuführen.
2.2. Auch aus bauordnungsrechtlichen Gründen spricht nach summarischer Prüfung nichts für einen Erfolg der Antragsteller im Hauptsacheverfahren.
2.2.1. Der – so zu verstehende – Vortrag der Antragsteller, dass die angegriffene Baugenehmigung die Antragsteller in ihrem Recht auf Einhaltung der Abstandsflächenvorschriften des Art. 6 BayBO verletze, kann nicht zum Erfolg führen. Denn es liegt keine Verletzung abstandsflächenrechtlicher Vorschriften zu Lasten der Antragsteller vor.
Gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayBO sind vor den Außenwänden von Gebäuden Abstandsflächen von oberirdischen Gebäuden freizuhalten. Diese Abstandsflächen müssen auf dem Grundstück selbst liegen, Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO. Die Tiefe der Abstandsfläche bemisst sich gemäß Art. 6 Abs. 4 Satz 1 und 2 BayBO nach der Wandhöhe, wobei von der Geländeoberfläche bis zum Schnittpunkt der Wand mit der Dachhaut gemessen wird. In Gewerbegebieten genügt gemäß Art. 6 Abs. 5 Satz 2 BayBO eine Tiefe von 0,25 H, mindestens 3 m. Unter Berücksichtigung der geplanten Abgrabung (vgl. BayVGH, B.v. 11.12.2014 – 15 CS 14.1710 – juris) beträgt die Wandhöhe zum Grundstück der Antragsteller hin vorliegend 6,95 m. Die damit erforderliche Mindestabstandsfläche wird von dem Vorhaben eingehalten. Die Mehrzweckhalle liegt genau 3,00 m von der Grundstücksgrenze zum Grundstück der Antragsteller entfernt. Die Stützmauer muss insoweit außer Betracht bleiben, weil von ihr keine Wirkungen wie von Gebäuden ausgehen, Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BayBO. Sie löst deshalb keine eigenen Abstandsflächen aus. Darüber hinaus hat der Bevollmächtigte der Antragsteller erklärt (mit Schriftsatz vom 11. Februar 2019), dass der Komplex Stützmauer nicht weiter angegriffen werde.
2.2.2.Soweit die Antragsteller die Einhaltung der Brandschutzbestimmungen rügen, führt auch dies nicht zu einem Erfolg im Hauptsacheverfahren.
Zum einen ist weder von den Antragstellern vorgetragen noch sonst wie ersichtlich, welche konkrete, von dem Vorhaben einzuhaltende Brandschutzbestimmung verletzt sein soll. Der zuständige Kreisbrandrat des Landratsamts Würzburg hat mit Schreiben vom 27. Oktober 2018 vielmehr dem Bauvorhaben zugestimmt und keine weiteren Forderungen oder Empfehlungen als notwendig erachtet. Darüber hinaus sind die Vorgaben nach Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayBO eingehalten.
Zum anderen ist die Einhaltung der Brandschutzbestimmungen vom Prüfungsumfang im hier mangels Sonderbau (Art. 2 Abs. 4 BayBO) angewandten vereinfachten Genehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO bereits nicht umfasst, sodass die Baugenehmigung vom 20. Dezember 2018, ergänzt durch den Ergänzungsbescheid vom 6. Februar 2019, diesbezüglich schon keine Regelung entfaltet und insoweit auch nicht angegriffen werden kann.
2.3. Nachdem die Klage der Antragsteller nach allem voraussichtlich mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben wird, überwiegt das Interesse des Beigeladenen an einer baldigen Ausnutzung der Baugenehmigung das Interesse der Antragsteller an der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage.
3. Auch der Antrag auf Erlass einer vorläufigen Baueinstellung gegen den Beigeladenen ist unbegründet.
Nach § 123 VwGO kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind dabei glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO). In der Regel darf im Anordnungsverfahren die Hauptsache nicht vorweggenommen werden, weil dieses Verfahren nur zur vorläufigen Sicherung der Ansprüche des Antragstellers dient und nicht zu deren Befriedigung. Das Gericht kann daher dem Wesen und Zweck der einstweiligen Anordnung entsprechend nur vorläufige Regelungen treffen.
Die Antragsteller haben nach der im Sofortverfahren nur möglichen summarischen Prüfung keinen Anordnungsanspruch gegen den Antragsgegner auf bauaufsichtliches Einschreiten glaubhaft machen können. Ihnen geht es erkennbar darum, die Einstellung bereits begonnener Bautätigkeiten auf dem Nachbargrundstück des Beigeladenen zu erwirken. Ein solcher im Wege der einstweiligen Anordnung zu sichernder Anspruch steht den Antragstellern jedoch mit hoher Voraussicht auf Grundlage von Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO nicht zu.
Nach Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde die Einstellung von Arbeiten anordnen, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet, geändert oder beseitigt werden. Die Entscheidung nach Art. 75 Abs. 1 Satz 1 BayBO steht im Ermessen der Bauaufsichtsbehörde. Ein Dritter hat daher keinen Rechtsanspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten, sondern nur einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung. Eine Ermessensreduzierung auf Null und damit einen Rechtsanspruch auf Einschreiten ist dem Dritten bzw. dem Nachbarn nur dann zuzubilligen, wenn eine Störung des Nachbarn in subjektiven Rechten von solchem Ausmaß und solcher Schwere vorliegt, dass jede andere Entscheidung als ein Einschreiten zu Gunsten des Nachbarn ermessensfehlerhaft wäre. Dafür sind Ausmaß und Schwere der Störung oder Gefährdung der Rechtsgüter des Nachbarn maßgebend (vgl. BayVerfGH, E.v. 3.12.1993 – 108-VI-92 – BayVBl. 1994, 110; BayVGH, B.v. 12.4.2002 – 1 ZB 01.2759 – juris).
Im vorliegenden Fall können die Antragsteller die begehrte Baueinstellung voraussichtlich nicht mit Erfolg beanspruchen. Wie die Ausführungen unter 2. zeigen, verstößt das Bauvorhaben des Beigeladenen nicht gegen die dort genannten drittschützenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften. Verstöße gegen andere drittschützende öffentlich-rechtliche Vorschriften sind darüber hinaus nicht ersichtlich.
4. Beide Anträge der Antragsteller können somit keinen Erfolg haben und waren mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Da sich der Beigeladene durch eigene Antragstellung am Prozesskostenrisiko beteiligt hat, entsprach es der Billigkeit, seine außergerichtlichen Aufwendungen den Antragstellern aufzuerlegen (§ 162 Abs. 3 i.V.m. § 154 Abs. 3 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1 und 2 und § 63 Abs. 2 GKG. Nachbarklagen werden nach Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 mit 7.500,00 EUR bis 15.000,00 EUR im Hauptsacheverfahren bewertet. Die Kammer hält im vorliegenden Fall in der Hauptsache jeweils einen Streitwert von 10.000,00 EUR für angemessen (insgesamt 20.000,00 EUR), der für das vorliegende Sofortverfahren zu halbieren ist (Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs).


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