Baurecht

Nachbarschutz gegen erteilte Baugenehmigung

Aktenzeichen  M 1 SN 19.1557

Datum:
2.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 12090
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5 S. 1, § 80a Abs. 3 S. 2, § 123
BauGB § 34 Abs. 2
BauNVO § 15 Abs. 1 S. 2
BayVwVfG Art. 37 Abs. 1
BayBO Art. 10 S. 3, Art. 62a, Art. 63
BauVorlV § 1 Abs. 5

 

Leitsatz

1. Aus der Wahl der falschen Verfahrensart selbst folgt jedoch noch keine Verletzung von Rechten Drittbetroffener; diese können insoweit lediglich beanspruchen, dass ihnen daraus keine Beeinträchtigung ihrer materiellen Rechtsposition erwächst. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Zumutbarkeitsbegriff im Bauplanungsrecht deckt sich mit dem des Immissionsschutzrechts in § 3 Abs. 1 BImSchG. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei Art. 34 Abs. 1 BayBO handelt es sich nicht um eine nachbarschützende Vorschrift. (Rn. 49) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Anträge werden abgelehnt.
II. Die Antragsteller zu 1) und 2) haben die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf EUR 3.750,– festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller zu 1) und 2) begehren die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die der Beigeladenen erteilten Baugenehmigung sowie den Erlass einer einstweiligen Anordnung.
Die Antragsteller zu 1) und 2) sind zu je 1/2 Eigentümer des westlich an das Vorhabengrundstück FlNr. 123 Gemarkung … (die im Folgenden genannten Flurnummern liegen alle in derselben Gemarkung) angrenzende Grundstück FlNr. 128. Das Grundstück der Antragsteller ist im Süden mit einem viergeschossigen Gebäude bebaut. Das Erdgeschoss des Gebäudes wird gewerblich, die übrigen Geschosse zu Wohnzwecken genutzt. Im Erdgeschoss wird nach Angaben aus dem Internet (Abruf am 18. Mai 2020) ein Restaurant für asiatische Küche betrieben. Die Öffnungszeiten der Gaststätte sind mit Montag bis Samstag von 11:30 Uhr bis 22:00 Uhr angegeben. Nördlich des Gebäudes befinden sich auf dem Grundstück FlNr. 128 drei kleinere Anbauten.
Unter dem 13. Februar 2015 beantragte die Beigeladene eine Baugenehmigung für den Neubau eines Geschäftshauses mit Ladengeschäft, Büroeinheiten und einer Arztpraxis auf dem Grundstück FlNr. 123. Das Bauvorhaben wurde von der Antragsgegnerin mit Bescheid vom 1. Februar 2016 im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO genehmigt. In Nummer V.4 Satz 1 der Baugenehmigung hieß es, dass der Standsicherheitsnachweis gemäß Art. 62 Abs. 3 Satz 1 BayBO durch einen Prüfsachverständigen zu bescheinigen ist. Die Baugenehmigung wurde den Antragstellern am 4. Februar 2016 zugestellt.
Unter dem 5. April 2016 zeigte die Beigeladene gegenüber der Antragsgegnerin den Baubeginn für den 18. April 2016 an.
Unter dem 29. Oktober 2016 erteilte der Prüfsachverständige die abschließende Bescheinigung zur Vollständigkeit und Richtigkeit des Standsicherheitsnachweises und bescheinigte unter dem 26. April 2017 die ordnungsgemäße Bauausführung.
Mit dem am 26. April 2017 bei der Antragsgegnerin eingegangenen Schreiben zeigte die Beigeladene die Teilnutzungsaufnahme für den 2. Mai 2017 an.
Unter dem 17. Oktober 2017 beantragte die Beigeladene eine Änderungsgenehmigung zu dem mit Bescheid vom 1. Februar 2016 genehmigten Bauvorhaben. Der Bauantrag sah bei unveränderten Gebäudeabmessungen geänderte Nutzungen vor. Für das Erdgeschoss wurde statt einer Ladeneinheit eine Nutzung für Gastronomie beantragt; für das 1., 2. und 4. Obergeschoss wurde statt der Nutzung als Büroeinheiten eine Nutzung durch Arztpraxen beantragt.
Zusammen mit dem Änderungsantrag reichte die Beigeladene eine Betriebsbeschreibung für das vorgesehene Restaurant im Erdgeschoss ein. Hiernach sollten in dem Restaurant Speisen wie Burger, Pommes, Bowls, Salate, Smoothies und verschiedene alkoholfreie/alkoholhaltige Getränke angeboten werden. Auch die Mitnahme der Speisen sollte möglich sein. Die Mitarbeiterzahl wurde abhängig vom Umsatz mit sechs bis zehn Vollzeitbeschäftigten und sechs bis zehn Teilzeitbeschäftigte angegeben. Als Öffnungszeiten wurde in der Betriebsbeschreibung Montag bis Samstag von 11:30 Uhr bis 23:00 Uhr und Sonntag/Feiertag von 12:00 Uhr bis 22:00 Uhr angegeben. Die Anzahl der Sitzplätze sollte im Innenbereich 65 bis 69 betragen. Für den Außenbereich war eine Bestuhlung aktuell nicht vorgesehen. Die Anzahl der geplanten Speisen sollte am Wochentag/Samstag 175 bis 225 Portionen und am Sonntag/Feiertag 120 bis 150 Portionen betragen.
Der Stadtentwicklungs- und Baugenehmigungsausschuss der Antragsgegnerin stimmte dem Bauvorhaben wegen des durch die Nutzungsänderungen zusätzlich ausgelösten Stellplatzbedarfs mit Beschluss vom 16. November 2017 nicht zu.
Die Beigeladene änderte daraufhin ihren Antrag und beantragte die Nutzungsänderung nun nur noch bezüglich der Umnutzung in Arztpraxen für das 1., 2. und 4. Obergeschoss.
Mit Bescheid vom 29. Mai 2018 erteilte die Antragsgegnerin die Baugenehmigung entsprechend dem geänderten Antrag und versandte den Bescheid am 30. Mai 2018 an die Antragsteller.
Noch vor der Genehmigung des ersten Änderungsantrags beantragte die Beigeladene unter dem 9. Mai 2018 eine weitere Änderung zu dem mit Bescheid vom 1. Februar 2016 genehmigten Bauvorhaben. Der Antrag ging bei der Antragsgegnerin am 15. Mai 2018 ein und erhielt das Aktenzeichen 1* …18, was auch auf den eingereichten Antragsunterlagen vermerkt wurde. Dem zweiten Änderungsantrag wurde von der Beigeladenen ein Inhaltsverzeichnis zu der von ihr als „2. Tektur vom 9. Mai 2018“ bezeichneten Bauvorhaben beigefügt. In dem Inhaltsverzeichnis ist neben dem Antrag auf Baugenehmigung (Nummer 1) und der Baubeschreibung (Nummer 2) auch eine Betriebsbeschreibung der Gaststätte (Nummer 15) aufgeführt. Beantragt ist mit dem zweiten Änderungsantrag eine Nutzungsänderung für das Erdgeschoss. Statt einer Ladenfläche soll das Erdgeschoss wie im ursprünglich gestellten ersten Änderungsantrag für gastronomische Zwecke genutzt werden. Die Fläche für den Gastraum ist im Bauantrag mit 104 m2, die Anzahl der Gastplätze mit 64 angegeben. Nach dem Eingabeplan soll der Eingang zur Gaststätte in einem Rücksprung an der südöstlichen Ecke des Gebäudes liegen. Der Eingabeplan sieht keine Außenanlagen für den Gastronomiebetrieb vor.
Am 7. Juni 2018 ging bei der Antragsgegnerin eine neue Betriebsbeschreibung für die geplante Gaststätte ein. Auf der Betriebsbeschreibung wurde von der Antragsgegnerin das Aktenzeichen 1* …18 vermerkt. Diese Betriebsbeschreibung sieht eine Nutzung durch denselben Betreiber wie in der Betriebsbeschreibung zum ursprünglich gestellten ersten Änderungsantrag vor und enthält hinsichtlich der Anzahl der Mitarbeiter, der Öffnungszeiten, der Anzahl der Sitzplätze und geplanten Speisen die gleichen Angaben. Zusätzlich dazu enthält die Betriebsbeschreibung ein Konzept für die Gaststätte, in welchem angegeben wird, dass eine Kundenfrequenz wie bei einem Schnellrestaurant nicht geplant sei. Des Weiteren gibt die Betriebsbeschreibung an, dass keine Musikdarbietungen stattfinden sollen.
Mit Bescheid vom 11. März 2019 genehmigte die Antragsgegnerin das Bauvorhaben „nach Maßgabe des Bauantrags vom 9. Mai 2018 Nummer 1* …2018-S im vereinfachten Verfahren nach Art. 59 BayBO“. In Nummer II.1. des Bescheids ist eine Abweichung gemäß Art. 63 Abs. 1 BayBO hinsichtlich der Anforderungen nach Art. 34 Abs. 1 BayBO bezüglich der Errichtung einer 220 m2 großen Gaststätteneinheit im Erdgeschoss und damit mehr als 200 m2 ohne notwendigen Flur zugelassen. Nach Nummer II.2. wird auf die erforderliche Prüfung des Standsicherheitsnachweises durch die Behörde verzichtet. Nach Nummer II.3. ist die Ausführung der Grundstücksentwässerungsanlage nach Maßgabe des Entwässerungsplanes vom 2. November 2018 gemäß § 10 Abs. 3 der städtischen Entwässerungssatzung (EWS) genehmigt. Das abwassertechnische Gutachten vom 15. Januar 2019 soll beachtet werden. Unter Nummer IV. sieht die Baugenehmigung eine Reihe von Auflagen vor. So wird in Nummer IV.6. angeordnet, dass die Bestimmungen der TA Lärm gelten und die um 10 dB(A) reduzierten Immissionsrichtwerte von 50 dB(A) in der Tagzeit und 35 dB(A) in der Nachtzeit nicht überschritten werden dürfen. In Nummer IV.7. wird angeordnet, dass einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen die vollen Immissionsrichtwerte von 60 dB(A) tagsüber um nicht mehr als 30 dB(A) und nachts von 45 dB(A) um nicht mehr als 20 dB(A) überschreiten dürfen. Hinsichtlich eventueller Hintergrundmusik ordnet der Bescheid in Nummer IV.9. an, dass der Dauerschallpegel von maximal 65 dB(A), gemessen in der Mitte des Gastraumes in 1,5 m über dem Boden, nicht überschritten werden darf. Zudem wird in Nummer IV.13. angeordnet, dass die gefasste Abluft von der Speisezubereitung (Herd, Ofen usw.) senkrecht in die freie Windströmung abzuführen ist. Nach dem Hinweis in Nummer V.1 handelt es sich bei dem Gebäude um ein Gebäude der Gebäudeklasse 5 sowie einen Sonderbau gemäß Art. 2 Abs. 4 Nr. 8 BayBO. Die am 7. Juni 2018 bei der Antragsgegnerin eingegangene Betriebsbeschreibung enthält im Gegensatz zum Eingabeplan keinen Genehmigungsvermerk.
Mit Schriftsatz vom … März 2019, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht München am 1. April 2019, haben die Antragsteller Klage (M 1 K 19.1548) erhoben und folgendes beantragt,
1. Der Beigeladene soll verpflichtet werden, den Kanal so herzustellen und die Bauschäden zu beseitigen, sodass ihr Kanal ohne Probleme abläuft.
2. Die Umnutzung in ein Lokal soll untersagt werden. Die Emissionen sind erheblich und werden unsere Mieter belästigen.
3. Die Antragsgegnerin soll dazu verpflichtet werden, die erteilte Baugenehmigung zu widerrufen.
Im vorliegenden Verfahren beantragen sie zugleich:
Es wird um Sofortvollzug gebeten, da ansonsten Fakten geschaffen werden.
Zur Begründung führen die Antragsteller aus, dass das Vorgehen der Antragsgegnerin nicht rechtskonform sei. Für die Beigeladene seien Ausnahmen gemacht worden, die so kein Anderer erhalte. Insbesondere die Abweichungen vom Bebauungsplan seien nicht rechtskonform. Im Einzelnen wende man sich gegen die Aufweitung der Gastfläche auf 220 m2, den Verzicht auf die Prüfung der Standsicherheit sowie die Entwässerung, die auch den Kanal der Antragsteller betreffe. Die Abflussleitungen seien im Zuge der Bauarbeiten bereits mehrmals verstopft gewesen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Nach Auffassung der Antragsgegnerin seien die Antragsteller durch die Baugenehmigung nicht in ihren Rechten verletzt. Der Gastronomiebetrieb habe mittlerweile geöffnet. Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot sei nicht zu erkennen. Die Gaststätte weise mit 103 m² eine geringe Gastfläche auf. Die Öffnungszeiten seien nach der Betriebsbeschreibung des Gastronomiebetriebs auf 11:30 bis 23:00 Uhr von montags bis samstags und 12:00 bis 22:00 Uhr an Sonn- und Feiertagen beschränkt. Die Betriebsbeschreibung stelle auch klar, dass keine Musikdarbietungen stattfinden dürfen. In der Baugenehmigung seien Auflagen zur Reduzierung von Störungen festgesetzt worden. Da der Änderungsantrag keine Eingriffe in das Tragwerk des genehmigten und im Wesentlichen bereits fertiggestellten Gebäude erforderlich gemacht habe, sei der Verzicht auf eine behördliche Prüfung der Standsicherheit gemäß § 1 Abs. 5 BauVorlV sachgerecht gewesen. Es sei auch zu berücksichtigen, dass der Standsicherheitsnachweis bereits aufgrund der vorliegenden Gebäudeklasse 5 zu bescheinigen gewesen sei. Eine Verletzung von Rechten der Antragsteller sei nicht zu erkennen. Durch den zweiten Änderungsantrag sei aufgrund der geplanten Gaststätte lediglich das Erfordernis eines Fettabscheiders hinzugekommen. Im Hinblick auf die Entwässerung sei eine Erlaubnis nach § 10 EWS bereits mit der ursprünglichen Baugenehmigung für das Vorhaben ausgesprochen worden. Da die Regelungen der Entwässerungssatzung den Schutz des öffentlichen Abwasserkanals bezwecken würden, fehle es an einem nachbarschützenden Charakter der Regelungen. Soweit sich die Antragsteller gegen Bauschäden an einem Entwässerungskanal wendeten, sei offensichtlich ein Tätigwerden bzw. Einschreiten der Antragsgegnerin beantragt. Der Antragsgegnerin seien Schäden am öffentlichen Kanal im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben jedoch nicht bekannt. Zudem hätten die Antragsteller bisher keinen Antrag auf behördliches Tätigwerden gestellt. Mangels vorherigen Antrags sei eine Verpflichtungsklage daher unzulässig. Soweit es um vermeintliche Schäden an einem privaten Kanal gehe, handele es sich um eine privatrechtliche Streitigkeit.
Die Beigeladene hat keinen eigenen Antrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichts- und Behördenakte sowie die beigezogene Akte im Verfahren M 1 K 19.1548 Bezug genommen.
II.
Die Anträge gem. § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO und § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO haben keinen Erfolg.
1. Die Anträge der anwaltlich nicht vertretenen Antragsteller sind gem. § 88, § 122 Abs. 1 VwGO dahingehend auszulegen, dass die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die der Beigeladenen erteilten Baugenehmigung vom 11. März 2019 und der Erlass einer einstweiligen Anordnung gem. § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO begehrt wird.
Dass in der Hauptsache Anfechtungsklagen gem. § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO gegen die Baugenehmigung erhoben werden, ergibt sich aus der Überschrift des Schriftsatzes vom … März 2019 („Klage gegen die Baugenehmigung […], erteilt […] am 11.3.2019 […]“) und der Rüge der damit genehmigten Umnutzung im Klageantrag 2 und 3. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gem. § 80a Abs. 2 Satz 2 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ergibt sich aus dem Antrag auf „Sofortvollzug, da ansonsten Fakten geschaffen werden“.
Der Antrag auf Wiederherstellung des ursprünglichen Kanalzustands ist als Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten der Antragsgegnerin gegenüber der Beigeladenen auszulegen. Da es sich in der Hauptsache folglich um Verpflichtungsklagen der Antragsteller gem. § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO handelt, sind die Anträge im vorläufigen Rechtsschutzverfahren als Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gem. § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO auszulegen.
2. Die Anträge auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Baugenehmigung gem. § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO sind zwar zulässig, aber unbegründet. Die Baugenehmigung vom 11. März 2019 verletzt die Antragsteller voraussichtlich nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Nach § 212a BauGB haben Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung. Jedoch kann das Gericht der Hauptsache gemäß § 80 a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Antrag die aufschiebende Wirkung anordnen. Hierbei trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung darüber, ob die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechenden Interessen oder die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streitenden Interessen höher zu bewerten sind. Im Rahmen dieser Interessenabwägung hat das Verwaltungsgericht insbesondere zunächst die Erfolgsaussichten der Hauptsache als Indiz heranzuziehen, wie sie sich aufgrund der summarischen Prüfung im Zeitpunkt der Entscheidung darstellen. Wird die Klage voraussichtlich erfolglos bleiben, so überwiegt regelmäßig das öffentliche Interesse am Sofortvollzug das private Interesse des Antragstellers, weil kein schutzwürdiges Interesse daran besteht, von dem Vollzug eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes verschont zu bleiben (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 80 Rn. 88, 90 ff.).
Gemessen an diesen Maßstäben fällt die gemäß § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Interessensabwägung zulasten der Antragsteller aus, weil die Klage gegen den Baugenehmigungsbescheid voraussichtlich keinen Erfolg hat. Die mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 11. März 2019 erteilte Baugenehmigung ist nach summarischer Prüfung rechtmäßig und verletzt die Antragsteller nicht in nachbarschützenden Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
2.1. Die laut Nummer I. des Bescheids vorgenommene Genehmigung des Bauvorhabens im vereinfachten Genehmigungsverfahren gem. Art. 59 BayBO führt nicht zu einer Verletzung der Antragsteller in nachbarschützenden Rechten.
Bei der Gaststätte handelt es sich aufgrund der Anzahl von 64 Gastplätzen um einen Sonderbau im Sinne von Art. 2 Abs. 4 Nr. 8 BayBO. Richtiges Baugenehmigungsverfahren ist bei einem Sonderbau das Verfahren nach Art. 60 BayBO und nicht das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO. Aus der Wahl der falschen Verfahrensart selbst folgt jedoch noch keine Verletzung von Rechten Drittbetroffener; diese können insoweit lediglich beanspruchen, dass ihnen daraus keine Beeinträchtigung ihrer materiellen Rechtsposition erwächst (vgl. BayVGH, B.v. 7.5.2002 – 26 CS 01.2795 – juris Rn. 8; Wolf in Simon/Busse, BayBO, 135. EL Dezember 2019, Art. 59 Rn. 115; Robl in Spannowsky/Manssen, BeckOK Bauordnungsrecht Bayern, Stand: 1.3.2020, Art. 59 Rn. 12). Eine etwaige Wahl des vereinfachten Genehmigungsverfahren führt somit nicht zu einer Verletzung der Antragsteller in einem drittschützenden Recht. Die Frage, ob der Prüfungsmaßstab überhaupt beschränkt wurde, oder ob die Tenorierung unter Nummer I. lediglich versehentlich fehlerhaft erfolgte und die Antragsgegnerin die Baugenehmigung tatsächlich doch anhand des Maßstabes des Art. 60 BayBO geprüft hat, wofür z.B. die Ausführungen in Nummer V.1. sowie die Gründe des Bescheids sprechen, kann daher offenbleiben.
2.2. Die Baugenehmigung ist hinreichend bestimmt im Sinne des Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG.
Gemäß Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG muss die Baugenehmigung hinreichend bestimmt sein, was erfordert, dass die im Bescheid getroffenen Regelungen für die Beteiligten – gegebenenfalls nach Auslegung – eindeutig zu erkennen sein müssen und einer unterschiedlichen subjektiven Bewertung nicht zugänglich sein dürfen (vgl. BayVGH, B.v. 28.10.2015 – 9 CS 15.1633 – juris Rn. 18; B.v. 16.4.2015 – 9 ZB 12.205 – juris Rn. 7). Maßgebend für die Beurteilung der Frage, ob die hinreichende Bestimmtheit eines Bescheids gegeben ist, sind die Umstände des Einzelfalls, wobei Unklarheiten zulasten der Behörde gehen (vgl. Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 19. Aufl. 2018, § 37 Rn. 6 und 7). Nachbarn müssen zweifelsfrei feststellen können, ob und in welchem Umfang sie betroffen sind. Eine Verletzung von Nachbarrechten liegt vor, wenn die Unbestimmtheit der Baugenehmigung ein nachbarrechtlich relevantes Merkmal betrifft (vgl. Lechner in Simon/Busse, 135. EL Dezember 2019, Art. 68 Rn. 472). Eine Baugenehmigung ist daher aufzuheben, wenn wegen Fehlens oder Unvollständigkeit der Bauvorlagen Gegenstand und Umfang der Baugenehmigung nicht eindeutig festgestellt werden können und aus diesem Grund eine Verletzung von Nachbarrechten nicht eindeutig ausgeschlossen werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 16.4.2015 – 9 ZB 12.205 – juris Rn. 7; B.v. 29.1.2016 – 15 ZB 13.1759 – juris Rn. 7). Der Inhalt der Baugenehmigung bestimmt sich dabei nach der Bezeichnung und den Regelungen im Baugenehmigungsbescheid, der durch die in Bezug genommenen Bauvorlagen konkretisiert wird (vgl. Lechner in Simon/Busse, 135. EL Dezember 2019, Art. 68 Rn. 466; König in Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 68 Rn. 34).
Die Baugenehmigung vom 11. März 2019 ist hinreichend bestimmt. Die Antragsteller können aus der Baugenehmigung in Verbindung mit den Antragsunterlagen entnehmen, welchen Immissionen sie durch den Betrieb der Gaststätte ausgesetzt sind.
Die Baugenehmigung trifft zwar selbst keine Aussage zu den Öffnungszeiten der Gaststätte; diese können jedoch der Betriebsbeschreibung entnommen werden, die als Teil der Bauvorlagen (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1, § 3 Nr. 3, § 9 Satz 1 BauVorlV) am 7. Juni 2018 bei der Antragsgegnerin eingereicht wurde. Die Betriebsbeschreibung ist auch trotz des fehlenden Genehmigungsvermerks im konkreten Fall für die Auslegung der Baugenehmigung maßgebend, weil nach den Behördenakten kein Zweifel daran besteht, dass sie Bestandteil der Baugenehmigung werden sollte. Dafür spricht, dass es sich bei der Betriebsbeschreibung um die einzige zum zweiten Änderungsantrag eingereichte Betriebsbeschreibung handelt und ihre Zugehörigkeit zu dem Bauvorhaben dadurch dokumentiert wurde, dass die Antragsgegnerin auf ihr – wie auf den ausgefüllten Bauantragsformularen (vgl. Seite 188 und 193 der Behördenakte) – das Aktenzeichen des Bauantrags 1* …18 vermerkt hat (vgl. Seite 174 der Behördenakte). Dass die Betriebsbeschreibung auch nach dem Willen der Beigeladenen Teil des Bauantrags sein sollte, ergibt sich aus dem von der Beigeladenen zur „2. Tektur vom 9. Mai 2018“ beigefügten Inhaltsverzeichnis, in welchem neben Baubeschreibung, Lageplan und Bauzeichnungen unter Nummer 15 eine Betriebsbeschreibung der Gaststätte aufgeführt ist (vgl. Seite 189 der Behördenakte). Die Antragsgegnerin hat zu der eingereichten Betriebsbeschreibung auch keine Änderungen verlangt. Es besteht daher kein Zweifel, dass die Baugenehmigung nach Maßgabe dieser den Bauantrag konkretisierenden Bauvorlage erteilt werden sollte und erteilt worden ist. Letzteres bestätigt auch der Wortlaut in Nummer I. der Baugenehmigung, in dem es dort heißt, das Bauvorhaben werde nach Maßgabe des Bauantrags vom 9. Mai 2018 Nummer 1* …2018-S genehmigt. Der fehlende Genehmigungsvermerk führt somit nicht zur Unbestimmtheit der Baugenehmigung.
Die für die Auslegung der Baugenehmigung maßgebliche Betriebsbeschreibung ist im Übrigen auch hinreichend bestimmt. In der Betriebsbeschreibung wurden konkrete Angaben zu den Öffnungszeiten, der Anzahl der Sitzplätze sowie der Anzahl der geplanten Speisen gemacht. Des Weiteren wurde das Konzept der Gaststätte dargestellt und ausgeführt, dass Musikdarbietungen nicht stattfinden werden. Der Umfang der Nutzung ist für die Antragsteller somit erkennbar.
2.3. Die Baugenehmigung verstößt voraussichtlich nicht gegen das nachbarschützende Rücksichtnahmegebot aus § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO.
Das Vorhabengrundstück liegt in der dicht besiedelten Stadtmitte der Antragsgegnerin, für den kein Bebauungsplan existiert. Im näheren Umgriff befinden sich eine Vielzahl von gewerblichen Nutzungen. Allein in der unmittelbaren Umgebung des Vorhabengrundstücks sind eine Reihe von Arztpraxen und Einzelhandelsgeschäften ansässig. Des Weiteren befinden sich auf der sowie in direkter Nähe zur H.-G.-Straße mehrere Restaurants, z.B. in der H.-G.-Straße 12, 15 und 28, der F.-S.-Straße 7 und der S.-Straße 3. Auch in dem westlich angrenzenden Grundstück der Antragsteller befindet sich im Erdgeschoss des an das Vorhabengrundstück angrenzenden Gebäudes eine Gaststätte. Aufgrund der in dem Gebiet abwechselnden Nutzung von Wohnen und Gewerbe, ist nach Aktenlage davon auszugehen, dass es sich um ein faktisches Mischgebiet gem. § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 6 BauNVO handelt. Da eine Gaststätte in einem solchen Gebiet eine gem. § 6 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO allgemein zulässige Nutzung darstellt, scheidet ein Gebietserhaltungsanspruch der Antragsteller aus.
Handelt es sich um ein faktisches Baugebiet, ergibt sich das (nachbarschützende) Rücksichtnahmegebot nicht aus dem Tatbestandsmerkmal des „Einfügens“ in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB, sondern wie in einem durch Bebauungsplan festgesetzten Plangebiet aus § 15 Abs. 1 BauNVO, der eine Ausprägung des Rücksichtnahmegebots darstellt (vgl. BVerwG, B.v. 16.12.2008 – 4 B 68/08 – ZfBR 2009, 376, juris Rn. 4). Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO sind die in den §§ 2 bis 14 BauNVO aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind.
Ziel des Rücksichtnahmegebots ist es, einen angemessenen Interessenausgleich im Nachbarschaftsverhältnis zu gewährleisten. Die Abwägung der gegenläufigen Interessen hat sich dabei an der Frage auszurichten, was dem Rücksichtnahmebegünstigten und dem Rücksichtnahmeverpflichteten jeweils nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung des Rücksichtnahmebegünstigten ist, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger Rücksicht braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, zu nehmen (vgl. BVerwG, U.v. 18.11.2004 – 4 C 1/04 – NVwZ 2005, 328, juris Rn. 22; BayVGH, B.v. 5.12.2012 – 2 CS 12.2290 – juris Rn. 4; B.v. 1.12.2008 – 15 CS 08.2546 – juris Rn. 12; VG Augsburg, U.v. 17.7.2013 – Au 4 K 13.229 – juris Rn. 87). Treffen verschiedenartige Nutzungen aufeinander und treten hierbei Immissionskonflikte auf, so ist für die Beurteilung der Zumutbarkeit auf die Begriffsbestimmungen des Bundesimmissionsschutzgesetzes zurückzugreifen, in denen das Rücksichtnahmegebot ebenso eine spezielle gesetzliche Ausprägung erfahren hat wie in § 34 Abs. 1, § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB oder in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO. Der Zumutbarkeitsbegriff im Bauplanungsrecht deckt sich insoweit mit dem des Immissionsschutzrechts in § 3 Abs. 1 BImSchG, wonach Immissionen dann unzumutbar sind, wenn sie nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Was einem Nachbarn im konkreten Einzelfall an Immissionen durch Geräusche zugemutet werden kann, bemisst sich dabei nach der Sechsten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundesimmissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm – TA Lärm) vom 26. August 1998 (GMBl Nr. 26/1998 S. 503) (vgl. BayVGH, B.v. 18.5.2018 – 9 CS 18.10 – juris Rn. 15; B.v. 15.11.2011 – 14 AS 11.2328 – juris Rn. 29).
In Auflage Nummer IV.6. der Baugenehmigung ist festgelegt, dass der Beurteilungspegel der Geräusche, die von allen Emittenten der Gaststätte ausgehen, die gegenüber der TA-Lärm um 10 dB(A) reduzierten Immissionsrichtwerte von tagsüber 50 dB(A) und nachts 35 dB(A) nicht überschreiten darf. Die Baugenehmigung ordnet somit niedrigere als in Nummer 6.1. Satz 1 Buchst. d) TA-Lärm für ein Mischgebiet vorgesehene Immissionsrichtwerte an. Es ist grundsätzlich auch zulässig, den Lärmschutz durch zielorientierte Festlegungen zu regeln und dem Emittenten lediglich aufzugeben, die näher bestimmten Immissionsrichtwerte beim Betrieb der Anlage einzuhalten (vgl. BayVGH, B.v. 18.10.2017 – 9 CS 16.883 – juris Rn. 26; U.v. 16.10.2013 – 15 ZB 12.1808 – juris Rn. 15). In einem solchen Fall muss jedoch gewährleistet sein, dass die Immissionsrichtwerte im regelmäßigen Betrieb eingehalten werden können (vgl. BayVGH, B.v. 18.10.2017 – 9 CS 16.883 – juris Rn. 26; B.v. 15.11.2001 – 14 AS 11.2328 – juris Rn. 31). Vorliegend ist kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass die Werte nicht eingehalten werden können. Die Antragsteller haben im Hinblick auf die Emissionen nur pauschal vorgetragen, dass diese erheblich seien und ihre Mieter belästigten. Angaben dazu, welche Emissionen damit gemeint sind und weshalb diese unzumutbar sein sollen, wurden nicht gemacht. Ebensowenig haben die Antragsteller dargelegt, weshalb die Gaststätte auf dem Grundstück FlNr. 123 zu einer stärkeren Belastung führen soll als die auf demselben Grundstück wie die Mieter gelegene Gaststätte. Aus der Betriebsbeschreibung ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Immissionsrichtwerte aus der Baugenehmigung nicht eingehalten werden. Hiernach finden keine Musikdarbietungen statt. Auch ist keine Außenbestuhlung für das Restaurant vorgesehen. Das in der Betriebsbeschreibung dargelegte Konzept zeigt zudem, dass es sich um kein Schnellrestaurant mit hoher Kundenfrequenz handeln soll. Es ist daher davon auszugehen, dass die Lärmbelastung nicht höher als bei den übrigen Gaststätten in der näheren Umgebung ist. Das Restaurant weist mit ca. 104 m2 auch keine besonders große Fläche für die Gasträume auf. Selbst der Eingang zur Gaststätte ist, da er sich im Rücksprung des Erdgeschosses an der südöstlichen Ecke des Gebäudes befindet, so gelegen, dass im Hinblick auf den Lärm durch das Betreten und Verlassen des Restaurants eher von einer geringen Belastung für die Mieter auf dem Grundstück FlNr. 128 auszugehen ist. Im Ergebnis ist daher davon auszugehen, dass die Gaststätte im Betrieb ähnliche Emissionen wie die umliegenden Restaurants verursacht und den Nutzungen in der näheren Umgebung, die für ein Mischgebiet im Übrigen typisch sind, vergleichbar ist. Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot im Hinblick auf die Geräuschimmissionen zulasten der Antragsteller ist deshalb voraussichtlich nicht gegeben.
Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot aufgrund von Geruchsimmissionen ist ebensowenig erkennbar. In der Baugenehmigung wurde in Nummer IV.13. angeordnet, dass die gefasste Abluft von der Speisezubereitung (Herd, Ofen usw.) senkrecht in die freie Windströmung abzuführen ist. Da der Abluftkamin nach den Eingabeplänen auf dem Dach installiert ist und das Gebäude der Antragsteller eine niedrigere Höhenentwicklung als das Gebäude der Beigeladenen aufweist, ist von keinen erheblichen Geruchsimmissionen durch die genehmigte Gaststätte auszugehen.
2.4. Die Baugenehmigung verletzt die Antragsteller bei summarischer Prüfung auch nicht in sonstigen nachbarschützenden Vorschriften.
2.4.1. Die von der Antragsgegnerin in Nummer II.1. des Bescheids erteilte Abweichung gem. Art. 63 Abs. 1 BayBO hinsichtlich der Anforderungen nach Art. 34 Abs. 1 BayBO verletzt die Antragsteller nicht in einem drittschützenden Recht.
In Art. 34 BayBO werden die Anforderungen an Flure und offene Gänge bestimmt, die im Brandfall als Rettungswege dienen und aus diesem Grund als Teile des Rettungswegesystems eines Gebäudes im Sinn des Gesetzes notwendig sind. Gemäß Art. 34 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BayBO ist ein notwendiger Flur in Nutzungseinheiten von nicht mehr als 200 m2 nicht erforderlich. Die Gaststätteneinheit im Erdgeschoss ist hier 220 m2 groß, verfügt jedoch über keinen notwendigen Flur. Es bedurfte daher der Erteilung einer Abweichung gem. Art. 63 Abs. 1 BayBO von den Anforderungen nach Art. 34 Abs. 1 BayBO. Die erteilte Abweichung verletzt die Antragsteller jedoch nicht in ihren drittschützenden Rechten. Bei Art. 34 Abs. 1 BayBO handelt es sich um keine nachbarschützende Vorschrift, weil der Zweck von notwendigen Fluren ist, eine Entfluchtung im Brandfall realisieren zu können (vgl. Spennes/Otto/Schulz in Spannowsky/Manssen, BeckOK Bauordnungsrecht Bayern, Art. 34 Rn. 1). Die Vorschrift dient somit nur dem Schutz der der sich in der Nutzungseinheit befindlichen Personen, nicht aber Nachbarn in umliegenden Gebäuden. Wird eine Abweichung von einer nicht nachbarschützenden Vorschrift erteilt, ist der Nachbar insoweit auf die Würdigung seiner nachbarlichen Interessen beschränkt, d.h., er ist nur dann in seinen Rechten verletzt, wenn seine Interessen nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Es gilt das Gebot der Rücksichtnahme (vgl. BayVGH, B.v. 16.7.2007 – 1 CS 07.1340 – NVwZ-RR 2008, 84, juris Rn. 16 f.; Weinmann in Spannowsky/Manssen, BeckOK Bauordnungsrecht Bayern, Art. 63 Rn. 75). Inwieweit die Abweichung Einfluss auf die Interessenlage der Antragsteller haben soll, wurde weder dargetan, noch ist dies ersichtlich. Die Antragsteller sind daher auch durch die erteilte Abweichung nicht in ihren nachbarschützenden Rechten verletzt.
2.4.2. Der Verzicht auf die Prüfung der Standsicherheit gemäß Nummer II.2 des Bescheids verletzt die Antragsteller nicht in ihren drittschützenden Nachbarrechten.
Gemäß Art. 62a Abs. 2 Satz 2 BayBO muss bei baulichen Anlagen nach Satz 1, wozu nach Art. 62a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayBO auch die Gebäude der Gebäudeklasse 4 und 5 zählen, der Standsicherheitsnachweis durch die Bauaufsichtsbehörde, einen Prüfingenieur oder ein Prüfamt geprüft werden. Vorliegend hätte es für das Bauvorhaben eines Standsicherheitsnachweises bedurft, weil es sich um einen Sonderbau sowie ein Gebäude der Gebäudeklasse 5 handelt. Aus dem Verzicht auf den Standsicherheitsnachweis folgt jedoch keine Verletzung der Antragsteller in ihren nachbarschützenden Rechten. Die Vorschriften in Art. 62, 62a und 62b BayBO dienen grundsätzlich dem Schutz der Allgemeinheit und haben keine drittschützende Wirkung. Sie entfalten nur ausnahmsweise nachbarschützende Wirkung, wenn trotz des Erfordernisses eines Standsicherheitsnachweises gar keine Prüfung erfolgt ist. In einem solchen Fall kann sich der Nachbar etwa auf die nachbarschützende Norm des Art. 10 Satz 3 BayBO berufen, wenn die Standsicherheit anderer baulicher Anlagen und die Tragfähigkeit des Baugrunds des Nachbargrundstücks nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. VG Ansbach, B.v. 11.7.2016 – AN 9 S 16.00804 – juris Rn. 51; Shirvani in Simon/Busse, BayBO, 135. EL Dezember 2019, Art. 62 Rn. 22; Weinmann in Spannowsky/Manssen, BeckOK Bauordnungsrecht Bayern, Stand: 1.3.2020, Art. 62 Rn. 47 f.). Die Verletzung der Antragsteller in der drittschützenden Vorschrift des Art. 10 Satz 3 BayBO ist hier zu verneinen. Für das Gebäude ist – anders als etwa in der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Ansbach (B.v. 11.7.2016 – AN 9 S 16.00804) – im Rahmen der ursprünglich erteilten Baugenehmigung vom 1. Februar 2016 ein Standsicherheitsnachweis erstellt und die ordnungsgemäße Bauausführung auch von einem Prüfsachverständigen bescheinigt worden. Auf die Erstellung eines weiteren Standsicherheitsnachweises wurde in der Folge lediglich deshalb verzichtet, weil die beantragte Nutzungsänderung für das Erdgeschoss – was auch der Prüfsachverständigen bestätigt hat – mit keinen Eingriffen in das Tragwerk des Gebäudes verbunden war. Unter diesen Umständen ist der Verzicht auf die Prüfung des Standsicherheitsnachweises gem. § 1 Abs. 5 BauVorlV i.V.m. § 10 BauVorlV voraussichtlich nicht zu beanstanden. Die Antragsteller haben zudem in keiner Weise dargelegt, inwieweit sich die Nutzungsänderung negativ auf die Tragfähigkeit des Vorhabengebäudes oder ihres Gebäudes auswirken soll. Es ist nicht ersichtlich, dass die Standsicherheit des Gebäudes der Antragsteller sowie die Tragfähigkeit des Baugrunds durch die Nutzungsänderung beeinträchtigt wird.
2.4.3. Die Antragsteller sind durch die Genehmigung der Ausführung der Grundstücksentwässerungsanlage gem. § 10 Abs. 3 EWS nicht in ihren Rechten verletzt, weil es sich hierbei nicht um eine nachbarschützende Vorschrift handelt.
Sinn und Zweck der Regelung in § 10 EWS ist es sicherzustellen, dass die Stadt vor dem Anschluss der privaten Leitungen der Grundstückseigentümer (Grundstücksentwässerung) an den öffentlichen Kanal prüfen kann, ob die beabsichtigte Entwässerungsanlage den Bestimmungen der Satzung entspricht (vgl. § 10 Abs. 2 EWS). Zweck der Regelung ist es vorab zu klären, ob das Schmutz- und Regenwasser in ordnungsgemäßer Weise in die Kanalisation abgeleitet wird. Die Vorschrift dient somit nicht dem Schutz der Nachbarn, sondern der Antragsgegnerin als Betreiberin einer öffentlichen Einrichtung zur Abwasserbeseitigung. Auch die Satzung als Gesamtheit ist so ausgestaltet, dass sie lediglich das bilaterale Verhältnis zwischen den jeweiligen Grundstückseigentümern und der Antragsgegnerin in Bezug auf die Abwasserentsorgung regelt. Mangels nachbarschützenden Charakters kann die von der Antragsgegnerin erteilte Genehmigung gem. § 10 Abs. 3 EWS somit nicht zu einer Verletzung der Antragsteller in drittschützenden Rechten führen.
3. Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gem. § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind unzulässig, weil ihnen das Rechtsschutzbedürfnis fehlt.
Voraussetzung für einen Eilantrag nach § 123 VwGO ist, dass der Antragsteller zuvor einen erfolglosen Antrag bei der Behörde gestellt hat (vgl. BayVGH, B.v. 19.3.1990 – 20 CE 89.02710 – BayVBl 1990, 564; VGH BW, B.v. 10.3.1989 – 9 S 615/89 – DVBl 1989, 1197, juris Ls.; Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 37. EL Juli 2019, § 123 Rn. 121b; Kuhla in Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand: 1.7.2019, § 123 Rn. 37a). Dies haben die Antragsteller hier jedoch nicht getan. Erst mit der am 1. April 2019 beim Gericht eingegangenen Schreiben haben die Antragsteller eine Verstopfung des Kanals gerügt. Mangels vorherigen Antrags bei der Antragsgegnerin sind die Anträge somit bereits unzulässig.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 2 VwGO. Es entspricht billigem Ermessen im Sinne von § 162 Abs. 3 VwGO, den Antragstellern die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen nicht aufzuerlegen, weil diese keinen Sachantrag gestellt hat und sich somit entsprechend § 154 Abs. 3 VwGO auch keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat.
5. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 und 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Hiernach hält es das Gericht für angemessen, den für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwert von EUR 7.500,– im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren und EUR 3.750,– anzusetzen.


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