Baurecht

Neubau des Bürgerzentrums

Aktenzeichen  M 11 K 14.3066

Datum:
21.1.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB BauGB § 30 Abs. 1
BauNVO BauNVO § 15 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.
Gegenstand der Klage ist der Baugenehmigungsbescheid vom 18. Juni 2014 in der Fassung, die er durch den Änderungsbescheid vom 18. August 2014 erhalten hat. Letzteren konnte der Kläger ohne weiteres in die Klage einbeziehen, da die Klagefrist für eine Klage gegen den erst mit Veröffentlichung im Amtsblatt des Landkreises … am 11. November 2015 bekannt gemachten Änderungsbescheid zum Zeitpunkt der Einbeziehung der Anfechtung dieses Änderungsbescheids noch nicht abgelaufen war und die Einbeziehung sachdienlich ist.
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist der Kläger klagebefugt gemäß § 42 Abs. 2 VwGO. Zwar ist der Kläger als Eigentümer der FlNr. …, … Straße 1 in …, in örtlicher Hinsicht nicht direkter Nachbar des Vorhabens im Sinne eines Angrenzens an das Vorhabensgrundstück. Trotzdem sind die Voraussetzungen für das Vorliegen der Klagebefugnis gegeben. Dafür muss der Nachbar geltend machen können, durch die Baugenehmigung in einem ihm zustehenden Recht möglicherweise verletzt zu sein. Abhängig von der Art des Vorhabens ist der Kreis der Nachbarn oder möglichen Drittbetroffenen gegebenenfalls über die direkt angrenzenden Nachbarn hinaus auch weiter zu ziehen. Wie weit der Kreis der möglichen Drittbetroffenen reicht, hängt maßgeblich u. a. auch davon ab, welche nachbarschützenden Vorschriften geltend gemacht werden bzw. in Betracht kommen. Vorliegend werden insbesondere die vom Vorhaben ausgehenden Auswirkungen in verkehrlicher Hinsicht, die Lärmimmissionen und dort wiederum insbesondere der Verkehrslärm und die damit zusammenhängenden Umstände geltend gemacht. In solchen Fällen kommt als Nachbar auch jemand in Frage, der nicht direkt an das Vorhabensgrundstück angrenzt, sondern im weiteren Umgriff des Vorhabens von diesem betroffen sein kann, weswegen der Kläger klagebefugt ist.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Baugenehmigung verletzt den Kläger nicht in ihn schützenden subjektiv-öffentlichen Vorschriften.
Zu berücksichtigen ist im vorliegenden Fall, dass Nachbarn – wie sich aus § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO ergibt – eine Baugenehmigung nur dann mit Erfolg anfechten können, wenn sie hierdurch in einem ihnen zustehenden subjektiv-öffentlichen Recht verletzt werden. Es genügt daher nicht, wenn die Baugenehmigung gegen Rechtsvorschriften des öffentlichen Rechts verstößt, die nicht – auch nicht teilweise – dem Schutz der Eigentümer benachbarter Grundstücke dienen. Eine baurechtliche Nachbarklage kann allerdings auch dann Erfolg haben, wenn ein Vorhaben es an der gebotenen Rücksichtnahme auf seine Umgebung fehlen lässt und dieses Gebot im Einzelfall Nachbarschutz vermittelt (BVerwG, U. v. 25.2.1977 – 4 C 22.75 -, BVerwGE 52, 122).
Vorliegend verletzt die angefochtene Baugenehmigung den Kläger nicht in seinen Rechten.
1. Der Kläger kann nicht aus der Art der von ihm berechtigt betriebenen Nutzung – Wohnen – die Verletzung einer nachbarschützenden Vorschrift herleiten. Insbesondere steht ihm kein sogenannter Gebietserhaltungsanspruch zur Seite. Das streitgegenständliche Vorhaben ist bauplanungsrechtlich zulässig auf der Grundlage von § 30 Abs. 1 BauGB i. V. m. den Festsetzungen des Bebauungsplans „Ortszentrum“ der Beigeladenen. Dass in der Genehmigung gegen eine drittschützende Festsetzung verstoßen worden wäre, ist nicht ersichtlich. Ebenso bestehen keine Bedenken gegen die Wirksamkeit des Bebauungsplans, insbesondere genügt der Umstand, dass ein Bebauungsplan häufig geändert worden ist, nicht für die Annahme seiner Unwirksamkeit.
2. Soweit von Seiten des Klägers vorgebracht wird, die Baugenehmigung sei wegen des Fehlens der gesicherten Erschließung (objektiv) rechtswidrig, ist dies, wie vom Bevollmächtigten des Klägers selbst zutreffend ausgeführt, bereits nicht nachbarschützend (vgl. Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 120. Ergänzungslieferung 2016, § 30 Rn. 56 m. w. N.), so dass die Frage, ob hier eine gesicherte Erschließung vorliegt, dahingestellt bleiben kann. Das Erfordernis der gesicherten Erschließung dient allein dem öffentlichen Interesse der geordneten städtebaulichen Entwicklung. Der Kläger hat auch keinen Anspruch darauf, dass die Erschließung so abgewickelt wird wie (ursprünglich) geplant bzw. wie in der Planung vorgesehen.
3. Bezüglich von vom Vorhaben ausgehender (anlagenbezogener) Lärmimmissionen kommt es für die Entscheidung der Frage, ob den Anforderungen des Rücksichtnahmegebots genügt ist, darauf an, was dem Betroffenen nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Treffen verschiedenartige Nutzungen aufeinander und treten hierbei Immissionskonflikte auf, so ist bei der Beurteilung der Zumutbarkeit auf die Begriffsbestimmungen des Bundesimmissionsschutzgesetzes zurückzugreifen. Danach sind Immissionen unzumutbar, die i. S. d. § 3 Abs. 1 Bundesimmissionsschutzgesetz geeignet sind, erhebliche Belästigungen für die Nachbarschaft hervorzurufen (vgl. BVerwG, U. v. 30.09.1983 – 4 C 74/78 -, BVerwGE 68, 58; BVerwG, U. v. 24.09.1992 – 7 C 7/92 -, Buchholz 406.12 § 15 BauNVO Nr. 22). Wo die Erheblichkeitsgrenze verläuft, richtet sich nach der Schutzwürdigkeit und der Schutzbedürftigkeit der Umgebung. Dabei ist zu beachten, dass Immissionsschutzrecht und Bebauungsrecht in einer Wechselwirkung zueinander stehen: Einerseits konkretisiert das BImSchG die gebotene Rücksichtnahme auf die Nachbarschaft allgemein und folglich auch mit Wirkung für das Bebauungsrecht; andererseits bemisst sich die Schutzwürdigkeit eines Gebiets nach dem, was dort planungsrechtlich zulässig ist (BVerwG, U. v. 04.07.1986 – 4 C 31/84 – BVerwGE 74, 315; BVerwG, B. v. 02.02.2000 – 4 B 87/99 -, NVwZ 2000, 679 = Baurecht 2000, 1019; BayVGH U. v. 26.02.1993 – 2 B 90.1684 -, BayVBl. 1993, 433 = BRS 55 Nr. 57).
Hinsichtlich der vom Vorhaben ausgehenden (anlagenbezogenen) Lärmimmissionen – zu den Verkehrslärmimmissionen sogleich unter 4. – liegt eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots bezogen auf den Kläger nicht vor.
Das ergibt sich aus den schalltechnischen Verträglichkeitsuntersuchungen in Verbindung mit den Nebenbestimmungen zum Genehmigungsbescheid in der Fassung des Änderungsbescheids.
Aus den immissionsschutztechnischen Stellungnahmen ergibt sich zunächst, dass eine Rechtsverletzung des Klägers bei der Betrachtung der Situation tagsüber (der „Regelbetrieb“ von Bürgerzentrum mit Rathaus, Sitzungssaal und Veranstaltungssaal in der Diktion der Bescheide und Gutachten, wobei diese auch die Nachtnutzung dieser Einrichtungen außerhalb der seltenen Ereignisse als Regelbetrieb betrachten) ausgeschlossen ist. Die an den Immissionsorten 1 und 2 (siehe Anhang A Seite 1 zum Schallgutachten vom 19.03.2014) gefassten Punkte, weisen berechnete Beurteilungspegel auf, die die angelegten Immissionsrichtwerte (für Immissionsort 1 ist im Gutachten der Schutzanspruch eines allgemeinen Wohngebiets, für Immissionsort 2 Schutzanspruch eines Mischgebiets zugrundegelegt, wobei am Immissionsort 2 auf der selben Straßenseite wie das klägerische Grundstück auch der Richtwert eines allgemeinen Wohngebiets eingehalten wird) deutlich unterschreiten (Schallgutachten vom 19.03.2014, insbesondere S. 9). Die beiden genannten Immissionsorte liegen dabei beide deutlich näher am Vorhaben als das Grundstück des Klägers. Daher ist für das Grundstück des Klägers, an dem wegen der größeren Entfernung von niedrigeren Beurteilungspegeln auszugehen ist, eine Rechtsverletzung jedenfalls ausgeschlossen.
Aber auch für den Betrieb nachts ergibt sich aus den immissionsschutztechnischen Gutachten bzw. Stellungnahmen in Verbindung mit dem Regelungen der Nebenbestimmungen in den Bescheiden, dass eine Rechtsverletzung des Klägers ausgeschlossen ist.
Das folgt zunächst aus der Betrachtung der hier auftretenden Immissionspegel. Aus dem Schallgutachten vom 19. März 2014 geht hervor, dass (nur) die Nutzung des oberirdischen Parkplatzes für Überschreitungen der Richtwerte sorgt, und zwar an den Immissionsorten 1, 2 und 8 (Schallgutachten vom 19. März 2014, insbesondere S. 10 unten). Da das Grundstück des Klägers deutlich weiter vom Vorhaben entfernt ist, als diese Immissionsorte, ist die Belastung dort niedriger.
Allerdings lässt sich aus den ursprünglichen Schallgutachten nicht genau ableiten, ob am Grundstück des Klägers nachts eine Überschreitung in jedem Fall ausgeschlossen ist oder nicht, da dieses nicht als Immissionsort berücksichtigt ist. Unter Berücksichtigung der ergänzenden Stellungnahme vom 23. September 2015 (insbesondere der Tabelle auf S. 2, wo das klägerische Grundstück als Immissionsort 10 erfasst ist) lässt sich das zwar vermuten, sicher gesagt werden kann es bezogen auf die Nachtwerte jedoch nur für den sogenannten Regelbetrieb, d. h. die Nutzung des Komplexes (auch) nachts unter Ausklammerung der seltenen Ereignisse, da nur diese Konstellation mit berechneten Pegeln erfasst ist, nicht dagegen die Belastung am Immissionsort 10 beim Stattfinden eines seltenen Ereignisses. Umgekehrt zeigt die Betrachtung des Immissionsortes 10 in der ergänzenden Stellungnahme vom 23. September 2015 aber, dass unter Ausklammerung der seltenen Ereignisse bei allen Konstellationen die Richtwerte am klägerischen Grundstück eingehalten werden können. Denn die Beurteilungspegel tagsüber am klägerischen Grundstück (d. h. einschließlich der Nutzung des oberirdischen Parkplatzes) liegen immer noch sämtlich unter dem für das klägerische Grundstück angelegten Richtwert eines allgemeinen Wohngebiets nachts.
Unabhängig davon ist auch durch die Nebenbestimmungen im Genehmigungsbescheid in der Fassung des Änderungsbescheids ausreichend sichergestellt, dass wiederum unter Ausklammerung der seltenen Ereignisse alle denkbaren Konstellationen bzw. Kombinationen so abgedeckt sind, dass eine Überschreitung der Richtwerte und damit eine Rechtsverletzung des Klägers ausgeschlossen werden kann. Zwar ist dem Klägerbevollmächtigten zuzugeben, dass die Regelungstechnik der Beklagten nicht eben besonders übersichtlich ist; insbesondere führt die Differenzierung zwischen einem „Regel“-Betrieb nachts (z. B. bzw. insbesondere die alleinige Nutzung des Sitzungssaals nach 22.00 Uhr) und einem „Nicht-Regel“-Betrieb nachts (der dann nur über die seltenen Ereignisse abzufangen ist), zu gewissen Verwirrungen. Andererseits lässt sich den jetzt gültigen Nebenbestimmungen noch ausreichend nachvollziehbar entnehmen, dass außer beim Stattfinden eines seltenen Ereignisses der oberirdische Parkplatz nicht genutzt werden darf und gleichzeitig in der Tiefgarage für diese Konstellation auch genügend Plätze zur Verfügung gestellt werden können. Trotz der etwas schwer nachvollziehbaren Regelungen ist die Grenze der nachbarrechtsrelevanten Unbestimmtheit durch die Nebenbestimmungen im Genehmigungsbescheid in der Fassung des Änderungsbescheids noch nicht überschritten. Die im Beschluss vom 12. Mai 2015 dargestellten Bedenken gegen die Regelung der Nebenbestimmungen sind durch den Änderungsbescheid, der dem Gericht zum Zeitpunkt des Ergehens des Beschlusses tatsächlich noch nicht vorgelegt worden war, im wesentlichen ausgeräumt.
Damit verbleibt eine (mögliche) Überschreitung der Richtwerte nur noch während der seltenen Ereignisse, wo diese Überschreitung unter Beachtung der Höchstzahl dieser Veranstaltungen wegen der Regelung unter Nr. 7.2 TA Lärm aber auch nicht zu einer Rechtsverletzung des Klägers führt. Der vom Klägerbevollmächtigten angeführte Umstand, dass die Bestimmung der seltenen Ereignisse wie insbesondere auf der Nebenbestimmung Nr. 84.21 aufbauend, methodisch mit der Regelung der TA Lärm nicht vereinbar sei, greift letztlich nicht durch, weil durch den Bescheid samt Nebenbestimmungen sichergestellt ist, dass eine Veranstaltung im Veranstaltungssaal länger als 22.00 Uhr nur dann möglich ist, wenn sie als seltenes Ereignis eingestuft und dann entsprechend auf die Höchstzahl angerechnet wird. Eine Vorgehensweise, die darin besteht, dass eine Veranstaltung ohne vorherige Bestimmung, dass sie länger als bis 22.00 Uhr dauert, durchgeführt wird und sie gleichsam im Nachhinein, falls sie länger dauert, als seltenes Ereignis geführt wird, wäre tatsächlich nicht mit der TA Lärm vereinbar. Ein solches Vorgehen ist jedoch nach den Regelungen im Genehmigungsbescheid in der Fassung des Änderungsbescheids nicht erlaubt bzw. nicht vorgegeben.
4. Es liegt auch kein Verstoß gegen § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO bzw. gegen das Gebot der Rücksichtnahme wegen einer unzumutbaren verkehrlichen Immissionsbelastung des Grundstücks des Klägers vor.
Immissionen durch Zu- und Abfahrtsverkehr können nach der Rechtsprechung grundsätzlich einen Verstoß gegen eine drittschützende Vorschrift – wie hier im beplanten Innenbereich gegen § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO – begründen (vgl. BVerwG, U. v. 27.08.1998 – 4 C 5/98 -, NVwZ 1999, 523 = BauR 1999,152; U. v. 22.05.1987 – 4 C 6/85 u. 4 C 7/85 -, NVwZ 1987, 1078 = BauR 1987, 531; VGH Baden-Württemberg, U. v. 21.04.1995 – 3 S 2514/94 -, VBlBW 1995, 481). In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist dabei geklärt, dass auch der unter Inanspruchnahme einer öffentlichen Straße abgewickelte Zu- und Abfahrtsverkehr der Anlage, durch dessen Nutzung er ausgelöst wird, dem Vorhaben zuzurechnen ist, sofern er sich innerhalb eines räumlich überschaubaren Bereichs bewegt und vom übrigen Straßenverkehr unterscheidbar ist (BVerwG, B. v. 23.07.1992 – 7 B 103.92 -, juris Rn. 4; B. v. 06.05.1998 – 7 B 437.97 -, juris Rn. 7; U. v. 27.08.1998 – 4 C 5/98 -, a. a. O.). Ob insoweit den Anforderungen des Rücksichtnahmegebots genügt ist, hängt davon ab, welche Einwirkungen der Betroffene nach den Wertungen des Immissionsschutzrechts hinzunehmen hat (BVerwG, U. v. 25.02.1977 – 4 C 22.75 -, BVerwGE 52,122).
Ein Verstoß gegen § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO liegt hier jedoch nicht vor, weil auf das Grundstück keine unzumutbare verkehrliche Immissionsbelastung einwirkt.
Das ursprüngliche Schallschutzgutachten, das im Baugenehmigungsverfahren vorgelegt wurde, handelt die Frage nach der verkehrlichen Immissionsbelastung tatsächlich nur unzureichend ab. Derartige Fragen fehlen im Gutachten des Ingenieurbüros … vom 19. März 2014 zwar nicht völlig (vgl. z. B. Seite 5 unten oder andere Stellen), werden jedoch nicht erschöpfend behandelt, insbesondere werden lediglich Grundlagen dargestellt, jedoch keine Schlussfolgerungen gezogen.
Allerdings hat das Landratsamt im Schreiben vom 8. Oktober 2014 eine immissionsschutzrechtliche Stellungnahme abgegeben, in der eine immissionsschutzfachliche Beurteilung zum vom Vorhaben verursachten Verkehrslärm enthalten ist. Die dortigen Ausführungen auf der Grundlage der Annahmen im Lärmgutachten sind nachvollziehbar und führen zu dem Ergebnis, dass die – zumindest hilfsweise (vgl. zur Anwendbarkeit der Regelung von Nr. 7.4 der TA Lärm auf Fälle wie den vorliegenden BayVGH, U. v. 30.07.2008 – 15 B 08.265 -, juris Rn. 24ff.) – anzulegenden Grenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) am Wohnhaus des Klägers, … Straße 1 in …, sowohl tags als auch nachts unterschritten werden. Daraus folgt, dass auch hinsichtlich des Verkehrslärms keine Rechtsverletzung des Klägers vorliegt.
Die im Beschluss vom 12. Mai 2015 geforderte nähere Erläuterung der Ergebnisse der Stellungnahme des Beklagten vom 8. Oktober 2014 im Hauptsacheverfahren ist in Gestalt der mit Schreiben des Landratsamts vom 13. November 2015 vorgelegten immissionsschutzfachlichen Stellungnahme vom 12. November 2015 samt Anlagen erfolgt. Daraus folgt, dass organisatorische Maßnahmen nach Nr. 7.4 Absatz 2 der TA Lärm nicht getroffen werden mussten, weil die Voraussetzungen hierfür (Nr. 7.4 Absatz 2 tir. 1 – 3 TA Lärm) nicht gegeben sind. Zu dem Umstand, dass die Grenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung nicht überschritten werden, kommt hinzu, dass auch eine Vermischung mit dem übrigen Verkehr erfolgt.
Aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. August 1998 (- 4 C 5/98 -, BauR 1999, 152 = NVwZ 1999, 523; sog. Kurhausentscheidung) folgt für das streitgegenständliche Vorhaben nichts anderes. Dort ist der durch ein genehmigtes Vorhaben ausgelöste zusätzliche An- und Abfahrtsverkehr komplett ausgeklammert worden, was hier nicht der Fall ist. Außerdem ist die Situation im streitgegenständlichen Fall deswegen anders, weil es sich hier nicht um die Zulassung eines Vorhabens auf der Grundlage von § 34 BauGB handelt, sondern um die Zulassung eines Vorhabens auf der Grundlage von § 30 Abs. 1 BauGB i. V. m. den Festsetzungen eines Bebauungsplans, den es dem Grunde nach mit der Festsetzung einer Gemeinbedarfsfläche für ein Rathaus und eine Veranstaltungshalle schon seit langem gibt. Das Vorhaben bricht also nicht unvermittelt in ein Gebiet mit einer bestimmten Prägung ein, sondern das Gebiet ist in städtebaulicher Hinsicht umgekehrt von der Erwartung geprägt, dass irgendwann die bestehende Planung eines Rathauses auch umgesetzt werden wird.
5. Auch eine Verletzung der Vorschrift des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO unabhängig von den verkehrlichen Lärmimmissionen liegt voraussichtlich nicht vor.
Eine Unzumutbarkeit kann natürlich auch aus anderen Umständen als dem durch ein Vorhaben verursachten bzw. diesem zugerechneten Verkehrslärm folgen. Hier liegen solche Umstände jedoch nicht vor.
Unabhängig davon, dass der bzw. die beiden Beweisanträge des Klägerbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vom 21. Januar 2016 bereits deswegen abzulehnen waren, weil es sich um unzulässige sog. Beweisermittlungsanträge handelt, war den Beweisanträgen auch wegen ihrer Unerheblichkeit nicht zu entsprechen noch musste den mit den Beweisanträgen vorgebrachten Umständen von Amts wegen nachgegangen werden.
Bei den Beweisanträgen handelt es sich zunächst um unzulässige sog. Beweisermittlungsanträge. Während mit einem Beweisantrag eine bestimmte Tatsache behauptet wird, die mit einem bestimmten Beweismittel bewiesen werden soll, wurde vorliegend beantragt, bestimmte tatsächliche Umstände erst zu ermitteln. Ein zulässiger Beweisantrag müsste zunächst die Tatsachenbehauptung aufstellen, dass in der … Straße auf Höhe des klägerischen Grundstücks unzumutbare verkehrliche Verhältnisse bestehen – ggf. mit näherer Konkretisierung – bzw. dass (nicht inwieweit) das Vorhaben zu einer entsprechenden Verkehrsmehrung führt bzw. dass es zwischen Rathaus /Bürgerzentrum und der Abzweigung der … Straße in die … Straße zu bestimmten Rückstaulängen kommt und zum Beweis dieser Tatsachen die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragen.
Allerdings kann auch ein unzulässiger Beweisantrag Anlass sein, in Wahrnehmung des Untersuchungsgrundsatzes, § 86 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 VwGO, tatsächliche Umstände von Amts wegen aufzuklären. Das war hier aber deswegen nicht erforderlich, weil die mit den Beweisanträgen vorgebrachten Umstände für die Frage einer Rechtsverletzung des Klägers durch das streitgegenständliche Vorhaben nicht erheblich sind.
Die Ermittlung der verkehrlichen Belastung in der … Straße auf der Höhe des klägerischen Grundstücks als solche hat mit dem streitgegenständlichen Vorhaben nichts zu tun. Für die bestehende verkehrliche Belastung – und bezogen auf die vorliegende Anfechtungsklage allein von Interesse die entsprechenden Auswirkungen auf den Kläger – ist das Vorhaben nicht verantwortlich. Aber auch die Frage, inwieweit das Vorhaben insofern eine Mehrung des Verkehrs nach sich zieht, ist für die Frage einer Rechtsverletzung des Klägers grundsätzlich unerheblich. Diesbezüglich ist grundsätzlich auf die Situationsgebundenheit des Grundeigentums hinzuweisen. Ein Grundstück, das an einer mehr oder weniger viel befahrenen öffentlichen Straße liegt, ist in verkehrlicher Hinsicht nun einmal mit bestimmten Nachteilen behaftet, die mit dem öffentlichen Verkehr, nicht mit bestimmten Bauvorhaben zu tun haben. Eine Ausnahme wäre nur denkbar, wenn alleine durch das Vorhaben eine in jeder Hinsicht für den Kläger unzumutbare Schwelle überschritten würde, und selbst dann ist nicht abschließend klar, inwieweit solches durch eine erteilte Baugenehmigung soll ausgelöst werden können, da der Verkehr auf einer öffentlichen Straße und dessen Mehrung kaum – und hier jedenfalls nicht – allein einem bestimmten Vorhaben angelastet werden könnte. Das kann jedoch offen bleiben, da jedenfalls Hinweise auf eine vorliegende Unzumutbarkeit fehlen. Das ist noch nicht einmal – substantiiert – behauptet, geschweige denn, dass entsprechende Umstände tatsächlich vorliegen. Der Umstand, dass es dem Kläger möglicherweise, allerdings sicher nur zu bestimmten Zeiten und nicht ständig 24 Stunden über sieben Tage, Schwierigkeiten bereitet, von seinem Grundstück aus mit dem PKW aufgrund von Verkehrsstauungen in den fließenden Verkehr zu wechseln, ist kein solcher Umstand, weshalb es insbesondere auf die geltend gemachten Rückstaulängen nicht ankommt. Davon, dass es derartige Rückstauungen an dieser Stelle geben wird, kann angesichts der örtlichen Verhältnisse ohne weiteres ausgegangen werden. Solche Schwierigkeiten gibt es jedoch in stärker verkehrsbelasteten innerörtlichen Lagen häufig, ohne dass insofern eine Unzumutbarkeit und eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme vorliegen würden. Es bestehen keine Zweifel, dass wie auch an anderen Stellen, an denen sich dieses Problem stellt, der Kläger in den sich stauenden Verkehr nach straßenverkehrsrechtlichen Regeln einfädeln kann. Auch die verkehrliche Situation im Übrigen spielt jedenfalls unter den Gesichtspunkten der erteilten Baugenehmigung für diesen Rechtsstreit keine Rolle.
Letztendlich führt die Klagebegründung die geltend gemachte Rechtsverletzung des Klägers immer wieder darauf zurück, dass die in der Planung der Beigeladenen vorausgesetzte Verkehrsführung (noch) nicht vollzogen worden ist. Genau hierauf aber hat der Kläger keinen Anspruch. Der Kläger kann verlangen, von dem Vorhaben nicht unzumutbar beeinträchtigt zu werden. Er kann nicht verlangen, dass ohne individuelle Verletzung seiner subjektiv-öffentlichen Rechte der Verkehr um sein Wohngrundstück herum nicht zunimmt. Es genügt auch nicht für die Bejahung einer Rechtsverletzung, darauf zu verweisen, dass ein größeres Vorhaben zu den bisherigen Vorhaben, die sich im Umfeld bereits befinden, dazukommt und das zweifelsohne für eine gewisse Verkehrsmehrung sorgen wird, wenn dadurch nicht für den Kläger daraus eine Unzumutbarkeit erwächst, welche hier tatsächlich nicht ersichtlich ist. Der Verweis darauf, dass der Verkehr, der von der …str. kommt, durch die über 60 Meter „nur“ 5 Meter breite … Straße fließe, begründet als solcher ebenfalls keine Rechtsverletzung des Klägers. Daraus folgt nicht, dass deswegen hier überhaupt kein Verkehrsfluss mehr möglich wäre, zumindest ist solches nicht ersichtlich. Dass der Verkehrsfluss insbesondere zu Stoßzeiten dadurch schleppender wird, ist sicher richtig, führt aber eben nicht schon deswegen zu einer Rechtsverletzung des Klägers. Schließlich genügt hierfür auch nicht der Verweis des Bevollmächtigten des Klägers darauf, dass der Kläger zu den unzumutbaren Verkehrsverhältnissen in der … Str. unzählige Male öffentlich vorgetragen habe.
Darauf, dass das Grundstück des Klägers in verkehrlicher Hinsicht nicht schlechter gestellt wird, als ohne das Vorhaben, kommt es nicht an, unabhängig davon, dass die verkehrliche Situation in tatsächlicher Hinsicht sicherlich mit jedem in der Umgebung genehmigten größeren Vorhaben für Verkehrsteilnehmer, aber auch besonders für Anwohner „schlechter“ wird.
Aus dem vom Bevollmächtigten des Klägers herangezogenen Urteil des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 15 Mai 2013 (- 2 A 3010/11 -, BauR 2013, 1817) ergibt sich nichts anderes. Unabhängig davon, ob dieser Entscheidung inhaltlich zu folgen ist, liegt ein Sachverhalt, wie er dieser Entscheidung zugrunde lag, hier nicht vor. Zum einen handelt es sich hier nicht bzw. kaum (vgl. Gutachten S. 7: Zwei LKW für den Veranstaltungssaal, wenn dort Veranstaltungen stattfinden) um LKW-Lärm, noch dazu nicht, wie in der Entscheidung des OVG NW verschlimmert durch bescheidsmäßig nicht geregelte punktuelle sog. Sonderaktionen. Zum anderen geht es bei dieser Entscheidung um Lärm, der von einem gewerblichen Betrieb auf direkt angrenzende Wohngrundstücke einwirkt, was hier bezogen auf den Kläger ebenfalls nicht vorliegt. Schließlich geht es dort um ein Vorhaben, das Immissionsrichtwerte nicht einhält, während diese vorliegend – so, wie sie im Bescheid festgesetzt sind – eingehalten werden können.
Nach alledem ist die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und Abs. 3 Hs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 7.500,- festgesetzt
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes – GKG – und orientiert sich an dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit NVwZ 2013, Beilage 2, dort Nr. 9.7.1.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.


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