Baurecht

Nicht zu erstattende Ersatzvornahmekosten für die Beseitigung von Tierkadavern aus einem Mastschweinestall

Aktenzeichen  W 8 K 18.1162

Datum:
18.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 4447
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayFAG Art. 7 Abs. 1
BayLKrO Art. 37, Art. 53
BGB § 133, § 157
EG VOL/A 2009 § 3
RL 2014/24/EU Art. 4
TierNebG § 7 Abs. 1, § 10 Abs. 1 S. 1
UVgO § 1 Abs. 1, § 2, § 5, § 6, § 8, § 12
VgV § 7, § 8, § 14
VOL/A § 3
VwZVG Art. 19 Abs. 2, Art. 20 Abs. 1, Art. 29, Art. 30, Art. 32, Art. 36, Art. 41a S. 1

 

Leitsatz

1 Eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Grundverwaltungsaktes findet im Rahmen der Anfechtung des Kostenerstattungsbescheides grundsätzlich nicht statt. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine mündliche Anordnung für sich ist nicht sofort vollziehbar und entspräche des Weiteren auch nicht den Voraussetzungen des Art. 32 und 36 VwZVG. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
3 Die für eine Ersatzvornahme zu erstattenden Kosten sind in ihrem Umfang durch den Grundverwaltungsakt begrenzt. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
4 Betrifft ein Fehler nur einen Teilbereich der Ersatzvornahme, ist gleichwohl der gesamte Kostenbescheid rechtswidrig, wenn die Kosten nicht teilbar sind. (redaktioneller Leitsatz)
5 Der Teilbarkeit des Kostenbescheides kann das Vergaberecht entgegenstehen. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
6 Ein Bescheid über die Kosten der Ersatzvornahme ist rechtswidrig, wenn die Behörde gegen die Vorschriften der Unterschwellenvergabeordnung verstoßen hat. (Rn. 43 und 44) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Bescheid des Landratsamtes W. vom 1. August 2018, Az.: …, wird aufgehoben.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.
Der streitgegenständliche Bescheid vom 1. August 2018 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Der Freistaat Bayern ist richtiger Beklagter nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO. Denn das Landratsamt hat als Staatsbehörde gehandelt (Art. 37 Abs. 1 Satz 2 LKrO). Zum Vollzug des Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetzes (TierNebG) ist die Kreisverwaltungsbehörde zuständig (vgl. Art. 3 Abs. 1 und 2 i.V.m. Art. 19 Abs. 1 GDVG). Die Zuständigkeitsbestimmung umfasst auch die Vollstreckung, wenn die Anordnungsbehörde als Vollstreckungsbehörde handelt und erfasst zwangsläufig auch die Erstattung der betreffenden Vollstreckungskosten. Der Bescheid über die Erstattung der Kosten einer Ersatzvornahme durch das Landratsamt als Staatsbehörde betrifft die Erledigung einer staatlichen Aufgabe. Das Landratsamt handelt insoweit als Organ des Freistaates Bayern. Davon sind auch die Beteiligten ausgegangen. Dementsprechend ist auch der Freistaat Bayern in der Rechtsbehelfsbelehrung:benannt.
Der Kostenbescheid vom 1. August 2018 ist schon deshalb rechtswidrig, weil er Kosten für die Durchführung der Schädlingsbekämpfung enthält, welche zuvor mit Wirksamkeit gegenüber dem Kläger weder angeordnet noch angedroht war.
Wird die Pflicht zu einer Handlung, die auch ein anderer vornehmen kann (vertretbare Handlung) nicht oder nicht vollständig oder nicht zur gehörigen Zeit erfüllt, so kann die Vollstreckungsbehörde die Handlung auf Kosten des Pflichtigen vornehmen lassen (Art. 32 Satz 1 VwZVG). Dabei muss das Zwangsmittel schriftlich angedroht werden (Art. 36 Abs. 1 Satz 1 VwZVG) und hierbei für die Erfüllung der Verpflichtung eine Frist bestimmt werden, innerhalb welcher dem Pflichtigen der Vollzug billigerweise zugemutet werden kann (Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG). Soll die Handlung durch Ersatzvornahme auf Kosten des Pflichtigen durchgeführt werden, so ist in der Androhung der Kostenbetrag vorläufig zu veranschlagen (Art. 36 Abs. 4 Satz 1 VwZVG). Grundsätzlich hat der Kläger als Pflichtiger dann auch die Kosten der Ersatzvornahme zu tragen und der Vollstreckungsbehörde, die dazu auch einen Dritten beauftragen kann, als Auslagen zu ersetzen (vgl. Art. 10 Abs. 1 Nr. 5 KG). Hat die Ersatzvornahme einen höheren Kostenaufwand verursacht als den vorläufig veranschlagten, bleibt das Recht auf Nachforderung gemäß Art. 36 Abs. 4 Satz 3 VwZVG unberührt (so BayVGH, U.v. 25.9.2014 – 20 B 14.477 – NVwZ-RR 2015, 85).
Die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Klägers gemäß Art. 32 Satz 1 VwZVG sind gegeben. Ein wirksamer Grundverwaltungsakt liegt grundsätzlich – abgesehen von der Schädlingsbekämpfungsmaßnahme – vor. Ebenso ist die Zwangsmittelandrohung bestandskräftig. Von daher ist der Kläger mit etwaigen Einwänden gegen die Rechtmäßigkeit dieser Verwaltungsentscheidungen ausgeschlossen. Eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Grundverwaltungsaktes findet im Rahmen der Anfechtung des Kostenerstattungsbescheides – abgesehen von Ausnahmen – nicht statt (vgl. VG Würzburg, U.v. 30.10 2013 – W 6 K 13.571 – juris mit Bezug auf BVerwG, U.v. 25.9.2008 – 7 C 5/08 – NVwZ 2009, 122; U.v. 13.4.1984 – 4 C 31/81 – NJW 1984, 2591 und mit weiteren Nachweisen).
Die allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen liegen vor (Art. 18 Abs. 1, 19 Abs. 1, 19 Abs. 2 und 32 Satz 1 VwZVG sowie Art. 36 VwZVG).
Vorstehendes trifft jedoch nicht auf die Durchführung der Schädlingsbekämpfung im Rahmen der Ersatzvornahme durch die beauftragte Firma V zu. Eine dahingehende Anordnung fehlt im Anordnungsbescheid vom 23. April 2018 i.d.F. des Änderungsbescheides vom 24. April 2018. Dort sind dem Kläger lediglich die sach- und fachgerechte Entsorgung sämtlicher Tierkadaver sowie der vorhandenen Gülle und die Reinigung und Desinfektion des Stalles auferlegt. Aus den Akten ergibt sich zwar, dass der Beklagte die Schädlingsbekämpfung als aus seiner Sicht notwendige Maßnahme identifiziert hat. Insoweit ist sie auch in den Gründen des Bescheides vom 23. April 2018 unter Nr. I erwähnt. Jedoch hat die Maßnahme keinen Niederschlag im Tenor des Bescheides gefunden und auch nicht in der rechtlichen Begründung der angeordneten Maßnahmen unter Nr. II des Bescheides. Dort ist unter Bezug auf § 12 Abs. 2 Satz 1 TierNebG und weiterer Vorschriften des TierNebG lediglich die Pflicht zur sach- und fachgerechten Entsorgung der Kadaver und der Gülle und allgemein die Säuberung und Räumung des Stalles erwähnt, aber nicht die darüber hinausgehende Schädlingsbekämpfung, für die das TierNebG auch nicht die richtige Rechtsgrundlage wäre. Die Schädlingsbekämpfung hätte vielmehr nach dem Seuchenrecht bzw. Tierseuchenrecht angeordnet werden müssen.
Eine Anordnung zur Schädlingsbekämpfung lässt sich auch nicht im Wege der Auslegung in die Anordnungsbescheide hineinlesen. Denn bei der Auslegung eines Verwaltungsaktes ist gemäß §§ 133, 157 BGB zu erforschen, wie der Adressat den Verwaltungsakt unter Berücksichtigung der ihm bekannten oder erkennbaren Umstände bei objektiver Auslegung verstehen muss. Dabei ist vom Wortlaut der Erklärung auszugehen und deren objektiver Gehalt unter Berücksichtigung des Empfängerhorizontes zu ermitteln. Unklarheiten gehen zu Lasten der Verwaltung (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 19. Aufl. 2018, § 35 Rn. 53 ff., 55). Die Schädlingsbekämpfung ist vom Wortlaut des Tenors offensichtlich nicht gedeckt und geht auch über die Intention des TierNebG hinaus. Eine dahingehende verbindliche Regelung mit entsprechender rechtlicher Begründung hat gerade keinen hinreichenden Niederschlag im Bescheid gefunden, weil die Schädlingsbekämpfung wohl versehentlich vergessen wurde. Insofern spielt auch keine Rolle, wenn der Kläger durch die Beteiligung der Firma V im Vorfeld schon über die dort angesprochenen Maßnahmen, zu denen auch die Schädlingsbekämpfung zählt, informiert gewesen sein mag, weil es an einer rechtlich verbindlichen Anordnung seitens der Behörde ihm gegenüber gerade fehlt, auch wenn die Maßnahmen aus veterinärfachlicher Sicht sinnvoll gewesen sein mag. Auch eine entsprechende mündliche Anordnung ist nicht als Basis der Vollstreckung und der Erstattung der Ersatzvornahmekosten ersichtlich. Im Übrigen wäre eine solche für sich nicht sofort vollziehbar und entspräche des Weiteren auch nicht den Voraussetzungen des Art. 32 und 36 VwZVG.
Die Durchführung der Ersatzvornahme kann nicht weiter gehen, als der Grundverwaltungsakt als Rahmen vorgibt. Zwangsläufig sind auch die zu erstattenden Kosten in ihrem Umfang durch den Grundverwaltungsaktes begrenzt. Die fehlende Anordnung und Androhung schlagen auf die nachfolgende Vergabe im Rahmen der Ersatzvornahme und der Erstattung der betreffenden Kosten durch und infizieren diese, sodass Letztere rechtswidrig sind.
Der Fehler, der zwar nur einen Teilbereich der durchgeführten Ersatzvornahme betrifft, macht in der vorliegenden Konstellation den gesamten Kostenbescheid rechtswidrig, weil die Kosten nicht teilbar sind. Insofern fehlen in den Behördenakten jegliche Anhaltspunkte für eine begründbare realistische Kostenaufteilung. Denn das Angebot der Firma V und auch ihre Kostenrechnung enthält nur einen Pauschalpreis von 164.000,00 EUR netto, welcher lediglich auf die zwei Ställe im Verhältnis 60% zu 40% aufgeteilt wurde. Die Schädlingsbekämpfung ist auch keine zu vernachlässigende Bagatelle. Immerhin ist in der Rechnung von 35 Köderboxen und 300 kg Rodentizide die Rede. Die Schädlingsbekämpfung war auch eines der Hauptargumente in der Klageerwiderung zur Begründung der Dringlichkeit der Maßnahmen. Des Weiteren ist der Rechnung der Firma V zu entnehmen, dass die Arbeitsstunden bei der Ersatzvornahme 300 Stunden weniger gewesen seien, als veranschlagt. Als Erläuterung ist hinzugefügt, dass auf verschiedene Entwicklungen habe reagiert werden müssen und der Preis nur wegen des Festpreises habe gehalten werden können (vgl. Aktenvermerk vom 24.5.2018, Bl. 78 der Behördenakte). Der Hinweis der Beklagtenseite, dass bei einem anderen Angebot die Schädlingsbekämpfung etwa 5% ausgemacht habe, lässt sich unter den vorstehend genannten Aspekten nicht auf das Angebot der Firma V übertragen. Die nachträgliche gerichtliche Festsetzung eines bestimmten Prozentsatzes für die Schädlingsbekämpfung wäre rein spekulativ. Angesichts des Pauschalpreises und des Sinn und Zwecks eines Pauschalangebotes mit einem Festpreis sah sich das Gericht auch nicht veranlasst, etwa durch die Zeugenvernehmung eines Vertreters der Firma V die Kosten der Schädlingsbekämpfung weiter einzugrenzen.
Darüber hinaus verbietet sich auch deshalb eine Aufteilung der Kosten mit der Folge einer nur eventuellen Teilrechtswidrigkeit des Kostenbescheides, weil die Schädlingsbekämpfungsmaßnahme auch Teil der Vergabe und der den anderen Firmen gegenüber genannten Posten war. Wie die Angebote bei ordnungsgemäßer Vergabe gelautet hätten, ist ebenso reine Spekulation. Offen ist, was bei einer Vergabe unter einer anderen Leistungsbeschreibung seitens dritter Firmen angeboten worden wäre. Eine Vergabe unter anderen Vorzeichen ist insoweit ein Aliud zur erfolgten Vergabe. Das Angebot der Firma D zeigt, dass die Aktion auch deutlich kostengünstiger hätte erfolgen können, so dass greifbare Anhaltspunkte für eine seriöse und realitätsnahe Aufteilung der Kosten fehlen (vgl. auch BayVGH, U.v. 25.9.2014 – 20 B 14.477 – NVwZ-RR 2015, 85). Die Unmöglichkeit der Aufklärung im Nachhinein geht zu Lasten des Beklagten.
Auffällig ist des Weiteren, dass die Dekontamination der Gülle in den Anordnungsbescheiden ebenfalls nicht ausdrücklich angeordnet wurde. Im Anordnungsbescheid ist nur von der sach- und fachgerechten Entsorgung der Gülle die Rede. Insofern mag es jedoch noch vertretbar sein, dass die Dekontamination im vorliegenden Fall zur sach- und fachgerechten Entsorgung der Gülle gehört, weil nach Aussage der Beklagtenseite in der mündlichen Verhandlung die Alternative die Entsorgung als Material der Kategorie 1 insbesondere in Form einer thermischen Verwertung gewesen wäre, die bei einem Umfang von 900 m³ bzw. 900 t Gülle und einem Preis von 350,00 EUR pro Tonne deutlich höher ausgefallen wäre. Die Dekontamination der Gülle ist laut Aussage der Veterinärfachleute erforderlich gewesen, weil Verwesungssäfte sowie Kadaverteile, vielleicht sogar ganze Schweine, in die Gülle geraten seien. Eine nähere Untersuchung der Gülle hat aber offenbar nicht stattgefunden, so dass auch diese am Seuchenfall orientierte Maßnahme (vgl. das Protokoll über die Abschlussbesprechung vom 13.4.2018) nicht ohne letzte Zweifel bleibt, zumal als Begründung dafür auch wieder nur das TierNebG angeführt und eine Seuchengefahr gerade nicht festgestellt wurde. Offen ist daher auch weiter, ob eine thermische Verwertung weiter die einzige Alternative gewesen wäre. In der mündlichen Verhandlung konnte zudem nicht endgültig geklärt werden, ob die Gülle letztlich tatsächlich, wie wörtlich angeordnet, entsorgt wurde oder sich noch im Betrieb befindet. Jedenfalls gingen die Behördenvertreter davon aus, dass sie nach der Dekontamination auf die Felder ausgebracht werden konnte, vielleicht auch schon ausgebracht ist. Geht man indes davon aus, dass die Dekontamination der Gülle aus fachlichen Gründen für die Entsorgung erforderlich war, ist die entsprechende Maßnahme auch deshalb nicht zu beanstanden, weil dies im Vergleich zur thermischen Verwertung das mildere Mittel gewesen ist.
Unabhängig vom Vorstehenden ist die Klage auch deshalb begründet, weil der Beklagte gegen die einschlägigen Vergabevorschriften verstoßen hat und dadurch den Kläger in seinen Rechten verletzt hat, weil bei Einhaltung der Vergabevorschriften eine kostengünstigere Durchführung der erforderlichen Maßnahmen insgesamt hätte erfolgen können.
Vorliegend ist die Verfahrensordnung für die Vergabe öffentlicher Liefer- und Dienstleistungsaufträge unterhalb der EU-Schwelle (Unterschwellenvergabeordnung – UVgO, Ausgabe 2017) einschlägig.
Die UVgO ersetzt die VOL/A. Sie trat nicht bereits mit der Bekanntmachung im Bundesanzeiger in Kraft. Die UVgO ist keine Rechtsverordnung und bedarf daher eines Anwendungsbefehls. Die Pflicht zur Anwendung der UVgO wurde seitens des Freistaates Bayern für alle staatlichen Auftraggeber erklärt. Aufgrund der Verwaltungsvorschrift zum öffentlichen Auftragswesen (VVöA) i.d.F. der Bekanntmachung der Bayerischen Staatsregierung vom 14. November 2017 (Az. B II 2 – G 17/17) wird unter Nr. 1.1 ausdrücklich geregelt, dass für alle staatlichen Auftraggeber, sofern der geschätzte Auftragswert ohne Umsatzsteuer die Schwellenwerte gemäß § 106 GWB unterschreitet, die Anwendung der UVgO erklärt wird. Die Regelungen sind Selbstbindungsnormen zur Vergabe öffentlicher Aufträge durch Auftraggeber im Anwendungsbereich des Haushaltsrechts (Gerlach in Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Aufl. 2016, Vorbemerkung, Rn. 4 u. 13). Die Anwendung der UVgO wurde seitens des Freistaates Bayern hingegen für kommunale Auftraggeber lediglich empfohlen.
Die vom Beklagten angewandten Bestimmungen für die Vergabe und Vertragsordnung für Leistungen (VOL) allgemeine Bestimmungen für die Vergabe von Leistungen (VOL/A), Ausgabe 2009, greifen nicht, weil das Landratsamt vorliegend als staatliche Behörde gehandelt hat und nicht als Behörde des Landkreises. Dies gilt sowohl für die Anordnung der Maßnahmen als auch für Durchführung der Ersatzvornahme, in deren Zuge die Vergabe erfolgte, und auch für die Erstattung der betreffenden Kosten, wie schon oben im Rahmen der Passivlegitimation ausgeführt wurde.
Der gegenläufigen Ansicht des Landratsamtes zur Anwendbarkeit der UVgO mit dem Hinweis, dass der Landkreis selbst die entsprechenden Mittel zur Verfügung stellen müsse, wie sich aus Art. 53 Abs. 2 Satz 1 LkrO und § 2 i.V.m. § 5 Nr. 12 der Verordnung zur Ausführung des Art. 53 Abs. 2 LkrO ergebe, kann nicht gefolgt werden.
Vorliegend hat aber das Landratsamt (Veterinäramt) als Staatsbehörde die Ersatzvornahme angedroht und sodann im Zuge der Durchführung der Ersatzvornahme den Auftrag an die Firma V vergeben. Auch wenn es um Mittel aus dem Haushalt des Landkreises geht, erfolgt die Durchführung einer durch das staatliche Landratsamt angeordneten und angedrohten Ersatzvornahme durch das Landratsamt als Organ des Freistaates Bayern. Landkreise erhalten für ihren Sachaufwand, der bei der Erledigung der Aufgaben als Staatsbehörde entsteht, Finanzzuweisungen nach dem Bayerischen Finanzausgleichsgesetz (BayFAG). Art. 7 Abs. 1 BayFAG spricht ausdrücklich vom Ersatz des Verwaltungsaufwandes für die Staatsbehörde Landratsamt (vgl. Wolff in BeckOK, Kommunalrecht Bayern, Dietlein/Suerbaum, 1. Edition, Stand 1.1.2019, Art. 53 LKrO Rn. 11 ff.; Glaser in Widtmann/Grasser/Glaser Bayerische Gemeindeordnung, 29. EL Mai 2018, Art. 53 BayLKrO Rn. 2 ff.; Bloeck/Hauth, Praxis der Kommunalverwaltung B 2 Bay, Erl. zu Art. 53 BayLkRO). Die haushaltsrechtliche Involvierung des Landkreises ändert aber nichts an der Stellung des Landratsamtes als staatlicher (nicht kommunaler) Auftraggeber. Im Übrigen wäre es systemwidrig, wenn das Landratsamt als staatliche Behörde und Organ einerseits für den Freistaat Bayern handelt und Maßnahmen anordnet sowie vollstreckt und auf der Stufe der Durchführung der Ersatzvornahme mittels Vergabe der Maßnahmen an eine Spezialfirma dann nicht mehr als staatliche Behörde, sondern als Landkreisbehörde handeln würde.
Abgesehen davon ergeben sich für die im vorliegenden Verfahren relevanten Vorschriften keine grundlegenden Unterschiede zwischen UVgO und VOL/A.
Nach ihrer Inkraftsetzung gelten die Vorschriften der UVgO für die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungsaufträgen unterhalb der Schwellenwerte gemäß § 106 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (EU-Schwellenwerte). Nach § 1 Abs. 1 UVgO ist der Anwendungsbereich für die Vergabe öffentlicher Lieferund Dienstleistungsaufträge unterhalb der EU-Schwellenwerte nach § 106 GWB iVm Art. 4 der Richtlinie 2014/24/EU (= 207.000 EUR) eröffnet. Die UVgO orientiert sich strukturell an der für öffentliche Aufträge oberhalb der EU-Schwellenwerte geltenden Vergabeverordnung von April 2016.
Nach § 8 Abs. 4 Nr. 9 UVgO (ähnlich § 3 Abs. 5 Buchstabe g VOL/A) kann der Auftraggeber Aufträge im Wege der Verhandlungsvergabe mit oder ohne Teilnahmewettbewerb vergeben, wenn die Leistung aufgrund von Umständen, die der Auftraggeber nicht voraussehen konnte, besonders dringlich ist und die Gründe für die besondere Dringlichkeit nicht dem Verhalten des Auftraggebers zuzurechnen sind.
§ 8 UVgO benennt die Verfahrensarten, die den Auftraggebern für die Vergabe öffentlicher Aufträge zur Verfügung stehen und beschreibt deren Anwendungsfelder. Die Verfahrensarten setzen die in § 2 UVgO enthaltenen Grundsätze Transparenz, Wettbewerb und Gleichbehandlung in konkretes Verfahrensrecht um, nehmen dabei aber auch Rücksicht auf die in der täglichen Beschaffungspraxis auftretenden besonderen Umstände für eine Vergabe ohne Durchführung eines Wettbewerbs. Gegenüber der Vorläuferversion in § 3 VOL/A gibt es zwei wesentliche Änderungen: Zum einen können die Auftraggeber künftig zwischen der Öffentlichen Ausschreibung und der Beschränkten Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb frei wählen. Zum anderen wurde die Freihändige Vergabe in die Verhandlungsvergabe umbenannt (Ley in Ley, Vergabehandbuch für Lieferungen und Dienstleistungen, 31. Update 10/2018, 4.8 Wahl der Verfahrensart (§ 8 UVgO)).
Bei der Verhandlungsvergabe ohne Teilnahmewettbewerb fordert der Auftraggeber mindestens drei (geeignete) Unternehmen zur Abgabe eines Angebotes oder zur Teilnahme an Verhandlungen auf (§ 12 Abs. 2 Satz 1 UVgO). Bei der Verhandlungsvergabe nach § 8 Abs. 4 Nr. 9 bis 14 UVgO kann auch nur ein Unternehmen aufgefordert werden (§ 12 Abs. 3 UVgO; Gerlach in Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Aufl. 2016, Vorbemerkung, Rn. 72).
Die öffentliche Ausschreibung ist die Regelvergabeart, von der abzuweichen besondere Sachgründe erfordert. Ihr Vorrang vor anderen Vergabearten verfolgt den Zweck, einen möglichst breiten und transparenten Wettbewerb zu schaffen und damit sicherzustellen, dass der im Sinne der Ausschreibung günstigste Anbieter den Zuschlag erhält. Zuwendungen der öffentlichen Hand werden regelmäßig mit einer Verpflichtung des Zuwendungsempfängers zur Einhaltung dieser Bestimmung verbunden, weil auf diesem Wege gewährleistet werden kann, dass bei der Verwendung der Zuwendungen das haushaltsrechtliche Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit eingehalten wird. Ausgehend davon liegt es nahe, einen Verstoß gegen die Bestimmungen über die Vergabeart wegen der damit regelmäßig verbundenen Gefährdung der genannten Haushaltsgrundsätze im Regelfall als schwerwiegend einzuordnen (BVerwG, B. v. 13.2.2013 – 3 B 58/12 – NVwZ 2013, 1082).
Die besondere Dringlichkeit im Sinne der § 8 Abs. 4 Nr. 9 UVgO rechtfertigt dann eine Verhandlungsvergabe, wenn selbst die Fristen der beschränkten Ausschreibung nicht ausreichen würden. Bei „einfacher” Dringlichkeit ist dagegen vorrangig die beschränkte Ausschreibung nach § 8 Abs. 2, 3 UVgO durchzuführen. Die Anforderungen an die besondere Dringlichkeit ähneln denen der „zwingenden” Dringlichkeit bei Auftragsvergaben oberhalb der Schwellenwerte nach §§ 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV, 3a EU Abs. 3 Nr. 4 VOB/A (Butler in Gabriel/Krohn/Neun, Handbuch des Vergaberechts, 2. Aufl. 2017, § 11 Rn. 4a).
In jedem Fall müssen die Voraussetzungen zur Rechtfertigung der freihändigen Vergabe bzw. Verhandlungsvergabe objektiv begründet sein, also nicht bloß aus Sicht des Auftraggebers, sondern für einen Dritten sachlich nachvollziehbar vorliegen. Da das Wettbewerbsprinzip und das Transparenz- und Gleichbehandlungsgebot bei freihändigen Vergaben bzw. Verhandlungsvergaben am meisten eingeschränkt werden, bedürfen die Ausnahmetatbestände dabei einer besonders engen Auslegung (Butler in Gabriel/Krohn/Neun, Handbuch des Vergaberechts, 2. Aufl. 2017, § 11 Rn. 40).
Eine besondere Dringlichkeit ist regelmäßig nur bei unabsehbaren, nicht durch den Auftraggeber verursachten Ereignissen anzunehmen, bei denen eine gravierende Beeinträchtigung für die Allgemeinheit und staatliche Aufgabenerfüllung droht, etwa durch einen schweren, nicht wieder gut zu machenden Schaden. Wenn selbst bei Einhaltung der Bekanntmachungsfristen nur geringe Verzögerungen eintreten, wird meist keine gravierende Beeinträchtigung drohen. Letztlich hängt dies aber vom betroffenen Rechtsgut ab. Bei der Prüfung der Unzumutbarkeit der Einhaltung von Fristen bzw. der Einholung von Vergleichsangeboten sind unter anderem die Wahrscheinlichkeit der weiteren Schadensrealisierung und die Intensität des Schadens im Falle weiterer Verzögerungen einzubeziehen (Ortner/Heinrich in Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 4. Aufl 2013, § 3 EG VOL/A 2009).
Dringliche Gründe liegen nur vor, wenn auch die Mindestfristen der Vergabeverfahrensarten nicht eingehalten werden können. Nur dann und nur soweit es unbedingt erforderlich ist, soll die Möglichkeit bestehen, den Auftrag im Wege des Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung zu vergeben. Bildlich gesprochen liegt ein solches unvorhergesehene Ereignis vor, wenn es unversehens „brennt“ und der Auftraggeber das „Feuer“ rasch zu löschen hat; hier muss der Auftraggeber unmittelbar Hilfe anfordern. Sofern die realistische Möglichkeit besteht, anstelle eines mit besonderer Dringlichkeit begründeten Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb auch in einem offenen Verfahren mit Regelfristen zu einem zeitgerechten Vertragsabschluss zu gelangen, ist eine Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb unstatthaft. Es ist daher abzuwägen, ob die Durchführung eines wettbewerblichen Vergabeverfahrens, sprich zumindest die vorherige Durchführung eines Teilnahmewettbewerbs, zu „gravierenden Beeinträchtigungen“ führt. Diese Sachlage ist objektiv zu betrachten (Willweber in Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Aufl. 2016, § 14 VgV, Rn. 120, 123 ff.).
Die Beweislast, dass die eine Ausnahme rechtfertigenden außergewöhnlichen Umstände tatsächlich vorliegen, trägt derjenige, der sich auf diese Ausnahme berufen will, mithin regelmäßig der Auftraggeber. Die Gründe, auf die sich der Auftraggeber zur Durchführung eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb stützt, müssen beleg- und beweisbar sein. Subjektive, sprich interne, Dringlichkeitsempfindungen können keinesfalls dazu geeignet sein, einen Zusammenhang zwischen dem unvorhersehbaren Ereignis und der Unmöglichkeit der Einhaltung von Regelfristen herzustellen (Willweber in Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Aufl. 2016, § 14 VgV, Rn. 133).
Gründe für eine besondere Dringlichkeit sind zu dokumentieren (Vergabekammer LSA, B.v. 12.4.2017 – 3 VK LSA 07/17 – juris; B.v. 27.6.2016 – 3 VK LSA 17/16 – juris). Denn sämtliche Maßnahmen und Entscheidungen bei der Vorbereitung und der Durchführung der Verhandlungsvergabe sind gemäß § 6 UVgO zu dokumentieren (Feldmann in BeckOK, Vergaberecht, Gabriel/Mertens/Prieß/Stein 10. Edition, Stand: 31.01.2019 § 12 UGvO, Rn. 38).
Ausgehend von diesen Vorgaben ist das Gericht nicht zur Überzeugung gelangt, dass eine besondere Dringlichkeit, die über eine einfache Dringlichkeit hinausgeht, gegeben ist. Die Veterinärfachleute haben in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich angegeben, dass das Vorliegen einer Tierseuche nicht habe festgestellt werden können. Sie haben auch nicht erklärt, dass die Maßnahmen ohne die Möglichkeit weiteren Zuwartens zur Vermeidung einer Tierseuche als besonders dringlich erforderlich gewesen wären.
Dass die weitere Verwesung der Kadaver sowie steigende Gefahren durch Ungezieferbefall und Ausbreitung von Keimen und Bakterien in Kombination mit den zunehmend wärmer werden Witterungsverhältnissen für die Annahme einer besonderen Dringlichkeit genügt, ist schon deshalb in Zweifel zu ziehen, weil nach Aussage der Beklagtenvertreterin ein Teil der toten Schweine schon seit Frühjahr 2016, also schon über zwei Jahre, im Stall lag und damit auch schon zwei Sommer mit warmen Witterungsverhältnissen hinter sich hatten, ohne dass Geruchsbelästigungen oder sonstige Auffälligkeiten nach außen aufgetreten wären.
Die Beklagtenvertreterin, eine Veterinärin, hat des Weiteren zwar in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass sich gezeigt habe, dass manche Kadaver aufgrund der Witterung weiter verwest gewesen seien. So habe auch die Geruchsbelästigung zugenommen. Außerdem sei ein enormer Schädlingsbefall festzustellen gewesen. Es habe die Gefahr gedroht, dass Schädlinge (Ratten) auf andere Gehöfte überwechseln. Die Ausbreitung von Bakterien und Viren durch diese Schadnager hätte erfolgen können, weil Löcher in den Fassaden und die Ställe nicht hermetisch abgeriegelt gewesen seien. Des Weiteren seien die Lüftungsöffnungen offen gewesen und es habe auch hineingeregnet. Das nächste Gehöft sei 350 m entfernt, die Ortschaft 800 m bis 1000 m. Auch wenn eine Tierseuche bei der Untersuchung im Labor nicht habe festgestellt werden können, sei gleichwohl in den Kadavern konkret ein Schimmelbefall festgestellt worden. Des Weiteren seien Bakterien und Viren nachgewiesen worden. Ein Vertreter des Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) ergänzte, dass bei wärmer werdender Witterung auch mit einer Zunahme der Insekten und des Fliegenbefalls zu rechnen gewesen sei. Fliegen seien auch Überträger von Salmonellen. Er sehe die Gefahr als sehr groß, weil weitere Keime auftreten könnten. Dabei sei damit zu rechnen, dass Nager nicht im kalten Stall blieben, sondern auch bis zur Ortschaft wanderten und nur zum Essen zurückkämen.
Der Vertreter des LGL räumte jedoch in der mündlichen Verhandlung weiter ausdrücklich ein, dass eine konkrete Gefahr schwer nachzuweisen sei. Es sei wohl eher eine abstrakte Gefahr. Jedenfalls würden Keime in die Umwelt verteilt.
Gerade angesichts der Aussagen der Veterinärfachleute und des Zeitlaufs mit einem Procedere von zwei Jahren, ohne dass Geruchsbelästigungen vorgekommen wären oder ein erhöhtes Aufkommen von Erkrankungen basierend auf Keimen oder Bakterien, die womöglich aus den Stalllungen stammten, kann das Gericht das Vorliegen der Voraussetzungen der besonderen Dringlichkeit nicht erkennen. Es reicht nicht aus, dass es aus Sicht des Auftraggebers oder des Veterinäramts sinnvoll gewesen ist, schnell zu handeln. Vielmehr müssen die Voraussetzungen für ein Absehen von einer Ausschreibung bzw. einer beschränkten Ausschreibung mit verkürzten Fristen objektiv begründet sein. Es müssen konkret gravierende Beeinträchtigungen für die Allgemeinheit und staatliche Aufgabenerfüllung drohen, etwa durch einen schweren nicht wiedergutzumachenden Schaden. Die Unzumutbarkeit der Einhaltung von Fristen hängt gerade auch von der Wahrscheinlichkeit der weiteren Schadensrealisierung und der Intensität des Schadens im Falle weiterer Verzögerungen ab (Ortner/Heinrich in Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 4. Aufl 2013, § 3 EG VOL/A 2009; Willweber in Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Aufl. 2016, § 14 VgV, Rn. 120, 123 ff.).
Die Wahrscheinlichkeit derartiger gravierender Beeinträchtigungen ist nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des Gerichts nicht gegeben. Der Vertreter des LGL hat gerade auf die ausdrückliche Frage des Gerichts, welche Folgen bei einem Zuwarten von einigen Wochen bzw. Monaten eingetreten wären, zwar auf den bestehenden Schimmelpilzbefall und die Keim- und Virenbelastung der Kadaver hingewiesen, aber gerade in dem Zusammenhang ausdrücklich nur von einer abstrakten Gefahr gesprochen. Aussagekräftige veterinärfachliche Angaben zur Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts erfolgten nicht. Das Gericht hat keine Anhaltspunkte, dass mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine konkrete Gefahr für Mensch oder Tier oder sonstige Rechtsgüter oder gar eine Seuchengefahr bestand, die ein Handeln besonders dringlich gemacht hätten.
Hinzu kommt, dass die besondere Dringlichkeit in den Vergabeakten nicht hinreichend dokumentiert ist und unter dem Gesichtspunkt auch ein Verstoß gegen die Dokumentationsverpflichtung des § 6 Abs. 1 UVgO besteht. Danach ist das Vergabeverfahren von Anbeginn fortlaufend in Textform nach § 126b BGB zu dokumentieren, so dass Einzelstufen des Verfahrens, die einzelnen Maßnahmen sowie die Begründung der einzelnen Entscheidungen festgehalten werden.
Es handelt sich dabei um die sogenannte ex-post Transparenz, die eine nachträgliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens ermöglicht und aus diesem Grunde für die Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes essentiell ist. Alle Fakten, Umstände und Überlegungen, auf deren Grundlage die Zuschlagsentscheidung getroffen wurde, sind vollständig und wahrheitsgemäß in der Dokumentation aufzuführen. In zeitlicher Hinsicht stellt die Formulierung „von Anbeginn“ klar, dass die Dokumentation bereits auf der ersten Stufe mit der Bekanntmachung zu beginnen hat. Die Verpflichtung zur fortlaufenden Dokumentation setzt überdies voraus, dass der Auftraggeber vor und nach jeder relevanten Entscheidung bzw. Stufe entsprechende Feststellungen zu den Akten bringt, die den Verlauf des Verfahrens nachvollziehbar und überprüfbar machen. Die Dokumentation hat zeitnah zur entsprechenden Entscheidung zu erfolgen. Die Erstellung einer Dokumentation bei Abschluss des Vergabeverfahrens genügt nicht. Denn gerade die zeitnahe Führung des Vergabevermerks sichert die notwendige Transparenz des Verfahrens und wirkt Manipulationen entgegen. Vielmehr muss das Vergabeverfahren Schritt für Schritt und in den einzelnen Stufen vorgehensgetreu und nachvollziehbar beschrieben werden. Die Vergabestelle ist an die Dokumentation gebunden. Der Auftraggeber kann sich im Nachhinein nicht auf andere Erwägungen berufen. Die Dokumentation muss so ausführlich geführt werden, dass ein fachkundiger Dritter das gesamte Verfahren einschließlich aller Entscheidungen und Ergebnisse nachvollziehen kann (Petersen in Dieckmann/Scharf/Wagner-Cardenal, VOL/A, 1. Aufl. 2013, § 20 Rn. 2, 7 ff.; Weiner in Gabriel/Krohn/Neun, Handbuch des Vergaberechts, 2. Aufl. 2017, § 1 Rn. 37).
Der Auftraggeber erfüllt seine Dokumentationspflicht, wenn der förmliche Verfahrensablauf und der materielle Inhalt der im Laufe des Verfahrens getroffenen Entscheidungen nebst Begründung aus der Vergabeakte erkennbar sind. Dabei ist die Dokumentation chronologisch („fortlaufend“) aufzubauen. Zum Zwecke der Beweissicherung sind die einzelnen relevanten Schritte mit einem Datum zu versehen, gegebenenfalls auch mit der Uhrzeit, soweit es darauf ankommt. Weiter sollte aus der Dokumentation auch erkennbar sein, welcher Entscheidungsträger gehandelt hat. Alle wesentlichen Verfahrensschritte von der Beschaffungsentscheidung über die Bekanntmachung bis hin zur Öffnung der Angebote und der Entscheidung über den Zuschlag sind in der Vergabeakte zu dokumentieren. Einzelheiten und Ergänzungen oder Erläuterungen zu den einzelnen Unterlagen sind dann Teil des Vergabevermerks (Langenbach in Beck’scher Vergaberechtskommentar, Bd. 2 (Hrsg. Burgi/Dreher), 3. Auflage 2019, § 8 VgV Rn. 12 ff.).
Neben der Kommunikation mit den Bietern erfasst die Dokumentationspflicht auch interne Beratungen, um das Vergabeverfahren auf jeder Stufe nachvollziehbar und transparent zu machen (Hänsel in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 3. Aufl. 2018, VgV § 8 Rn. 5 u. 9).
Wenn der Vergabevermerk Auslassungen enthält oder bestimmte Vorgänge nur ungenau dokumentiert, kann eine solche unvollständige Dokumentation zu Beweiserleichterungen bis hin zur Beweislastumkehr zugunsten des Bieters führen. Enthalten die Vergabeakten etwa keinen Vermerk über einen Prüfungsvorgang, ist daher davon auszugehen, dass dieser Vorgang nicht stattgefunden hat (Hänsel in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 3. Aufl. 2018, § VgV 8 Rn. 10). Liegen Dokumentationsmängel bzgl. des Mindestinhalts vor, können diese nach herkömmlicher Ansicht grundsätzlich nicht durch nachträgliche Erstellung eines Vergabevermerks behoben werden. Allerdings ist der Vortrag von Umständen und Gesichtspunkten, mit denen die sachliche Richtigkeit einer angefochtenen Vergabeentscheidung nachträglich verteidigt werden soll, möglich (Hänsel in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 3. Aufl. 2018, § 8 VgV, Rn. 13).
Dokumentationspflichten sind indes kein Selbstzweck. Wegen der besonderen Bedeutung der Dokumentation zur Gewährleistung von Transparenz, Gleichbehandlung und Wettbewerb im Vergabeverfahren sowie zur Korruptionsbekämpfung kommt eine Heilung von Dokumentationsmängeln grundsätzlich nicht in Betracht, soweit Entscheidungen überhaupt nicht dokumentiert worden sind. Dagegen ist eine Heilung von Dokumentationsmängeln im Einzelfall möglich, soweit es um das „Wie“ der Dokumentation geht. Gemeint ist die nachträgliche Ergänzung einer unzureichenden Begründung mit Umständen oder Gesichtspunkten, mit denen die sachliche Richtigkeit einer angefochtenen Vergabeentscheidung nachträglich verteidigt werden soll. In diesen Fällen ist abzuwägen zwischen dem Sinn und Zweck der Dokumentation, durch die zeitnahe Führung des Vergabevermerks die Transparenz des Vergabeverfahrens zu schützen und Manipulationsmöglichkeiten entgegenzuwirken, auf der einen Seite und dem vergaberechtlichen Beschleunigungsgrundsatz auf der anderen Seite (Schneider in Kapellmann/Messerschmidt, VOB-Kommentar, Teil A/B, 6. Aufl. 2017, § 8 VgV Rn. 7 ff.).
Ausgehend davon sind die dokumentierten Angaben zur Vergabe in der Behördenakte äußerst dünn. Weitere Ausführungen dazu und Erläuterungen erfolgten erst im gerichtlichen Verfahren in der Klageerwiderung sowie in der mündlichen Verhandlung. Im Aktenvermerk des Landratsamtes vom 26. April 2018 (Bl. 28 der Akte) ist zur Begründung der Dringlichkeit lediglich aufgeführt: „Aufgrund des enormen öffentlichen Interesses (Anwohner, Presse, Landtagsanfrage) und der weiteren Verwesung der in den Ställen befindlichen Tierkadaver in Kombination mit den zunehmend wärmer werdenden Witterungsverhältnissen ist die besondere Dringlichkeit der Leistung (Räumung der Ställe) unbestritten gegeben“. Dieser Aktenvermerk erfolgte zeitlich deutlich nach der Entscheidung über die Vergabe. Die Angebotsaufforderungen an die drei Firmen erfolgten vor diesem Aktenvermerk am 23. und 24. April 2018. Laut Aussage der Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung sei die Entscheidung über das Absehen einer förmlichen Ausschreibung und der vereinfachten Vergabe spätestens am 13. April 2018 klar gewesen. Darüber entschieden hätten sowohl der fachliche Teil des Landratsamtes als auch der Vollzug. In einem zweiten Aktenvermerk vom 14. Mai 2018 (Bl. 65) ist zusätzlich zur vorstehenden Begründung noch von „steigenden Gefahren durch Ungezieferbefall und Ausbreitung von Keimen und Bakterien“ die Rede. Dieser Vermerk erfolgte seinerseits deutlich nach dem Zuschlag bzw. die Vergabe an die Firma V mit Schreiben vom 7. Mai 2018, ausgelaufen am 9. Mai 2018 (vgl. Bl. 52).
Damit erfolgte keine zeitnahe Dokumentation der besonderen Dringlichkeit in der Vergabeakte. Zwar ist die Dokumentationspflicht kein Selbstzweck. Unter gewissen Umständen mag auch eine Heilung möglich sein. Jedoch scheint ein völliges Unterbleiben der Dokumentation des Abweichens von einer Regelvergabe bzw. nur mit einer dürftigen Begründung in einem Satz im Aktenvermerk vom 26. April 2018 äußerst fraglich, wobei darauf hinzuweisen ist, dass das öffentliche Interesse kein geeignetes Argument für die Begründung der besonderen Dringlichkeit ist. Die jeweiligen Sätze in den beiden zitierten Aktenvermerken sind nicht geeignet, das Bestehen einer besonderen Dringlichkeit nachvollziehbar und transparent zu begründen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass eine zeitnahe Dokumentation nicht möglich gewesen wäre.
Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass mit der Firma V ein vorbefasstes Unternehmen den Zuschlag erhalten hat (vgl. § 5 Abs. 1 UVgO). Relevant ist jede vorbereitende Tätigkeit, die geeignet ist, das Vergabeverfahren zu beeinflussen. Ein Vertragsverhältnis zwischen dem Landratsamt als öffentlicher Auftraggeber und der Firma ist nicht erforderlich. Es reicht jede sonstige Tätigkeit im Vorfeld und jede Unterstützungshandlung im Vorfeld. Ausreichend ist ein tatsächliches Tätigwerden, wobei es ausreicht, dass das Unternehmen die Umstände der Vergabe zu seinen Gunsten beeinflusst haben kann. Besonders schwerwiegend wäre der Verstoß, wenn der Auftrag auf das Leistungsspektrum des Unternehmens zugeschnitten wäre, weil dieses bei der Erarbeitung der Auftragsunterlagen mitgewirkt hat (Völlink in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 3. Aufl. 2018, § 7 VgV, Rn. 5; Baumann/Mutschler-Siebert in Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Aufl. 2016, § 7 VgV, Rn. 1, 12 u. 15; Mager in Beck’scher Vergaberechtskommentar, Bd. 2 (Hrsg. Burgi/Dreher), 3. Auflage 2019, § 7 VgV, Rn. 5 ff.).
Letzteres ist problematisch, weil – wie aus dem Vermerk über die Abschlussbesprechung mit dem LGL am 13. April 2018 zu entnehmen – ein Vertreter der Firma V, mit der ein Rahmenvertrag des Freistaats Bayern für den Seuchenfall besteht, bei der Abschlussbesprechung anwesend war. Mit diesem wurden auch konkrete Maßnahmen besprochen. Diese Maßnahmen bildeten den Kern der Anfragen an die anderen Unternehmen im Zusammenhang mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe, wobei die Anlehnung an den – hier nicht vorliegenden – Tierseuchenfall ins Auge fällt.
Der Ausschluss des vorbefassten Unternehmens ist indes Ultima Ratio; zuvor sind verhältnismäßige mildere wettbewerbssichernde Maßnahmen zu ergreifen (Völlink in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 3. Aufl. 2018, UVgO § 5 Rn. 4; Baumann/Mutschler-Siebert in Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, 5. Aufl. 2016, § 7 VgV, Rn. 1 u. 13).
Das Landratsamt hat zwar wettbewerbssichernde Maßnahmen in der Form ergriffen, als es die anderen angefragten Firmen sowohl schriftlich über den Aufgabenumfang informiert, als auch mit diesen Begehungen durchgeführt hat. Jedoch wären diese Maßnahmen nicht ausreichend, wenn die Firma V aufgrund des Zuschnitts der Aufgaben Vorteile gehabt hätte, während die anderen Firmen unter den Vorgaben der mit der Firma V vorab vorgeschlagenen Maßnahmen von einer endgültigen Angebotsabgabe abgesehen hätten. Jedoch ist anzumerken, dass Grund des Aussteigens der anderen beiden Firmen möglicherweise auch gewesen sein mag, dass das Landratsamt durch die Nachforderungen seitens der internen Fachstellen zu einem Absehen von einer Nachbesserung bzw. einer Angebotsabgabe beigetragen haben mag, so dass zuletzt allein die Firma V übrig blieb.
Letztlich kann offen bleiben, ob auch insofern ein Verfahrensverstoß zu bejahen ist, weil dies nicht mehr entscheidungserheblich ist.
Zusammenfassend ist der streitgegenständliche Bescheid aus zwei sich selbständig tragenden Gründen rechtswidrig, weil er sowohl Kosten für überschießende Maßnahmen, die nicht vom Grundverwaltungsakt gedeckt sind, enthält, ohne dass er insoweit teilbar wäre, als auch weil er mangels Vorliegens einer besonderen Dringlichkeit sowie wegen mangelnder Dokumentation auf einer vergaberechtswidrigen Grundlage beruht.
Nach alledem waren die Kosten der Ersatzvornahme so, wie im streitgegenständlichen Bescheid geltend gemacht, nicht nachvollziehbar und erforderlich.
Der Kostenbescheid ist in vollem Umfang rechtwidrig. Die Verstöße gegen die Vergabevorschriften erfassen alle Teile des Kostenbescheides. Eine teilweise Aufrechterhaltung des Kostenbescheides ist nicht möglich.
Eine erforderliche Vergabe mit Ausschreibung ist ein Aliud zur erfolgten Verhandlungsvergabe. Welche Kosten bei einer korrekten Vergabe (ohne Schädlingsbekämpfung) und unter Einhaltung der Vergabevorschriften hypothetisch entstanden wären, lässt sich im Nachhinein nicht verlässlich rekonstruieren, sondern wäre reine Spekulation. Greifbare Anhaltspunkte für eine seriöse und realitätsnahe Schätzung der möglichen Kosten fehlen, sodass die Basis für eine teilweise Aufrechterhaltung des Kostenbescheides fehlt, selbst wenn das Gericht nicht verkennt, dass ein gewisser Betrag auch bei einem fehlerfreien Verhalten angefallen wäre. Das Angebot der Firma D zeigt, dass die Durchführung der Ersatzmaßnahme womöglich auch deutlich kostengünstiger hätte erfolgen können (vgl. auch BayVGH, U.v. 25.9.2014 – 20 B 14.477 – NVwZ-RR 2015, 85). Die Unmöglichkeit der Aufklärung im Nachhinein, welche Kosten bei einem korrekten Vorgehen tatsächlich entstanden wären, geht zu Lasten des Beklagten.
Nach dem Vorstehenden sind auch die Bescheidskosten in Höhe von 1.244,01 EUR rechtswidrig (Art. 16 Abs. 5 KostG).
Die Rechtsverstöße und auch die Vergabeverstöße sind für die Kostentragungspflicht des Klägers relevant. Zwar zielen die Vergabeverstöße primär auf den Wettbewerb und die Gleichheit mit Blick auf den Mitbieter, haben aber für den Auftraggeber auch Relevanz wegen der damit regelmäßig verbundenen Gefährdung der Haushaltsgrundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, so dass Verstöße im Regelfall als schwerwiegend einzuordnen sind (BVerwG, B.v. 13.2.2013 – 3 B 58/12 – NVwZ 2013, 1082). Im Hinblick auf den Kläger sind Ersatzvornahmekosten, die nicht erforderlich waren, unverhältnismäßig und damit rechtswidrig und verletzen ihn in seinen Rechten.
Die Kostenentscheidung des gerichtlichen Verfahrens beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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