Baurecht

Normenkontrolleilantrag, Fehlende Dringlichkeit

Aktenzeichen  15 NE 21.2427

Datum:
13.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 41410
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 47 Abs. 6

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im Normenkontrollverfahren gegen den Bebauungsplan „A. V.“ der Antragsgegnerin, bekannt gemacht am 21. Mai 2021.
In der Stadtratssitzung vom 30. Januar 2020 fasste die Antragsgegnerin den Beschluss, den Bebauungsplan mit Grünordnungsplan „A. V“ aufzustellen. Ziel der Planung ist die bauliche Weiterentwicklung im Wohnsiedlungsbereich A. durch Fortführung bzw. Abrundung der Wohnsiedlungstätigkeit im Osten dieses Stadtteils im Anschluss an vorhandene Wohnbebauung im Süden (Bebauungsplan mit Grünordnungsplan „A. III“). Das Plangebiet umfasst die Grundstücke FlNr. … und 2748 Gemarkung A. südlich und westlich des A. Weges. Im Westen grenzt das landwirtschaftlich genutzte Grundstück FlNr. … Gemarkung A. des Antragstellers unmittelbar an das Plangebiet an. Hierauf folgt westlich das weitere landwirtschaftlich genutzte Grundstück FlNr. … Gemarkung A. des Antragstellers sowie daran anschließend Wohnbauflächen im Gebiet des vorhabenbezogenen Bebauungsplans mit Grünordnungsplan „A. IV“.
Im Bauleitplanverfahren hat der Antragsteller Einwendungen und Fragen zum Bebauungsplan im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung erhoben. Die Antragsgegnerin beschloss am 15. März 2021 über die eingegangenen Stellungnahmen und den Bebauungsplan als Satzung. Der Bebauungsplan mit Grünordnungsplan „A. V“ wurde am 17. Mai 2021 ausgefertigt und am 21. Mai 2021 bekannt gemacht.
Mit Schriftsatz vom 23. Juni 2021 erhob der Antragsteller Normenkontrollantrag (Az. 15 N 21.1756), über den noch nicht entschieden ist. Mit weiterem Schriftsatz vom 17. September 2021 begehrt der Antragsteller mit einem Eilantrag vorläufigen Rechtsschutz. Der Antrag sei zur Abwehr schwerer Nachteile geboten, jedenfalls aber wegen offensichtlicher Unwirksamkeit des angefochtenen Bebauungsplans aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Da die Antragsgegnerin mit der Erschließung begonnen habe, drohe ein „Erschließungstorso“.
Im Normenkontrollverfahren trägt der Antragsteller vor, dass der Bebauungsplan nicht erforderlich sei. Die im Bebauungsplan eingezeichnete Verbindungsstraße zum Plangebiet „A. IV“ über seine Grundstücke könne weder jetzt noch in Zukunft realisiert werden, da er dies ablehne. Da der eigentliche Wille der Antragsgegnerin auch die Erschließung des Plangebiets nach Westen umfasse, diese aber Stückwerk bleibe, sei die Erschließung nicht ausreichend gesichert und der Bebauungsplan nicht realisierbar. Darüber hinaus verstoße der Bebauungsplan gegen das Abwägungsgebot. Der Konflikt heranrückender Wohnbebauung an seine landwirtschaftlichen Flächen sei nicht gelöst. Künftig sei eine Bewirtschaftung nicht mehr bis an die Grundstücksgrenze heran möglich, weil die Freihaltung eines Schutzstreifens beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln hätte berücksichtigt werden müssen. Nach der Erweiterung des Baugebiets könnten sich seine Grundstücke zudem in einer Senke befinden und zu einem Wasserabflussbecken verkommen. Die weitere Bodenversiegelung erhöhe die Hochwassergefahr und führe zu Schwierigkeiten bei der Wasserableitung, insbesondere bei hohen Grundwasserständen der A.auen.
Der Antragsteller beantragt,
den Bebauungsplan „A. V“ der Antragsgegnerin vom 21. Mai 2021 durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung bis zur Entscheidung über den Normenkontrollantrag des Antragstellers außer Vollzug zu setzen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie ist der Ansicht, durch den bloßen Vollzug des Bebauungsplans sei eine einstweilige Anordnung weder zur Abwehr schwerer Nachteile noch aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Antragstellers sei nicht gegeben, da der vom Antragsteller beanstandete Spritzabstand gegebenenfalls in einem ergänzenden Verfahren berücksichtigt werden könnte, während eine Unterbrechung der bereits begonnenen Erschließungsmaßnahmen in den Wintermonaten erhebliche Kosten und eine Gefährdung der Erschließungsbauwerke nach sich ziehen würde. Mit der Errichtung von Gebäuden werde noch nicht begonnen.
Im Übrigen sei der Bebauungsplan wirksam. Er entspreche dem planerischen Willen der Antragsgegnerin und die Erschließung sei auch ohne Anbindung nach Westen ausreichend gesichert. Die Planung sei nicht rücksichtslos, da zum Grundstück FlNr. … Gemarkung A. des Antragstellers überwiegend Strauch- und Baumgruppen festgesetzt seien, in denen ein Aufenthalt von Menschen gerade nicht überwiegend stattfinde. Weder der Antragsteller noch der beteiligte Bauernverband hätten insoweit Einwendungen erhoben; Immissionen aus der der fachlichen Praxis genügenden Landwirtschaft müssten Nachbarn ohnehin hinnehmen. Unabhängig davon würde sich ein Fehler nicht auswirken, da der Bebauungsplan dann im Zweifel mit eingeschränktem Inhalt beschlossen worden wäre und sich nichts an der ansonsten sinnvollen städtebaulichen Ordnung ändere; die Einhaltung eines Spritzabstands hätte die Antragsgegnerin nicht von der Planung abgehalten. Die Niederschlagswasserabführung sei mit dem Wasserwirtschaftsamt Landshut abgestimmt; eine wasserrechtliche Erlaubnis hierfür liege zwischenzeitlich mit Bescheid vom 19. Mai 2021 vor.
Die Landesanwaltschaft Bayern als Vertreterin des öffentlichen Interesses hat sich nicht am Verfahren beteiligt.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Planaufstellungsakten der Antragsgegnerin verwiesen.
II.
Der Antrag bleibt ohne Erfolg.
Gemäß § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Prüfungsmaßstab bei Bebauungsplänen sind zunächst die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache anhängigen Normenkontrollantrags, soweit sich diese im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Ergibt diese Prüfung, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinn von § 47 Abs. 6 VwGO geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag nach § 47 Abs. 1 VwGO zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass dessen Vollzug suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn dessen (weiterer) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer einstweiligen Anordnung im Weg einer Folgenabwägung zu entscheiden: Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Antrag nach § 47 Abs. 1 VwGO aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung – trotz offener Erfolgsaussichten in der Hauptsache – dringend geboten ist (BVerwG, B.v. 30.4.2019 – 4 VR 3.19 – juris Rn. 4 m.w.N.; BayVGH, B.v. 21.7.2020 – 15 NE 20.1222 – juris Rn. 14 m.w.N.). Gemessen daran ist die begehrte einstweilige Anordnung hier weder zur Abwehr schwerer Nachtteile noch aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten.
Für die gerichtliche Entscheidung kann offenbleiben, welche Erfolgsaussichten für den Antragsteller im Normenkontrollverfahren (15 N 21.1756) bestehen. Denn auch bei einem möglichen Obsiegen in der Hauptsache lässt jedenfalls ein weiterer Vollzug des Bebauungsplans vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren, das zudem bereits in wenigen Wochen für Mitte Januar 2022 terminiert ist, keine Nachteile befürchten, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist (vgl. BVerwG, B.v. 30.4.2019 – 4 VR 3.19 – juris Rn. 4). Der bloße Vollzug eines Bebauungsplans genügt hierfür jedenfalls grundsätzlich nicht (vgl. BayVGH, B.v. 19.8.2016 – 9 NE 16.1512 – juris Rn. 20 m.w.N.). Die vom Antragsteller angeführten Nachteile, insbesondere hinsichtlich einer Inanspruchnahme seiner Grundstücke für eine Anbindung des Baugebiets nach Westen sowie mögliche Verstöße gegen das Rücksichtnahmegebot zeigen keine entscheidungsrelevanten Nachteile aus dem Vollzug des Bebauungsplans auf.
Sollte der Bebauungsplan mit Grünordnungsplan „A. V“ im Hinblick auf die vom Antragsteller angeführte „Westanbindung“ an einem beachtlichen Fehler leiden, ist nicht ersichtlich, woraus sich insoweit der von ihm befürchtete schwere Nachteil oder andere wichtige Gründe ergeben sollten. Bei der Anbindung nach Westen an das Baugebiet „A. IV“ über die Grundstücke FlNr. … und … Gemarkung A. des Antragstellers handelt es sich lediglich um eine nachrichtliche Übernahme künftiger Planungsabsichten ohne Rechtswirkungen auf das Eigentum des Antragstellers. Die im Plangebiet insoweit vorgesehene Herstellung eines Straßenanschlussstücks an der Grenze des Grundstücks FlNr. … Gemarkung A. des Antragstellers ist nur wenige Meter lang und erlangt erst im Rahmen einer Folgeplanung Bedeutung. Aufgrund der nur geringen Anzahl von Bauflächen, in denen Einzel- oder Doppelhäuser und Hausgruppen mit einer Beschränkung der jeweiligen Zahl der Wohnungen festgesetzt sind, ist auch nicht ersichtlich, dass die Erschließung des Baugebiets mit Wendehammer im Inneren und nach Süden auf die A. straße hin nicht ausreichend sein könnte.
Sofern der Bebauungsplan an einem beachtlichen Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot im Hinblick auf den vom Antragsteller geltend gemachten Spritzabstand und eine mögliche Vernässung seiner Grundstücke leiden sollte, sind die dadurch befürchteten Bewirtschaftungserschwernisse bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache nicht ausreichend, einen schweren Nachteil oder andere wichtige Gründe für den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu begründen. So wird nach Angaben der Antragsgegnerin mit der Errichtung von Gebäuden derzeit nicht begonnen; dass bereits die Errichtung der Erschließungsanlagen den Antragsteller in der landwirtschaftlichen Nutzung seiner Grundstücke beeinträchtigt, ist weder vorgetragen noch aufgrund der Planung ersichtlich. Eine unzumutbare Vernässung der Grundstücke des Antragstellers durch die Realisierung der Planung ist im Hinblick auf die Topographie des nach Norden zum A. Weg und der A. hin abfallenden Geländes sowie die nach Osten vorgesehene Entwässerung des Plangebiets nicht nachvollziehbar.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1 und 8, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Nr. 9.8.1 und Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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