Baurecht

Nutzungsänderung von Lagerräumen als Betriebsleiterwohnung

Aktenzeichen  9 ZB 14.2142

Datum:
29.6.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 48890
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauNVO § 8 Abs. 3 Nr. 1, § 15 Abs. 1 S. 1, S. 2

 

Leitsatz

Bei einer genehmigten Betriebsleiterwohnung handelt es nicht um eine „weitere“ Betriebsleiterwohnung, wenn mit der Abmeldung des ursprünglich betriebenen Gewerbebetriebs   auch die Eigenschaft der damals auf demselben Grundstück gelegenen Wohnung als dazugehörige Betriebsleiterwohnung entfallen ist. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 9 K 13.1121 2014-07-23 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu tragen.
III.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I. Der Kläger wendet sich gegen die dem Beigeladenen mit Bescheid des Landratsamts R. vom 21. Mai 2013 erteilte bauaufsichtliche Genehmigung zur Nutzungsänderung von Lagerräumen als Wohnung und Büro sowie zum Neubau eines Carports. Der Kläger ist Eigentümer des westlich an das Baugrundstück angrenzenden Grundstücks Fl.Nr. 277/4 Gemarkung R. Er betreibt auf diesem Grundstück einen metallverarbeitenden Betrieb, für den ihm das Landratsamt mit Bescheid vom 3. Dezember 2004 eine bauaufsichtliche Genehmigung zur Erweiterung der Schlosserei und Errichtung eines Carports erteilt hatte.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 23. Juli 2014 abgewiesen. Hiergegen richtet sich der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung.
II. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Der Kläger beruft sich auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ob solche Zweifel bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was der Kläger innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) hat darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Der Kläger rügt, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass bereits vor der Teilung des Grundstücks mit der Fl.Nr. 278 für den damals auf dem Grundstück befindlichen Gewerbebetrieb „Lagerhalle, Binderei und Büro“ eine Betriebsleiterwohnung genehmigt worden sei, die nunmehr von der Eigentümerin der Fl.Nrn. 278/2 und 287/0 als Wohnhaus genutzt werde. Die nun genehmigte „weitere“ Betriebsleiterwohnung für den auf Fl.Nr. 278/1 befindlichen Gewerbebetrieb des Beigeladenen verstoße gegen das Rücksichtnahmegebot und widerspreche dem Ausnahmecharakter des § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO, da die Voraussetzungen für eine „weitere“ Betriebsleiterwohnung für diesen Betrieb nicht vorlägen. Ernstliche Zweifel am verwaltungs-gerichtlichen Urteil lassen sich daraus im Ergebnis nicht ableiten.
Entgegen der Auffassung des Klägers handelt es sich bei der mit dem angefochtenen Bescheid genehmigten Betriebsleiterwohnung nicht um eine „weitere“ Betriebsleiterwohnung für den Betrieb des Beigeladenen. Mit der Abmeldung des ursprünglich auf der damaligen Fl.Nr. 278 (jetzt: Fl.Nr. 278/1) betriebenen Gewerbebetriebs „Lagerhalle, Binderei und Büro“ zum 5. September 1995 entfiel auch die Eigenschaft der damals auf demselben Grundstück gelegenen Wohnung (jetzt: Fl.Nr. 278/2) als dazugehörige Betriebsleiterwohnung. Die Wohnung erlangte diese Eigenschaft auch nicht wieder. Die Sachlage veränderte sich nämlich grundlegend. Das Grundstück mit der Fl.Nr. 278 wurde geteilt, das Gewerbegrundstück an den Beigeladenen verkauft. Das Grundstück mit der ehemaligen Betriebsleiterwohnung erwarb die Eigentümerin von Fl.Nr. 278/0, die die Wohnung selbst nutzt. Das bisherige Betriebsgebäude wird vom Beigeladenen als neuem Eigentümer für einen völlig anderen Betrieb als vorher genutzt – nunmehr für den Handel mit Wartung, Pflege und Reparatur von Maschinen der Verpackungsmittelbranche. Die dem Beigeladenen genehmigte Betriebsleiterwohnung stellt daher keine von ihm zusätzlich begehrte „weitere“ Betriebsleiterwohnung zu seinem Gewerbebetrieb dar, sondern seine einzige Betriebsleiterwohnung.
Im Rahmen der Prüfung der Vereinbarkeit des Vorhabens mit § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO hat das Verwaltungsgericht entscheidungserheblich darauf abgestellt, dass sich durch die genehmigte Betriebsleiterwohnung zwar die Zahl der genehmigten Betriebsleiterwohnungen von drei auf vier erhöht, jedoch dadurch derzeit noch nicht die Gefahr besteht, dass sich ein städtebaulich selbstständig bewertbarer Teil des Gewerbegebiets in ein „Wohnviertel“ umwandelt. Insgesamt sei die Gewerbenutzung quantitativ und qualitativ so ausgeprägt, dass durch die hinzukommende Betriebsleiterwohnung ein Kippen in Richtung Mischgebiet nicht zu befürchten sei. Aus dem Zulassungsvorbringen ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an dieser Sachverhaltswürdigung durch das Verwaltungsgericht. Die Ausführungen des Klägers, „kleinräumig auf das Grundstück des Klägers bezogen“ würden die genehmigten Betriebsleiterwohnungen zu einer „Einkesselung“ seines Betriebs führen, befassen sich lediglich mit der Situierung der Betriebsleiterwohnungen, nicht aber mit der Beurteilung des Verwaltungsgerichts, dass der angesprochene Nahbereich keinen städtebaulich selbstständig bewertbaren Teil des Gewerbegebiets darstellt. Mangels Entscheidungserheblichkeit der diesbezüglichen Ausführungen im Urteil des Verwaltungsgerichts kann daneben dahingestellt bleiben, ob sich der Kläger überhaut auf eine Verletzung des § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO berufen kann, obwohl er selbst die für seinen Betrieb genehmigte Betriebsleiterwohnung genehmigungswidrig nutzt, wie auch im Zulassungsvorbringen der Klägerbevollmächtigten vom 10. November 2014 eingeräumt wird.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils ergeben sich auch nicht aus dem Einwand des Klägers, die Genehmigungsunterlagen würden nicht erkennen lassen, ob für die Betriebsleiterwohnung ausreichende bauliche Maßnahmen ergriffen werden, um den/die Bewohner/in vor unzumutbaren Lärmbeeinträchtigungen hinreichend zu schützen. Das Verwaltungsgericht hat darauf abgestellt, dass die Genehmigung einer Betriebsleiterwohnung für den Beigeladenen nicht das in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO verankerte nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme verletzt, weil der Kläger nicht zu befürchten hat, dass sein Betrieb infolge der heranrückenden Betriebsleiterwohnung des Beigeladenen strengere Immissionswerte einhalten muss als bisher. Die gemäß Nr. 6.1 Buchstabe b TA Lärm für ein Gewerbegebiet festgelegten Immissionsrichtwerte von tags 65 dB(A) und nachts 50 dB(A) seien vom Kläger nicht nur an den bisherigen Betriebsleiterwohnungen einzuhalten, die in der Baugenehmigung vom 3. Dezember 2004 als Immissionsorte festgelegt worden sind, sondern im gesamten Gewerbegebiet. Hiermit setzt sich das Zulassungsvorbringen nicht auseinander. Es wird zudem nicht dargelegt, dass die genannten Werte am Bauvorhaben durch die vom Betrieb des Klägers bei Einhaltung der mit Bescheid des Landratsamts vom 3. Dezember 2004 genehmigten Betriebsweise herrührenden Geräusche überschritten werden. Der bloße Verweis darauf, dass die Genehmigungsunterlagen nicht erkennen lassen, dass ausreichend bauliche Maßnahmen ergriffen werden, um vor Lärmbeeinträchtigungen ausreichend geschützt zu sein, genügt nicht. Soweit im Schriftsatz der Klägerbevollmächtigten vom 23. Januar 2015 zusätzlich auf den geringen Abstand zwischen dem Gebäude des Klägers und der Betriebsleiterwohnung hingewiesen wird, ist dies nach Ablauf der Frist des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO erfolgt und im Übrigen allein nicht ausreichend, einen Verstoß der angefochtenen Baugenehmigung gegen § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO darzulegen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG. Sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben worden sind.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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