Baurecht

Nutzungsuntersagung für Produktionshallen

Aktenzeichen  15 CS 15.1615

Datum:
30.6.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO BayBO Art. 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 2a, Art. 68 Abs. 5, Art. 77 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, Nr. 2, Art. 78 Abs. 2 S. 1, S. 2 Nr. 2, S. 3

 

Leitsatz

Es genügt grundsätzlich für die Feststellung eines Widerspruchs zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften, dass ein genehmigungspflichtiges Vorhaben ohne Baugenehmigung, d.h. formell illegal genutzt wird. (redaktioneller Leitsatz)
Wegen der mit der Nutzungsuntersagung verbundenen Eingriffsfolgen ist zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit vor dem Erlass der Anordnung allein wegen formeller Illegalität zu prüfen, ob das Vorhaben nicht ohne Weiteres genehmigungsfähig ist. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 6 S 15.986 2015-07-01 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.Die Antragstellerin wendet sich gegen eine für sofort vollziehbar erklärte Nutzungsuntersagung von drei Hallen (1 C mit Überdachung, 2 und 2 A) auf den Grundstücken FlNr. … und …/27 der Gemarkung A., in denen sie Kunststoffabfälle verarbeitet (PET-Recycling). Für die Hallen 1 C (Parkdeck), 2, 2 A, 3 und 4 ist seit dem 14. Oktober 2011 beim Landratsamt Passau ein Bauantragsverfahren anhängig (Az.: 20112416; Bauvorhaben: „Produktionshallen für Kunststoffgranulate …-Group A. – Neubau/Umbau Halle“). Bauherr ist das J. Besitzunternehmen. Das Verfahren konnte vor allem auch deshalb noch nicht abgeschlossen werden, weil dem Landratsamt die Bescheinigungen zum Brandschutz nicht vorgelegt wurden.
Mit Bescheid vom 1. Juni 2015 untersagte das Landratsamt die Nutzung der Hallen 1 C (mit Überdachung), 2 und 2 A ab dem 29. Juni 2015 solange, bis eine Baugenehmigung erteilt und die Bauausführung auflagen- und plangemäß erfolgt ist (Nr. 2. A des Bescheids) und die mängelfreien Bescheinigungen Brandschutz I und II eines zugelassenen Prüfsachverständigen für Brandschutz vorliegen (Nr. 2. b des Bescheids) sowie die Prüfung der Standsicherheitsnachweise für die Hallen 1 C und 2 durch den Prüfingenieur Prof. Dr.-Ing. H. abgeschlossen ist und dieser erklärt hat, dass gegen die Nutzungsaufnahme keine Bedenken bestehen (Nr. 2. c des Bescheids). Unter Nr. 3. des Bescheids wurde insoweit die sofortige Vollziehung angeordnet und in Nr. 8 der Antragstellerin im Fall der unterbleibenden, nicht fristgerechten oder nicht vollständigen Befolgung der Anordnung ein Zwangsgeld in Höhe von 15.000 Euro angedroht.
Die Antragstellerin hat am 9. Juni 2015 gegen den Bescheid Klage erhoben (RN 6 K 15.884). Ihren am 26. Juni 2015 gestellten Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung hat das Verwaltungsgericht Regensburg mit Beschluss vom 1. Juli 2015 abgelehnt.
Am 9. Juli 2015 legte die Antragstellerin dagegen Beschwerde ein. Sie beantragt,
unter Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts die aufschiebende Wirkung der Klage vom 9. Juni 2015 gegen die Nr. 2 des Bescheids vom 1. Juni 2015 wiederherzustellen sowie gegen Nr. 8 dieses Bescheids anzuordnen,
hilfsweise, den Beschluss nach § 80 Abs. 7 VwGO abzuändern.
Für die Forderung in Nr. 2. c) des Bescheids, dass der Prüfingenieur nach der Prüfung des Standsicherheitsnachweises erklären solle, dass gegen die Nutzungsaufnahme keine Bedenken bestehen, gebe es keine Rechtsgrundlage. Es sei auch nicht berücksichtigt worden, dass das Vorhaben offensichtlich genehmigungsfähig sei. Jedenfalls nach der unter dem 21. Juli 2015 vom Prüfsachverständigen für Brandschutz, Dipl.-Ing. (FH) A., abgegebenen Unbedenklichkeitsbestätigung zum Gesamtobjekt bestehe kein Grund mehr, den Sofortvollzug der Nutzungsuntersagung weiter aufrecht zu erhalten. Im Oktober 2015 legte die Antragstellerin eine Unbedenklichkeitsbescheinigung der K. Ingenieure GmbH & Co. KG vor, an deren Ende sich ein unterschriebener Rundstempel des Prüfsachverständigen für Brandschutz Dipl.-Ing. Dr. R. befindet. In einem weiteren Schreiben vom 1. Oktober 2015 kündigt dieser Prüfsachverständige an, dass er nach der Umsetzung der Maßnahmen zum Brandschutz, die bis zum 7. August 2016 erfolgen solle, eine Prüfung vor Ort vornehmen und dies durch eine mangelfreie Bescheinigung Brandschutz II bestätigen werde. Im Februar 2016 legte die Antragstellerin eine weitere Stellungnahme der K. Ingenieure GmbH & Co. KG vor, wonach in Anbetracht der inzwischen verwirklichten Sofortmaßnahmen auch schon zum jetzigen Zeitpunkt keine konkrete Gefahr für Leib und Leben bestehe. Auf jeder dieser vier Seiten umfassenden Bestätigung befindet sich unterhalb des Textes ein „geprüft“- Stempel des Prüfsachverständigen Dr. J. und an dessen Ende eine am 8. Februar 2016 angebrachte und unterschriebene Bemerkung „Auf Plausibilität geprüft und einverstanden!“. Zuletzt legte die Antragstellerin eine an sie adressierte, drei Seiten umfassende Erklärung des Prüfsachverständigen Dr. J. vom 14. März 2016 vor. Danach sollen – da die bisher in den Hallen 8-16 stattfindende Kunststoff-Produktion nach Osterhofen verlegt werde – jetzt nur noch die Hallen 2 bis 7 incl. der Vordächer bis zum 30. September 2016 mit im Einzelnen näher beschriebenen Sprinkleranlagen ausgestattet werden, weshalb die bisherigen Brandschutzkonzepte fortzuschreiben und ihm zur Prüfung vorzulegen seien. Diese unter nochmaliger Einschaltung des Kreisbrandrates erfolgende Prüfung werde mindestens sechs bis acht Wochen in Anspruch nehmen. In einem weiteren Schreiben vom 24. Juni 2016 bezweifelt die Antragstellerin die Zulässigkeit der Fortdauer des Sofortvollzugs unter Hinweis darauf, dass die Bedenken wegen des Brandschutzes aus ihrer Sicht ausgeräumt seien. Alle bisher festgelegten Bedingungen seien erfüllt worden, weshalb auch ein neuer Sachverhalt vorläge und der Sofortvollzug aufzuheben sei.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Das streitgegenständliche Vorhaben – ein Sonderbau der Gebäudeklasse 3 (vgl. Art. 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 a BayBO) hinsichtlich der Prüfung des Standsicherheitsnachweises, Art. 62 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 BayBO in Bezug auf die Prüfung des Brandschutznachweises) – werde für den Betrieb der Antragstellerin genutzt, obwohl dies schon wegen eines Verstoßes gegen das sich aus Art. 78 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 Nr. 2, Satz 3 BayBO ergebende gesetzliche Nutzungsverbot illegal sei. Denn weder sei die nach dieser Vorschrift erforderliche Anzeige der beabsichtigten Aufnahme der Nutzung erfolgt noch sei die mit dieser Anzeige vorzulegende Bescheinigung des Prüfsachverständigen über die ordnungsgemäße Bauausführung hinsichtlich des Brandschutzes bei der Bauaufsichtsbehörde eingegangen. Ohne Vorlage der genannten Bescheinigung könne die mindestens zwei Wochen betragende Frist des Art. 78 Abs. 2 Satz 1 BayBO, deren Sinn es sei, der Bauaufsichtsbehörde eine Kontrolle der Benutzbarkeitsvoraussetzungen zu ermöglichen, nicht zu laufen beginnen. Es spreche nichts dagegen, diese Vorschrift auch dann anzuwenden, wenn die Genehmigung noch nicht erteilt sei. Ob und wann das Vorhaben genehmigungsfähig werde, sei offen. Der Sofortvollzug der Nutzungsuntersagung könne nicht aufgehoben werden, weil die erforderlichen vollständigen Brandschutzbescheinigungen nicht vorlägen. Unbedenklichkeitsbescheinigungen könnten die fehlenden Brandschutzbescheinigungen nicht ersetzen. Die zuletzt vorgelegte Unbedenklichkeitsbescheinigung berücksichtige eine teilweise Verlagerung des Betriebs, die nicht Gegenstand des noch anhängigen Genehmigungsverfahrens sei, und enthalte Bedingungen, deren Einhaltung aufgrund der bisherigen Erfahrungen nicht sicher gewährleistet sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen. Gegenüber einem weiteren Unternehmen der …-Group, der … Maschinen- und Anlagenbau GmbH, wurde in dem hier angegriffenen Bescheid ebenfalls eine sofort vollziehbare Nutzungsuntersagung ausgesprochen, siehe dazu den Beschluss vom heutigen Tag im Verfahren 15 CS 15.1616.
Mit Bescheiden vom 9. Juli 2015 und 6. August 2015 erklärte der Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin die zuvor jeweils angedrohten Zwangsgelder in Höhe von 15.000 bzw. 50.000 Euro für fällig und drohte unter dem 6. August ein weiteres Zwangsgeld von 100.000 Euro an, da bei Ortsbesichtigungen am 8. Juli und 28. Juli 2015 alle im Bescheid vom 1. Juni 2015 bezeichneten Hallen in Betrieb gewesen seien (vgl. dazu die Eilverfahren 15 CS 16.778 und 779).
II.Der auf § 80 Abs. 7 VwGO gestützte Hilfsantrag ist unzulässig, da das Verwaltungsgericht nach wie vor das Gericht der Hauptsache ist; dort ist die Klage gegen den Bescheid vom 1. Juni 2015 anhängig.
Die form- und fristgerecht (§ 147 Abs. 1, § 67 Abs. 4 VwGO) eingelegte Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zu Recht abgelehnt. Weder die Nutzungsuntersagung noch die Erklärung der sofortigen Vollziehbarkeit dieser Entscheidung durch den Antragsgegner lassen Rechtsfehler erkennen. Im Beschwerdeverfahren wurde nichts vorgetragen (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), was eine andere Entscheidung rechtfertigen könnte.
1. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Dauerverwaltungsakts Nutzungsuntersagung ist im Hauptsacheverfahren die letzte mündliche Verhandlung (BayVGH, U.v. 13.2.2015 – 1 B 13.646 – juris Rn. 27 m. w. N.), im Beschlussverfahren dementsprechend der Tag, an dem der Beschluss gefällt wird (vgl. BayVGH, B.v. 29.6.2016 – 15 CS 15.44). Auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren kommt eine ihren Anträgen entsprechende Entscheidung jedoch nicht in Betracht.
2. Nach Art. 76 Satz 2 BayBO kann die Nutzung von Anlagen untersagt werden, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften stattfindet. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen hat das Verwaltungsgericht zutreffend bejaht.
2.1 Grundsätzlich genügt es für die Feststellung eines Widerspruchs zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften, dass ein genehmigungspflichtiges Vorhaben ohne Baugenehmigung, d. h. formell illegal genutzt wird. Die Genehmigungspflicht der von der Antragstellerin genutzten Hallen ergibt sich aus Art. 55 Abs. 1 BayBO. Die Antragstellerin hat für die von der streitigen Untersagung betroffenen Hallen keine Baugenehmigung. Ohne diese widerspricht die Nutzung auch Art. 68 Abs. 5 BayBO, wonach schon mit der Bauausführung – und damit erst recht der nachfolgenden Nutzung – erst begonnen werden darf, wenn die Baugenehmigung dem Bauherrn zugegangen ist sowie die Bescheinigungen nach Art. 62 Abs. 3 BayBO und die Baubeginnsanzeige (Art. 68 Abs. 7 BayBO) der Bauaufsichtsbehörde vorliegen.
Wegen der mit der Nutzungsuntersagung verbundenen Eingriffsfolgen ist zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit vor dem Erlass der Anordnung allein wegen formeller Illegalität zu prüfen, ob das Vorhaben nicht ohne weiteres genehmigungsfähig ist (König in Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 76 Rn. 28 m. w. N.). Auch diese Frage hat das Verwaltungsgericht erörtert und zu Recht verneint.
Der Einwand, das Verwaltungsgericht habe den Begriff der offensichtlichen Genehmigungsfähigkeit unzulässig mit einer zeitlichen Bedeutung verknüpft, greift nicht durch. Das Gericht hat darauf abgestellt, dass es keinesfalls feststehe, dass die formell illegal errichteten und genutzten Anlagen entsprechend dem Vortrag der Antragstellerin tatsächlich bis Ende Oktober 2015 genehmigungsfähig sein werden, weil bis dahin die erforderlichen Nachweise erbracht würden. Daran hat sich im Grunde genommen bis heute nichts geändert. Die Antragstellerin konnte auch während des Beschwerdeverfahrens keine mängelfreie Bescheinigung Brandschutz II eines zugelassenen Prüfsachverständigen für Brandschutz für das den Gegenstand ihres Bauantrags bildende Vorhaben vorlegen. Der Antragsgegner weist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass auch die übermittelte „Unbedenklichkeitsbescheinigung“ vom 14. März 2016 – die ohnedies mit zahlreichen Bedingungen verbunden ist, die teilweise erst bis zum 30. September 2016 erfüllt werden sollen – keinen Ersatz dafür darstellen kann. Weil die Antragstellerin mittlerweile u. a. Änderungen in der Nutzung der vorhandenen Gebäude vorgenommen hat oder dies in Kürze tun will und daneben die Auslagerung bestimmter Betriebsteile beabsichtigt, stimmt die sich auch darauf beziehende jüngste Bescheinigung ferner inhaltlich nicht mit den eingereichten Planunterlagen bzw. dem derzeitigen Bestand überein.
Auch die Frage, ob der Betrieb in den fraglichen Hallen die aus Gründen des Immissionsschutzes der Nachbarschaft zu stellenden Anforderungen erfüllen kann bzw. wird, ist nicht geklärt. Das Ende des Jahres 2015 von der Antragstellerin vorgelegte Gutachten entspricht nach Darstellung des Antragsgegners nicht den Anforderungen der TA Lärm. Dieser Aussage hat die Antragstellerin weder widersprochen noch behauptet, dass sie insoweit nachgebessert hätte; sie hat infolgedessen auch nicht schlüssig dargelegt, dass von ihrem Betrieb keine schädlichen Umweltauswirkungen ausgingen.
Von einer offensichtlichen Genehmigungsfähigkeit der illegal ausgeübten Nutzung kann deshalb nach wie vor nicht die Rede sein.
Soweit die Antragstellerin für die unter 2. c) des Bescheids gewählte Formulierung „… und dieser erklärt hat, dass gegen die Nutzungsaufnahme keine Bedenken bestehen“ eine Rechtsgrundlage vermisst hat, wurde dieser Einwand ausgeräumt. Denn der Antragsgegner hat dazu klargestellt, dass hier nur eine in abschließenden Prüfberichten übliche Wendung wiedergegeben wurde und insoweit jedenfalls keine über die Vorlage des entsprechenden Prüfberichts hinausgehende, eigenständige Forderung aufgestellt werden sollte.
2.2 Hinsichtlich der von der Antragstellerin im Zusammenhang mit der Ermessensausübung infrage gestellten Verhältnismäßigkeit ist zum einen darauf hinzuweisen, dass es regelmäßig ermessensgerecht ist, eine formell illegale Nutzung schon deswegen zu untersagen („intendiertes Ermessen“, vgl. König in Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 76 Rn. 33). Zum anderen ist gerade auch angesichts der weiteren Entwicklung des Falles seit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nichts zu Tage getreten, was die Nutzungsuntersagung als ermessensfehlerhaft erscheinen lassen könnte (vgl. ergänzend oben 2.1). Der gesamte Ablauf des Verfahrens begründet durchaus Zweifel daran, ob die Antragstellerin überhaupt gewillt ist, in Bezug auf die Unternehmenssparte PET-Recycling baurechtlich ordnungsgemäße Verhältnisse herzustellen.
3. Weshalb eine Rechtfertigung für die Anordnung des Sofortvollzugs nicht vorgelegen haben soll (Schriftsatz vom 2.10.2015 auf Seite 5 unten), erschließt sich aus dem übrigen Vortrag der Antragstellerin nicht. Dieser beschränkt sich auf mehrere Hinweise über verschiedene Sofortmaßnahmen, die bereits umgesetzt seien oder in Kürze verwirklicht werden sollte sowie Unbedenklichkeitsbescheinigungen, die auch von einem früher mit dem Vorhaben befassten Sachverständigen für den Brandschutz erstellt wurden.
Der Antragsgegner hat die sofortige Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 1 VwGO in Nr. 5. der Gründe des Bescheids eingehend unter anderem mit der zu verhindernden Vorbildwirkung der illegalen Nutzung und vor allem mit den erheblichen brandschutztechnischen Sicherheitsmängeln begründet, die bei einer Ortseinsicht am 11. Mai 2015 festgestellt worden seien. Das Verwaltungsgericht hat diese Begründung zu Recht als ausreichend angesehen. Die mehrfach vorgelegten Unbedenklichkeitsbescheinigungen können – wie bereits erwähnt – die nach dem Gesetz erforderlichen Brandschutznachweise nicht ersetzen.
4. Der Antragsgegner hat schließlich zu Recht darauf hingewiesen, dass die in den streitigen Hallen stattfindende Nutzung im Widerspruch zu Art. 78 Abs. 2 BayBO steht. Danach hat der Bauherr die beabsichtigte Aufnahme der Nutzung einer nicht verfahrensfreien baulichen Anlage mindestens zwei Wochen vorher der Bauaufsichtsbehörde anzuzeigen (Art. 78 Abs. 2 Satz 1 BayBO) und mit der Anzeige bei Bauvorhaben nach Art. 62 Abs. 3 Satz 1 BayBO eine Bescheinigung des Prüfsachverständigen über die ordnungsgemäße Bauausführung hinsichtlich der Standsicherheit (Art. 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayBO; Anlage 10 der IMBek. vom 31.10.2012 – IIB4-4102.2-002/99 – Vollzug der BauVorlV, AllMBl. S. 898, „Standsicherheitsnachweis II“) und bei Bauvorhaben nach Art. 62 Abs. 3 Satz 3 BayBO eine Bescheinigung des Prüfsachverständigen über die ordnungsgemäße Bauausführung hinsichtlich des Brandschutzes (Art. 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BayBO; Anlage 12 der IMBek. vom 31.10.2012 – IIB4-4102.2-002/99 – a. a. O., „Brandschutznachweis II“) vorzulegen (Art. 78 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 BayBO). Art. 78 Abs. 2 Satz 3 BayBO bestimmt, dass die bauliche Anlage vor dem Ablauf der Zweiwochenfrist für die – vollständige – Anzeige nicht benutzt werden darf. Die Vorschrift legt den frühestmöglichen Zeitpunkt der Benutzbarkeit von baulichen Anlagen fest (König in Schwarzer/König, BayBO, 4. Aufl. 2012, Art. 78 Rn. 7). Verstöße können zur Nutzungsuntersagung führen und sind bußgeldbewehrt (Art. 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 BayBO, vgl. Molodovsky in Molodovsky/Famers, BayBO Stand 1.3.2016, Art. 78 Rn. 19).
Die Antragstellerin hat sich dazu nicht geäußert.
Die Voraussetzungen dieses gesetzlichen Nutzungsverbots liegen vor. Das genehmigungspflichtige Vorhaben wurde vor der Nutzungsaufnahme weder angezeigt noch wurden der Bauaufsichtsbehörde zugleich der nach Art. 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) BayBO bei Sonderbauten der Gebäudeklasse 3 durch einen Prüfingenieur zu prüfende Standsicherheitsnachweis und der bei Sonderbauten durch einen Prüfsachverständigen zu bescheinigende Brandschutznachweis, Art. 62 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 BayBO, vorgelegt. Nach Art. 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 BayBO überwachen die jeweiligen Prüfsachverständigen die Bauausführung nach Art. 62 Abs. 3 Satz 1 BayBO hinsichtlich des von ihnen geprüften oder bescheinigten Standsicherheitsnachweises bzw. hinsichtlich des von ihnen geprüften oder bescheinigten Brandschutznachweises und stellen darüber die entsprechenden Bescheinigungen aus. Die jeweiligen bauaufsichtlichen Anforderungen gelten dann nach Art. 77 Abs. 2 Satz 3 BayBO als eingehalten.
Art. 78 Abs. 2 BayBO beansprucht nach seinem Wortlaut und der Stellung im Abschnitt V – Bauüberwachung – des Gesetzes ohne weiteres auch dann Geltung, wenn eine Baugenehmigung nicht oder noch nicht erteilt worden ist. Die Verantwortlichkeit für die nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften erforderlichen Anträge, Anzeigen und Nachweise liegt gemäß Art. 49, Art. 50 Abs. 1 Satz 2 BayBO beim Bauherrn. Das in Art. 78 Abs. 2 Satz 3 BayBO ausdrücklich ausgesprochene Nutzungsverbot gilt unabhängig davon, ob der Bauherr seine Obliegenheiten erfüllt hat oder nicht. Die Anwendbarkeit von Art. 78 Abs. 2 BayBO unterliegt umso weniger Zweifeln, wenn ein Bauherr – wie hier – der Bauaufsichtsbehörde seit Jahren zu verstehen gibt, dass er die ordnungsgemäße Abwicklung eines Baugenehmigungsverfahrens für seine seit langem im Betrieb genommenen Vorhaben ohnehin für entbehrlich hält.
5. Kosten: § 154 Abs. 2 VwGO.
Streitwert: § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG, mangels entgegenstehender Anhaltspunkte wie die Vorinstanz.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG.


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