Baurecht

Planfeststellung Zweite S-Bahn-Stammstrecke München – Inanspruchnahme privater Grundstücke für Baustraße rechtmäßig

Aktenzeichen  22 A 15.40038

Datum:
12.12.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 110060
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AEG § 18 S. 2, § 18c
VwVfG § 75 Abs. 1a S. 1, S. 2

 

Leitsatz

1. Die Festsetzung einer Baustraße im Planfeststellungsbeschluss bedeutet nicht, dass die hierfür in Anspruch genommenen Flächen in ihrem vollständigen Ausmaß und jederzeit tatsächlich durch Baustellenverkehr in Anspruch genommen werden dürfen. Vielmehr sind bei der Feinplanung des Baulogistikkonzepts im Rahmen der Ausführungsplanung die typischerweise konfligierenden Anliegerinteressen in Bezug auf die Nutzung ihrer jeweiligen Grundstücke zu berücksichtigen. (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine “neue” Planung muss auf eine andere Planung, die den zeitlichen “Vorsprung” hat, verstärkt Rücksicht nehmen. Die zeitlich frühere Planung kann aber nur dann Vorrang beanspruchen, wenn sie nicht nur “schneller”, sondern auch hinreichend konkret und verfestigt gewesen ist. Der Prioritätsgrundsatz gilt nicht nur für Planungen von Hoheitsträgern, sondern auch für Planungen privater Unternehmen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klagen werden abgewiesen.
II.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen haben die Klägerinnen je zur Hälfte zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerinnen dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden betrag abwenden, wenn nicht die jeweilige Kostengläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A. Die Klagen sind zulässig. Die Klägerinnen sind klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO), weil sie geltend machen, durch den angefochtenen PFB in ihren Rechten als Grundstückseigentümerinnen bzw. Betreiberinnen des „Backstage“ verletzt zu sein. Durch die Vorlage von Grundbuchauszügen in der mündlichen Verhandlung ist nachgewiesen, dass im Zeitpunkt des Erlasses des angegriffenen PFB und bei Klageerhebung die Klägerin zu 1 Eigentümerin des streitgegenständlichen Grundstücks FlNr. 151/24 (Bahnstraße) gewesen ist und die Klägerin zu 2 Eigentümerin der Grundstücke FlNrn. 151/39 und 158/76 ist. Die Klägerin zu 2 betreibt das Veranstaltungszentrum „Backstage“, in dessen Betrieb ein Teil der betroffenen Grundstücke bereits derzeit und weiterhin während der Baumaßnahmen im PFA 1 einbezogen wird, ein anderer Teil dagegen nach dem beabsichtigten Neubau des „Backstage“.
B. Die Klagen sind nicht begründet.
1. Die Klagen richten sich nicht auf die vollständige oder teilweise Aufhebung des PFB vom 9. Juni 2015, sondern ausschließlich auf die Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit. Eine solche Feststellung kommt in Betracht, wenn der Planfeststellungsbeschluss zwar an einem erheblichen Abwägungsmangel zulasten der privaten Belange des Rechtsuchenden leidet und deswegen insoweit rechtswidrig ist (vgl. § 18c AEG i. V. m. § 75 Abs. 1a Satz 1 VwVfG), der Mangel jedoch durch ein ergänzendes Verfahren behoben werden kann (vgl. § 18c AEG i. V. m. § 75 Abs. 1a Satz 2 VwVfG; BVerwG, B. v. 28.7.2014 – 7 B 22.13 – UPR 2015, 34).
2. Dahingestellt bleiben kann, ob die Klägerinnen gemäß § 18a AEG i. V. m. § 73 Abs. 4 Satz 3 VwVfG mit ihrem Vortrag präkludiert sind.
3. Unabhängig davon, ob die Klägerinnen mit ihrem Vortrag präkludiert sind, liegt ein Abwägungsmangel, der erheblich im Sinn von § 18c AEG i. V. m. § 75 Abs. 1a Satz 1 VwVfG, also offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen ist, hier nicht vor.
Die gebotene planerische Abwägung in einem Planfeststellungsverfahren erfordert, dass die von der Planung berührten öffentlichen und privaten Interessen gegeneinander und untereinander gerecht mit dem Ziel abgewogen werden, eine inhaltlich in sich abgewogene Planung zu erreichen (vgl. § 18 Satz 2 AEG). Das Abwägungsgebot ist verletzt, wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattgefunden hat, wenn in die Abwägung nicht alle Belange eingestellt worden sind, die nach Lage der Dinge hätten eingestellt werden müssen, oder wenn die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt oder der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen worden ist, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht; nur auf die Einhaltung dieser Maßstäbe ist die von der Planfeststellungsbehörde vorgenommene Abwägung verwaltungsgerichtlich überprüfbar (z. B. BayVGH, U. v. 11.5.2011 -22 A 09.40057 – juris Rn. 21; BVerwG, U. v. 24.11.2011 – 9 A 23.10 – BVerwGE 141, 171 Rn. 54). Entscheidend für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines PFB ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seines Erlasses; dies gilt auch im Hinblick auf die Abwägungsentscheidung (BayVGH, a. a. O., Rn. 18).
Gemessen an diesen Maßstäben begegnet die Abwägungsentscheidung im angegriffenen PFB keinen rechtlichen Bedenken. Zur Sachlage, die im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des PFB bestanden hat, können als „nach Lage der Dinge“ einzustellende Belange nur solche Belange gehören, die für die Planfeststellungsbehörde als entscheidungserheblich erkennbar waren. Die Planfeststellungsbehörde muss nur in dieser Weise für sie erkennbare Umstände aufklären und sodann abwägend berücksichtigen. Soweit Belange Dritter zwar bestanden, dem EBA aber nicht bekannt waren und sich insoweit eine Ermittlung durch das EBA auch nicht aufgedrängt hat, liegt in der Nichtberücksichtigung solcher Belange kein Fehler (vgl. BVerwG, U. v. 27.3.1992 – 7 C 18.91 – BVerwGE 90, 96; BayVGH, U. v. 11.3.2005 – 22 A 04.40063 – ZfW 2006, 232, Rn. 30 m. w. N.). Nach diesen Maßstäben kann vorliegend der Beklagten weder eine rechtsfehlerhafte Ermittlung und Bewertung der Belange der Klägerinnen noch deren fehlerhafte Abwägung mit anderen, gegenläufigen Interessen vorgeworfen werden.
3.1. Die Klägerinnen befürchten infolge der planfestgestellten Baustraße zweierlei: Hauptsächlich geht es ihnen zwar um geltend gemachte Erschwernisse für den Umzug des „Backstage“ auf ein jenseits der Baustraße gelegenes Gelände und für den beabsichtigten Neubau eines Veranstaltungsgebäudes auf diesem Gelände (vgl. dazu unten 3.2). Sie haben aber auch geltend gemacht, die Baustraße führe bereits am derzeitigen Ort des „Backstage“ zu unzumutbaren Beeinträchtigungen, z. B. bei Rettungs- -und Fluchtwegen, bezüglich einer Lärmschutzwand, die eingerissen werden müsste, und im Hinblick auf den Zugang der Grundstücke der Klägerinnen zum öffentlichen Nahverkehr, den ein Großteil der Besucher des „Backstage“ in Anspruch nehme (vgl. Schriftsatz vom 7.10.2015, S. 15). Zutreffend ist, dass das EBA im angegriffenen PFB auf die nunmehr konkret vorgetragenen Beeinträchtigungen des derzeit schon bestehenden „Backstage“-Betriebs (Flucht- und Rettungswege) nur allgemein eingegangen ist (Nr. A.5.1.5 Buchst. j: Querungshilfen). Eine darüber hinaus gehende Befassung war aber bezüglich der behaupteten Beeinträchtigungen beim Betrieb des „alten“ „Backstage“ auch nicht notwendig.
Dies folgt schon daraus, dass das EBA nach dem ihm im maßgeblichen Zeitpunkt bekannten Sachverhalt davon ausgehen durfte, dass die Nutzung der Grundstücke FlNrn. 151/24 und 151/39 (also der „Bahnstraße“ und des östlich daran angrenzenden schmalen Streifens) sowie die vorhandene und zulässige Nutzung der hieran angrenzenden Gewerbegrundstücke durch die geplante Baustraße nicht in einem solchen Ausmaß beeinträchtigt werden würden, dass die Beeinträchtigung mit den vom EBA im angegriffenen PFA verfügten Nebenbestimmungen nicht hinreichend bewältigt und auf ein hinnehmbares Maß würde abgemildert werden können. Zu diesen planfestgestellten Maßnahmen gehören die Zusagen des Vorhabensträgers, die vorliegend das EBA im Hinblick auf die von der LHM vorgebrachten Bedenken zum Baustellenverkehr ausdrücklich zum Bestandteil des PFB erklärt hat; diese Zusagen sind Nebenbestimmungen im Sinn von § 36 VwVfG und für den Vorhabensträger verbindlich (vgl. Nr. A.5 auf S. 108 des PFB). Gemäß der Zusage unter Nr. A.5.1.5 Buchst. a wird das gesamte Logistikkonzept unter Berücksichtigung der Baulogistikplanung für den PFA 1 sowie von weiteren Planänderungen zur zweiten S-Bahn Stammstrecke und noch vorzunehmenden Optimierungen entsprechend fortgeschrieben und der neue Entwurf mit der LHM abgestimmt; im Rahmen der Ausführungsplanung werden die Baustraßen zur besseren Instandhaltung und zur Verminderung der Staubbelastung asphaltiert (Zusage unter Nr. A.5.1.5 Buchst. c); bei den Baustraßen östlich der Friedenheimer Brücke – in diesen Bereich fallen die hier streitgegenständlichen Grundstücke – werden erforderliche Querungshilfen in Abstimmung mit den städtischen Stellen eingeplant (Zusage unter Nr. A.5.1.5 Buchst. j). Diese demnach im angegriffenen PFB verpflichtend vorgeschriebene Abstimmung des Vorhabensträgers mit der LHM dient auch dem Interesse von Anliegern daran, dass die Erreichbarkeit ihrer Grundstücke – je nach deren Zweck – nicht unzumutbar eingeschränkt wird. Denn zu den rechtlich verpflichtenden Aufgaben der LHM, die bei der vorgeschriebenen Konzeptabstimmung wahrzunehmen sind, gehört es auch, auf eine ausreichende Erschließung der im Bereich der Baustraße für den PFA 1 liegenden Grundstücke (auch über Flucht- und Rettungswege) sowie auf eine ausreichend sichere Verkehrsführung Bedacht zu nehmen; dies gilt sowohl für Zeiten geringerer Frequentierung der Grundstücke als auch bei „Hochbetrieb“ wie im Fall der Klägerinnen während einer Veranstaltung mit vielen Besuchern im „Backstage“ (vgl. § 45 Abs. 1 StVO, Art. 3 Abs. 1 des Gesetzes über Zuständigkeiten im Verkehrswesen – ZustGVerk). Das EBA hat zur Begründung seiner Nebenbestimmungen und der Ablehnung einer weitergehenden Forderung der LHM nach Vorlage eines mit genauen Zahlen hinterlegten Baulogistikkonzepts ausgeführt (Nr. B.5.14.2.2.5.1, S. 384 des PFB), der Vorhabensträger habe nachvollziehbar erklärt, dass ein solches Konzept für den Bereich Laim bis Donnersberger Brücke erst im Zug späterer Planungsphasen gemacht werden könne, dass eine Abschätzung hinsichtlich der Lkw-Fahrten der schalltechnischen Untersuchung zu entnehmen sei und dass zugesagt werde, ein genaues Baulogistikkonzept bei der Auftragsvergabe noch zu verfeinern. Die Festsetzung einer Baustraße im PFB bedeutet somit nicht, dass die hierfür in Anspruch genommenen Flächen erstens in ihrem vollständigen Ausmaß und zweitens jederzeit (gewissermaßen „rund um die Uhr“) tatsächlich durch Baustellenverkehr belegt werden oder auch nur in rechtlicher Hinsicht in Anspruch genommen werden dürfen. Vielmehr sind bei der Feinplanung des Baulogistikkonzepts in Abstimmung mit der zuständigen Straßenverkehrsbehörde (vorliegend der LHM) im Rahmen der Ausführungsplanung die typischerweise konfligierenden Anliegerinteressen in Bezug auf die Nutzung ihrer jeweiligen Grundstücke zu berücksichtigen, z. B. dadurch, dass festgelegt wird, wann (bezogen auf die Tageszeit und – je nach Bauphase – auch auf andere Zeiträume) und in welchem räumlichen Umgriff (Breite) die Baustraße in Anspruch genommen werden wird. Dass diese Details der Ausführungsplanung überlassen wurden, ist sachgerecht. Die Erörterung in der mündlichen Verhandlung vom 17. Oktober 2016 hat gezeigt, dass die vorgeschriebene Verfeinerung tatsächlich erst möglich ist, wenn die Auftragsvergabe erfolgt ist und die Baufirmen, die den Zuschlag erhalten haben, genauere Angaben über die von ihnen eingesetzten Fahrzeuge und Baumaschinen machen können. Der Teilprojektleiter der Beigeladenen zu 1, Dipl. Ing. W…, hat dies überzeugend dargelegt (Niederschrift vom 17.10.2016, S. 4 f.). Eine bedeutsame Festlegung hat der PFB zudem auch insofern schon selbst getroffen: Lärm- oder erschütterungsintensive Bauarbeiten zur Nachtzeit sowie an Sonn- und Feiertagen sind auf das betrieblich unumgängliche Maß zu beschränken, rechtzeitig bekanntzugeben und nachvollziehbar zu begründen (vgl. Nr. A.4.2.1.1 Buchst. b des PFB), wobei die Nachtzeit nach der AVV Baulärm um 20:00 Uhr beginnt (vgl. auch Niederschrift vom 17.10.2016, S. 4). Dies hat Konsequenzen für den Baustellenverkehr.
Darüber hinausgehende spezielle Interessen der Klägerinnen musste das EBA im Zeitpunkt des Erlasses des PFB nach seinem damaligen Kenntnisstand nicht berücksichtigen. Solche speziellen Interessen sind – in Bezug auf den bisherigen und derzeitigen Betrieb des „Backstage“ – unabhängig von der Eigentümerstellung der Klägerinnen an den Grundstücken FlNrn. 151/24, 151/39 und 158/76 und hätten von ihnen vor dem Erlass des PFB vom 9. Juni 2015 vorgebracht werden können, wenn man zugunsten der Klägerinnen keine Präklusionswirkung annimmt (andernfalls wäre mit dem Ablauf der letzten Einwendungsfrist am 24. Oktober 2012 bereits Präklusion eingetreten). Da die Klägerinnen dies nicht getan haben, durfte das EBA rechtsfehlerfrei annehmen, die im PFB getroffenen Regelungen seien ausreichend.
Der Hinweis der Klägerinnen darauf, dass die LHM ihnen gegenüber – sinngemäß – den Eindruck vermittelt habe, der Vorhabensträger müsse auf alle Fälle auf die Klägerinnen zukommen und mit diesen verhandeln, wenn er „etwas wolle“, überzeugt nicht. Ein etwaiges Fehlverhalten der LHM, sollte es tatsächlich vorgelegen haben, wäre ohne Einfluss auf die Ermittlungspflichten des EBA, auf die Anforderungen an seine Abwägungsentscheidung und demgemäß auf die Rechtmäßigkeit des angegriffenen PFB. Dass die Beklagte zulasten der Klägerinnen mit der LHM und mit den Beigeladenen kollusiv zusammengewirkt hätte, behaupten die Klägerinnen selbst nicht. Abgesehen davon ist dem Vorbringen der Klägerinnen nicht zu entnehmen, dass die LHM sich berühmt hätte, der Planfeststellungsbehörde in irgendeiner Weise vorgreifen zu können. Zudem hatten die Klägerinnen keinen vernünftigen Grund für die Annahme, die Planung eines großen Infrastrukturvorhaben hänge letztlich von ihrer Zustimmung ab, die der Vorhabensträger in jedem Fall würde einholen müssen.
Zudem enthielt die von den Klägerinnen vorgelegte Ausschreibung der LHM vom 30. Juli 2013 (Anlage K10 zum Schriftsatz der Klägerinnen vom 7.10.2015) einen Hinweis darauf, dass auch das Grundstück FlNr. 158 (aus dem später die jetzt streitgegenständliche Teilfläche FlNr. 158/76 herausgemessen wurde) für den Baustellenverkehr für den S-Bahn-Bau benötigt werden würde. Dieser Hinweis lautet auf S. 3 der Ausschreibung unter der Überschrift „Temporäre Nutzung“: „Für die Dauer des Ausbaus der 2. S-Bahnstammstrecke muss mit der Deutschen Bahn AG eine Vereinbarung über die temporäre Nutzung des Flst. 158 bzgl. des zweispurigen Baustellenverkehrs westlich der bestehenden Lagerhallen getroffen werden, siehe Anlage 18“; einen nahezu wortgleichen Hinweis enthält der zwischen der Klägerin zu 2 und der LHM am 28. November 2013 geschlossene Kaufvertrag über das Grundstück FlNr. 158 (S. 7, Nr. 8.3); in ihm ist außerdem von einer temporären Nutzung des Grundstücks FlNr. 151/39 neben dem Grundstück FlNr. 158 als Baustellenverkehrs- bzw. Baustelleneinrichtungsfläche die Rede. Die Klägerinnen folgern hieraus, es sei durch die Formulierung dieser Hinweise für sie der falsche Eindruck erweckt worden, die Bahn müsse ggf. auch vor dem Erlass des PFB wegen einer solchen Vereinbarung auf sie zukommen. Es mag sein, dass bei den Klägerinnen ein solcher Eindruck entstanden ist; dies könnte indes nicht der Beklagten entgegengehalten werden. Aber gerade dann, wenn den Klägerinnen die Rechtswirkungen einer diesbezüglichen späteren Festsetzung in einem PFB und die Folgen eines Unterlassens rechtzeitiger Einwendungen unklar gewesen sein sollten, hätte ihnen spätestens der genannte Hinweis in der Ausschreibung und im Kaufvertrag allen Anlass geben müssen, sich hinsichtlich der Rechtslage Gewissheit zu verschaffen. Hinzu kommt, dass zwischenzeitlich (am 12.11.2013) ein Geh- und Fahrtrecht zugunsten der Bahn auf dem Grundstück FlNr. 151/24 ins Grundbuch eingetragen worden war, dass also – jedenfalls was dieses Grundstück anbetrifft – eine rechtliche Vorbelastung in Hinblick auf eine künftige Nutzung als Bahnstraße bestand.
3.2. Auch im Hinblick auf die Umzugs- und Erweiterungsabsichten der Klägerinnen für das „Backstage“ (nämlich vom bisherigen Grundstück auf das Grundstück FlNr. 158/78, ehemals Teilfläche von FlNr. 158) sind erhebliche Abwägungsfehler nicht zu erkennen.
Die Klägerinnen machen insoweit geltend (z. B. Schriftsatz vom 7.10.2015, S. 8), sie hätten die Grundstücke zum Bau des neuen „Backstage“ zum Zeitpunkt des Erlasses des PFB längst erworben gehabt, und zwar ausdrücklich mit dem Ziel, auf diesen das neue „Backstage“ errichten zu können; die hierdurch entstehenden Konflikte mit der planfestgestellten Baustraße seien aber im PFB offensichtlich nicht ausreichend abgewogen worden. Dieser Ansicht ist aus verschiedenen Gründen nicht zu folgen.
3.2.1. Auch insofern brauchte die Planfeststellungsbehörde angesichts des Schweigens der Klägerinnen ihr gegenüber keine näheren Kenntnisse zu haben und der planerischen Abwägung zugrunde zu legen. Insofern kann auf die Ausführungen unter 3.1 verwiesen werden.
3.2.2. Zum anderen lassen die Klägerinnen hierbei den Prioritätsgrundsatz außer Acht, der vorliegend bei der Abwägung der gegensätzlichen Interessen der planfestgestellten Baustraße höheres Gewicht verleiht als dem damit konfligierenden Interesse der Klägerinnen, ihre Neubauabsichten auf dem Grundstück FlNr. 158/78 ohne Einschränkung verwirklichen zu können. Dem Prioritätsprinzip kommt auch im Fachplanungsrecht, namentlich im Rahmen der fachplanerischen Abwägung, Bedeutung zu (OVG NW, U. v. 16.6.2016 – 8 D 99/13.AK – DVBl 2016, 1191, juris Rn. 466; BayVGH, U. v. 19.2.2014 – 8 A 11.40040 u. a. – BayVBl 2016, 144, juris Rn. 645; BVerwG, U. v. 4.4.2012 – 4 C 8.09 – NVwZ 2012, 1314 Rn. 540). Es besagt, dass eine „neue“ Planung verstärkt Rücksicht auf eine andere Planung nehmen muss, die den zeitlichen „Vorsprung“ hat; die zeitlich frühere Planung kann aber nur dann Vorrang beanspruchen, wenn sie nicht nur „schneller“, sondern auch hinreichend konkret und verfestigt gewesen ist (vgl. z. B. BVerwG, B. v. 14.5.2004 – 4 BN 13.04 – juris Rn. 5; BayVGH, U. v. 30.11.2006 – 1 N 05.1665 – juris Rn. 37). Der Prioritätsgrundsatz gilt nicht nur für Planungen von Hoheitsträgern, sondern auch für Planungen privater Unternehmen (vgl. z. B. zu konkurrierenden Windkraftanlagen BayVGH, B. v. 13.5.2014 – 22 CS 14.851 – juris Rn. 13). Bei einem Fachplanungsvorhaben wird eine solche Verfestigung in der Regel mit der Auslegung der Planunterlagen im Planfeststellungsverfahren (vgl. § 73 Abs. 3 VwVfG) angenommen (BayVGH, U. v. 30.11.2006, a. a. O., Rn. 37). Diese Auslegung erfolgte vorliegend – soweit sie die letzte Planänderung betrifft – im Jahr 2012. Selbst wenn man einen späteren Zeitpunkt als für die Verfestigung maßgeblich ansehen würde, könnte nichts anderes gelten. Denn eine Konkretisierung und Verfestigung des klägerischen Vorhabens ist erst nach dem Erlass des PFB durch die Einleitung eines bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahrens nach außen erkennbar geworden.
Die Klägerinnen haben nämlich die Baugenehmigung für den ersten Bauabschnitt des neuen Veranstaltungszentrums auf dem Grundstück FlNr. 158/76 unstreitig erst am 1. August 2015 beantragt, mithin zu einem Zeitpunkt, der nicht nur lange nach der Auslegung der Planunterlagen für den PFB 1, sondern auch fast zwei Monate nach Erlass des angegriffenen PFB liegt. Mit diesem Bauantrag ist eine Konkretisierung der Bauabsichten auf dem Grundstück FlNr. 158/76 jedenfalls erstmals offenbar geworden; dass es – ungeachtet dieses verlässlichen Anhaltspunkts für eine konkretisierte und verfestigte Bauplanung der Klägerinnen – schon zu einem erheblich früheren Zeitpunkt eine konkrete und verfestigte Bauplanung gegeben hätte, auf die das EBA (wenn es die Planung gekannt hätte) hätte Rücksicht nehmen müssen, ist nicht belegt.
Nach alledem ist davon auszugehen, dass für die Beigeladenen jedenfalls keine gesteigerte Pflicht zur Rücksichtnahme auf das neue Vorhaben der Klägerinnen bestanden hat.
3.2.3. Selbst dann, wenn man von einer Obliegenheit des EBA ausginge, zwischen dem Ende der letzten Einwendungsfrist (Oktober 2012) und dem Erlass des PFB von sich aus Erkundigungen einzuholen, ob – wie vorliegend durch die zwischenzeitlichen Grundstückskaufverträge und deren grundbuchrechtlichen Vollzug – (am 27.6.2014) Änderungen bei den Eigentumsverhältnissen der von der Baustraße betroffenen Grundstücke eingetreten sind, ergäbe sich nichts Anderes. Sollten diesbezüglich Abwägungsfehler (Ermittlungs- und Bewertungsfehler) gesehen werden, so wären sie auf das Abwägungsergebnis nicht von Einfluss gewesen (§ 75 Abs. 1a Satz 1 VwVfG). Die Ergebnisrelevanz kann hier verneint werden, weil konkrete Anhaltspunkte dafür nachweisbar sind, dass die Planfeststellungsbehörde dennoch die gleiche Entscheidung getroffen hätte (vgl. zu dieser Anforderung BVerfG, B. v. 16.12.2015 – 1 BvR 685/12 – NVwZ 2016, 524 Rn. 23). In Anbetracht dessen, was die mündliche Verhandlung an möglichen Beeinträchtigungen des künftigen „Backstage“ hat erkennbar werden lassen, wären die Grundlagen der planerischen Abwägung des EBA nicht in Frage gestellt worden.
In der mündlichen Verhandlung vom 17. Oktober 2016 hat der Teilprojektleiter der Beigeladenen zu 1, Dipl. Ing. W…, erklärt, dass die (von den Klägerinnen früher geäußerte) Befürchtung, es könnten auf der Baustraße stündlich bis zu 80 Lkw-Fahrten ablaufen, keineswegs zutreffe; Fahrten in größerem Umfang werde es vielmehr nur morgens bei Arbeitsbeginn und abends gegen Arbeitsende und gelegentlich, bei größeren Anlieferungen, auch zwischendurch geben, keinesfalls aber stündlich; die Klägerinnen haben dieser Aussage nicht widersprochen (Niederschrift vom 17.10.2016, S. 4). Notwendige Bauarbeiten in der Nacht werde es – so Dipl. Ing. W… – nur ausnahmsweise geben. Dies hängt im Übrigen nicht von der Großzügigkeit der Beigeladenen ab, sondern entspricht – wie oben bereits unter 3.1 dargelegt – auch der Rechtslage. Dies zeigt die Nebenbestimmung Nr. A.4.2.1.1 Buchst. d des PFB, wonach lärm- oder erschütterungsintensive Bauarbeiten nachts sowie sonn- und feiertags auf das betrieblich unumgängliche Maß beschränkt, rechtzeitig bekannt gegeben und nachvollziehbar begründet werden müssen, wobei die Nachtzeit nach der AVV Baulärm um 20:00 Uhr beginnt (Niederschrift vom 17.10.2016, S. 4). Im Hinblick auf die Nebenbestimmung Nr. A.5.1.5 Buchst. j des PFB hat der Bevollmächtigte der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass die dort angeführten, gegebenenfalls notwendigen Querungshilfen in Abstimmung mit den Klägerinnen festgelegt werden könnten. Hinsichtlich der von den Klägerinnen im Verfahren eingewandten Erschwernisse beim Einsatz von Rettungsfahrzeugen hat der Bevollmächtigte der Beigeladenen unwidersprochen darauf hingewiesen, dass es im streitgegenständlichen Gebiet ein ganzes Netz von Straßen gebe, dass sowohl das jetzige als auch das künftige Gelände des Veranstaltungszentrums nicht nur von einer, sondern von mehreren Seiten angefahren werden könne, und dass im Fall eines Unglücks auf dem Gelände des „Backstage“ der Baustellenverkehr sofort eingestellt werde, so dass die Rettungsfahrzeuge dann auch die Baustraßen benutzen könnten (Niederschrift vom 17.10.2016, S. 5). Es handelt sich hierbei um Erläuterungen und Konkretisierungen, die nicht unter der Bedingung einer Klagerücknahme bis zum 14. November 2016 standen.
Die weiteren Erörterungen in der mündlichen Verhandlung haben überdies ergeben, dass zum Einen auf der östlichen Seite der streitgegenständlichen Baustraße ein 2 m breiter Streifen markiert und durch bewegliche Absperrungen so abgeteilt werden könnte, dass auf diesem Streifen in der Regel ein Fußgängerverkehr stattfinden kann, der nur dann vorübergehend nicht möglich ist, wenn die Baustraße aus logistischen Gründen in der vollen Breite benötigt wird (Niederschrift vom 17.10.2016, S. 6). Zum Andern hat die Verhandlung ergeben, dass der von den Klägerinnen im Neubau ihres geplanten Veranstaltungsgebäudes vorgesehene Keller trotz der Kurvenaufweitung der Baustraße an der Reitknechtstraße dadurch verwirklicht werden könnte, dass nach dem Bau des Kellergeschosses das Kellergeschoss an dieser Stelle durch entsprechend stabile Vorrichtungen so abgedeckt wird, dass es von Baufahrzeugen überfahren werden kann, ohne dass der Keller Schaden nimmt (Niederschrift vom 17.10.2016, S. 6). Auch wenn es sich hinsichtlich beider Gesichtspunkte (Fußwegbreite, Kellergeschoss) um Zusagen der Beigeladenen handelte, die an eine – von den Klägerinnen dann nicht erklärte – Klagerücknahme gebunden gewesen sind, so haben die Äußerungen der Beigeladenen doch aufgezeigt, mit welchen technischen Möglichkeiten im Rahmen der Verfeinerung der Baulogistik die Beeinträchtigungen der Klägerinnen vermindert werden können. Zudem hat sich gezeigt, dass bautechnische Zwänge, die eine Nutzung der Baustraße in ihrer vollständigen planfestgestellten Breite von 8 m erfordern, nur selten zu erwarten sind. Dies haben die Beigeladenen- und die Beklagtenseite nicht nur in der mündlichen Verhandlung erklärt, vielmehr ergibt sich dies auch aus der seitens der Beigeladenen den Klägerinnen im Entwurf angebotenen, von diesen aber abgelehnten schriftlichen Vereinbarung („Betretungs-/Bauerlaubnisvertrag“, Anl. hlp3 zum Schriftsatz vom 8.4.2016), in deren Präambel eine (nur) 6 m breite Baustraße vorausgesetzt wird.
Davon, dass der streitgegenständliche Abschnitt der geplanten Baustraße zum Teil mit einer Dienstbarkeit (Fahrtrecht) rechtlich vorbelastet ist, ist auch das EBA ausgegangen, wie sich z. B. aus Nr. A.5.1.5 Buchst. d im angegriffenen PFB (S. 110) und aus den Eintragungen zu FlNr. 151/24 im Grunderwerbsverzeichnis (Anl. 15.IC, Grundbuchbezirk Neuhausen, lfd. Nr. 11, Spalte 14) ergibt.
Wie die mündliche Verhandlung vom 17. Oktober 2016 und die von den Beigeladenen angebotenen, an eine Klagerücknahme gebundenen Zusagen gezeigt haben, wäre wohl eine noch etwas stärkere Anpassung des strittigen Vorhabens an das Vorhaben der Klägerinnen möglich gewesen. Eine andere Entscheidung wäre gleichwohl schon deshalb nicht in Betracht gekommen, weil die Kläger Zusagen dieser Art und dieses Ausmaßes nicht als wirklich hilfreich angesehen haben und deshalb das EBA keinen Grund gehabt hätte, derartige Erwägungen anzustellen.
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Beigeladenen haben sich mit ihrem Klageabweisungsantrag einem Kostenrisiko ausgesetzt (§ 154 Abs. 3 VwGO) und mit ihrem Sachvortrag des Verfahren gefördert, es entspricht daher der Billigkeit, ihre außergerichtlichen Kosten den unterlegenen Klägerinnen aufzuerlegen.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da ein Zulassungsgrund im Sinn von § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegt.
Rechtsmittelbelehrung
Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.
Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 30.000 € festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG).


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