Baurecht

Qualifizierter Bebauungsplan, Festsetzung im Bebauungsplan, Erteilte Baugenehmigung, Baugenehmigungsverfahren, Baugenehmigungsbescheid, Aufhebung einer Baugenehmigung, Allgemeines Wohngebiet, Beiladung, Baugebietsübergreifender Gebietserhaltungsanspruch, Gebietsübergreifender Gebietserhaltungsanspruch, Änderungsbescheid, Pkw-Stellplätze, Bevollmächtigter, Verwaltungsgerichte, Antragstellers, Immissionsgrenzwerte, Rücksichtnahmegebot, Schalltechnische Untersuchung, Grundstück, Anfechtungsklage

Aktenzeichen  M 29 SN 20.3044

Datum:
21.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 45364
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 a Abs. 3 S. 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 S. 1
BayVwVfG Art. 37 Abs. 1
BauGB § 30 Abs. 1
BauNVO § 15 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Der Streitwert wird auf EUR 7.500,- festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für eine „Erweiterung der …schule mit Küche, Einrichtungen für eine offene Ganztagsschule, 3-gruppigen Kinderhort und Errichtung von 27 Pkw-Stellplätzen“ und begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner hiergegen gerichteten Klage.
Auf den Grundstücken der Beigeladenen …straße 41, FlNrn. 1968/12, 1963/5, Gemarkung …, befindet sich die „…schule“, eine Grund- und Mittelschule mit Turnhalle und Mehrzweckspielfeld.
Der Antragsteller ist gemeinsam mit seiner Ehefrau Eigentümer des Grundstücks J.straße 15, FlNr. 1968/19, Gemarkung … Das Reihenhausgrundstück des Antragstellers grenzt südöstlich unmittelbar an das Schulgelände, nämlich an die als Pausenhof genutzte Freifläche auf der FlNr. 1968/12, an.
Das Reihenhausgrundstück des Antragstellers mit der FlNr. 1968/19 liegt in einem nicht überplanten Bereich. Die Grundstücke nördlich und östlich der Schule sind durch den Bebauungsplan „B 25 …straße Süd“ der Beigeladenen vom 15. Dezember 1981 als allgemeines Wohngebiet festgesetzt. Das Schulgelände war bisher im Bebauungsplan „B 25 …straße Süd“ als Gemeinbedarfsfläche „Schule“ festgesetzt. Die Grundstücke südlich des Schulgeländes liegen im Geltungsbereich des Baubauungsplans „B 46 …straße Nord“ vom 1. Dezember 2006, der für diese Fläche ebenfalls ein allgemeines Wohngebiet festsetzt.
Am 27. November 2018 beschloss der Gemeinderat der Beigeladenen, den Bebauungsplan „B 54 …schule“ als Bebauungsplan der Innenentwicklung gemäß § 13 a BauGB aufzustellen. Der Bebauungsplan „B 54 …schule“ trat am 30. September 2019 in Kraft. Der Bebauungsplan ersetzt in seinem Geltungsbereich (FlNrn. 1962/9, 1963/5, 1963/87, 1968/12) den Bebauungsplan „B 25 …straße Süd“ und setzt für das Schulgelände als Art der baulichen Nutzung ein Sondergebiet „Kultur, Sport, Soziales“ fest.
Der Antragsteller stellte mit Schriftsatz vom … Oktober 2019 einen Normenkontrollantrag gegen den Bebauungsplan „B 54 …schule“ beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (1 N 19.2102). Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat über diesen Antrag noch nicht entschieden.
Die Beigeladene beantragte mit Bauantrag vom 25. Juli 2019 die Erweiterung der auf den Grundstücken, FlNrn. 1963/5, 1968/12, Gemarkung …, bestehenden …schule mit Küche, Einrichtungen für eine offene Ganztagsschule, 3-gruppigen Kinderhort und Errichtung von 27 Pkw-Stellplätzen. Für die immissionsschutzrechtliche Beurteilung des Bauvorhabens wurde seitens der Beigeladenen eine schalltechnische Untersuchung der … & … GmbH vom 3. Dezember 2019 (Bericht Nummer: 5555-01/ …) vorgelegt. Nach der Betriebsbeschreibung vom 17. Januar 2020 werde eine Großküche für die Versorgung von ca. 250 Essensteilnehmern der Grund- und Mittelschule sowie für die Versorgung weiterer Kindergärten und Kinderkrippen mit ca. 750 Essen geplant. Die Betriebszeiten seien Montag bis Freitag von 6:00 Uhr bis 18:00 Uhr, gelegentlich bis 22:00 Uhr. Die Essenszeiten seien von 11.00 bis 14.00 Uhr. Im bestehenden Schulgebäude seien aktuell bereits Einrichtungen für die Ganztagsbetreuung bis max. 17 Uhr vorhanden. Der ständig wachsende Bedarf der Grundschule an Ganztagsplätzen für Hort und offene Ganztagsschule würden künftig im Erweiterungsbau untergebracht werden. Die Ganztagsbetreuung werde bis max. 17 Uhr stattfinden.
Mit Bescheid vom 19. Mai 2020 erteilte das Landratsamt der Beigeladenen die Baugenehmigung für die Erweiterung der „…schule“ mit Küche, Einrichtungen für eine offene Ganztagsschule, 3-gruppigen Kinderhort und Errichtung von 27 Pkw-Stellplätzen. Die Betriebsbeschreibung vom 17. Januar 2020 und das schalltechnische Gutachten vom 3. Dezember 2019 wurden ausdrücklich zum Bestandteil des Genehmigungsbescheids erklärt. Die Baugenehmigung enthält verschiedene Auflagen, insbesondere auch immissionsschutzrechtliche Auflagen für den Betrieb der Großküchennutzung und für die Pkw-Stellplätze. Zudem regelt die Baugenehmigung, dass die durch den Bebauungsplan flächenmäßig begrenzte Küchennutzung nur von Kantinen- und Cateringbetrieben genutzt werden darf, die kulturellen, kirchlichen oder sozialen Zwecken dienende Anlagen oder Dienstleistungsbetriebe mit Essen versorgen.
Nach den genehmigten Plänen soll im nördlichen Bereich des Schulgeländes ein Erweiterungsbau errichtet werden, der unmittelbar an die nördliche und westliche Außenwand des bestehenden Turnhallengebäudes anschließt. Der Erweiterungsbau besteht aus einem nördlichen eingeschossigen und einem westlichen zweigeschossigen Anbau. Im eingeschossigen Anbau nördlich der Turnhalle, entlang der …straße, soll eine Küche mit entsprechenden Nebenräumen und Speisesaal untergebracht werden. Am östlichen Ende des eingeschossigen nördlichen Anbaus entsteht ein Anlieferungshof für die Küche. Im Erdgeschoss des westlichen zweigeschossigen Anbaus sollen Betreuungsräume für eine offene Ganztagsschule, im Obergeschoss ein 3-gruppiger Kinderhort untergebracht werden.
Im Zuge des direkten Anbaus des Erweiterungsbaus an das Turnhallengebäude werden die Umkleiden mit Sanitärräumen für die Mehrzweckhalle saniert und neu strukturiert. Ferner sollen 27 PKw-Stellplätze auf den Baugrundstücken …straße 41, Fl.Nrn. 1963/5, 1968/12, Gemarkung …, errichtet werden.
Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom *. Juni 2020, der am gleichen Tag bei Gericht einging, ließ der Antragsteller Klage erheben und beantragen, den Bescheid vom 19. Mai 2020 aufzuheben (M 29 K 20.2431).
Mit Schriftsatz vom 17. Juni 2020, der am 18. Juni 2020 bei Gericht einging, beantragten die Bevollmächtigten der Beigeladenen, die Klage abzuweisen.
Mit Bescheid vom 23. Juni 2020 erfolgte eine redaktionelle Berichtigung der Auflage I.2.16 des Baugenehmigungsbescheids vom 19. Mai 2020 bezüglich der Immissionsrichtwerte für die Immissionsorte F.straße 26 (FlNr. 1969/2) und R.weg 1 (FlNr. 1850/15).
Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom *. Juli 2020, der am gleichen Tag bei Gericht einging, lässt der Antragsteller beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 19. Mai 2020 (BV Nr. 2019- …) anzuordnen.
Zur Begründung wurde mit Schriftsatz vom … September 2020, bei Gericht eingegangen am 2. September 2020, im Wesentlichen vorgetragen, dass der Bescheid vom 19. Mai 2020 rechtswidrig sei und den Antragsteller in eigenen drittschützenden Rechten verletze. Der Antragsteller sei direkter Anlieger des Geländes der …schule und von dem großen, als Pausenhof genutzten Freiflächenbereich nur wenige Meter entfernt. Aufgrund der Ausdehnung der Schule sei zu befürchten, dass die ihm zumutbaren Immissionsgrenzwerte überschritten würden. Das Vorhaben würde auf Basis eines rechtswidrigen Bebauungsplanes zugelassen. Die Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung seien unbestimmt, die Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung seien widersprüchlich. Der Bebauungsplan leide vor allem an einem Ermittlungsdefizit, da die mit der Erweiterung der schulischen und betreuungstechnischen Nutzungen einhergehenden Immissionsbelastungen für die Nachbarschaft mit einem pauschalen Verweis auf § 22 Abs. 1a BImSchG nicht berücksichtigt worden seien. Zudem füge sich das Vorhaben nicht in die Eigenart der näheren Umgebung ein und verletze den Antragsteller in seinem Gebietserhaltungsanspruch. Die maßgebliche nähere Umgebung stelle sich als reine bzw. allgemeine Wohnbebauung dar, je nachdem, wie weit man den Kreis der näheren Umgebung ziehe. Die zugelassene Anlage mit industrieller Großküche, uneingeschränkter Schul- und Hortnutzung, Sportanlagen, Nutzung für Musikvereine und Schützenvereine sei nach der Art der baulichen Nutzung weder in einem reinen noch in einem allgemeinen Wohngebiet zulässig. Durch das Vorhaben kippe die sonst homogene Wohnbebauung in ein Kerngebiet bzw. eine nicht näher bestimmbare Gemengelage. Selbst wenn man zwischen dem Grundstück des Antragstellers und dem Schulgelände einen Strukturschnitt sehen würde, wäre der Antragsteller in seinem (gebietsübergreifenden) Gebietserhaltungsanspruch verletzt, da die zugelassenen Nutzungen neben einem reinen Wohngebiet nicht verträglich seien und den Gebietscharakter nachteilig verändern würden. Des Weiteren sei die streitgegenständliche Baugenehmigung unbestimmt, da sich ihr Gegenstand und Umfang auch unter Hinzuziehung der Betriebsbeschreibung nicht eindeutig erkennen lasse. Weder aus der Betriebsbeschreibung noch aus den Plänen sei die Freiflächennutzung, insbesondere für den Pausenhof, ersichtlich. Die Unbestimmtheit ergebe sich weiter aus der fehlenden Beschreibung des regulären Tagesablaufs, der fehlenden Regelung des Personalschlüssels, der fehlenden Anzahl an Aufsichtspersonen und der fehlenden Anzahl der zu betreuenden Kinder und Schüler. Die Beaufsichtigung der Kinder und Jugendlichen bei der Nutzung der Freiflächen sei ebenfalls nicht geregelt, insbesondere würden keine Angaben dazu gemacht, ob die Hort- und/oder Schulkinder allein oder zusammen mit anderen Kindern die Freiflächen benutzen dürften. Die Unbestimmtheit der Baugenehmigung führe dazu, dass sich eine Verletzung des Gebotes der Rücksichtnahme gegenüber dem Antragsteller nicht mit Sicherheit ausschließen lasse. § 22 Abs. 1a BImSchG entbinde weder davon, den durch das Vorhaben hervorgerufenen Lärm zu ermitteln, noch davon, alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen zur Vermeidung und Reduzierung des Lärms zu treffen. Das Anwesen des Antragstellers sei aufgrund der auf dem Baugrundstück aktuell schon betriebenen Nutzungen erheblicher Lärmbelästigung ausgesetzt. Der Lärm gehe zum einen von dem nahegelegenen Mehrzweckspielfeld aus, das ausweislich des im Genehmigungsverfahren vorgelegten Gutachtens schon isoliert betrachtet die Immissionsgrenzwerte am Anwesen des Antragstellers nur geringfügig unterschreite. Des Weiteren fänden in den Räumlichkeiten des Schulgebäudes zahlreiche außerschulische Nutzungen und Sportveranstaltungen in der Turnhalle statt. Besonders sensibel sei die Lage des Anwesens des Antragstellers, direkt angrenzend zum Pausenhof des streitgegenständlichen Vorhabens. Das Reihenmittelhaus des Antragstellers und der davor befindliche Garten seien vollständig in Richtung des Pausenhofes ausgerichtet. Da Gegenstand des schalltechnischen Gutachtens vom 3. Dezember 2019 nahezu ausschließlich die Auswirkungen der Großküche seien, könne es die nachbarrechtlichen Bedenken des Antragstellers nicht ausräumen. Vor diesem Hintergrund könne nicht von vorneherein und mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass von dem zugelassenen Vorhaben unzumutbare Belästigungen des Antragstellers ausgehen, sodass sich das Vorhaben als rücksichtslos gegenüber dem Antragsteller darstelle.
Das Bevollmächtigen des Antragstellers haben mit Schriftsatz vom … Juli 2020, der am gleichen Tag bei Gericht einging, die Klage auf den Bescheid in der Form, die er durch den Änderungsbescheid vom 23. Juni 2020 erhalten hat, erstreckt.
Der Antragsgegner beantragt dagegen,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde mit Schreiben vom 21. September 2020 im Wesentlichen vorgetragen, das streitgegenständliche Bauvorhaben verletze keine im Baugenehmigungsverfahren zu prüfenden Rechtsvorschriften, die auch dem Schutz des Antragstellers dienten. Ein Gebietserhaltungsanspruch werde durch die Baugenehmigung nicht verletzt. Das Bauvorhaben entspreche vollumfänglich den Festsetzungen des Bebauungsplanes „B 54 …schule“. Selbst wenn der Bebauungsplan im anhängigen Normenkontrollverfahren für unwirksam erklärt werden würde, bestünden auch dann keine Zweifel an der grundsätzlichen Gebietsverträglichkeit des Vorhabens. Das Schulgrundstück sei bisher im Bebauungsplan „B 25 …straße Süd“ als Gemeinbedarfsfläche „Schule“ festgesetzt gewesen. Das Grundstück des Antragstellers befinde sich in einem nicht überplanten Bereich und sei als allgemeines Wohngebiet einzustufen. In einem allgemeinen Wohngebiet seien nach § 4 Abs. 2 BauNVO Anlagen für kirchliche, kulturelle und soziale Zwecke allgemein zulässig, somit also auch ein Erweiterungsgebäude für schulische Zwecke mit entsprechenden Einrichtungen für Kinder- bzw. Jugendlichenbetreuung außerhalb der eigentlichen Unterrichtszeiten. Die jährlichen Schülerzahlen in der …schule hingen u. a. von den jährlichen Geburten in der Gemeinde ab. Im Jahr 2017 seien für das jetzige Schuljahr 2020/21 234 Grundschüler und 128 Mittelschüler prognostiziert. Für die beiden folgenden Schuljahre 2021/22 und 2022/23 würden weniger Schüler prognostiziert. Bei der genehmigten Küche handle es sich entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten des Antragstellers nicht um eine industrielle Großküche. Dies werde durch Ziffer I.1 des Baugenehmigungsbescheides und die darin enthaltene Beschränkung auf die Versorgung von sozialen Zwecken dienenden Einrichtungen sichergestellt. Die seitens der Bevollmächtigten des Antragstellers vorgetragene Nutzung für Musikvereine und Schützenvereine sei bereits mit früheren Bauanträgen genehmigt worden und nicht Antragsgegenstand in dem streitgegenständlichen Baugenehmigungsverfahren. Auch der Anspruch des Antragstellers auf Wahrung der gebotenen Rücksichtnahme sei nicht verletzt. Von dem Vorhaben gingen keine unzumutbaren Beeinträchtigungen aus. In der schalltechnischen Untersuchung vom 3. Dezember 2019 sei nachgewiesen worden, dass die einschlägigen Immissionsgrenzwerte durch den Betrieb der Großküchennutzung einschließlich der Technikgeräusche von Kühlung und Lüftung (auch mit Lüftung für Speisesaal und Turnhalle) sowie der Stellplätze, soweit sie der Schulnutzung zuzurechnen seien, unterschritten würden. Aus dem schalltechnischen Gutachten ergebe sich an dem Immissionsort J.straße 11 (FlNr. 1968/30), dem nördlich des klägerischen Grundstücks und damit näher an der neu geplanten Küchennutzung mit Lüftung gelegenen Reihenhausgrundstück, eine Unterschreitung des zulässigen Immissionsrichtwertes um 6 dB (A) tagsüber und 25 dB (A) nachts.
Auch werde das Rücksichtnahmegebot nicht durch sich im Freien aufhaltende Kinder der offenen Ganztagsschule oder des Kinderhortes verletzt. Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen seien auch in einem allgemeinen Wohngebiet zulässig. Lebensäußerungen von Schülern seien als ortsüblich anzusehen. Zudem sei ein von Kinderbetreuungseinrichtungen ausgehender Kinderlärm grundsätzlich sozial adäquat und daher hinzunehmen. Vergleichbares gelte auch bei der Beurteilung des aus einer schulischen Mittagsbetreuung herrührenden Kinderlärms, für den die gesetzliche Regelung des § 22 Abs. 1a BImSchG nicht unmittelbar herangezogen werden könne. Es liege kein vom Regelfall abweichender Sonderfall vor. Das Grundstück des Antragstellers sei seit Jahrzehnten durch die unmittelbare Nachbarschaft zur Schule und der daraus resultierenden Nutzung von Pausenhöfen und Freisportanlagen vorgeprägt. Der Pausenhof werde weder in seiner Nutzung noch in seiner Gestaltung geändert und sei deshalb in dem streitgegenständlichen Verfahren in den Planunterlagen auch nicht dargestellt worden. Die Schüler würden den bestehenden, an den Garten des Antragstellers angrenzenden Pausenhof nur während der Pausen sowie werktags an den Nachmittagen bis maximal 17:00 Uhr nutzen. Aufgrund von festgelegten Essens- und Hausaufgabenzeiten könne der Pausenhof am Nachmittag auch nur temporär genutzt werden. Dieser zeitlich begrenzte Umfang sei dem Nachbarn zuzumuten, zumal zwischen seinem Grundstück und dem Pausenhof durch den Bebauungsplan ein 6,50 m breites Gliederungsgrün festgesetzt sei, dass auch bereits vorhanden sei.
Mit Schriftsatz vom 2. Oktober 2020, bei Gericht eingegangen am 2. Oktober 2020, beantragte die Bevollmächtigte der Beigeladenen, den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 19. Mai 2020 verletze den Antragsteller nicht in seinen Rechten. Die …schule bestehe bereits seit dem Jahr 1972 auf Grundlage einer Baugenehmigung als Volksschule (Grund- und Hauptschule) aus dem Jahr 1971. Im Laufe der Zeit seien immer wieder Genehmigungen für (Nutzungs-) Änderungen/Erweiterungen erteilt worden. Die Hortnutzung sowie der Schulbetrieb von 8:00 Uhr bis 17:00 Uhr bestehe bereits seit mehr als einem Vierteljahrhundert. Die Hortnutzung sei derzeit im Schulgebäude untergebracht. Westlich und östlich des Schulgebäudes befänden sich Freiflächen, die als Schulhof und sonstige Aufenthaltsflächen für Schulkinder und während der Mittags- bzw. der Hortbetreuung für die nachmittäglich betreuten Schulkinder, insgesamt etwa 65% aller Schüler der Grundschule, dienten.
Der seitens des Antragstellers geltend gemachte Gebietserhaltungsanspruch scheitere bereits daran, dass das Grundstück des Antragstellers im unbeplanten Innenbereich gemäß § 34 BauGB liege, wohingegen das Vorhabensgrundstück im Bereich eines qualifizierten Bebauungsplans gemäß § 30 Abs. 1 BauGB liege. Selbst im Falle der Unwirksamkeit des Bebauungsplans „B 54 …schule“ würde das Vorhabensgrundstück nicht in demselben Baugebiet wie das des Antragstellers liegen. Denn dann würde der Bebauungsplan „B 25 …straße Süd“ aus dem Jahr 1981 gelten, der die Grundstücke der …schule als Gemeinbedarfsfläche „Schule“ festsetze. Ein baugebietsübergreifender Gebietserhaltungsanspruch scheide aus. Selbst wenn man den Gebietserhaltungsanspruch für anwendbar hielte, so wäre er nicht verletzt. Das Gebiet sei durch die seit fast fünf Jahrzehnten bestehenden …schule geprägt und stelle daher ein allgemeines Wohngebiet gemäß § 4 BauNVO bzw. eine Gemengelage dar, in der die Schule seiner Art nach zulässig sei. Durch die erteilte Baugenehmigung würde das Gebiet nicht in ein Kerngebiet umkippen. Es handle sich nach wie vor um eine Nutzung, die in einem allgemeinen Wohngebiet zulässig wäre.
Der Antragsteller könne sich nicht auf das Gebot der Rücksichtnahme berufen, insbesondere sei die Baugenehmigung nicht unbestimmt. In der Betriebsbeschreibung fehlten Ausführungen zu den Freiflächennutzungen, da die Freiflächen nicht Gegenstand des Bauantrags und der Baugenehmigung seien. Die der Baugenehmigung zugrundeliegende Betriebsbeschreibung sei auch nicht deshalb unbestimmt, weil sie nicht im Detail zur Nutzung des Gebäudes mit der offenen Ganztagsschule sowie des Horts ausführe. Es bestehe bereits seit über einem Jahrzehnt eine genehmigte Hort- und Mittagsbetreuungsnutzung. Bislang seien hierfür Klassenräume sowie Räume eines ehemaligen Vereinsheims verwendet worden. Mit der streitgegenständlichen Baugenehmigung intensiviere sich die Schulnutzung letztlich nicht, sondern werde lediglich räumlich verändert. Ebenso wenig sei eine Ausweitung des Schulbetriebs über 17:00 Uhr hinaus mit der Baugenehmigung verbunden.
Selbst wenn man die Betriebsbeschreibung als zu unbestimmt ansehen würde, würde keine Verletzung des Rücksichtnahmegebots gegenüber dem Antragsteller vorliegen. Eine relevante Erweiterung des Schulbetriebs, die in Bezug auf das klägerische Grundstück einwirkenden Immissionen Einfluss haben könnten, gehe mit der Genehmigung nicht einher. Dies ergebe sich aus der schalltechnische Untersuchung der … & … GmbH vom 3. Dezember 2019, aus der Stellungnahme des Referats für Klima- und Umweltschutz im Landratsamt … vom 13. März 2020 sowie aus der ergänzenden Stellungnahme der … & … GmbH vom 1. Oktober 2020.
Mit Schriftsatz vom … Oktober 2020 erwiderten die Bevollmächtigten des Antragstellers ausführlich auf die Stellungnahmen des Antragsgegners und der Beigeladenen und vertieften ihre im Schriftsatz vom 1. September 2020 dargelegte Argumentation.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und Behördenakten in diesem sowie im zugehörigen Klageverfahren (M 29 K 20.2431) Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag gemäß § 80 a Abs. 3 Satz 2 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO, gerichtet auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage des Antragstellers gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 19. Mai 2020 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 23. Juni 2020 ist zwar zulässig, jedoch unbegründet und hat damit in der Sache keinen Erfolg. Nach der im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung ist eine für den Erfolg der Anfechtungsklage erforderliche Verletzung von Rechten des Antragstellers, die zum Prüfungsumfang des Genehmigungsverfahrens gehören, nicht ersichtlich (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO analog), so dass das Interesse an der Vollziehung der Baugenehmigung gegenüber dem Suspensivinteresse des Antragstellers überwiegt.
1. Gemäß § 212 a Abs. 1 BauGB hat die Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Genehmigung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung. Jedoch kann das Gericht der Hauptsache nach § 80 a Abs. 3 Satz 2 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO auf Antrag die aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 212 a Abs. 1 BauGB ganz oder teilweise anordnen. Es trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung dahingehend, ob das öffentliche und das private Vollzugsinteresse des Bauherrn oder das Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiegt. Die vorzunehmende Interessenabwägung orientiert sich maßgeblich an den summarisch zu prüfenden Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs.
2. Dritte – wie der Antragsteller – können sich gegen eine Baugenehmigung nur dann mit Aussicht auf Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit zumindest auch auf der Verletzung von Normen beruht, die gerade auch dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind (BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20, 22; B.v. 28.1.2019 – 15 ZB 17.1831 – juris Rn. 17). Ein Nachbar kann eine Baugenehmigung zudem nur dann mit Erfolg anfechten, wenn diese rechtswidrig ist und die Rechtswidrigkeit sich aus einer Verletzung von drittschützenden Vorschriften ergibt, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen waren (vgl. BayVGH, B.v. 28.1.2019 – 15 ZB 17.1831 – juris Rn. 17). Verstößt ein Vorhaben gegen eine drittschützende Vorschrift, die im Baugenehmigungsverfahren aber nicht zu prüfen war, trifft die Baugenehmigung insoweit keine Regelung und ist der Nachbar darauf zu verweisen, Rechtsschutz gegen das Vorhaben über einen Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen dessen Ausführung zu suchen (vgl. BayVGH, B.v. 18.7.2016 – 15 ZB 15.12 – juris Rn. 22 m.w.N.).
3. Die Klage des Antragstellers wird nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung voraussichtlich keinen Erfolg haben, da der Antragsteller durch die streitgegenständliche Baugenehmigung nicht in nachbarschützenden Rechten verletzt wird (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
a) Das streitgegenständliche Bauvorhaben liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans der Beigeladenen „B 54 …schule“ vom 25. September 2019. Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens bestimmt sich daher nach § 30 Abs. 1 BauGB i. V. m. dem Bebauungsplan „B 54 …schule“. Der Einwand seitens der Bevollmächtigten des Antragstellers, der Bebauungsplan „B 54 …schule“ sei rechtswidrig und könne daher nicht als Grundlage für das Bauvorhaben dienen, greift im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nicht. Für das Eilverfahren ist ohne vertiefte Prüfung von der Wirksamkeit eines Bebauungsplans auszugehen (BayVGH, B.v. 16.10.2006 – 15 CS 06.2184 – juris Rn. 15; VG München, B.v. 14.6.2016 – M 8 SN 16.841- juris Rn. 33 f.). Es wäre mit dem Wesen eines Eilverfahrens, das eine zügige Entscheidung erfordert, nicht zu vereinbaren, wenn das Gericht eine umfassende inzidente Normenkontrolle eines Bebauungsplans vornehmen müsste. Im Eilverfahren können daher lediglich Mängel berücksichtigt werden, die nach Lage der Akten evident sind und sich aufdrängen. Der Bebauungsplan müsste also unter einem offensichtlichen Mangel leiden, der – ebenso offensichtlich – nach den Vorschriften über die Planerhaltung auch beachtlich wäre. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, insbesondere auch nicht bezüglich der seitens des Bevollmächtigten des Antragstellers monierten Unbestimmtheit der Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung, der monierten Widersprüchlichkeit des festgesetzten Maßes der baulichen Nutzung und des behaupteten Ermittlungsdefizits bei der Immissionsbelastung für die Nachbarschaft. Die als Sondergebiet „Kultur, Sport, Soziales“ festgesetzte Art der baulichen Nutzung wird unter C.1.1. im textlichen Teil des Bebauungsplans durch eine Aufzählung der zulässigen baulichen Anlagen und Nutzungen konkretisiert. Das Maß der baulichen Nutzung ergibt sich unter C.2 der textlichen Beschreibung zusammen mit der zeichnerischen Darstellung. Eine Widersprüchlichkeit des festgesetzten Maßes der baulichen Nutzung ist insbesondere unter Einbeziehung der Ziff. 4.3 der Begründung des Bebauungsplans „B 54 …schule“ vom 24. September 2020 nicht ersichtlich. Im Rahmen der Bauleitplanung wurde zur Ermittlung und Beurteilung der Lärmimmissionen eine schalltechnische Untersuchung durchgeführt (Bebauungsplan B 54 „…schule“ der Gemeinde …, Bericht Nr. …, 14.2.2019). Die Unwirksamkeit des Bebauungsplanes „B 54 …schule“ drängt sich nach Lage der Akten daher jedenfalls nicht auf.
b) Der Antragsteller kann sich nicht erfolgreich auf einen Gebietserhaltungsanspruch berufen, weil sich das Grundstück des Antragstellers und das Vorhabensgrundstück bereits nicht in demselben Baugebiet befinden. Ein baugebietsübergreifender Gebietsbewahrungsanspruch scheidet ebenfalls aus.
Der Gebietsbewahrungsanspruch gibt den Eigentümern von Grundstücken in einem durch Bebauungsplan festgesetzten oder faktischen Baugebiet das Recht, sich – unabhängig von einer konkreten Beeinträchtigung – gegen Vorhaben zur Wehr zu setzen, die ihrer Art nach weder regelmäßig noch ausnahmsweise in diesem Gebiet zulässig sind (vgl. BVerwG, U.v. 16.9.1993 – 4 C 28/91 – juris Rn. 13; BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 29). Da der Gebietsbewahrungsanspruch auf der durch eine Baugebietsfestsetzung wechselseitigen Eigentumsbindung beruht, steht er grundsätzlich nur einem Eigentümer zu, dessen Grundstück sich innerhalb desselben Baugebiets befindet (BVerwG, B.v. 18.12.2007 – 4 B 55/07 – juris Rn. 6; BayVGH, B.v. 31.3.2008 – 1 ZB 07.1062 – juris; B.v. 23.10.2003 – 2 ZB 03.1673 – juris Rn. 3). Ein Nachbar, dessen Grundstück nicht im jeweiligen Baugebiet liegt‚ hat damit grundsätzlich keinen von konkreten Beeinträchtigungen unabhängigen Anspruch auf Schutz vor gebietsfremden Nutzungen im angrenzenden Baugebiet.
Dies zugrunde gelegt, scheitert der Anspruch vorliegend bereits daran, dass das Grundstück des Antragstellers im unbeplanten Innenbereich liegt, wohingegen sich das Vorhabengrundstück in einem durch den Bebauungsplan „B 54 …schule“ festgesetzten Baugebiet befindet.
Auch im Falle der Unwirksamkeit des Bebauungsplan „B 54 …schule“ wäre kein Gebietserhaltungsanspruch gegeben. Es würde die bisherige Festsetzung im Bebauungsplan „B25 …straße Süd“, der das Schulgelände als Gemeinbedarfsfläche „Schule“ darstellt, zur Anwendung kommen. Das Vorhabensgrundstück und das Grundstück des Antragstellers würden auch in diesem Fall nicht in demselben Baugebiet liegen und ein Gebietserhaltungsanspruch daher ausscheiden.
Entgegen der Auffassung der Bevollmächtigten des Antragstellers besteht auch kein baugebietsübergreifender Gebietserhaltungsanspruch. Ein solcher Anspruch kommt nur ausnahmsweise dann in Betracht, wenn die Gemeinde mit der Baugebietsfestsetzung den Zweck verfolgt, auch „Gebietsnachbarn“ einen Anspruch auf Gebietserhaltung zu geben. Ob einer Baugebietsfestsetzung eine derartige, über die Gebietsgrenze hinausreichende drittschützende Wirkung zukommt, hängt davon ab, ob sich der Begründung des Bebauungsplans oder anderen Unterlagen des Planaufstellungsverfahrens ein entsprechender Planungswille der Gemeinde entnehmen lässt (BayVGH, U.v. 12.7.2012 – 2 B 12.1211- juris Rn. 32; B. v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 29). Im vorliegenden Fall ist ein entsprechender Planungswille in Bezug auf den Bebauungsplan „B 54 …schule“ weder vorgetragen noch ersichtlich. Auch für den Fall der Unwirksamkeit des Bebauungsplans „B 54 …schule“ und dem dann geltenden Bebauungsplan „B 24 …straße Süd“ sind keine Anhaltspunkte für einen baugebietsübergreifenden Gebietserhaltungsanspruch ersichtlich.
Selbst die Annahme der Bevollmächtigten des Antragstellers – das Grundstück des Antragstellers und das Schulgelände befänden sich im unbeplanten Innenbereich – zugrunde gelegt, könnte sich der Antragsteller nicht erfolgreich auf einen Gebietserhaltungsanspruch berufen. Von einem reinen Wohngebiet könnte man aufgrund der bereits seit Jahrzehnten bestehenden Schule und der beanspruchten Flächenanteile im Vergleich zur Wohnnutzung nicht mehr ausgehen. Auch die Annahme eines faktischen allgemeinen Wohngebiets gemäß § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 4 BauNVO. erscheint vor diesem Hintergrund zweifelhaft. Letztlich könnte aber dahinstehen, ob die nähere Umgebung einem faktischen allgemeinen Wohngebiet oder einer Gemengelage entspricht. Das streitgegenständliche Bauvorhaben mit Küche für schulische und soziale Zwecke sowie die Einrichtungen für die Ganzbetreuung wäre von § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO umfasst und damit in einem allgemeinen Wohngebiet allgemein zulässig. Bei einer Gemengelage scheidet ein Gebietserhaltungsanspruch von vornherein aus, da sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit nach § 34 Abs. 1 BauGB und nicht nach § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. §§ 2 ff. BauNVO richtet.
c) Nach summarischer Prüfung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist die streitgegenständliche Baugenehmigung auch nicht in nachbarrechtsrelevanter Weise unbestimmt. Eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme gegenüber dem Antragsteller lässt sich entgegen der Auffassung der Bevollmächtigten des Antragstellers ausschließen. Insbesondere gehen die seitens der Bevollmächtigten vorgebrachten Einwendungen in Bezug auf die Nutzung des westlich des Grundstücks des Antragstellers liegenden Pausenhofs fehl, da die als Pausenhof genutzte Freifläche bereits nicht Gegenstand der Baugenehmigung vom 19. Mai 2020 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 23. Juni 2020 ist.
Nach Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG muss die Baugenehmigung hinreichend bestimmt sein, d.h. die im Bescheid getroffene Regelung muss für die Beteiligten – gegebenenfalls nach Auslegung – eindeutig zu erkennen und einer unterschiedlichen subjektiven Bewertung nicht zugänglich sein. Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls, wobei Unklarheiten zu Lasten der Behörde gehen. Nachbarn müssen zweifelsfrei feststellen können, ob und in welchem Umfang sie betroffen sind. Eine Verletzung von Nachbarrechten liegt vor, wenn die Unbestimmtheit der Baugenehmigung ein nachbarrechtlich relevantes Merkmal betrifft. Eine Baugenehmigung ist aufzuheben, wenn wegen Fehlens oder Unvollständigkeit der Bauvorlagen Gegenstand und Umfang der Baugenehmigung nicht eindeutig festgestellt und aus diesem Grund eine Verletzung von Nachbarrechten nicht eindeutig ausgeschlossen werden kann. Der Inhalt der Baugenehmigung bestimmt sich nach der Bezeichnung und den Regelungen im Baugenehmigungsbescheid, der konkretisiert wird durch die in Bezug genommenen Bauvorlagen (vgl. BayVGH, B.v. 15.2.2019 – 9 CS 18.2610 – juris Rn. 10).
Das streitgegenständliche Bauvorhaben ist in dem Genehmigungsbescheid vom 19. Mai 2020 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 23. Juni 2020 als „Erweiterung der „…schule“ mit Küche, Einrichtungen für eine offene Ganztagsschule, 3-gruppigen Kinderhort und Errichtung von 27 Pkw-Stellplätzen“ bezeichnet. Unter Zugrundelegung der Bezeichnung und der in der Baugenehmigung enthaltenen Regelungen sowie der in Bezug genommenen Bauvorlagen, insbesondere die Betriebsbeschreibung vom 13. Januar 2020, ergibt sich, dass ein Anbau an die bestehende Turnhalle genehmigt wurde, in dem eine Küche für die Versorgung der …schule und von weiteren kulturellen, kirchlichen oder sozialen Zwecken dienenden Anlagen sowie Betreuungsräume für eine offene Ganztagsschule und ein 3-gruppiger Kinderhort untergebracht werden sollen. Daneben ist Gegenstand der Genehmigung die Sanierung des Umkleide- und Sanitärbereichs der Turnhalle sowie die Errichtung von 27 Pkw-Stellplätzen.
Soweit sich die Bevollmächtigten des Antragstellers auf die als Pausenhof genutzte Freifläche östlich des bestehenden Schulgebäudes und westlich des Grundstücks des Antragstellers bezieht, ist diese Freifläche bereits nicht Gegenstand der streitgegenständlichen Baugenehmigung. Weder der Genehmigungsbescheid noch der Bauantrag einschließlich der Bauvorlagen betreffen die als Pausenhof genutzte Fläche. Auch der Freiflächengestaltungsplan (BV-Nr. 2019- …*) bezieht die Freifläche westlich des Grundstücks des Antragstellers nicht mit ein. Die Einwendungen der Bevollmächtigten des Antragstellers zur Unbestimmtheit der Baugenehmigung in Bezug auf die Nutzung des Pausenhofs gehen daher fehl. Sollte es zu einer Intensivierung der Nutzung des Pausenhofs kommen, ist der Nachbar darauf zu verweisen, Rechtsschutz über einen Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten zu suchen (vgl. BayVGH, B.v. 18.7.2016 – 15 ZB 15.12 – juris Rn. 22 m.w.N.)
Dass die Betriebsbeschreibung keine Angaben zum konkreten Tagesablauf der Ganztagsbetreuung, zur Regelung des Personalschlüssels und der Anzahl der Aufsichtspersonen sowie zur Anzahl der zu betreuenden Kinder enthält – wie seitens der Bevollmächtigten des Antragstellers vorgetragen -, ist zwar zutreffend und betrifft auch den Gegenstand der erteilten Baugenehmigung. Unabhängig davon, dass die Beigeladene und der Antragsgegner während des anhängigen Klageverfahrens insofern durch Ergänzungen des Bescheides noch für Klarheit sorgen könnten (BayVGH, B.v. 12.2.2020 – 15 CS 20.45 – juris Rn. 19), setzt die Aufhebung einer Baugenehmigung wegen Unbestimmtheit aber voraus, dass infolge dieses Mangels die Verletzung von Nachbarrechten nicht auszuschließen ist (vgl. z.B. BayVGH, B.v 6.2.2019 – 15 CS 18.2459 – juris Rn. 29 m.w.N.).
Selbst wenn man bezüglich der vorgetragenen Gesichtspunkte von einem Bestimmtheitsminus ausgeht, führt dies nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht zur Annahme einer subjektiven Rechtsverletzung des Antragstellers. Eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme gemäß § 30 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO infolge der Nutzung des Erweiterungsbaus für Hortbetreuung und im Rahmen der offenen Ganztagsschule ist nicht ersichtlich.
Dem bauplanungsrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme kommt drittschützende Wirkung zu, soweit in qualifizierter und individualisierter Weise auf schutzwürdige Belange eines erkennbar abgrenzbaren Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist. Die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, hängen wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Die Interessenabwägung hat sich daran zu orientieren, was dem Rücksichtnahmebegünstigten und was dem Rücksichtnahmeverpflichteten jeweils nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung des Begünstigten ist, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständiger und unabweisbarer die Interessen des Bauherrn sind, desto weniger muss er Rücksicht nehmen (BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris).
Nach der Betriebsbeschreibung sind bereits im bestehenden Schulgebäude Einrichtungen für die Ganztagsbetreuung vorhanden. Die Einrichtungen für die Ganztagsbetreuung soll künftig in dem geplanten Erweiterungsbau untergebracht werden. Dass von der Nutzung des Erweiterungsbaus für Betreuungsräume im Rahmen der Ganztagsschule und des Kinderhorts für den Antragsteller unzumutbare Lärmbelästigungen ausgehen könnten, ist insbesondere aufgrund der Situierung im nördlichen Bereich des Schulgeländes entlang der …straße und damit auf der von dem Grundstück des Antragstellers abgewandten Seite nicht auszugehen. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass etwaige Geräusche durch das bestehende Schulgebäude und die Turnhalle, die zwischen den potentiellen Geräuschquellen und dem Grundstück des Antragstellers befinden, abgeschirmt werden. Hinzu kommt, dass der Hortbetrieb und die offene Ganztagsschule nur tagsüber und werktags stattfinden und daher mit Lärm zu besonders schützenswerten Zeiten nicht zu rechnen ist.
Hinsichtlich des Küchenbetriebs und der Pkw-Stellplätze ist eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme weder vorgetragen noch ersichtlich. Das Lärmgutachten vom 3. Dezember 2019 zeigt indes auf nachvollziehbare Weise, dass die relevanten Immissionsgrenzwerte durch den Küchenbetrieb und die Stellplatznutzung eingehalten werden. Dies gilt auch für den gewählten Immissionsort an der J.straße 11 auf FlNr. 1968/30, der nördlich des Grundstücks des Antragstellers, in derselben Reihenhauszeile und damit näher an dem streitgegenständlichen Erweiterungsbau liegt.
Die Auflage I.2.16 des Genehmigungsbescheids vom 19. Mai 2020 regelt, dass an dem Immissionsort J.straße 11 der Immissionsrichtwertanteil von 49 dB(A) tags und von 15 dB(A) nachts nicht überschritten werden darf. Damit werden auch die Immissionsrichtwerte für ein reines Wohngebiet von 50 dB(A) tags und 35 dB (A) nachts eingehalten.
Daher war der Antrag mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Da die Beigeladene einen Antrag gestellt und sich damit einem Kostenrisiko ausgesetzt hat, entspricht es billigem Ermessen, ihre außergerichtlichen Kosten dem Antragsteller aufzuerlegen (vgl. § 162 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 154 Abs. 3 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Nrn. 1.5, 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben