Baurecht

Sofortvollzug einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für den Bau einer Windkraftanlage

Aktenzeichen  W 4 S 19.684

Datum:
1.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 27061
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BImSchG § 4, § 5 Abs. 1
VwGO § 80 Abs. 3, § 80 Abs. 5, § 80a Abs. 3, § 121 Nr. 1

 

Leitsatz

1. Die Frage, wer bei einer Drittanfechtungsklage das Risiko der Herbeiführung vollendeter Tatsachen zu tragen hat, bestimmt sich nach materiellem Recht, also den Erfolgsaussichten in der Hauptsache.  (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Rechtskraftwirkung eines Urteils tritt dann nicht ein, wenn sich die zurzeit des Urteils maßgebliche Sach- und Rechtslage geändert hat. Wird ein Verwaltungsakt wegen Formfehlern aufgehoben, ist die Behörde nicht gehindert, einen fehlerfreien Verwaltungsakt mit gleichem materiellen Inhalt zu erlassen. (Rn. 20 – 22) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die 9. BImSchV enthält abschließende Regelungen über die in einem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren durchzuführende Umweltverträglichkeitsprüfung. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
4. Mit Blick auf die Auswirkungen von Infraschall geht die obergerichtliche Rechtsprechung davon aus, dass die Schwelle zu schädlichen Umwelteinwirkungen jedenfalls dann an einem Wohnhaus nicht erreicht wird, wenn der Abstand zwischen Windenergieanlage und Wohnhaus mehr als 500 m beträgt. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
5. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG begründet eine umfassende immissionsrechtliche Schutzpflicht und ist für den Nachbarn drittschützend. Zu den sonstigen Gefahren gehören insbesondere Explosions-, Brand- und Eiswurfgefahren. (Rn. 42 – 48) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich mit dem vorliegenden Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gegen die unter Ziffer IX verfügte Anordnung der sofortigen Vollziehung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für den Bau einer Windkraftanlage.
Der Antragsteller wohnt im Gutshof o. Nr. in … … Dieser befindet sich nördlich bzw. nordwestlich des Grundstücks Fl.Nr. … der Gemarkung H. (Baugrundstück). Das Baugrundstück weist in Nord-Südrichtung eine Länge von ca. 400 m und eine Breite zwischen 155 m (im Norden) und 250 m (im Süden) auf und ist im Flächennutzungsplan der Gemeinde H. als Sondergebiet für Windkraftanlagen dargestellt.
Mit Bescheid vom 26. September 2013 erteilte das Landratsamt W. der Beigeladenen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Windkraftanlage des Typs Enercon E 101 mit einer Nennleistung von 3 Megawatt.
Mit Urteil vom 19. Mai 2015 hob das Verwaltungsgericht Würzburg den Genehmigungsbescheid vom 26. September 2013 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 5. März 2014 in der Fassung der Ergänzungsbescheide vom 31. Juni 2014 und 13. Oktober 2014 auf (Az.: W 4 K 14.604). Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 22. Oktober 2015 den Antrag auf Zulassung der Berufung zurückgewiesen.
Unter dem 6. Dezember 2016 beantragte die Beigeladene erneut eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Windkraftanlage, Enercon E 101 mit 3 Megawatt Leistung und einer Nabenhöhe von 135,40 m.
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 29. Mai 2019 erteilte das Landratsamt W. der Beigeladenen daraufhin die immissionsschutzrechtliche Genehmigung mit zahlreichen Nebenbestimmungen. Von den baurechtlichen Vorschriften des Art. 6 BayBO wurde für die Abstandsflächen zu mehreren Grundstücken eine Abweichung zugelassen. Unter Ziffer IX des Bescheids wurde die sofortige Vollziehung angeordnet.
Mit Schriftsatz vom 11. Juni 2019 an das Bayerische Verwaltungsgericht Würzburg, hier eingegangen am gleichen Tage, ließ der Antragsteller Klage erheben und beantragte im vorliegenden Verfahren,
die aufschiebende Wirkung der Klage W 4 K 19.683 gemäß §§ 80a Abs. 1 Nr. 2, 3, 80 Abs. 5 VwGO wiederherzustellen.
Zur Begründung wurde ausgeführt, die Genehmigung sei schon wegen Verstoßes gegen die formelle Rechtskraft des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 22. Oktober 2015 nichtig. Des Weiteren sei die durchgeführte Umweltverträglichkeitsprüfung fehlerhaft und nicht nachvollziehbar. Schließlich sei die zugelassene Abweichung von den Abstandsflächen abwägungsfehlerhaft. Jedenfalls seien die Spalierobstanlagen, in denen der Antragsteller häufig arbeite, im Hinblick auf die Immissionen nicht in den Blick genommen und daher auch nicht gutachterlich bewertet worden. Die Genehmigung sei auch rechtswidrig aufgrund unzulässiger akustischer optischer Immissionen und Einwirkungen. Der Bescheid sei auch deswegen rechtswidrig, weil die Genehmigungsempfängerin seit März 2015 bis heute weder Eigentümerin noch Betreiberin der Windkraftanlage sei. Eigentümerin und Betreiberin der Windkraftanlage und Rechtsnachfolgerin der ursprünglichen Antragstellerin aus dem Jahr 2013 sei gegenwärtig die Firma … … … Schließlich sei die Eiswurfgefahr nicht ausreichend im Genehmigungsbescheid berücksichtigt und im Falle eines Brandes in der Anlage komme es durch die Nähe des Turmes mit seinen Rotoren zu einer erheblichen Gefährdung von Menschen, die womöglich direkt im Gefahrenbereich der Windkraftanlage ihrer Arbeit nachgehen würden.
Der Antragsgegner und die Beigeladene beantragten jeweils,
das Eilgesuch nach § 80 Abs. 5 VwGO abzulehnen.
Der Antragsgegner verwies im Wesentlichen auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheids. Der Beigeladenenvertreter erklärte, die von der Antragstellerseite behauptete Nichtigkeit liege ersichtlich nicht vor. Darüber hinaus sei die streitgegenständliche immissionsschutzrechtliche Genehmigung auch materiell-inhaltlich rechtmäßig.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag nach § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der von dem Antragsteller erhobenen Klage W 4 K 19.683 gegen die der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 29. Mai 2019 ist zulässig, aber unbegründet.
1. Inhaltlicher Maßstab der zu treffenden gerichtlichen Entscheidung im Eilverfahren ist eine umfassende Interessenabwägung. Gegenstand der Abwägung sind das private Aufschubinteresse des Antragstellers einerseits und das öffentliche Interesse sowie das Interesse der durch den Verwaltungsakt begünstigten Beigeladenen an der Vollziehung des Verwaltungsakts andererseits. Diese Abwägung hat der Gesetzgeber zunächst dahin vorgenommen, dass die Klage im Einklang mit dem verfassungsrechtlichen Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) grundsätzlich aufschiebende Wirkung entfaltet (§ 80 Abs. 1 VwGO), diese aber entfällt, wenn die Behörde – wie hier – die sofortige Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO gesondert angeordnet hat. Das Gericht prüft mithin im Fall einer solchen Anordnung, ob die Behörde zu Recht das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung höher gewichtet hat als das private Interesse des Antragstellers, bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens von einer Vollziehung des Verwaltungsakts verschont zu bleiben. Im Rahmen dieser Interessenabwägung haben auch Erkenntnisse über die Rechtmäßigkeit oder die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts Bedeutung; allerdings nicht als unmittelbare Entscheidungsgrundlage, sondern als bei Gewichtung des Sofortvollzugsinteresses in die Abwägung einzustellende Gesichtspunkte (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 15.9.2006 – OVG 11 S 57.06 – juris Rn. 2).
2. Unter Berücksichtigung dessen ist der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung unbegründet. Weder ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung in formeller Hinsicht rechtlich zu beanstanden, noch ergibt die vom Gericht im Rahmen des Eilverfahrens zu treffende eigene Ermessensentscheidung, dass die aufschiebende Wirkung der von dem Antragsteller erhobenen verwaltungsgerichtlichen Klage wiederherzustellen wäre.
3. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung erging in formell rechtmäßiger Weise. Der Antragsgegner hat in seiner Anordnung der sofortigen Vollziehung im streitgegenständlichen Bescheid vom 29. Mai 2019 das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts in der von § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO geforderten Form dargelegt und dabei die besonderen, auf den konkreten Fall bezogenen Gründe dargestellt. Er hat ausgeführt, welche finanziellen Nachteile sich für die Beigeladene bei einer Verzögerung des Projekts ergeben und daneben das öffentliche Interesse an der Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien an der Stromversorgung berücksichtigt. Den formellen Erfordernissen wird damit genügt. Eine inhaltliche Überprüfung der von der Behörde eingestellten Erwägungen findet an dieser Stelle nicht statt. Ob die Erwägungen inhaltlich einer Überprüfung standhalten, ist für die Einhaltung des formellen Begründungserfordernisses nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht von Bedeutung. Dies stellt eine Frage des Vollzugsinteresses dar, die eigenständig und losgelöst von der vorangegangenen behördlichen Vollzugsanordnung zu beurteilen ist, und die im Rahmen der vom Gericht nach § 80a Abs. 3, Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu treffenden Interessenabwägung zu berücksichtigen ist (vgl. VGH Baden-Württemberg, B.v. 24.1.2012 – 10 S 3175/11 – juris).
4. Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO entfällt die aufschiebende Wirkung der Klage in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten besonders angeordnet wird. § 80a Abs. 3 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO ermächtigt das Gericht der Hauptsache, die aufschiebende Wirkung aufgrund einer eigenen Ermessensentscheidung wiederherzustellen. Die Frage, wer bei einer Drittanfechtungsklage das Risiko der Herbeiführung vollendeter Tatsachen zu tragen hat, bestimmt sich dabei nach dem materiellen Recht, also den Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs. Einen Rechtsatz, dass sich der einen Genehmigungsbescheid anfechtende Dritte gegenüber dem Genehmigungsempfänger von vornherein in einer bevorzugten verfahrensrechtlichen Position befinden müsste, gibt es nicht. Ebenso fordern weder das einfache Recht noch Art. 19 Abs. 4 GG das Bestehen eines besonderen öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung, wenn sich Rechtspositionen gegenüberstehen, die grundsätzlich gleichrangig sind. Dies zugrunde gelegt geht die vom Gericht zu treffende Ermessensentscheidung hier zu Lasten des Antragstellers aus, da die von ihm erhobene Klage mit überwiegender Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg haben wird. Die Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung durch den Antragsgegner dürfte aller Voraussicht nach rechtmäßig sei.
5. Insbesondere kommt die Kammer bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung zu dem Ergebnis, dass die Einwendungen des Antragstellers aller Voraussicht nach nicht durchgreifen und die Einwirkungen der Anlage auf den Antragsteller eher gering sind, wohingegen die Beigeladene als Folge einer mit der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gebotenen Einstellung des Betriebs der Anlage aktuell erhebliche finanzielle Verluste drohen, und zwar durch entgehende Einnahmen bei weiter anfallenden Wartungs- und Unterhaltungskosten. Dabei mag dahinstehen, ob es auf eine über die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs hinausgehende Betrachtung der Interessen der genannten Beteiligten in den – hier vorliegenden – Fällen des Begehrens eines Dritten nach vorläufigem Rechtsschutz (§§ 80a Abs. 3 Satz 1, 80 Abs. 5 VwGO) überhaupt ankommt (dies verneinend VGH Baden-Württemberg, B.v. 29.1.2019 – 10 S 1919/17 – juris Rn. 4).
Jedenfalls ist die Klage des Antragstellers mit hoher Wahrscheinlichkeit unbegründet. In dem angesichts der noch ausstehenden Hauptsacheentscheidung für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der Beschlussfassung der Kammer (vgl. VGH Baden-Württemberg, B.v. 25.1.2018 – 10 S 1681/17 – juris Rn. 11 m.w.N.) hat der Antragsteller aller Voraussicht nach weder durch formelle Mängel der angefochtenen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung begründete Ansprüche auf deren Aufhebung noch verletzt die Genehmigung ihn anderweitig in seinen Rechten.
6. Ohne Erfolg rügt der Antragsteller zunächst, die Genehmigung sei wegen Verstoßes gegen die formelle Rechtskraft des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 22. Oktober 2015 (Az.: 22 ZB 15.1584) nichtig.
Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung ist insoweit § 121 Nr. 1 VwGO. Nach dieser Vorschrift binden rechtskräftige Urteile, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist, die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger. Somit erfasst die Rechtskraftwirkung in dem in § 121 VwGO umschriebenen Rahmen auch nachfolgende Verwaltungsakte durch die Behörde. Denn sie soll verhindern, dass die aus einem festgestellten Tatbestand hergeleitete Rechtsfolge, über die durch ein Urteil rechtskräftig entschieden worden ist, erneut zum Gegenstand eines Verfahrens zwischen denselben Parteien gemacht wird. Im Falle einer erfolgreichen Anfechtungsklage darf die im Vorprozess unterlegene Behörde bei unveränderter Sach- und Rechtslage nicht einen neuen Verwaltungsakt aus den vom Gericht missbilligten Gründen erlassen. Diese Wirkung der Rechtskraft auf nachfolgende Verfügungen derselben Behörde rechtfertigt sich aus dem Sinn der Rechtskraft, dem Rechtsfrieden zu dienen und das Vertrauen in die Beständigkeit des Rechts zu schützen.
Die Rechtskraftwirkung eines Urteils tritt allerdings dann nicht ein, wenn sich die zurzeit des Urteils maßgebliche Sach- oder Rechtslage verändert hat. Ebenso ist zu beachten, dass die materielle Rechtskraft, mit der der Anfechtungsklage stattgegeben wurde, der angefochtene Verwaltungsakt also aufgehoben wurde, nur den Aufhebungsanspruch und die die objektive Rechtswidrigkeit implizierende Feststellung der Verletzung eines subjektiven Rechts der Antragstellerin beinhaltet. Welche Handlungsalternativen der Verwaltung verbleiben, hängt vom Grund der Rechtswidrigkeit ab, der den Entscheidungsgründen zu entnehmen ist (zum Ganzen vgl. BVerwG, Urteil v. 8.12.1992, NWwZ 1993, 673).
Wird der Verwaltungsakt also wegen Zuständigkeits-, Verfahrens- oder Formfehlern aufgehoben, ist die zuständige Behörde keinesfalls gehindert, einen nunmehr fehlerfreien Verwaltungsakt mit gleichem materiellem Inhalt zu erlassen. Gleiches gilt bei ermessensfehlerhafter Begründung. Nur wenn die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts auf einem irreparablen Verstoß gegen materielles Recht beruht, darf die Behörde ohne Änderung der Sach- oder Rechtslage nicht erneut einen inhaltsgleichen Verwaltungsakt erlassen (sog. Wiederholungsverbot) (vgl. BVerwG, a.a.O., m.w.N.). Das Wiederholungsverbot erfasst aber nur inhaltsgleiche Verwaltungsakte, d.h. die Regelung desselben Sachverhalts durch Anordnung der gleichen Rechtsfolgen.
Unter Berücksichtigung dieser allgemeinen Ausführungen gilt im vorliegenden Fall Folgendes:
Das Erstgericht hat vorliegend in seinem Urteil vom 19. Mai 2015 (Az.: W 4 K 14.604) ausgeführt, dass der streitgegenständliche Bescheid bereits an einem Verfahrensfehler leide, der zur Aufhebung der Genehmigung führe. Die vom Landratsamt W. zur Erteilung der Genehmigung durchgeführte Vorprüfung des Einzelfalls genüge nicht den rechtlichen Anforderungen an die erforderliche standortbezogene Vorprüfung. Eine solche sei vielmehr überhaupt nicht durchgeführt worden. Das Landratsamt hätte jedenfalls in nachvollziehbarer Weise festhalten müssen, aufgrund welcher Erwägungen es zu dem von ihm gefundenen Ergebnis gelangt ist. Des Weiteren sei ein Verstoß der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 26. September 2013 gegen das Abstandsflächenrecht gegeben. Es habe die Verpflichtung des Landratsamts W. bestanden, den Sachverhalt vollständig und zutreffend zu ermitteln. Das heißt, das Landratsamt hätte auch untersuchen müssen, ob eventuell ein weiter entfernter Standort in Betracht komme. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 22. Oktober 2015 (Az.: 22 ZB 15.1584) den Antrag der Beigeladenen auf Zulassung der Berufung abgelehnt, da sich aus der fristgerecht erfolgten Begründung des Berufungsantrags die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht ergäben und die Änderung der Sach- und Rechtslage, die durch den am 8. September 2015 erlassenen Ergänzungsbescheid eventuell eingetreten seien, im Zulassungsverfahren nicht zu berücksichtigen seien.
Gemäß den obigen Ausführungen war das Landratsamt W. aufgrund des erneuten Antrags der Beigeladenen mit Schreiben vom 6. Dezember 2016 nicht gehindert, den streitgegenständlichen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbescheid vom 29. Mai 2019 zu erlassen. Insbesondere hat der Antragsgegner damit nicht gegen das Wiederholungsverbot verstoßen, denn die fehlende Dokumentation der standortbezogenen Vorprüfung des Einzelfalls stellt zweifellos einen Verfahrensfehler dar, der ebensowenig wie die weiterhin seitens des Verwaltungsgerichts bemängelte ermessensfehlerhafte Begründung der Zulassung einer Abweichung von den Abstandsflächen vom Wiederholungsverbot umfasst wird.
7. Ohne Erfolg rügt der Antragsteller weiterhin die Fehlerhaftigkeit der durchgeführten Umweltverträglichkeitsprüfung. Unabhängig von der Frage, ob dem Antragsteller überhaupt ein solches Rügerecht zusteht, kann die Kammer jedenfalls bei summarischer Überprüfung nicht erkennen, dass – wie vom Antragsteller behauptet – Verfahrensfehler vorliegend gegeben ist. So ist zunächst die Auffassung des Antragsgegners, vorliegend finde die 9. BImSchV in ihrer alten Fassung Anwendung, nicht zu beanstanden. Wenn der Antragsgegner in diesem Zusammenhang ausführt, dass nach der Übergangsvorschrift des § 25 Abs. 1a der 9. BImSchV Vorhaben weiterhin nach den Vorschriften der Verordnung über das Genehmigungsverfahren in der bis zum 16. Mai 2017 gültigen Fassung – 9. BImSchV a.F. – zu beurteilen seien, wenn vor diesem Zeitpunkt jedenfalls das Verfahren zur Unterrichtung über die voraussichtlich beizubringende Unterlagen (§ 2a der 9. BImSchV a.F.) eingeleitet worden sei oder die auszulegenden Unterlagen gemäß § 4 bis § 4e der 9. BImSchV a.F. vorgelegt wurden, entspricht dies der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 28.9.2016, Az.: 7 C 1/15, juris), wonach die 9. BImSchV abschließende Regelungen über die in einem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren durchzuführende Umweltverträglichkeitsprüfung enthalte. Das Bundesverwaltungsgericht führt in diesem Zusammenhang weiter aus, dass auch keine Anhaltspunkte dafür erkennbar seien, dass die UVP-Richtlinie hinsichtlich des hier in Rede stehenden Verfahrensrechts im deutschen Recht unzureichend umgesetzt sei. Europarechtliche Bedenken gebe es nicht (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 14 f.). Darüber hinaus seien die Vorschriften des UVPG auch nicht ergänzend anwendbar (vgl. OVG Koblenz, U.v. 25.7.2017, Az.: 8 B 10987/17, juris Rn. 6).
Dass die Bekanntmachung des Vorhabens etwa gegen die speziellen Regelungen des § 9 i.V.m. § 3 der 9. BImSchV verstieß, wird von der Antragstellerseite nicht dargelegt, ist im Übrigen auch für die Kammer nicht ersichtlich.
Ebenso kann die Kammer aufgrund summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht erkennen, dass der angefochtene Genehmigungsbescheid an Verstößen gegen materiell-rechtliche Vorschriften leidet, die in der Hauptsache einen Aufhebungsanspruch des Antragstellers begründen können. Vielmehr kann aller Voraussicht nach hinreichend sicher ausgeschlossen werden, dass der Betrieb der Windenergieanlage zur Verwirklichung artenschutzrechtlicher Verbotstatbestände des § 44 Abs. 1 BNatSchG führen wird, wobei in diesem Zusammenhang offen gelassen werden kann, ob der Antragsteller sich überhaupt hierauf berufen kann. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die in dem Gebiet vorkommende Individuen europäischer Vogelarten, als auch für den Fledermausschutz.
So sind zunächst durchgreifende Bedenken an der Vereinbarkeit der Genehmigung mit dem besonderen Artenschutzrecht nicht in Bezug auf im Wirkungsbereich der genehmigten Windenergieanlage vorkommende Vögel angezeigt. Die Kammer hat nach summarischer Prüfung der von der Vorhabenträgerin vorgelegten Beiträge zum Artenschutz des Gutachterbüros …, Stadt- und Umweltplanung, vom Dezember 2016 hinsichtlich der Frage eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos für die im Wirkbereich der genehmigten Windenergieanlage vorkommenden Vögel und Fledermäuse weder von der angewandten Methodik noch bezüglich der Begründung des Ergebnisses durchgreifende Bedenken, insbesondere auch unter Berücksichtigung der im streitgegenständlichen Bescheid vom 29. Mai 2019 angeordneten naturschutzrechtlichen Forderungen (vgl. 6.3 bis 6.6). Jedenfalls konnte der Antragsgegner diese Gutachten seiner Genehmigungsentscheidung zugrunde legen.
8. Unabhängig von der Frage, ob der Antragsteller sich überhaupt auch hierauf berufen kann, vermag seine weitere Einwendung im Hinblick auf die vom Landratsamt W. gemäß Art. 63 Abs. 1 BayBO erteilte Abweichung von den Abstandsflächen nicht zu einem anderen Ergebnis zu führen.
In seinem Urteil vom 19. Mai 2015 (W 4 K 14.620) hatte die Kammer bemängelt, dass das Landratsamt sich im ursprünglichen Genehmigungsbescheid im Rahmen seiner Abweichungsentscheidung bei der Würdigung der nachbarlichen Belange nicht ausreichend mit der Frage von Alternativstandorten auseinandergesetzt habe. Nunmehr hat das Landratsamt im streitgegenständlichen Bescheid vom 29. Mai 2019 ausführlich zu der Frage von Alternativstandorten mit einer geringeren Beeinträchtigung Stellung bezogen, und ausgeführt, dass die Zulassung einer Abweichung von den Abstandsflächen vorliegend gerechtfertigt sei, da nur so der Schutzabstand zur Freileitung der …GmbH eingehalten werden könne. Im Übrigen falle die Geländehöhe des Sondergebietes von Norden nach Süden erheblich ab, die Geländehöhe des genehmigten Standorts befinde sich auf 358,49 m Ü.NN, wohingegen Standorte im südlichen Bereich des Sondergebiets auf einer Geländehöhe von ca. 347,90 m Ü.NN liegen würden. Zudem habe eine Verschiebung des Standorts der Windkraftanlage in südlicher Richtung eine weitaus höhere Inanspruchnahme und Versiegelung von bisher unversiegelten, für die Landwirtschaft besonders geeigneten Böden zur Folge. Hierfür wäre eine um ca. 200 m längere Zuwegung notwendig geworden.
Die Antragsteller hat diese Ausführungen nicht substantiiert angegriffen, sie sind für das Gericht nachvollziehbar und schlüssig und deshalb im Rahmen der vorliegend vorzunehmenden summarischen Überprüfung nicht zu beanstanden.
Nicht zutreffend ist die Behauptung des Antragstellers, die Spalierobstanlagen, in denen er arbeite, seien im Rahmen der Abweichungsentscheidung nicht mit in den Blick genommen worden. Der Antragsgegner hat sehr wohl im Rahmen seiner Abwägungsentscheidung sich mit der Spalierobstanlage befasst und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass aufgrund der Lage und der vorhandenen Erkenntnissen konkrete Anhaltspunkte für eine erhebliche Beeinträchtigung fehlen würden. Dies entspricht den Fachstellungnahmen und insbesondere den Stellungnahmen des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Würzburg, wonach es keine hinreichend konkreten und aus fachlicher Sicht nachvollziehbaren Anhaltspunkte gebe, dass die Verschattung vorliegend merkbare Auswirkungen auf den Obstanbau habe.
9. Weiterhin vermag der Antragsteller auch nicht mit seiner Einwendung durchzudringen, die streitgegenständliche Genehmigung sei rechtswidrig aufgrund unzulässiger akustischer optischer Immissionen und Einwirkungen (vgl. Schriftsatz vom 25.6.2019, S. 8).
Der durch Windenergieanlagen erzeugte Infraschall liegt im Allgemeinen unterhalb der Wahrnehmungsschwelle des menschlichen Gehörs und führt nach dem bisherigen Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse grundsätzlich nicht zu Gesundheitsgefahren. Als Infraschall wird der Luftschall unterhalb der Frequenz von 20 Hertz, als tieffrequenter Schall unterhalb der Frequenz von 100 Hertz definiert. Letzterer umfasst damit den Infraschall und die für Menschen gerade noch hörbaren tiefen Töne. Nach dem derzeitigen Stand der Wissenschaft sowie der einhelligen Rechtsprechung zu dieser Frage spricht alles dafür, dass wegen der erheblichen Entfernung zwischen dem Gutshof der Antragstellerin und dem Anlagenstandort eine rechtlich erhebliche Belastung nicht zu erwarten ist. Namentlich mit Blick auf die Auswirkungen von Infraschall – als Teilbereich des tieffrequenten Schalls – geht die obergerichtliche Rechtsprechung aktuell in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die Schwelle zu schädlichen Umwelteinwirkungen jedenfalls dann an einem Wohnhaus nicht erreicht wird, sofern der Abstand zwischen Windenergieanlage und Wohnhaus mehr als 500 m beträgt (vgl. beispielsweise OVG Nordrhein-Westfalen, Be.v. 17.6.2017 – 8 B 1016/15 – juris Rn. 50 und vom 30.1.2018 – 8 B 1060/17 – juris Rn. 38). Dieser Standpunkt wird in der Rechtsprechung einhellig geteilt (vgl. bereits bei Abständen von mehr als 300 m: VG Düsseldorf, B.v. 12.1.2017 – 28 L 3406/16 – juris Rn. 56 ff.; Niedersächs. OVG, B.v. 19.12.2016 – 12 ME 85/16 – juris Rn. 22; VGH Baden-Württemberg, B.v. 6.7.2015 – 8 S 534/15 – juris Rn. 49; BayVGH, B.v. 28.9.2017 – 22 CS 17.1506 – juris Rn. 25 ff.; HessVGH, B.v. 17.1.2017 – 4 B 1863/16 – juris Rn. 8).
Die Kammer schließt sich in Ergebnis und Begründung der vorzitierten Rechtsprechung an. Aufgrund der bisher vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse, die durch Messungen im Umfeld von Windenergieanlagen belegt sind, ist davon auszugehen, dass im Nahbereich von Windenergieanlagen zwar Infraschallpegel auftreten, sie aber ab einem Abstand von 300 m den Geräuschpegel im Infraschallbereich nicht mehr beeinflussen. Sie liegen jedenfalls ab einem Bereich von 500 m unterhalb der menschlichen Hör- bzw. Wahrnehmungsschwelle (vgl. Bayerisches Landesamt für Umwelt und Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, „Windenergieanlagen – Beeinträchtigt Infraschall die Gesundheit?“, Publikation in der aktualisierten Fassung von August 2016; Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft des Freistaats Sachsen, „Windenergie und Infraschall-Tieffrequenzgeräusche durch Windenergieanlagen“, Publikation mit Redaktionsschluss September 2016).
Dementsprechend gelangt der 6. Monitoring-Bericht der Bundesregierung (erstellt gemäß § 63 Abs. 1 des Energiewirtschaftsgesetzes i.V.m. § 98 des EEG) vom 29. Juni 2018 (BT-Drs. 19/340, dort S. 147, 148) zu folgendem Ergebnis:
„Der technische Standard von Windenergieanlagen hat sich in den letzten Jahren jedoch stark verbessert. Folglich sind diese nicht nur leistungsfähiger geworden, sondern wurden auch mit Blick auf ihre Auswirkungen auf Umwelt und Gesundheit verbessert. Für die Belastung mit Infraschall kann nach heutigem Stand der Forschung davon ausgegangen werden, dass dies in Vergleich mit anderen Quellen sehr gering und ohne negative Auswirkungen auf die Gesundheit ist. Andere dezentrale Energieanlagen (z.B. Wärmepumpen, Blockheizkraftwerke) können indessen durch tieffrequente Geräusche und Infraschall erhebliche Lärmprobleme hervorrufen, insbesondere wenn sie nicht fachgerecht errichtet wird.“
Die in der Literatur zum Teil zum Aspekt Infraschall benannten Gutachten und Studien lassen schon nicht erkennen, dass die dortigen Ergebnisse auch noch in weiteren Entfernungen, wie vorliegend, einschlägig sind. Die Studien sind Teil des wissenschaftlichen Diskurses. Sie ergeben derzeit jedenfalls keinen hinreichend begründeten Ansatz für die Annahme gesundheitlich relevanter tieffrequenterter Immissionen durch die Windenergieanlagen oder nachweisbare gesundheitsschädliche Auswirkungen (vgl. hierzu auch OVG Nordrhein-Westfalen, B.v. 20.2.2018 – 8 B 838/17 – juris Rn. 75).
Nicht unberücksichtigt bleiben darf in diesem Zusammenhang, dass über die Umweltauswirkungen von Windenergieanlagen seit längerem intensiv geforscht wird. So bündeln etwa im Windenergieforschungs-Cluster „WindForS“ die Universitäten Stuttgart und Tübingen, die Technische Universität München, das Karlsruher Institut für Technologie, die Hochschulen Aalen und Esslingen sowie das Zentrum für Sonnenenergie und Wasserstoffforschung Baden-Württemberg in diesem Netzwerk ihre Kompetenzen auf dem Gebiet der Windenergieforschung. Durch die einander ergänzende Expertisen von 23 Instituten und Lehrstühlen der vorgenannten Einrichtungen wurden im Februar 2016 objektive Kriterien zu Erschütterungen und Schallimmissionen durch Windenergieanlagen im Binnenland erforscht. Sollte sich vor dem Hintergrund der offensichtlich noch nicht vollständig abgeschlossenen Forschung in der Zukunft durch neue wissenschaftlich belegte Erkenntnisse herausstellen, dass, vor Ort messtechnisch belegt, von einer genehmigten Anlage tatsächlich relevante beeinträchtigende Infraschallimmissionen auftreten, kommt nach entsprechender Überprüfung der Anlage im Rahmen der Überwachung gegebenenfalls die Anordnung nachträgliche Auflagen nach § 17 BImSchG gegenüber der Beigeladenen in Betracht.
10. Soweit der Antragsteller des Weiteren vorträgt, von der streitbefangenen Windkraftanlage gehe eine erhöhte Unfallgefahr aus, insbesondere durch Eisbildung und aufgrund von Brandereignissen, verhilft dies seinem Antragsbegehren ebenso nicht zum Erfolg.
Bei der streitbefangenen Windkraftanlage handelt es sich unstreitig nicht um eine dem Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 der Zwölften Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Störfall-Verordnung – 12. BImSchV) unterworfene Anlage, denn sie stellt keinen Betriebsbereich dar, in dem gefährliche Stoffe in Mengen vorhanden sind, die die in Anhang I Spalte 4 oder Spalte 5 genannten Mengenschwellen erreichen oder überschreiten.
Die Störfall-Verordnung stellt allerdings keine abschließende Konkretisierung der störfallbezogenen Vorgaben des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG dar. Vielmehr sind auch die nicht der Störfall-Verordnung unterfallenden Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass keine konkreten Gefahren (im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BlmSchG) durch betriebsbedingte oder externe Störungen entstehen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12. März 2015 – 10 S 1169/13 – juris unter Verweis auf Jarass, BImSchG, Kommentar, 10. Auflage, § 6 Rn. 42).
Diese Bestimmung ist für Nachbarn drittschützend (st. Rspr., vgl. etwa VGH Baden-Württemberg vom 20. Juli 2011 – 10 S 2102/09 – juris; OVG NRW, Urteil vom 9. Dezember 2009 – 8 D 6/08.AK – juris).
Dies gilt nicht nur für den Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen, sondern auch für die Abwehr sonstiger Einwirkungen im Sinne der 2. Alternative des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BlmSchG. Die Erfüllung der Grundpflichten des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG muss für den Zeitpunkt der Inbetriebnahme sowie für die Dauer des Betriebs sichergestellt sein. Diese Bestimmung hat aber nicht die Bedeutung, dass jedes nur denkbare Risiko der Herbeiführung von schädlichen Umwelteinwirkungen oder sonstigen Gefahren ausgeschlossen sein muss. Vielmehr müssen Risiken, die als solche erkannt sind, nach den konkreten Umständen des Falles mit hinreichender, dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Februar 1978 – I C 102/76 – BVerwGE 55, 250; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12. März 2015 a.a.O.).
Nach überwiegender Auffassung muss eine konkrete Gefährlichkeit bestehen; eine abstrakte Störqualität genügt nicht. Mithin genügt die bloße Eignung von Einwirkungen, einen Schaden herbeizuführen, nicht, um Schutz- und Abwehransprüche nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zu begründen. Die immissionsschutzrechtliche Schutzpflicht greift als Instrument der Gefahrenabwehr vielmehr nur ein, wenn eine hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts besteht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. November 2014 – 7 B 27.14 – BRS 82 Nr. 83; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12. März 2015 a.a.O.).
Je schwerwiegender die zu befürchtenden Schäden sind, desto geringere Anforderungen sind an die Wahrscheinlichkeit zu stellen; umgekehrt muss die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts desto höher sein, je geringer die Schadensfolgen sind. Nach Durchführung der erforderlichen Amtsaufklärung verbleibende Unsicherheiten lassen sich eventuell durch geeignete Nebenbestimmungen kompensieren (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12. März 2015 a.a.O.)
Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BlmSchG sind nach der Legaldefinition in § 3 Abs. 1 BlmSchG solche Immissionen, die nach Art, Ausmaß und Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Welche Beeinträchtigungen dabei als erheblich einzustufen sind, bemisst sich danach, was die Betroffenen an Immissionen nicht mehr hinzunehmen brauchen, weil sie unzumutbar sind. Den normkonkretisierenden technischen Regelwerken der TA Luft und der TA Lärm kommt, soweit sie den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen im Hinblick auf Staub und Lärm konkretisieren, im Rahmen ihres Anwendungsbereichs eine im gerichtlichen Verfahren zu beachtende Bindungswirkung zu (st. Rspr., vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 29. August 2007 – 4 C 2/07 – BVerwGE 129, 209, m.w.N.).
Durch Störungen des bestimmungsgemäßen Betriebs oder externe Gefahren hervorgerufene negative Einwirkungen sind den sonstigen Gefahren im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 2. Alternative BlmSchG zuzuordnen. Hierzu gehören insbesondere auch Explosions-, Brand- und Eiswurfgefahren (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12. März 2015 – 10 S 1169/13 – a.a.O.).
Bei der Prognose, ob eine hinreichend konkrete Gefährdung vorliegt, um einen Schutz- und Abwehranspruch zu begründen, ist die Wahrscheinlichkeit und das Ausmaß der denkbaren Störfälle zu berücksichtigen. Auch außerhalb des Störfallrechts im engeren Sinne können insoweit störfallrechtliche Wertungen herangezogen werden. Handelt es sich der Sache nach um einen sog. Dennoch-Störfall, d.h. um eine vernünftigerweise auszuschließende Störung (vgl. § 3 Abs. 2 letzter Halbsatz Störfall-Verordnung), wird regelmäßig keine hinreichend konkrete Gefahr eines Schadenseintritts bestehen, wenn die erforderlichen Vorkehrungen zur Abwehr vernünftigerweise nicht auszuschließender Gefahren getroffen worden sind. Nach dem Grundsatz der umgekehrten Proportionalität von Schadenwahrscheinlichkeit und Schadensausmaß kann jedoch auch der mögliche Eintritt eines vernünftigerweise auszuschließenden Dennoch-Störfalls einen Schutz- und Abwehranspruch begründen, wenn andernfalls erhebliche, nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigungen hochrangiger Rechtsgüter der Nachbarn, wozu auch der Antragsteller zählt, drohen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 12. März 2015 a.a.O.).
Von der hier streitigen Windenergieanlage gehen keine über das allgemeine Lebensrisiko hinausreichende Gefahren aus. Die hier zugrunde zu legenden, als Risikoakzeptanzschwelle anzunehmenden, jeder Person zumutbaren Risiken sind vergleichbar mit dem Risiko, einen Verkehrs- oder sonstigen Unfall zu erleiden und werden grundsätzlich mit einer Eintrittswahrscheinlichkeit von einmal in 33.300 Jahren angenommen (vgl. Hess. VGH, Urteil vom 26. September 2013 – 9 B 1674/13 – juris).
Der Antragsteller hat nicht hinreichend dargelegt, dass dieses Risiko im Fall der von der streitgegenständlichen Windenergieanlage ausgehenden Gefahren erreicht wird oder gar signifikant erhöht ist und es aus diesem Grund eines weitergehenden Schutzkonzeptes bedürfte, das über die durch den Beigeladenen getroffenen Vorkehrungen und die in den Nebenbestimmungen 2.0.2.4 und 2.0.2.5 zur immissionsschutzrechtlichen Genehmigung verankerten Anforderungen hinausginge.
11. Was der Antragsteller mit seinem Vortrag bezweckt, die Beigeladene sei weder Eigentümerin noch Betreiberin der Windkraftanlage, sodass der Genehmigungsbescheid schon aus diesem Grund rechtswidrig sei, bleibt für die Kammer unklar. Träger des Vorhabens i.S.d. Immissionsschutzrechts ist derjenige, der im eigenen Namen und in eigener Verantwortung die Anlage errichten und/oder betreiben will. Dies muss nicht der spätere Anlagenbetreiber sein, es kommt auch derjenige in Betracht, der die Anlage errichtet um sie dann dem Anlagenbetreiber zu überlassen (zum Ganzen vgl. Jarass a.a.O. § 10 Rdnr. 19).
12. Da nach alledem der Antragsteller mit seinen Einwendungen nicht durchzudringen vermag, und das Gericht auch sonst, bei der hier gebotenen summarischen Überprüfung, keine Bedenken im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheids des Landratsamts W. vom 29. Mai 2019 hat, war der Antrag abzulehnen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind gemäß § 162 Abs. 3 VwGO erstattungsfähig, weil sie einen Antrag gestellt und sich damit einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG und berücksichtigt, dass im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wegen des lediglich vorläufigen Charakters der begehrten Entscheidung der Streitwert regelmäßig auf die Hälfte des für das Hauptsacheverfahren anzusetzenden Streitwerts zu beziffern ist.


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