Baurecht

Tekturgenehmigung – Stellplatzänderung entgegen einem zugrunde liegenden gerichtlichen Vergleich – Anfechtungsklage erfolgreich

Aktenzeichen  Au 4 K 18.1957

Datum:
18.9.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 23567
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 106
BGB § 119, § 123, § 779, § 1922 Abs. 1
BayVwVfG Art. 37 Abs. 1,
BayBO Art. 54 Abs. 2 S. 3

 

Leitsatz

1 Bei der Aussage in einem gerichtlichen Vergleich: “Im Übrigen” – dh von den Modifikationen abgesehen – bleibt eine konkret bezeichnete Baugenehmigung unverändert, handelt es sich nicht um eine Aussage mit verminderter oder gar überhaupt keiner Bindungswirkung. Vielmehr entspricht gerade diese „Unverändertbleibens“-Klausel dem Wesen des Vergleichs, nämlich einem gegenseitigen Nachgeben (vgl. § 779 Abs. 1 BGB). (Rn. 87) (red. LS Alexander Tauchert)
2 Die Formulierung „…bleibt im Übrigen unverändert“ wird daher in der Praxis häufig verwendet, um verbindlich zu regeln, dass getroffene Änderungsvereinbarungen abschließend sind. (Rn. 87) (red. LS Alexander Tauchert)
3 Dass sich der Vergleich nicht zur Anzahl, Anordnung und Nutzbarkeit von Stellplätzen verhält, und die entsprechenden Fragen wohl auch nicht Gegenstand der vorangegangenen Vergleichsgespräche waren, ist unerheblich. Vielmehr ist gerade für solche im Vergleich nicht behandelten Aspekte dessen „Unverändertbleibens“-Klausel heranzuziehen. (Rn. 92) (red. LS Alexander Tauchert)
4 Einen unzulässigen Vertrag zu Lasten Dritter stellt der Vergleich nicht deshalb dar, weil das errichtete Gebäude nach dem WEG aufgeteilt wurde und die Stellplätze im Gemeinschaftseigentum stehen. Die nunmehrigen Eigentümer des Gebäudes und der Stellplätze sind nicht (außenstehende) Dritte, sondern Rechtsnachfolger. (Rn. 93) (red. LS Alexander Tauchert)

Tenor

I. Der 3. Tekturbescheid des Landratsamtes … zur Änderung des Stellplatzplans vom 26.4.2017, Az.: SG, wird aufgehoben, soweit er nicht den Stellplatzplan vom 10.10.2013 für ungültig erklärt.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Gründe

Die Klage, über die mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist zulässig und begründet. Der hier streitgegenständliche Tekturbaugenehmigungsbescheid vom 26. April 2017 ist zu Lasten der Kläger rechtswidrig; er war deshalb gem. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufzuheben. Auszunehmen von der Aufhebung war – wie beantragt – die Ungültigkeitserklärung des Stellplatzplans vom 10. Oktober 2013, weil diese Aufhebung zu Gunsten der Kläger wirkt; deren Rechtsvorgängerin hatte ihrerseits die – zwischenzeitlich erledigte – Klage auf Aufhebung dieses Stellplatzplans eingereicht (Verfahren Au 4 K 15.525 / Au 4 K 17.471).
Der streitgegenständliche Bescheid vom 26. April 2017 unterliegt der Aufhebung, weil er zum Nachteil der Kläger dem im Verfahren Au 4 K 13.828 (betreffend die Ausgangs-Baugenehmigung vom 10.5.2013) geschlossenen Vergleich widerspricht (1.). Ferner ist der Bescheid in nachbarrechtswidriger Weise nicht hinreichend bestimmt i.S.d. Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG (2.).
1. Der Tekturbaugenehmigungsbescheid vom 26. April 2017 hätte so nicht ergehen dürfen, weil ihm der gem. § 106 Satz 2 VwGO im Verfahren Au 4 K 13.828 geschlossene Vergleich entgegensteht. Den seinerzeitigen gerichtlichen Vorschlag (Beschluss vom 26.9.2013) haben sämtliche Beteiligte (einschließlich des Beklagten) angenommen.
Der Vergleich wirkt auch zu Gunsten der Kläger als Rechtsnachfolger (§ 1922 Abs. 1 BGB) der den Vergleich schließenden Frau …. Die im Wege des Vergleichs eingegangene Verpflichtung hat ebenso wie die zugrunde liegende Baugenehmigung vorhabenbezogenen (und keinen höchstpersönlichen) Charakter. Insoweit kommt Art. 54 Abs. 2 Satz 3 BayBO als allgemeiner Rechtsgrundsatz zum tragen, wonach bauaufsichtliche Genehmigungen und Maßnahmen auch für und gegen den Rechtsnachfolger gelten (vgl. VGH BW, U.v. 26.1.2005 – 5 S 1662/03 – juris LS 1 und Rn. 39).
Dieser Vergleich sieht unter Nrn. 1 bis 3 des Abschnitts I. Modifikationen des Bauvorhabens der Beigeladenen vor. „Im Übrigen“ – d.h. von diesen Modifikationen abgesehen – bleibt die Baugenehmigung vom 10. Mai 2013 unverändert (vierter Absatz unter Nr. I). Hierbei handelt es sich nicht etwa um eine Aussage mit verminderter oder gar überhaupt keiner Bindungswirkung. Vielmehr wird entspricht gerade diese „Unverändertbleibens“-Klausel dem Wesen des Vergleichs, nämlich einem gegenseitigen Nachgeben (vgl. § 779 Abs. 1 BGB): Während die Klägerseite zugestand, dass weitere Modifikationen des Bauvorhabens (oder gar eine Verhinderung des Vorhabens insgesamt, wie mit der Anfechtungsklage gegen die Ausgangsbaugenehmigung vom 10.5.2013 angestrebt) nicht erfolgen würden, erreichte die Beigeladene die Gewissheit, das Vorhaben mit den vereinbarten Modifikationen umsetzen zu können. Die Formulierung „…bleibt im Übrigen unverändert“ wird daher in der Praxis häufig verwendet, um verbindlich zu regeln, dass getroffene Änderungsvereinbarungen abschließend sind.
Vorliegend braucht nicht entschieden zu werden, ob der Vergleich tatsächlich sämtliche Änderungen des (zwischenzeitlich errichteten) Vorhabens – gleichsam für alle Zeit – ausschließen könnte bzw. ob – wofür vieles spricht – Änderungen, die sich aus für die Beteiligten nicht disponiblen Vorschriften ergeben (etwa solchen des Brandschutzes), ohne weiteres zulässig sein müssen. Vorliegend gegenständlich ist eine weitere Änderung des Stellplatznachweises. Der bzw. ein Stellplatznachweis ist untrennbar mit der Ausgangs-Baugenehmigung vom 10. Mai 2013, nämlich mit der Genehmigungsfähigkeit des ursprünglichen Vorhabens, verbunden. Insoweit steht hier nicht eine Änderung des bereits genehmigten Vorhabens im Raume, sondern betrifft die streitgegenständliche Genehmigung nach wie vor das Ausgangsvorhaben, wie es ursprünglich mit Bescheid vom 10. Mai 2013 genehmigt worden und damit Gegenstand des Vergleichs aus dem Verfahren Au 4 K 13.828 gewesen ist. Konsequent bezeichnet der streitgegenständliche Bescheid vom 26. April 2017 das Vorhaben auch nicht als eigenständiges Vorhaben, sondern als „3. Tektur zur Änderung des Stellplatznachweises“; die Bezeichnung des ursprünglichen Vorhabens („Neubau einer Ferienwohnanlage mit Laden und Gaststätte“) ist im Kern – zutreffend – erhalten geblieben. Vorsorglich ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass es für eine Vereinbarkeit eines Vorhabens mit dem Vergleich nicht allein auf die formale Bezeichnung (Tektur, Änderung o.ä.) ankommen kann.
Offen kann auch bleiben, ob Änderungen des Vorhabens, die Nachbarrechte des klägerischen Grundstücks nicht berühren oder sich für dieses gar begünstigend auswirken, von dem im Vergleich enthaltenen „Unverändertbleibens“-Klausel nicht erfasst sind. Denn vorliegend weicht die streitgegenständliche Tekturgenehmigung zu Lasten des Klägergrundstücks von der Ausgangsgenehmigung vom 10. Mai 2013 und damit von dem geschlossenen Vergleich ab.
Zunächst sieht der streitgegenständliche Stellplatznachweis (Plan vom 12.10.2016, genehmigt mit Bescheid vom 26.4.2017) im hier fraglichen Bereich nordöstlich des neu errichteten Gebäudes in der Nähe des Klägergrundstücks neun Stellplätze vor, während dort ursprünglich lediglich drei Stellplätze vorgesehen waren (vgl. Plan Grundriss, Erdgeschoss mit Außenanlage, genehmigt mit Bescheid vom 10.5.2013).
Insbesondere aber durften nach Nebenbestimmung Nr. III.9 der Baugenehmigung vom 10. Mai 2013 im Zeitraum vom 22 bis 6 h nur diejenigen Stellplätze genutzt werden, die, gemessen, vom äußersten Rand des Stellplatzes zu den Aufenthaltsraumfenstern der benachbarten Wohnungen, einen Abstand von 15 m aufweisen. Wie die im vorliegenden Verfahren eingeholte weitere Stellungnahme des Umweltschutzingenieurs des Landratsamts vom 26. Juli 2017 bestätigt (S. 2 unter B; S. 6 unten), hatte diese Entfernungsvorgabe zur Folge, dass die im fraglichen Bereich ursprünglich vorgesehenen drei Stellplätze zur Nachtzeit nicht genutzt werden durften (vgl. auch Entfernungsangaben in Anlage 1 zur Stellungnahme des Umweltingenieurs vom 26.7.2017). Eine Beschränkung des nächtlichen Nutzungsausschlusses eine auf gewerbliche Nutzung ist dem Wortlaut der Nebenbestimmung nicht zu entnehmen. Nunmehr lässt Nebenbestimmung Nr. III.2 des Bescheids vom 26. April 2017 eine dem Wohnen zugeordnete nächtliche Nutzung (22 – 6 h) der im fraglichen Bereich vorgesehenen neun Stellplätze zu, wobei der Beklagte davon ausgeht, dass „dem Wohnen zugeordnet“ eine Nutzung für die Ferienwohnungen meint (vgl. Stellungnahmen Umweltschutzingenieur vom 26.4.2017, Bl. 16 Behördenakt; vom 26.7.2017, S. 7 – 10; dazu noch unten unter Nr. 2.2). Dementsprechend wird fachlicherseits bestätigt, dass sich durch die streitgegenständliche Tekturgenehmigung die Immissionssituation für das klägerische Anwesen gegenüber der Ausgangssituation (Genehmigung vom 10.5.2013) augenscheinlich verschlechtert habe (Stellungnahme Umweltschutzingenieur vom 26.7.2017, S. 2 unter B). Damit liegt auch entgegen dem gerichtlichen Vergleich eine Verschlechterung vor, nach dem die Baugenehmigung bis auf die vereinbarten Modifizierungen unverändert bleiben sollte.
Dass sich der Vergleich nicht zur Anzahl, Anordnung und Nutzbarkeit von Stellplätzen verhält, und die entsprechenden Fragen wohl auch nicht Gegenstand der vorangegangenen Vergleichsgespräche waren, ist unerheblich. Vielmehr ist gerade für solche im Vergleich nicht behandelten Aspekte dessen „Unverändertbleibens“-Klausel heranzuziehen.
Einen unzulässigen Vertrag zu Lasten Dritter stellt der Vergleich nicht deshalb dar, weil das errichtete Gebäude nach dem WEG aufgeteilt wurde und die Stellplätze im Gemeinschaftseigentum stehen. Die nunmehrigen Eigentümer des Gebäudes und der Stellplätze sind nicht in dem vom Beklagten angesprochenen Sinne (außenstehende) Dritte, sondern Rechtsnachfolger. Baugenehmigung und Vergleich gelten nach Art. 54 Abs. 2 Satz 3 BayBO sowie nach den bezüglich der Kläger dargestellten Grundsätzen auch zu Gunsten und zu Lasten von Rechtsnachfolgern auf Seiten der Beigeladenen.
Die Kläger können die hier ergangene, einem in einem vorangegangenen gerichtlichen Verfahren geschlossenen Vergleich zu ihren Lasten widersprechende Baugenehmigung mit der Anfechtungsklage angreifen und deren Aufhebung verlangen; insoweit ergibt sich die Rechtswidrigkeit der Genehmigung i.S.d. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO aus ihrer Unvereinbarkeit mit dem Vergleich. Andere, einfachere Rechtsschutzmöglichkeiten zur Erreichung des eigentlichen Klageziels (Beseitigung der Baugenehmigung) sind nicht erkennbar (vgl. zum Anspruch des Nachbarn auf Versagung einer einem Vergleich widersprechenden Baugenehmigung Dirnberger, in: Simon/Busse, BayBO, Art. 66 Rn. 512). Jedenfalls ist eine solche zu Lasten des Nachbarn einem Vergleich widersprechende Baugenehmigung wegen Verstoßes gegen das – im Einfügensgebot des § 34 Abs. 1 BauGB enthaltene – Gebot der Rücksichtnahme i.S.d. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO rechtswidrig. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen ab; namentlich kommt es auf eine Abwägung zwischen dem an, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (vgl. nur BVerwG, B.v. 13.3.2019 – 4 B 39/18 – juris Rn. 9 m.w.N.). Es spricht hier nichts dagegen, das nach Lage der Dinge Zumutbare nach dem zwischen sämtlichen Beteiligten geschlossenen Vergleich zu bestimmen. Hingegen kommt es hier nicht darauf an, was sich für das Gebot der Rücksichtnahme nach sonst – d.h. ohne den Vergleich – heranzuziehenden Maßstäben ergeben würde. Da vorliegend die Tektur-Baugenehmigung zu Lasten der Nachbarn von dem früher geschlossenen Vergleich abweicht, sind die Grenzen des nach dem Rücksichtnahmegebot Zumutbaren überschritten.
Welche Konsequenzen aus dem im Vorprozess geschlossenen Vergleich hinsichtlich des von der Beigeladenen dem östlich auf das Vorhabengrundstück angrenzenden Nachbarn eingeräumten Geh- und Fahrtrechts zu ziehen sind, kann vorliegend offen bleiben, weil die streitgegenständliche Tekturgenehmigung hierüber keine Aussage trifft. Insofern ist der Vollzug der Baugenehmigung bzw. eine zivilrechtliche Fragestellung angesprochen.
2. Die streitgegenständliche Tekturbaugenehmigung vom 26. April 2017 ist auch deshalb zu Lasten der Kläger rechtswidrig, weil sie entgegen Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG nicht hinreichend bestimmt ist.
Nach Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG muss die Baugenehmigung hinreichend bestimmt sein, d.h. die im Bescheid getroffene Regelung muss für die Beteiligten – gegebenenfalls nach Auslegung – eindeutig zu erkennen und einer unterschiedlichen subjektiven Bewertung nicht zugänglich sein. Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls, wobei Unklarheiten zu Lasten der Behörde gehen. Nachbarn müssen zweifelsfrei feststellen können, ob und in welchem Umfang sie betroffen sind. Eine Verletzung von Nachbarrechten liegt vor, wenn die Unbestimmtheit der Baugenehmigung ein nachbarrechtlich relevantes Merkmal betrifft (vgl. BayVGH, B.v. 15.02.2019 – 9 CS 18.2610 – juris Rn. 10). So liegen die Dinge hier.
2.1 Nach Nr. III.1 des streitgegenständlichen Bescheids vom 26. April 2017 sind die Auflagen und Bedingungen der Erstgenehmigung bzw. der vorangegangenen Genehmigungen einzuhalten. Damit wird u.a. Nr. III.9 der Ausgangsgenehmigung vom 10. Mai 2013 für anwendbar erklärt, wonach eine nächtliche Nutzung von Stellplätzen, die, gemessen, vom äußersten Rand des Stellplatzes zu den Aufenthaltsraumfenstern der benachbarten Wohnungen, einen Abstand von 15 m aufweisen, vollständig ausgeschlossen ist. Demgegenüber lässt Nr. III.2 des streitgegegenständlichen Bescheids eine dem Wohnen zugeordnete nächtliche Nutzung der nunmehr genehmigten Stellplätze zu, obwohl die Stellplätze Nr. 11, 12, 14 – 16 das 15m-Kriterium des Bescheids vom 10. Mai 2013 unterschreiten (vgl. Stellungnahme Umweltschutzingenieur vom 26.7.2017, S. 9 unter C-5, Abschnitt A) und damit nach Nr. III.9 der Ausgangsgenehmigung – welche nach Nr. III.1. des streitgegenständlichen Bescheids weiter gelten soll – von einer nächtlichen Nutzung ausgeschlossen wären. Zwar mag der Beklagte Nr. III.2 des streitgegenständlichen Bescheids ggfs. als Spezialbestimmung zu Nr. III.1 angesehen haben. Hinreichend deutlich wird dies aus dem streitgegenständlichen Bescheid jedoch nicht, zumal damit eine konkludente Änderung von Nr. III.9 des Ausgangsbescheids erfolgt wäre, was seinerseits hier dem Bestimmtheitsgebot zuwiderläuft. Da es sich bei den in den Bescheiden enthaltenen Nutzungsbeschränkungen für die Stellplätze um nachbarrelevante Nebenbestimmungen handelt, betrifft die Unbestimmtheit auch ein nachbarrelevantes Merkmal betrifft.
2.2 Ferner ist die Nebenbestimmung Nr. III.2 des streitgegenständlichen Bescheids zu unbestimmt, weil die dortige Differenzierung einer nächtlichen Nutzung der aufgeführten Stellplätze (Wohnen – zulässig; gewerbliche Nutzung – unzulässig) nicht in mit dem genehmigten Vorhaben in Einklang zu bringen ist. Insoweit ist nicht nur eine Frage des Vollzugs der Nebenbestimmung angesprochen, sondern ist davon auszugehen, dass die getroffene Differenzierung bei dem hier genehmigten Vorhaben nicht umsetzbar ist, so dass für das klägerische Nachbargrundstück wiederum eine Betroffenheit nicht hinreichend erkennbar ist.
Schon die Bezeichnung des genehmigten – auch von der streitgegenständlichen Tektur erfassten – Vorhabens („…Ferienwohnanlage mit … Gaststätte“) lässt erkennen, dass es sich um ein einheitliches Vorhaben und damit um ein Angebot an Nutzer / Kunden handelt, aus dem nicht einzelne Elemente (insbesondere Ferienwohnungen einerseits / Gaststätte andererseits) herausgelöst werden können. Insbesondere entspricht es der Lebenserfahrung – bzw. ist das Angebot in den errichteten Gebäuden gerade darauf zugeschnitten -, dass Nutzer der Ferienwohnungen auch die Gaststätte nutzen, so dass aus Nebenbestimmung Nr. III.2 nicht hinreichend klar wird, ob für solche Nutzer nachts auf die dort aufgeführten Stellplätze zurückgegriffen werden könnte. Sollte die Nebenbestimmung so zu verstehen sein, dass die Stellplätze nur für Kunden, die ausschließlich die Gaststätte aufsuchen, nachts nicht nutzbar sein sollen, würde dies aus der Formulierung ebenfalls nicht hinreichend deutlich.
Zudem handelt es sich vorliegend, wie auch beim Augenscheinstermin klargestellt wurde, um eine gewerbliche Ferienwohnungsvermietung. Unter anderem wegen des Vorhandenseins einer Rezeption (vgl. bereits ursprünglich genehmigter Plan Grundriss; Erdgeschoss mit Außenanlagen vom 9.4.2013) handelt es sich um ein hotel-ähnliches Vorhaben, mithin um einen Betrieb des Beherbergungsgewerbes gem. § 6 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO. Schon vor Einfügung des § 13a in die BauNVO – welche die Vermietung von Ferienwohnungen nunmehr regelmäßig als im planungsrechtlichen Sinne gewerblich einstuft – war in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Aufenthalt in Ferienwohnungen kein Wohnen im Sinne der BauNVO darstellt (BVerwG, U.v. 18.10.2017 – 4 CN 6/17 – juris LS 1). Auch vor diesem Hintergrund ist zu Lasten des benachbarten klägerischen Grundstücks der Anwendungsbereich der Nebenbestimmung Nr. III.2 unklar, d.h. in welchem Umfang die nächtliche Nutzung der dort aufgeführten Stellplätze („dem Wohnen zugeordnet“) zulässig sein soll.
2.3 Auf eine isolierte Anfechtung der unbestimmten Nebenbestimmungen Nr. III.1 und III.2 war die Klägerseite nicht zu verweisen, da anderenfalls die streitgegenständliche Tekturbaugenehmigung keine nachbarschützenden Nebenbestimmungen, insbesondere bezüglich der nächtlichen Stellplatznutzung, mehr enthielte. Insofern könnte die Genehmigung ohne diese Nebenbestimmungen offenkundig nicht sinnvoller- und rechtmäßigerweise bestehen bleiben (vgl. etwa BVerwG, U.v. 17.10.2012 – 4 C 5/11 – BVerwGE 144, 341 – juris Rn. 5).
Der Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Es entspricht der Billigkeit, dass die Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt, weil sie sich mangels Antragstellung nicht in ein Kostenrisiko begeben hat (§§ 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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