Baurecht

Übergangsregelung für nicht veranlagte Altanschließer

Aktenzeichen  20 B 16.330

Datum:
1.10.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 26775
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KAG Art. 5 Abs. 2, Abs. 6 S. 1
BGS-WAS § 5 Abs. 9, § 8, § 19 Abs. 1
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1
BauGB § 35, § 134 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Eine Übergangsregelung in einer Abgabesatzung, wonach von vorangegangenen Satzungen erfasste Beitragstatbestände als abgeschlossen behandelt werden, ohne dass sie bestandskräftig veranlagt wurden, verstößt gegen den Gleichheitssatz und führt zur Nichtigkeit des gesamten Beitragsteils (Fortführung von BayVGH, U.v. 10.9.1997 – 23 B 94.3773). (Rn. 28)
2. Ein auf eine unwirksame Beitragssatzung gestützter Beitragsbescheid wird rückwirkend auf den Zeitpunkt seiner Bekanntgabe (ex tunc) rechtmäßig, wenn der nachträglich erlassenen, erstmals wirksamen Satzung Rückwirkung zukommt. Anderenfalls wird der Beitragsbescheid erst mit dem Inkrafttreten der erstmals wirksamen Satzung (ex nunc) rechtmäßig (Fortführung von BayVGH, U.v. 1.2.2018 – 20 BV 15.1025). (Rn. 31)

Verfahrensgang

Au 1 K 14.1535 2015-03-17 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 17. März 2015, Az. Au 1 K 14.1535, wird geändert. Der Bescheid des Beklagten vom 25. November 2013 zur Festsetzung eines Herstellungsbeitrags für die Wasserversorgungseinrichtung wird aufgehoben.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.
III. Dieser Beschluss ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Kostenbetrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Der Senat entscheidet nach Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für begründet hält (§ 130a VwGO).
Die Berufung des Klägers ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen, denn der angefochtene Herstellungsbeitragsbescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Berufung führt daher zur Änderung des erstinstanzlichen Urteils.
1. Nach Art. 5 Abs. 1 KAG können die Gemeinden zur Deckung ihres anderweitig nicht gedeckten Aufwandes für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen Beiträge von den Grundstückseigentümern und Erbbauberechtigten erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere Vorteile bietet. Zu diesen Einrichtungen zählen auch öffentlich betriebene Entwässerungseinrichtungen, wie die des Beklagten. Die Befugnis zur Erhebung von Abgaben aufgrund eigener Abgabesatzungen ist gemäß Art. 22 Abs. 1 KommZG mit der Gründung des Zweckverbandes auf den Beklagten übergegangen.
2. Gemessen daran ist der angefochtene Beitragsbescheid rechtswidrig. Zwar ist die sachliche Beitragspflicht (a)) mit dem Inkrafttreten der (erstmals wirksamen) BGS-WAS 2018 entstanden (b)). Damit ist der streitgegenständliche Beitragsbescheid mangels Rückwirkung dieser Satzung erst ab diesem Zeitpunkt rechtmäßig geworden (c)). In diesem Zeitpunkt war der Kläger jedoch nicht mehr persönlich beitragspflichtig, weshalb von ihm kein Herstellungsbeitrag erhoben werden durfte (d)).
a) Voraussetzung für das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG ist neben dem Erschlossensein des Grundstücks durch eine grundsätzlich betriebsfertigte Einrichtung und dem Bestehen eines Anschlussbedarfs oder eines tatsächlichen Anschlusses an die öffentliche Wasserversorgung auch das Bestehen einer wirksamen Beitragssatzung zur Erhebung des Herstellungsbeitrags (stRspr., z.B. BayVGH, B.v. 29.1.2018 – 20 CS 17.1824 – juris Rn. 17 m.w.N.). Gemäß Art. 5 Abs. 2a Satz 1 KAG entsteht ein zusätzlicher Beitrag, wenn sich nachträglich die für die Beitragsbemessung maßgeblichen Umstände ändern und sich dadurch der Vorteil erhöht. Dies ist hier der Fall, weil durch das Inkrafttreten des Bebauungsplans Nr. 18 „Gewerbegebiet Nord“ der Gemeinde O. auf den vorher im Außenbereich gemäß § 35 BauGB gelegenen klägerischen Grundstücken durch positive Festsetzungen Baurecht geschaffen beziehungsweise durch Erhöhung der zulässigen Geschossfläche erweitert wurde. Damit hat sich der den klägerischen Grundstücken durch den Anschluss an die öffentliche Wasserversorgungseinrichtung vermittelte Vorteil bei der gebotenen, das Beitragsrecht prägenden typisierenden Betrachtungsweise anhand des von dem Beklagten zugrunde gelegten Beitragsmaßstabes der zulässigen Geschossfläche nachträglich erhöht. Der Beklagte durfte deshalb grundsätzlich nach Art. 5 Abs. 2a Satz 1 KAG, § 5 Abs. 9 BGS-WAS einen zusätzlichen Beitrag erheben.
Dabei geht der Senat von der Wirksamkeit des Bebauungsplanes Nr. 18 „Gewerbegebiet Nord“ in dem durch die streitgegenständliche Beitragserhebung erfassten Bereich aus. Zwar bindet der den Normenkontrollantrag eines Dritten insoweit abweisende Teil des Urteils des 15. Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 18. Dezember 2012 (Az. 15 N 10.2219) den erkennenden Senat in rechtlicher Hinsicht nicht, weil nur die Unwirksamerklärung einer untergesetzlichen Rechtsnorm im Normenkontrollverfahren gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO allgemein verbindlich ist (vgl. Schmidt in Eyermann, VwGO, § 47 Rn. 101; Panzer in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 47 Rn. 119). Dem gegenüber bindet die Abweisung des Normenkontrollantrags nur die Beteiligten des Normenkontrollverfahrens (Schmidt in Eyermann a.a.O., Rn. 103; Panzer in Schoch/Schneider/Bier a.a.O., Rn. 120). Der erkennende Senat geht aber – schon um divergierende Entscheidungen verschiedener Senate desselben Gerichtes zu derselben Rechtsnorm zu vermeiden – bei seiner auf das Beitragsrecht beschränkten Prüfung von der Wirksamkeit eines nicht für unwirksam erklärten Bebauungsplanes aus. Der Rechtsschutz des Klägers wird dadurch nicht verkürzt, zumal es ihm möglich gewesen wäre, innerhalb der Jahresfrist gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO selbst einen Normenkontrollantrag zu stellen (vgl. Schmidt in Eyermann a.a.O.; Panzer in Schoch/Schneider/Bier a.a.O.). Im Übrigen kommt es auf die Frage des zusätzlichen Vorteils im vorliegenden Falle nicht entscheidungserheblich an (siehe unten d)).
b) Erstmals wirksames Satzungsrecht zur Erhebung von Herstellungsbeiträgen für die Wasserversorgung des Beklagten wurde aber erst mit der BGS-WAS 2018 geschaffen. Denn die vorherigen Beitragssatzungen des Beklagten sind nichtig.
aa) Dies gilt zum einen für die BGS-WAS 2010, auf welche der Beklagte den streitgegenständlichen Beitragsbescheid gestützt hat. Diese Satzung ist wegen einer rechtswidrigen Übergangsregelung in § 18 insgesamt nichtig. Nach der Übergangsregelung in § 18 der Satzung werden Beitragstatbestände, die von vorangegangenen Satzungen erfasst werden sollten, als abgeschlossen behandelt. Diese Übergangsregelung verstößt gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und ist damit nichtig. Dies führt zur Gesamtnichtigkeit des Beitragsteiles der BGS-WAS 2010 (BayVGH, B.v. 19.6.2018 – 20 ZB 17.569, 20 ZB 17.570 – juris Rn. 2; U.v. 23.11.1993 – GK 1994 Rn. 147). Das folgt aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 BV), der bei dem Erlass einer Beitragssatzung zu beachten ist. Der Gleichheitssatz untersagt dem Normgeber, gleiche Sachverhalte, die aus der Natur der Sache und unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit eine gleichartige Regelung erfordern, ungleich zu behandeln. Der Gleichheitssatz verlangt allerdings keine schematische Gleichbehandlung, sondern lässt Differenzierungen zu, die durch sachliche Erwägungen gerechtfertigt sind; er verbietet Willkür. Es bleibt dem Ermessen des Satzungsgebers überlassen zu entscheiden, in welcher Weise dem allgemeinen Gedanken der Angemessenheit, Billigkeit und Zweckmäßigkeit Rechnung zu tragen ist. Hierbei wird er allerdings nachvollziehbare Erwägungen anstellen müssen, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigen. Nur wenn die Grenzen dieses Ermessens überschritten sind, wenn für die getroffene Regelung ein sachlich einleuchtender Grund fehlt, ist der Gleichheitssatz verletzt. Es ist zulässig, im Rahmen einer Übergangsregelung die Gültigkeit einer inzwischen als nichtig erkannten Beitragsregelung in einer Beitrags- und Gebührensatzung für leitungsgebundene Einrichtungen zu unterstellen und die aus danach „erfüllten“ Tatbeständen entstandenen Abgabepflichten, zu deren Durchsetzung inzwischen bestandskräftig gewordene Bescheide ergangen sind, als abgegolten zu behandeln (vgl. BayVGH, U.v. 16.12.1988 – 23 B 88.02218 – BayVBl. 1989, 629). Darüber hinaus liegt es im weiten Ermessensspielraum des Satzungsgebers, eine solche Übergangsregelung auch auf „erfüllte“ Beitragstatbestände nach früherem, ungültigen Satzungsrecht zu erstrecken, die noch nicht durch den Erlass eines bestandskräftig gewordenen Bescheides als „abgeschlossen“ zu betrachten sind, und eine Heranziehung in Höhe der nach der alten nichtigen Regelung bestimmten Sätze zu begrenzen (BayVGH, U.v. 10.9.1997 – 23 B 94.3773 – juris). Der Einwand des Beklagten, der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes zugunsten bisher nicht durch einen bestandskräftigen Beitragsbescheid herangezogener Beitragspflichtiger verbiete eine solche Übergangsregelung, verfängt nicht. Denn bei fehlgeschlagenem Satzungsrecht muss ein bisher nicht veranlagter Beitragspflichtiger damit rechnen, zu einem späteren Zeitpunkt gegebenenfalls mit einem anderen Beitragsmaßstab und auch mit höheren Beitragssätzen herangezogen zu werden. Ein Vertrauensschutz für nicht bestandskräftig abgeschlossene Beitragstatbestände besteht grundsätzlich nicht (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 15.4.1983 – 8 C 170.81 -juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 16.5.2008 – 20 ZB 08.903 – juris Rn. 6 m.w.N.), solange nicht die Ausschlussfrist von 20 Jahren nach Entstehung der Vorteilslage gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) bb) KAG abgelaufen ist (dazu BVerfG, B.v. 5.3.2013 – 1 BvR 2457/08 – juris). Unzulässig ist es jedoch, wie hier geschehen, Beitragstatbestände als abgeschlossen zu betrachten, auch wenn bisher keine Beitragsveranlagung vorgenommen wurde. Eine solche Ungleichbehandlung von Alt- und Neuanschließern ist nicht gerechtfertigt. Sachliche Differenzierungsgründe hierfür wurden nicht vorgetragen, sie sind auch sonst nicht ersichtlich.
bb) Die BGS-WAS 1992 des Beklagten ist, wie das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt hat und wovon auch der Beklagte ausgeht, aus mehreren Gründen unwirksam. § 5 Abs. 7 Satz 1 BGS-WAS 1992 enthält für bebaute Grundstücke im Außenbereich einen unzulässigen Beitragsmaßstab. Denn hier wird auf die genehmigte anstatt auf die tatsächliche Bebauung abgestellt (vgl. dazu BayVGH, U.v. 22.11.2007 – 23 N 07.1472, 23 N 07.1678 – juris Rn. 42; U.v. 15.12.1999 – 23 B 98.3206 – juris Rn. 62). Ein Grundstück im Außenbereich wird nicht bereits mit der Erteilung eines Bauvorbescheides oder einer Baugenehmigung im beitragsrechtlichen Sinne bebaubar, sondern erst mit der Realisierung dieses Bauvorhabens (vgl. BayVGH, U.v. 26.6.2017 – 20 B 16.190 – juris Rn. 22 m.w.N.). Deshalb bestimmt sich die zulässige Geschossfläche eines Grundstücks im Außenbereich ausschließlich nach der tatsächlich vorhandenen Bebauung; d. h. zulässige Bebauung und vorhandene Bebauung sind in diesem Fall identisch (vgl. Kraheberger in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 740 f., 740 i; Stadlöder in Schieder/Happ, KAG, Art. 5 Rn. 149). Des Weiteren enthielt § 5 Abs. 7 Satz 4 BGS-EWS 1992 eine unzulässige Dachgeschossregelung, wonach Kellergeschosse und Dachgeschosse nur herangezogen werden, soweit sie Vollgeschosse im Sinne des Baurechts sind oder Räume enthalten, die auf die zulässige Geschossfläche anzurechnen sind (mit Verweis auf § 20 BauNVO). Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats können Dachgeschossflächen nämlich nur dann zu einem Beitrag herangezogen werden, soweit sie ausgebaut sind, weil erst der konkrete Ausbauzustand eines Dachgeschosses gewährleistet, dass eine über die typische Dachbodennutzung (Speichernutzung) hinausgehende Nutzung möglich ist. Da sich bei Grundstücken im Außenbereich die zulässige Geschossfläche bzw. die zulässige Zahl der Vollgeschosse eines Grundstücks abgabenrechtlich ausschließlich nach vorhandenen Bebauung bestimmt, das heißt zulässige Bebauung und vorhandene Bebauung in diesem Fall identisch sind, ist eine Regelung, die Dachgeschosse von Gebäuden im Außenbereich unabhängig von deren Ausbauzustand heranzieht, rechtlich unzulässig (BayVGH, B.v. 26.2.2008 – 20 ZB 08.160 – juris Rn. 6; U.v. 22.11.2007 – 23 N 07.1472, 23 N 07.1678 – juris Rn. 40). Dass der Beklagte von einer vorteilsadäquaten Regelung für Außenbereichsgrundstücke, aufgrund derer die Grundstückseigentümer im Falle einer Bebauung wie auch die Eigentümer (oder Erbbauberechtigten) von Grundstücken im Bereich eines qualifizierten Bebauungsplans oder im bauplanungsrechtlichen Innenbereich zu Herstellungsbeiträgen herangezogen werden können, etwa deswegen hätte absehen können, weil es keine (bebauten) Außenbereichsgrundstücke gegeben habe und in Zukunft nicht geben würde, kann nicht angenommen werden. Vielmehr gibt es im Einrichtungsgebiet des Beklagten bebaute Außenbereichsgrundstücke. Mithin stellt eine gültige Außenbereichsregelung einen notwendigen Satzungsbestandteil dar, dessen Fehlen die Nichtigkeit des gesamten Beitragsteils der Satzung nach sich zieht (BayVGH, B.v. 26.2.2008 – 20 ZB 08.160 – juris Rn. 8). Außerdem enthielt § 5 Abs. 7 Satz 5 BGS-EWS 1992 eine unzulässige Nebengebäuderegelung, nach der Gebäude oder selbstständige Gebäudeteile, die nach der Art ihrer Nutzung keinen Bedarf nach Wasserversorgung auslösen, nicht herangezogen werden; das gilt nicht für Geschosse, die tatsächlich einen Wasseranschluss haben. Diese in ihrem Wortlaut eindeutigen Beschränkungen auf Geschosse oder Geschossflächen verstoßen nach ständiger Rechtsprechung des Senats gegen das Prinzip des adäquaten Vorteilsausgleichs und den Gleichheitssatz, weil der durch den Anschluss erlangte Vorteil das gesamte Gebäude oder dessen gesamten selbstständigen Gebäudeteil erfasst. Solche Regelungen führen zur Nichtigkeit der jeweiligen Abgabensatzung im gesamten Beitragsteil (BayVGH, B.v. 26.2.2008 – 20 ZB 08.160 – juris Rn. 5 m.w.N.).
cc) Damit konnte die sachliche Beitragspflicht erst mit Inkrafttreten der BGS-WAS 2018 entstehen. Die BGS-WAS 2018 ist nach ihrem § 19 Abs. 1 eine Woche nach ihrer Bekanntmachung (am 26.4.2018), mithin am 11. Mai 2018 in Kraft getreten. Eine Rückwirkungsanordnung enthält die Satzung nicht.
c) Dies führt dazu, dass der streitgegenständliche Beitragsbescheid erst mit dem Inkrafttreten dieser Satzung über eine wirksame Rechtsgrundlage verfügt. Zwar kann ein nicht bestandskräftiger Beitragsbescheid, der wegen nichtiger Satzung zunächst rechtswidrig ist, auch durch eine wirksame neue Satzung, der keine Rückwirkung zukommt, rechtmäßig werden, soweit die 20-Jahresfrist des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) bb) KAG im Zeitpunkt des Erlasses der neuen Beitragssatzung noch nicht abgelaufen ist (BayVGH, U.v. 1.2.2018 – 20 BV 15.1025 – juris Rn. 50 mit Verweis auf BayVGH, B.v. 6.4.2000 – 23 CS 99.3727 – juris). Dabei handelt es sich jedoch grundsätzlich nicht um eine (rückwirkende) Heilung der anfänglichen Rechtswidrigkeit des Beitragsbescheides, sondern ein Rechtmäßigwerden mit Wirkung für die Zukunft. Wie der Senat im Urteil vom 1. Februar 2018 (a.a.O.) ausgeführt hat, ändert das Inkrafttreten erstmals wirksamen Satzungsrechts die materielle Rechtslage mit Wirkung für die Zukunft und lässt den prozessualen Aufhebungsanspruch gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO entfallen, sofern der Bescheid nicht aus anderen Gründen rechtswidrig ist. Dem gegenüber setzte das Rechtmäßigwerden des Beitragsbescheides mit Wirkung ex tunc, das heißt ab dem Zeitpunkt seiner Bekanntgabe, überdies eine Rückwirkung der später erlassenen, erstmals wirksamen Beitragssatzung auf diesen Zeitpunkt voraus. Eine solche Rückwirkungsanordnung ist in einer Beitragssatzung auch grundsätzlich zulässig, soweit davon nur solche Beitragstatbestände erfasst werden, die noch nicht bestandskräftig veranlagt wurden (vgl. BVerwG, U.v. 25.11.1981 – 8 C 14.81 – juris Rn. 19; U.v. 27.4.1990 – 8 C 87.88 – juris Rn. 14). In diesen Fällen handelt es sich um eine unechte Rückwirkung oder tatbestandliche Rückanknüpfung und nicht um eine verfassungsrechtlich besonders rechtfertigungsbedürftige Rückbewirkung von Rechtsfolgen auf einen abgeschlossenen Sachverhalt in der Vergangenheit (echte Rückwirkung; vgl. zur Abgrenzung BVerfG, B.v. 12.11.2015 – 1 BvR 2961/14, 1 BvR 3051/14 – juris Rn. 40 ff.). Denn die Veranlagung durch einen noch nicht bestandskräftigen Beitragsbescheid knüpft nicht an einen in der Vergangenheit liegenden, bereits abgeschlossenen Sachverhalt neue belastende Rechtsfolgen, wie dies bei einer echten Rückwirkung der Fall wäre. Vielmehr ist der Beitragstatbestand nicht abgeschlossen, solange keine bestandskräftige Veranlagung vorliegt und die 20-jährige Ausschlussfrist nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) bb) KAG noch nicht abgelaufen ist. Ist hingegen die erstmals wirksame Beitragssatzung – wie hier die BGS-WAS 2018 – nicht mit einer Rückwirkung versehen, vermag sie dem Beitragsbescheid erst mit ihrem Inkrafttreten, also ex nunc, eine wirksame Rechtsgrundlage zu verleihen.
Ohne Erfolg wendet der Beklagte dem gegenüber ein, dass die BGS-WAS 2018 in § 18 Abs. 2 eine „unechte Rückwirkung“ vorsehe. Dabei handelt es sich jedoch nicht um eine Rückwirkungsanordnung, sondern um eine Übergangsregelung für noch nicht bestandskräftig veranlagte Beitragstatbestände, die bereits von dem früheren, nichtigen Satzungsrecht erfasst waren. Der Beklagte begründet mit dieser Satzungsregelung die sachliche Beitragspflicht auch für Grundstücke, die bereits vor dem Inkrafttreten der BGS-WAS 2018 an eine grundsätzlich betriebsfertige Einrichtung angeschlossen waren oder hätten angeschlossen werden können, bei denen es also für das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht nur an einer wirksamen Beitragssatzung fehlte. Hingegen vermag die angesprochene Satzungsregelung nicht rückwirkend die persönliche Beitragspflicht einer natürlichen oder juristischen Person zu begründen, die im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht nicht mehr Grundstückseigentümer oder Erbbauberechtigter ist.
d) Jedoch war der Kläger im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht mit Inkrafttreten der BGS-WAS 2018 am 11. Mai 2018 nicht mehr Eigentümer oder Erbbauberechtigter des beitragspflichtigen Grundstücks, weshalb es an der persönlichen Beitragspflicht als zusätzlicher Voraussetzung der Beitragserhebung fehlt. Denn die persönliche Beitragspflicht trifft nur diejenigen natürlichen oder juristischen Personen, die im Zeitpunkt des Entstehens der (sachlichen) Beitragspflicht Grundstückseigentümer oder Erbbauberechtigte sind (Art. 5 Abs. 6 Satz 1 KAG). Diese eindeutige und auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende (BayVerfGH, E.v. 4.11.1976 – Vf. 6-VII-75 – BayVBl. 1977, 241; BVerwG, U.v. 18.10.1977 – VII B 81.77 – juris) Aussage des Gesetzes lässt es nicht zu, für die Bestimmung des Beitragsschuldners auf einen anderen Zeitpunkt, etwa wie im Erschließungsbeitragsrecht auf die Zustellung des Beitragsbescheides (§ 134 Abs. 1 BauGB) abzustellen (Stadlöder in Schieder/Happ, KAG, Art. 5 Rn. 228; BayVGH, B.v. 12.11.2015 – 6 CS 15.1925 – juris Rn. 8). Zwar lässt ein Eigentumswechsel eine einmal entstandene Beitragsschuld unberührt (vgl. Stadlöder in Schieder/Happ, KAG, Art. 5 Rn. 229). Die Entstehung einer Beitragsschuld durch das Erfüllen des satzungsmäßigen Beitragstatbestandes setzt jedoch das Vorhandensein wirksamen Satzungsrechtes voraus, woran es hier bis zum Inkrafttreten der BGS-WAS 2018 gerade fehlte.
Der Kläger war im maßgeblichen Zeitpunkt des Inkrafttretens der BGS-WAS 2018 nicht mehr Grundstückseigentümer, denn er hat die zu veranlagenden Grundstücke Fl. Nr. 108/1 und 109/3, die zusammen mit einem weiteren nicht zu veranlagenden Grundstück durch Verschmelzung zur Fl. Nr. 109/3 wurden, Ende 2014 an die K… GmbH & Co. KG verkauft. Die Eintragung der K… GmbH & Co. KG als Eigentümerin des (durch Verschmelzung entstandenen) Grundstücks Fl. Nr. 109/3 im Grundbuch erfolgte Anfang 2015. Seine Anteile an der K… GmbH & Co. KG hat der Kläger im Übrigen mit Urkunde vom 22. Januar 2015 an Herrn E. J. aus S. verkauft (vgl. Blatt 183 ff. der Akte des Berufungsverfahrens).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 Abs. 2 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
4. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).


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