Baurecht

Unwirksamkeit eines Bebauungsplans wegen formeller Mängel

Aktenzeichen  2 N 17.1002

Datum:
10.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 32483
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 47 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1
BauGB § 1 Abs. 7, § 2 Abs. 3
18. BImSchV § 5 Abs. 4

 

Leitsatz

1. Derjenige, der einen Bebauungsplan als nicht unmittelbar Betroffener angreift, muss aufzeigen, dass seine aus dem Abwägungsgebot (§ 1 Abs. 7, § 2 Abs. 3 BauGB) folgenden Rechte verletzt sein könnten. Das setzt voraus, dass die Planung einen abwägungserheblichen Belang der Antragsteller berührt. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Besteht eine Satzung aus mehreren Textteilen und einem oder mehreren Planteilen, müssen diese entweder körperlich untrennbar miteinander verbunden sein oder es müssen grundsätzlich alle Teile gesondert ausgefertigt werden. Die Ausfertigung allein eines oder mehrerer Textteile genügt nur dann, wenn durch eindeutige Angaben oder auf andere Weise jeder Zweifel an der Zugehörigkeit der weiteren Plan- oder Textteile zu der beschlossenen Satzung ausgeschlossen wird („gedankliche Schnur“). (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
3. § 5 Abs. 4 der 18. BImSchV entbindet nicht von der Verpflichtung, eine Abwägung im Hinblick auf die Immissionsbelastung vorzunehmen. Die Privilegierung von Altanlagen rechtfertigt keine generelle Erhöhung der Richtwerte bei deren Beurteilung. Es ist darin kein allgemeiner Zuschlag von 5 dB(A) zu sehen. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die 8. Änderung des Bebauungsplans „B“ der Antragsgegnerin wird für unwirksam erklärt.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Antragsgegnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Antragsteller vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Der zulässige Normenkontrollantrag der Antragsteller nach Art. 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ist begründet. Die 8. Änderung des Bebauungsplans „B“ der Antragsgegnerin ist unwirksam.
1. Der Antrag ist zulässig, insbesondere sind die Antragsteller gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt. Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist im Normenkontrollverfahren jede natürliche oder juristische Person antragsbefugt, die geltend macht, durch die angegriffene Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Derjenige, der einen Bebauungsplan als nicht unmittelbar Betroffener angreift, muss aufzeigen, dass seine aus dem Abwägungsgebot (§ 1 Abs. 7, § 2 Abs. 3 BauGB) folgenden Rechte verletzt sein könnten (vgl. BVerwG, U.v. 10.3.1998 – 4 CN 6.97 – NVwZ 1998, 732). Das setzt voraus, dass die Planung einen abwägungserheblichen Belang der Antragsteller berührt.
Nach diesen Maßstäben ist die Antragsbefugnis des Antragstellers zu 1 zu bejahen. Er kann geltend machen, in seinem Recht auf gerechte Abwägung (§ 1 Abs. 7 BauGB) verletzt zu sein. Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass den Belangen seines Tennisbetriebs und dem in diesem Zusammenhang befürchteten Immissionskonflikt mit der aufgrund des Bebauungsplans heranrückenden Wohnbebauung im Rahmen der planerischen Abwägung nicht hinreichend Rechnung getragen worden ist. Ebenso ist die Antragstellerin zu 2 antragsbefugt. Sie kann sich darauf berufen, dass durch die im Bebauungsplan festgesetzte Bauraumausweisung das zu Gunsten ihres Grundstücks bestehende, notariell geschlossene Bebauungsverbot verletzt sein könnte. Denn nach den vorliegenden Plänen kann nicht ausgeschlossen werden, dass der durch die Änderungsplanung festgesetzte Bauraum zum Teil in die von Bebauung freizuhaltende Fläche hineinragt. Dabei handelt es sich um einen abwägungserheblichen Belang im Sinn von § 1 Abs. 7 BauGB.
2. Der Antrag ist auch begründet. Die 8. Änderung des Bebauungsplans ist ungültig im Sinn von § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO, weil sie jedenfalls an zu ihrer Unwirksamkeit führenden formellen Mängeln leidet.
a) Die Bebauungsplanänderung ist nicht ordnungsgemäß ausgefertigt bzw. nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht.
Gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 BauGB ist ein Bebauungsplan bzw. seine Änderung ortüblich bekannt zu machen. Die Ausfertigung einer Satzung und deren Bekanntmachung sind landesrechtlich in Art. 26 GO geregelt. Nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 GO sind Satzungen auszufertigen und im Amtsblatt der Gemeinde amtlich bekannt zu machen. Die Ausfertigung erfolgt durch handschriftliche Unterschrift des ersten Bürgermeisters oder dessen Stellvertreters auf der Originalurkunde unter Angabe des Datums (vgl. BayVGH, U.v. 16.3.1990 – 23 B 88.00567 – BayVBl 1991, 23; U.v. 10.10.2018 – 2 N 16.1285 – juris). Mit der Ausfertigung wird zum einen die Originalurkunde geschaffen, die den Willen des Normgebers wahrnehmbar macht. Zum anderen bezeugt die Ausfertigung, dass der Inhalt der Urkunde mit dem Beschluss des Normgebers übereinstimmt (Authenzität). Weiter erklärt die Ausfertigung, dass die für die Rechtswirksamkeit maßgeblichen Verfahrensvorschriften beachtet worden sind (Legalität) (vgl. BayVGH, U.v. 16.3.1990 a.a.O.; Bauer/Böhle/Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Stand Juni 2019, Art. 26 GO Rn. 8; Oehler in Schulz/Wachsmuth/Zwick, Kommunalverfassungsrecht Bayern, Stand August 2019, Art. 26 GO Anm. 4). Besteht eine Satzung – wie hier – aus mehreren Textteilen und einem oder mehreren Planteilen, müssen diese entweder körperlich untrennbar miteinander verbunden sein oder es müssen grundsätzlich alle Teile gesondert ausgefertigt werden. Die Ausfertigung allein eines oder mehrerer Textteile genügt nur dann, wenn durch eindeutige Angaben oder auf andere Weise jeder Zweifel an der Zugehörigkeit der weiteren Plan- oder Textteile zu der beschlossenen Satzung ausgeschlossen wird. Erforderlich ist, dass der Plan durch eine Art „gedanklicher Schnur“ mit dem ausgefertigten Textteil der Satzung derart verknüpft ist, dass seine Identifizierung ohne Weiteres möglich ist, sodass jeder Zweifel an der Zugehörigkeit des nicht gesondert ausgefertigten Teils zum ausgefertigten Satzungsteil ausgeschlossen ist (vgl. BayVGH, U.v. 10.10.2018 – 2 N 16.1285 – juris; U.v. 5.2.2009 – 1 N 07.2713 – juris; Bauer/Böhle/ Ecker, Bayerische Kommunalgesetze, Stand Juni 2019, Art. 26 GO Rn. 9; Oehler in Schulz/Wachsmuth/Zwick, Kommunalverfassungsrecht Bayern, Stand August 2019, Art. 26 GO Anm. 4).
Nach den genannten Grundsätzen lag hier keine ordnungsgemäße Ausfertigung aller Teile der am 10. März 2017 bekanntgemachten Satzung, hier der Planurkunde, Teil B, vor. Soweit die Ausfertigung nachgeholt wurde, ist diese zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht.
(1) Die Änderungssatzung mit den textlichen Festsetzungen und Hinweisen, als Teil A bezeichnet, führt auf Seite 2 die Teile A bis F als Bestandteile der Satzung auf. Eine körperliche Verbindung der einzelnen Teile zum Satzungstext besteht nicht. Zwar weist der Teil A der Satzung die üblichen Verfahrensvermerke einschließlich derjenigen für die Ausfertigung des Satzungsbeschlusses und der Bekanntmachung auf. Ebenso ist Teil C des Satzungsbeschlusses, die „Begründung“, vom ersten Bürgermeister unterschrieben und mit Dienstsiegel versehen. Hingegen weist die mit „Teil B: Planzeichnung“ überschriebene Planurkunde, Stand 16. November 2016, weder Verfahrensvermerke noch eine Unterschrift des ersten Bürgermeisters noch ein Dienstsiegel auf. Ohne eine körperliche Verbindung wäre jedoch eine weitere Unterschrift auf der Planurkunde selbst erforderlich gewesen. Denn auch die Beschreibung des Teils B als Bestandteil der Satzung in Teil A enthält weder eine Datumsangabe des Plans noch eine sonstige eindeutige Bezeichnung, aufgrund derer eine zweifelsfreie Zugehörigkeit der Planurkunde mit Stand 16. November 2016 möglich ist.
(2) Die nachgeholte Ausfertigung der Planzeichnung durch den ersten Bürgermeister mit Datum vom 2. Oktober 2019 ist zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht nach § 10 Abs. 3 Satz 1 BauGB, Art. 26 Abs. 2 GO. Denn hierfür fehlt es an der Veröffentlichung der nachgeholten Ausfertigung des Teils B „Planzeichnung“, Stand 16. November 2016, im Amtsblatt der Antragsgegnerin. Insbesondere genügt auch nicht der am 4. Oktober erfolgte Anschlag an der Amtstafel im Rathaus den Anforderungen der Bekanntmachung nach Art. 26 Abs. 2 GO. Denn nach der Vorschrift des Art. 26 Abs. 2 Satz 2 GO darf eine Gemeinde nur dann den Weg der Veröffentlichung durch Anschlag an Gemeindetafeln wählen, wenn sie über kein Amtsblatt verfügt (vgl. Widtmann/Grasser/Glaser, BayGO Stand Mai 2019, Art. 26 Rn. 7). Dies ist hier nicht der Fall. Dementsprechend verlangt die Geschäftsordnung für den Stadtrat der Antragsgegnerin vom 6. Mai 2014 in § 37, dass Satzungen und Verordnungen durch Veröffentlichung im Amtsblatt der Gemeinde bekannt zu machen sind.
b) Die 8. Änderung des Bebauungsplans leidet, wenn nicht an einem beachtlichen Abwägungsmangel, so jedenfalls an einem beachtlichen Verfahrensfehler.
Gemäß § 1 Abs. 7 BauGB sind bei der Aufstellung von Bauleitplänen die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. § 2 Abs. 3 BauGB ergänzt dieses materiell-rechtliche Abwägungsgebot um die Verfahrensanforderung, dass die abwägungserheblichen Belange in wesentlichen Punkten (zutreffend) zu ermitteln und zu bewerten sind. Das Abwägungsgebot ist verletzt, wenn eine sachgerechte Abwägung überhaupt nicht stattfindet, in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, die Bedeutung der betroffenen privaten und öffentlichen Belange verkannt oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (vgl. BVerwG, U.v. 12.12.1969 – IV C 105.66 – BVerwGE 34, 301; U.v. 14.2.1975 – IV C 21.74 – BVerwGE 48, 56).
Daran gemessen ist die Änderungsplanung zumindest verfahrensfehlerhaft. Die Antragsgegnerin hat ihrer Abwägungsentscheidung falsche Tatsachen im Hinblick auf die Immissionsbelastung der zukünftigen Wohnbebauung durch den Tennisbetrieb des Antragstellers zu 1 zugrunde gelegt.
Die Antragsgegnerin hat ausweislich der dem Billigungsbeschluss beigefügten Abwägungstabelle (Punkt 15.7) die Überschreitung des zulässigen Immissionsrichtwerts lediglich am ungünstigsten Immissionspunkt (IPkt. 4) und nur in den Ruhezeiten sonn- und feiertags vor dem Hintergrund der heranziehbaren Regelung des § 5 Abs. 4 der 18. BImSchV für eine akzeptable Toleranz erachtet. Der Umstand der Lärmbelastung sei dem Bauträger auch bekannt. Allein das Drehen des Fensters auf die der Lärmquelle abgewandte Seite führe zu einer Einhaltung der Grenzwerte. Zudem ist unter Punkt 15.2 der Abwägungstabelle ausgeführt, dass aufgrund der Festsetzungen des Bebauungsplans ein drittes (Dach) Geschoss weder bei einem Flachdach noch bei einem Pultdach angeordnet werden könne.
(1) Hier stellt sich zunächst die Frage, ob der Satzungsbeschluss der Antragsgegnerin vom 16. Januar 2017 zur Änderung des Bebauungsplans an einem Abwägungsfehler in Gestalt eines Abwägungsausfalls leidet, weil er eine Abwägung hinsichtlich der zulässigen Immissionsbelastung der geplanten Wohnbebauung vermissen lässt.
Zum einen hat der Bau- und Werksausschuss in seiner Sitzung am 16. Januar 2017 die Satzung einschließlich seiner Begründung (Teil C) vom 16. November 2016 gebilligt. Dagegen weist die vom ersten Bürgermeister ausgefertigte Begründung den Stand 30. Juni 2016 aus. Zum anderen hat der Bau- und Werksausschuss in seinem Billigungsbeschluss zwar die Abwägungstabelle ausdrücklich zum Bestandteil des Beschlusses erklärt, so dass hierin grundsätzlich die Ausübung der Abwägungsentscheidung gesehen werden könnte. Darin sind auch die im Bebauungsplanverfahren vorgebrachten Einwände aufgeführt und behandelt. Fraglich ist aber, ob die Antragsgegnerin zur Problematik der zu erwartenden Immissionsbelastung für die heranrückende Wohnbebauung tatsächlich eine Abwägung getroffen hat oder ob sie von einer Abwägung abgesehen hat, weil sie eine generell zulässige Erhöhung der Immissionsrichtwerte bis zu 5 dB(A) aufgrund der Regelung des § 5 Abs. 4 der 18. BImSchV angenommen hat. Danach soll die zuständige Behörde bei Sportanlagen, die vor Inkrafttreten dieser Verordnung baurechtlich genehmigt oder – soweit eine Baugenehmigung nicht erforderlich war – errichtet waren und danach nicht wesentlich geändert werden, von einer Festsetzung von Betriebszeiten absehen, wenn die Immissionsrichtwerte an den in § 2 Abs. 2 der Verordnung genannten Immissionsorten mit Ausnahme von Nr. 5 jeweils um weniger als 5 dB(A) überschritten werden. Die Regelung des § 5 Abs. 4 der 18. BImSchV entbindet aber nicht die Antragsgegnerin von der Verpflichtung, eine Abwägung im Hinblick auf die Immissionsbelastung vorzunehmen. Denn die Privilegierung von Altanlagen rechtfertigt keine generelle Erhöhung der Richtwerte bei deren Beurteilung. Es ist darin kein allgemeiner Zuschlag von 5 dB(A) zu sehen (vgl. BVerwG, U.v. 23.9.1999 – 4 C 6.98 – BVerwGE 109, 314).
(2) Letztlich kann es hier offen bleiben, ob insoweit ein Abwägungsausfall vorliegt. Denn die Antragsgegnerin ist jedenfalls in ihrer Abwägungsentscheidung auf der Grundlage der eingeholten Immissionsprognose vom 16. Februar 2016 (Teil D der Satzung) unzutreffend davon ausgegangen, dass die maximale Überschreitung der Immissionsrichtwerte bei 2,4 dB(A) liegt.
Gemäß Punkt 1.2 Buchst. a) des Anhangs 1 der 18. BImSchV liegt der für die Beurteilung maßgebliche Immissionsort bei bebauten Flächen 0,5 m außerhalb, etwa vor der Mitte des geöffneten, vom Geräusch am stärksten betroffenen Fensters eines zum dauernden Aufenthalt von Menschen bestimmten Raums einer Wohnung oder Einrichtung. Der Prognoseberechnung des von der Antragsgegnerin eingeholten Gutachtens liegt ein Wohngebäude aus Erd- und Obergeschoss bestehend zugrunde. Aufgrund der Festsetzungen der streitgegenständlichen Bebauungsplanung ist aber auch darüber hinaus die Schaffung von Aufenthaltsräumen im Dachgeschoss möglich. Ausgehend von den Festsetzungen des geänderten Bebauungsplans sind Flachdächer und flachgeneigte Dächer mit einer maximalen Dachneigung von 25 Grad zulässig (Nr. 3.2.2.1). Hier ist ferner die Vorgabe in Nr. 45.1.2 der Vollzugshinweise zur BayBO 2008 des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 13. Dezember 2007 zugrunde zu legen – Art. 45 Abs. 1 Satz 1 BayBO kommt insoweit nicht zur Anwendung bei Wohngebäuden der Gebäudeklasse 1 und 2 (Art. 45 Abs. 1 Satz 2 BayBO) -, wonach in Dachgeschossen von Wohngebäuden der Gebäudeklasse 1 und 2 ab einer Raumhöhe von 2 m über die Hälfte der Nutzfläche ohne Anrechnung der Raumteile mit der lichten Höhe von bis zu 1,50 m Aufenthaltsräume zulässig sind (vgl. Bauer in Jäde/Dirnberger/Bauer/Weiss, Die neue Bayerische Bauordnung, Stand April 2019, Art. 45 Rn. 30 Molodovsky/Waldmann in Molodovsky/ Famers/Waldmann, Bayerische Bauordnung, Stand Juli 2019, Art. 45 Rn. 14). Dies ermöglicht im Fall der Errichtung von Pultdächern und bei Ausnutzung der zulässigen Dachneigung die Schaffung von Aufenthaltsräumen im Dachgeschoss, die westlich, d.h. zum Tennisbetrieb des Antragstellers zu 1 hin ausgerichtet sind. Daher geht die Antragsgegnerin mit ihrer Auffassung unter Punkt 15.2 der Abwägungstabelle fehl. Zwar kann aufgrund der Beschränkung der Vollgeschosse auf zwei in den Festsetzungen der Änderungsplanung (vgl. Nr. 2.2.3 der textlichen Festsetzungen i.V.m. der Planurkunde) kein weiteres Vollgeschoss entstehen, aber einzelne Aufenthaltsräume im Dachgeschoss. Daher wären richtigerweise bei der Immissionsprognose Aufenthaltsräume im Dachgeschoss zur Seite des Tennisbetriebs anzusetzen gewesen. In Anbetracht der steigenden Immissionswerte vom Erdzum Obergeschoss ist davon auszugehen, dass die Immissionsbelastung für mögliche Aufenthaltsräume im Dachgeschoss noch höher ausfallen würde.
(3) Dieser Verstoß gegen § 2 Abs. 3 BauGB ist auch gemäß § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB beachtlich, weil er nach Aktenlage offensichtlich ist und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss war. Es besteht die konkrete Möglichkeit, dass die Antragsgegnerin anders geplant hätte, wenn sie sich bewusst gemacht hätte, dass es zu einer höheren Überschreitung der Immissionsrichtwerte und damit höheren Lärmbelastung für die künftige Wohnbebauung als angenommen kommen kann. Die Antragsteller haben diesen Mangel auch rechtzeitig nach § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB mit ihrer Antragsbegründungsschrift vom 14. August 2017 gerügt.
3. Aufgrund der obigen Ausführungen kann es dahin gestellt bleiben, ob die 8. Änderung des Bebauungsplans noch an weiteren Mängeln leidet, wie von den Antragstellern vorgetragen. Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass die Antragsgegnerin das Instrument eines Bebauungsplans der Innenentwicklung nach § 13a BauGB wohl wählen durfte, weil das durch die Änderungsplanung erfasste Gebiet als Innenbereichsfläche zu beurteilen ist. Die von den Antragstellern zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. U.v. 4.11.2015 – 4 CN 9.14 – ZfBR 2016, 260) kommt nicht zur Anwendung, da sie keine Entscheidung zu Außenbereichsflächen im Innenbereich getroffen hat, sondern die Frage offen gelassen hat.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 173 VwGO in Verbindung mit §§ 708ff. ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
Gemäß § 47 Abs. 5 Halbsatz 2 VwGO ist die Ziffer I der Entscheidungsformel des Urteils allgemeinverbindlich und muss von der Antragsgegnerin nach Eintritt der Rechtskraft des Normenkontrollurteils in derselben Weise veröffentlicht werden, wie die angefochtene Satzung (§ 10 Abs. 3 BauGB). Dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof ist die Bekanntmachung vorzulegen.


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