Baurecht

Unzulässige Negativplanung zur Verhinderung einer Anlage zur Lagerung und Verladung von Abfällen

Aktenzeichen  22 ZB 18.859

Datum:
2.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 4504
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 1 Abs. 3 S. 1, § 14

 

Leitsatz

1. Eine unzulässige reine Negativplanung liegt nicht schon dann vor, wenn ein bestimmtes Bauvorhaben verhindert werden soll; für die Annahme einer solchen Planung reicht es nicht aus, dass ein Bebauungsplan nach seiner Entstehungsgeschichte einen ad-hoc-Bezug auf ein zu verhinderndes Vorhaben aufweist, dass also eine bestimmte Planung durch den Wunsch, ein konkretes Vorhaben zu verhindern, ausgelöst worden ist und demzufolge zunächst darauf gerichtet ist, eine drohende Fehlentwicklung zu vermeiden. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Nicht verzichtet werden kann darauf, dass eine bestimmte Planung selbst – nicht nur die Veränderungssperre als Mittel zur Sicherung dieser Planung – für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung“ erforderlich i.S.v. § 1 Abs. 3 BauGB ist; entscheidend ist, dass die geplanten Festsetzungen – seien sie auf gewollte bauliche Entwicklungen oder auf die Verhinderung unerwünschter Entwicklungen gerichtet – insgesamt positive Planungsziele verfolgen. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
3. Für das Verständnis des Tatbestandsmerkmals „erforderlich“ i.S.v. § 1 Abs. 3 BauGB macht es keinen Unterschied, ob ein erstmals aufzustellender Bebauungsplan oder dessen Änderung zu beurteilen ist; auch einer „bloßen“ Bebauungsplanänderung müssen städtebauliche Ziele zugrunde liegen, zu deren Verwirklichung es der Mittel der Bauleitplanung bedarf. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 4 K 17.869 2018-03-07 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 60.000 € festgesetzt.

Gründe

1. Der Kläger, eine Marktgemeinde, wehrt sich gegen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 15. Mai 2017 zur Errichtung und zum Betrieb einer Anlage zur Lagerung und Verladung von nicht gefährlichen Abfällen, die das Landratsamt G… der Beigeladenen, einem Entsorgungsfachbetrieb, erteilt hat. Der streitgegenständliche Betrieb der Beigeladenen besteht seit 2011 auf einem Grundstück im Geltungsbereich des qualifizierten Bebauungsplans „Gewerbegebiet S. … … …“.
2. Dem angefochtene Bescheid ging folgende Entwicklung voraus:
2.1. Am 18. Dezember 2015 beantragte die Beigeladene für das streitige Vorhaben eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung gemäß § 4 BlmSchG i.V.m. § 1 und Nr. 8.12.2 des Anhangs 1 der 4. BlmSchV und eine beschränkte wasserrechtliche Erlaubnis. Auf Anfrage des Landratsamts wegen des gemeindlichen Einvernehmens und eventuell erforderlicher Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans beschloss der Kläger am 15. Februar 2016, das gemeindliche Einvernehmen zum Vorhaben zu erteilen; die Einvernehmenserteilung ging dem Stempel des Landratsamts zufolge dort am 17. Februar 2016 ein. Am 22. April 2016 wandten sich Anwohner beim Landratsamt gegen das Vorhaben, weil dieses Geruchsbelästigungen verursachen und ihre Immobilien entwerten werde. Am 26. April 2016 beschloss der Kläger, den Bebauungsplan „Gewerbegebiet S. … … … – 1. Ergänzung“ aufzustellen, in dessen Geltungsbereich auch das Grundstück der Beigeladenen liegt. Der Bebauungsplan solle durch die Gliederung der Nutzungsarten das Nebeneinander gewerblicher Nutzungen steuern und dabei Konflikte zwischen Nutzungen verschiedener Schutzwürdigkeit bzw. Störungseigenschaft vermeiden. Ziel sei es insbesondere, das Plangebiet von solchen gewerblichen Nutzungen freizuhalten, die mit der Lagerung von Müll verbunden seien, um die vorhandenen, lebensmittelbezogenen gewerblichen Nutzungen zu sichern. Der Bebauungsplan diene damit auch dem Erhalt und der Stärkung der Nahversorgungsfunktion des bestehenden Gewerbegebiets. Gleichfalls am 26. April 2016 beschloss der Kläger eine Veränderungssperre zur Sicherung des Bebauungsplans „Gewerbegebiet S. … … … – 1. Ergänzung“. Mit Beschluss vom 14. Juni 2016 lehnte der Kläger einen Antrag der Beigeladenen auf eine Ausnahme nach § 14 Abs. 2 BauGB von der Veränderungssperre ab. Mit Bescheid vom 16. Juni 2016 versagte das Landratsamt die beantragte immissionsschutzrechtliche Genehmigung und die beschränkte wasserrechtliche Erlaubnis und begründete dies im Wesentlichen mit der am 27. April 2016 in Kraft getretenen Veränderungssperre, von der mangels Einvernehmens des Klägers auch keine Ausnahme gewährt werden könne. Auf die von der Beigeladenen hierauf erhobene Versagungsgegenklage verpflichtete das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 26. April 2017 unter Aufhebung des Bescheids vom 16. Juni 2016 den Beklagten, der Beigeladenen die beantragte immissionsschutzrechtliche Genehmigung zu erteilen.
2.2. Gegen dieses Urteil hatte der Kläger die Zulassung der Berufung beantragt. Das Berufungszulassungsverfahren wurde später eingestellt; es wurde festgestellt, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 26. April 2017 – Au 4 K 16.1015 – wirkungslos geworden ist, nachdem die Hauptbeteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt hatten (BayVGH, B.v. 8.12.2017 – 22 ZB 17.1141).
3. Die jetzt streitgegenständliche immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 15. Mai 2017 berechtigt zur Errichtung und zum Betrieb einer Anlage zur zeitweiligen Lagerung und Verladung nicht gefährlicher Abfälle (maximal 180 t Haus- und Sperrmüll aus der kommunalen Sammlung im Landkreis G., maximal 30 t DSD-Abfälle aus der „gelben Tonne“ desselben Landkreises) in einer geschlossenen Lagerhalle. Zudem wurde eine beschränkte wasserrechtliche Erlaubnis nach Art. 15 BayWG zur Benutzung des Grundwassers durch Einleiten gesammelten Niederschlagswassers auf dem Betriebsgrundstück erteilt.
Die gegen diese Genehmigung gerichtete Anfechtungsklage des Klägers, die sich nach dessen Erklärung in der mündlichen Verhandlung indes nicht gegen die im Bescheid vom 15. Mai 2017 enthaltene wasserrechtliche Erlaubnis richte, wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 7. März 2018 ab. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt: Zwar sei die angefochtene immissionsschutzrechtliche Genehmigung objektiv rechtswidrig, weil das Landratsamt die Veränderungssperre, die als Satzung beschlossen wurde, mangels eigener Normverwerfungskompetenz nicht selbst als unwirksam habe behandeln können. Dies führe indes noch nicht dazu, dass die erteilte Genehmigung die klagende Gemeinde in ihren Rechten verletze. An einer Rechtsverletzung fehle es, weil die Veränderungssperre materiell-rechtlich unwirksam sei, da ihr eine verbotene „reine Verhinderungsplanung“ zugrunde liege. Selbst wenn die Veränderungssperre wirksam wäre, könnte sie dem Vorhaben der Beigeladenen analog § 14 Abs. 3 BauGB nicht entgegengehalten werden.
Mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren auf Aufhebung der Genehmigung vom 15. Mai 2017 (ausgenommen die darin enthaltene wasserrechtliche Erlaubnis) weiter.
Der Beklagte und die Beigeladene (Schriftsätze vom 18.6.2018 und vom 2.8.2018) haben jeweils beantragt, die Berufung nicht zuzulassen.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsverfahrensakten und die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
II.
1. Der Kläger macht geltend, es bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (Schriftsatz vom 14.5.2018 Nr. I auf S. 2 bis 9).
Ernstliche Zweifel im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen dann, wenn nach dem Vortrag des Rechtsmittelführers gegen die Richtigkeit des Urteils gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Davon ist immer dann auszugehen, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hat und wenn sich nicht ohne nähere Prüfung die Frage beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem andern Grund richtig ist (Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 124 Rn. 7 bis 7d m.w.N.). Diese schlüssigen Gegenargumente müssen gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO innerhalb offener Frist vorgebracht werden. Der Rechtsmittelführer muss darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis falsch ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts konkret auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (BVerfG, B.v. 8.12.2009 – 2 BvR 758/07 – NVwZ 2010, 634; Happ in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 62 f. m.w.N.).
Gemessen an diesen Voraussetzungen ergeben sich aus dem Vortrag des Klägers keine ernstlichen Zweifel daran, dass das angegriffene Urteil im Ergebnis richtig ist. Die Darlegungen des Kläger sind nicht geeignet, die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Auffassung ernstlich zweifelhaft erscheinen zu lassen, dass der streitigen Veränderungssperre eine reine Verhinderungsplanung zugrunde liegt, die Veränderungssperre somit unwirksam ist (was in diesem Zusammenhang gleichbedeutend mit „nichtig“ ist, vgl. BVerwG, U.v. 19.2.2004 – 4 CN 16/03 – juris Rn. 15 und 17) und somit nicht als Recht des Klägers ins Feld geführt werden kann, das – in Verbindung mit der gemeindlichen Planungshoheit (Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG, Art. 11 Abs. 2 BV) – durch die angefochtene immissionsschutzrechtliche Genehmigung verletzt würde.
1.1. Der Kläger beanstandet, dass das Verwaltungsgericht davon ausgegangen sei, dass die Veränderungssperre (schon) wegen des bereits vor ihrem Erlass erteilten Einvernehmens unwirksam sei (Schriftsatz vom 14.5.2018 S. 2 letzter Absatz). Eine solche Begründung hat das Verwaltungsgericht aber weder ausdrücklich gegeben noch hat es – wie der Kläger an anderer Stelle der Antragsbegründung meint (Schriftsatz vom 14.5.2018 S. 6 zweiter Absatz) – „im Kern“ die positiven Planungsziele des Klägers nicht gelten lassen, weil es „dem vor der Entscheidung für die Bauleitplanung erteilten Einvernehmen eine unüberwindbare Bindungswirkung“ zugestanden hätte. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht – im Einklang mit der obergerichtlichen Rechtsprechung (z.B. BVerwG, U.v. 19.2.2004 – 4 CN 16/03 – juris Rn. 23) – ausdrücklich anerkannt, dass das zum streitigen Vorhaben erteilte Einvernehmen den Kläger grundsätzlich nicht gehindert hat, nach der Einvernehmenserteilung seine Bauleitplanung zu ändern und zu deren Sicherung eine Veränderungssperre zu erlassen (Urteilsabdruck – UA – Rn. 44). Das Verwaltungsgericht hat diesen rechtlichen Ansatz in seinen nachfolgenden Ausführungen auch nicht verworfen oder relativiert. Es hat stattdessen die Veränderungssperre als materiell-rechtlich unwirksam deswegen angesehen, weil die vom Kläger angestrebte Änderungsplanung, die durch die Veränderungssperre gesichert werden solle, eine reine Verhinderungs- bzw. Negativplanung sei und daher gegen § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB verstoße (UA Rn. 50 ff.). Innerhalb seiner Argumentation hat das Verwaltungsgericht zwar auch darauf hingewiesen, dass der Kläger nur zwei Monate vor Erlass der Veränderungssperre sein Einvernehmen zum streitigen Vorhaben erteilt habe, obgleich er in diesen beiden Monaten hätte beurteilen können, ob das beabsichtige Vorhaben mit seinen planerischen Regelungen im Gemeindegebiet vereinbar sei (UA Rn. 55). Dieser Hinweis rechtfertigt aber nicht den Vorwurf, das Verwaltungsgericht habe dem genannten – zutreffenden – rechtlichen Ansatz zuwider entschieden.
Seine richterliche Überzeugung, dass der Veränderungssperre eine unzulässige reine Verhinderungsplanung zugrunde liege, hat das Verwaltungsgericht maßgeblich darauf gestützt, dass der Veränderungssperre keine positive planerische Vorstellung zugrunde liege (vgl. UA Rn. 55). Dass der beschließende Gemeinderat als zuständiges Organ der klagenden Gemeinde bei seinem Aufstellungsbeschluss zum Bebauungsplan nicht über ein solches – nach der Rechtsprechung erforderliches – positives Planungskonzept abgestimmt hat, hat das Verwaltungsgericht insbesondere der Formulierung in dem Aufstellungsbeschluss entnommen (UA Rn. 55). Die Begründung für die Bebauungsplanänderung wird vom Kläger selbst in der Antragsbegründung wie folgt zitiert: „Der Bebauungsplan soll durch eine Gliederung der Nutzungsart das Nebeneinander von gewerblichen Nutzungen steuern und dabei Konflikte zwischen Nutzungen unterschiedlicher Schutzwürdigkeit/Störungseigenschaft vermeiden. Ziel ist insbesondere, das Plangebiet von gewerblichen Nutzungen freizuhalten, die mit der Lagerung von Müll verbunden sind, um eine Sicherung der vorhandenen, lebensmittelbezogenen gewerblichen Nutzungen zu gewährleisten. Der Bebauungsplan dient damit auch dem Erhalt und der Stärkung der Nahversorgungsfunktion des bestehenden Gewerbegebiets in der Marktgemeinde …“. Während in dieser Begründung etwaige positive Ziele sehr vage bleiben („…Sicherung der vorhandenen lebensmittelbezogenen gewerblichen Nutzungen zu gewährleisten…“), zielt die geplante Änderung ersichtlich auf den Betrieb der Beigeladenen ab, in dem „Müll“ gelagert wird.
1.2. Nach der Rechtsprechung liegt zwar eine unzulässige reine Negativplanung nicht schon dann vor, wenn ein bestimmtes Bauvorhaben verhindert werden soll; für die Annahme einer solchen Planung reicht es nicht aus, dass ein Bebauungsplan „nach seiner Entstehungsgeschichte einen ad-hoc-Bezug auf ein zu verhinderndes Vorhaben“ aufweist, dass also eine bestimmte Planung durch den Wunsch, ein konkretes Vorhaben zu verhindern, ausgelöst worden ist und demzufolge zunächst darauf gerichtet ist, eine drohende Fehlentwicklung zu vermeiden (BVerwG, B.v. 18.12.1990 – 4 NB 8/90 – juris Rn. 15 und 16; BVerwG, B.v. 23.6.1992 – 4 B 55/92 – juris Rn. 3 m.w.N.). Nicht verzichtet werden kann indes darauf, dass eine bestimmte Planung selbst – nicht nur die Veränderungssperre als Mittel zur Sicherung dieser Planung – „für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung“ erforderlich ist im Sinn von § 1 Abs. 3 BauGB (BVerwG, B.v. 18.12.1990 – 4 NB 8/90 – juris Rn. 16), wenn auch das Merkmal der Erforderlichkeit für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung aus der Sicht der gerichtlichen Kontrolle nur bei groben und einigermaßen offensichtlichen Missgriffen eine wirksame Schranke der Planungshoheit ist (OVG NW, U.v. 27.2.1996 – 11 A 3960.95 – juris Rn. 37 m.w.N.). Entscheidend ist, dass die geplanten Festsetzungen – seien sie auf gewollte bauliche Entwicklungen oder auf die Verhinderung unerwünschter Entwicklungen gerichtet – insgesamt positive Planungsziele verfolgen, d.h. dass die Planung von einer planerischen Konzeption getragen wird, mit der die künftige Entwicklung eines bestimmten Bereichs gesteuert werden soll (Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand 135. EL Sept. 2019, § 1 Rn. 32 m.w.N.). Nicht erforderlich im Sinn des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB sind Pläne, die einer positiven Planungskonzeption entbehren und ersichtlich der Förderung von Zielen dienen, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des Baugesetzbuches nicht bestimmt sind (BVerwG, U.v. 27.3.2013 – 4 C 13/11 – juris Rn. 2 m.w.N.). Von diesem rechtlichen Ansatz ist auch das Verwaltungsgericht ausgegangen (UA Rn. 51).
Für das Verständnis des Tatbestandsmerkmals „erforderlich“ (das sich auf die mittels der steuernden Wirkung eines Bebauungsplans erreichte Verfolgung städtebaulicher Ziele bezieht) macht es keinen Unterschied, ob ein erstmals aufzustellender Bebauungsplan oder dessen Änderung zu beurteilen ist; auch einer „bloßen“ Bebauungsplanänderung (die nach Ansicht des Klägers anders zu betrachten sei, vgl. Schriftsatz vom 14.5.2018 S. 4 Mitte) müssen städtebauliche Ziele zugrunde liegen, deren Verwirklichung es der Mittel der Bauleitplanung bedarf. Ernstliche Zweifel daran, dass das Verwaltungsgericht vorliegend zu Recht eine Erforderlichkeit in diesem Sinn verneint hat, ergeben sich aus den Darlegungen des Klägers nicht. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, in dem von der Veränderungssperre betroffenen Gebiet sei nur noch das streitgegenständliche Grundstück unbebaut (UA Rn. 56). Es hat weiter ausgeführt, dass die planerischen Vorstellungen der Gemeinde – entgegen der vom Verwaltungsgericht angeführten Rechtsprechung (z.B. BVerwG, B.v. 11.5.1999 – 4 BN 15/99 – juris) – „jedenfalls nicht für das gesamte Gebiet der Veränderungssperre auf eine Realisierung angelegt sind, sondern sich ihre Bedeutung in der ‚Sperrung‘ der Flurnummer 365/6 erschöpft“ (UA Rn. 56). Diesbezüglich hat der Beklagte in seiner Antragserwiderung (Schriftsatz vom 13.6.2018 S. 3) zudem darauf hingewiesen, dass die lebensmittelbezogenen Nutzungen, die – nach der Begründung der Bebauungsplanänderung – gesichert werden sollen, nicht nur schon vorhanden, sondern auch gesichert seien. Denn im Bebauungsplan seien im GEb (diese Festsetzung bezeichnet ein Gewerbegebiet mit beschränkten Emissionen gemäß § 8 BauNVO i.V.m. § 1 Abs. 4 und 5 BauNVO) schon jetzt Betriebe und Anlagen mit erheblichen Luftschadstoff- bzw. Geruchsemissionen nicht zulässig. Diejenigen Nutzungen, die dort schon vorhanden seien, bedürften keines Schutzes, um sie zu sichern; es gehe mit der beabsichtigten Bebauungsplanänderung auch nicht um die Bewahrung vorhandener Nutzungen dergestalt, dass z.B. freie Flächen erhalten oder weitere lebensmittelbezogene Vorhaben angesiedelt werden sollten. Derselbe Gedanke findet sich auch im Urteil (UA Rn. 57) in der Formulierung „Konkrete Nutzungskonflikte des bereits mit drei Gewerbegebieten und zwei Sondergebieten überplanten Bereiches werden nicht weiter erläutert“.
Diese im Urteil und in der Antragserwiderung des Beklagten angeführte tatsächliche bauplanungsrechtliche Konstellation (Festsetzungen des GEb-Gebiets zur Vermeidung von Nutzungskonflikten) hat der Kläger nicht in Abrede gestellt. Seinen Darlegungen lässt sich nicht entnehmen, dass für die Steuerung der städtebaulichen Entwicklung im Baugebiet eine Änderung des Bebauungsplans erforderlich wäre.
Es drängt sich der Eindruck auf, dass mit der Bebauungsplanänderung bezüglich des „Gewerbegebiets S. … … …“ nicht einer drohenden oder schon begonnenen Fehlentwicklung in diesem Gebiet begegnet werden sollte, sondern einem – aus Sicht der Gemeinde bestehenden – Konflikt der in diesem GEb-Gebiet vorhandenen Nutzungen mit Nutzungen außerhalb des Gebiets, nämlich mit der östlich davon bestehenden Wohnsiedlung. Ob es rechtlich zulässig wäre, eine solche Konfliktsituation dadurch abzumildern, dass das überplante und fast vollständig bebaute GEb-Gebiet zugunsten der Nutzungen außerhalb dieses Gebiets nachträglich strengeren bauplanungsrechtlichen Anforderungen unterworfen wird, kann dahinstehen. Denn der Kläger hat die beabsichtigte Bebauungsplanänderung nicht mit einem solchen städtebaulichen Zweck begründet; er hat vielmehr einen anderen Grund vorgeschoben.
1.3. Auf die ernstlichen Zweifel, die der Kläger in Bezug auf Rn. 57 ff. des angegriffenen Urteils geltend macht (Schriftsatz vom 14.5.2018 ab S. 7 unten), kommt es im vorliegenden Berufungszulassungsverfahren nicht an. Denn diese Ausführungen des Verwaltungsgerichts unter Abschnitt 2 ab S. 17 des Urteils beziehen sich lediglich hilfsweise auf den Fall, dass – entgegen der im Abschnitt 1 dargelegten Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts – die streitgegenständliche Veränderungssperre wirksam wäre.
2. Der Kläger macht außerdem geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (Schriftsatz vom 14.5.2018 Nr. II auf S. 9 und 10). Dieser Zulassungsgrund erfordert, dass im Zulassungsantrag eine Rechts- oder Tatsachenfrage dargelegt wird, die für die Entscheidung der Vorinstanz von Bedeutung war, auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich ist, bisher höchstrichterlich oder – bei tatsächlichen Fragen oder revisiblen Rechtsfragen – durch die Rechtsprechung des Berufungsgerichts nicht geklärt und über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam ist (vgl. Happ in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124 Rn. 36; BVerwG, B.v. 16.11.2010 – 6 B 58/10 – juris Rn. 3). Die dargelegte Frage muss also im konkreten Rechtsstreit entscheidungserheblich und damit klärungsfähig sein (vgl. Happ, a.a.O., § 124 Rn. 37) und dieser Klärung im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts auch bedürfen (vgl. Happ, a.a.O., § 124 Rn. 38).
Eine solche Rechts- oder Tatsachenfrage hat der Kläger vorliegend nicht dargelegt. Er schließt die Geltendmachung der grundsätzlichen Bedeutung unmittelbar an seine Auseinandersetzung mit den oben (1.4) angesprochenen Hilfserwägungen des Verwaltungsgerichts an (Schriftsatz vom 14.5.2018 S. 7 bis 9) und formuliert, „diesen Rechtsfragen“ komme grundsätzliche Bedeutung zu. Auch inhaltlich befasst sich die Antragsbegründung des Klägers im Abschnitt II allein mit der Frage, welche rechtliche Bedeutung ein zunächst gemäß § 36 BauGB ausdrücklich erteiltes oder durch Fristablauf fingiertes gemeindliches Einvernehmen für eine danach erlassene Veränderungssperre hat. Diese Frage ist aber nicht entscheidungserheblich, da die die – vom Verwaltungsgericht entscheidungstragend herangezogene – Annahme, dass die Veränderungssperre wegen einer reinen Verhinderungsplanung unwirksam sei (UA Abschnitt 1 mit den Rn. 43 bis 56), keinen aus den Darlegungen des Klägers ersichtlichen ernstlichen Zweifeln begegnet. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache in Bezug auf diese entscheidungstragende Begründung im Abschnitt 1 des Urteils hat der Kläger nicht dargelegt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit im Sinn von § 162 Abs. 3 VwGO, dem unterlegenen Kläger auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, da diese einen Antrag gestellt hat und damit ihrerseits ein Kostenrisiko eingegangen ist.
Der Streitwert wurde gemäß § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 19.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 festgesetzt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO; mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig, § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO.


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