Baurecht

Unzulässiger Vollgeschossmaßstab für ausgebaute Keller- und Dachgeschosse im Außenbereich

Aktenzeichen  20 B 18.1431

Datum:
20.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BayVBl – 2020, 20
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KAG Art. 5 Abs. 1, 2a
BS-EWS § 9 Abs. 2, Abs. 3 S. 2
VwGO § 67 Abs. 2 S. 1, § 113 Abs. 1 S. 1
RDGEG § 3, § 5
BayBO Art. 83 Abs. 6
BayVwVfG Art. 38 Abs. 3

 

Leitsatz

1. Die Vorteilslage im Sinne des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 b) bb) 1. Spiegelstrich KAG wird geprägt durch die tatsächlichen und rechtlich wirksamen Verhältnisse am beitragspflichtigen Grundstück im Zeitpunkt des Entstehens der jeweiligen Vorteilslage.
2. Bei einer erstmals wirksam erlassenen Herstellungsbeitragssatzung ist für die Beurteilung der Vorteilslage der Beitragsmaßstab dieser Satzung und nicht derjenige nichtiger Vorgängersatzungen maßgebend. Nur ein wirksamer Beitragsmaßstab hat Einfluss auf die Beurteilung der Vorteilslage.
3. Stellt eine Beitragssatzung auf den Maßstab der zulässigen Geschossfläche ab, gilt im Außenbereich die tatsächliche Geschossfläche als zulässige Geschossfläche. Kellergeschosse sind voll und Dachgeschosse, soweit sie ausgebaut sind, hinzuzurechnen. Eine Einschränkung, dass nur ausgebaute Keller- und Dachgeschosse einzubeziehen sind, soweit sie Vollgeschosse sind, ist nichtig.

Verfahrensgang

Au 6 K 15.1232 2016-05-11 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 11. Mai 2016 wird geändert. Der Bescheid der Beklagten vom 19. Februar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamtes N … vom 22. Juli 2015 wird aufgehoben, als er über einen Beitrag von 89,75 € hinausgeht.
II. Die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge trägt die Beklagte.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist begründet.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 11. Mai 2016 wird geändert und der Bescheid der Beklagten vom 19. Februar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamtes N … vom 22. Juli 2015, soweit beantragt, aufgehoben, weil er rechtswidrig ist und die Klägerin dadurch in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Die Beitragssatzung des Beklagten stellt bereits keine wirksame Rechtsgrundlage für die Erhebung von Herstellungsbeiträgen dar (Art. 2 Abs. 1 KAG).
Nach Art. 5 Abs. 1 KAG können die Gemeinden zur Deckung ihres anderweitig nicht gedeckten Aufwandes für die Herstellung, Anschaffung, Verbesserung oder Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen Beiträge von den Grundstückseigentümern und Erbbauberechtigten erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere Vorteile bietet. Zu diesen Einrichtungen zählen auch die öffentlich betriebenen Entwässerungseinrichtungen, wie die der Beklagten. Von dieser Ermächtigung hat die Beklagte durch den Erlass einer Beitragssatzung zur Entwässerungssatzung vom 7. Juli 2010 (BS-EWS) Gebrauch gemacht.
Die Beitragssatzung der Beklagten ist jedoch nichtig, weil sie in § 5 Abs. 8 Satz 3 der BS-EWS eine unwirksame Geschossflächenregelung für Keller- und Dachgeschosse im Außenbereich enthält. Die Vorschrift verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz, weil ausgebaute Keller- und Dachgeschosse im Außenbereich nur herangezogen werden, wenn sie Vollgeschosse sind. Damit lässt sie ausgebaute Keller- und Dachgeschosse im Außenbereich, welche keine Vollgeschosse sind, außer Acht, obwohl sie am Vorteil der Wasserversorgungseinrichtung der Beklagten teilhaben. Ein sachlicher Differenzierungsgrund ist hierfür nicht gegeben.
Bei Grundstücken im Außenbereich bestimmt sich die zulässige Geschossfläche eines Grundstücks abgabenrechtlich ausschließlich nach der tatsächlich vorhandenen Bebauung, d.h. zulässige Bebauung und vorhandene Bebauung ist in diesem Fall identisch (BayVGH, B.v. 13.11.2007 – 23 ZB 07.2303 – juris). Der BayVGH lässt es in ständiger Rechtsprechung zu, Keller mit der vollen Fläche heranzuziehen, ungeachtet dessen, ob sie einen Anschluss an die leitungsgebundene Einrichtung aufweisen, ob sie als Aufenthaltsräume geeignet sind oder welchen Verwendungszweck die einzelnen Räume aufweisen. Das rechtfertigt sich aus der im Abgabenrecht zulässigen typisierenden Betrachtungsweise, wonach für Keller grundsätzlich ein Anschlussbedarf vermutet werden kann. Bei der Heranziehung von Dachgeschossflächen betrachtet es der Bayerische Verwaltungsgerichtshof als mit dem Vorteilsgedanken vereinbar, auf den konkreten Ausbauzustand abzustellen und eine Beitragspflicht nur für Dachgeschosse zu verlangen, soweit sie ausgebaut sind (vgl. BayVGH, B.v. 23.4.2015 – 20 ZB 14.2386 – BeckRS 2015, 45935; B.v. 3.1.2012 – 20 ZB 11.1112 – juris m.w.N.). Dies entspricht auch der amtlichen Mustersatzung (Muster einer Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 20.5.2008, AllMBl. 2008 S. 350, BayVV Gliederungsnummer 2025-I).
Zwar hat die Beklagte bei der Regelung des § 5 Abs. 8 Satz 3 BS-EWS auf den Ausbauzustand der Keller- und Dachgeschosse abgestellt, unberücksichtigt bleiben durch den zusätzlich gewählten Vollgeschossmaßstab jedoch Dach- und Kellergeschosse, welche ausgebaut sind, aber noch kein Vollgeschoss darstellen. Diese nehmen jedoch genau wie entsprechende Vollgeschosse am Vorteil teil, welcher durch die Entwässerungseinrichtung der Beklagten vermittelt wird. Zudem ist der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bei Kellergeschossen davon ausgegangen, dass nach der typisierenden Betrachtungsweise ein grundsätzlicher Wasserversorgungs- und Entwässerungsbedarf vermutet wird (BayVGH, B.v. 7.10.1998 – 23 ZS 98.2260; U.v. 28.10.1999 – 23 N 99.1354). Eine gültige Außenbereichsregelung stellt aber einen notwendigen Satzungsbestandteil dar, dessen Fehlen die Nichtigkeit des gesamten Beitragsteils der Satzung nach sich zieht (BayVGH, B.v. 26.2.2008 – 20 ZB 08.160 – juris Rn. 8).
Allerdings besitzt der Satzungsgeber bei der Bestimmung seines Beitragsmaßstabes einen Gestaltungsspielraum. Sowohl das Äquivalenzprinzip und der Gleichheitssatz als auch der im Beitragsrecht besonders bedeutsame Grundsatz des Vorteilsausgleichs finden im Beitragsmaßstab ihren Niederschlag (vgl. Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Rn. 739 zu § 8). Weil sich dieser Vorteil aber nicht der Wahrscheinlichkeit entsprechend messen lässt, darf ein Wahrscheinlichkeitsmaßstab angewendet werden, der nur gewährleisten muss, dass die geschuldeten Beiträge den aus der öffentlichen Einrichtung gezogenen Vorteilen annähernd entsprechen. Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe sind deshalb nur darauf überprüfbar, ob sie ungeeignet sind, den Vorteil zu bestimmen. Dagegen ist es dem Satzungsgeber nach seinem Ermessen überlassen, welchen Wahrscheinlichkeitsmaßstab er unter den zulässigen auswählt. Der Einrichtungsträger muss sich nicht für den zweckmäßigsten, gerechtesten, vernünftigsten oder wahrscheinlichsten Maßstab entscheiden. Vielmehr ist es ihm nach dem abgabenrechtlichen Grundsatz der Typengerechtigkeit gestattet, zu verallgemeinern und zu pauschalieren. Damit ist es zulässig, an die Regelfälle eines Sachbereichs anzuknüpfen und die sich diesem „Typus“ entziehenden Umstände von Einzelfällen außer Betracht zu lassen. Bei der Ausgestaltung des Beitragsmaßstabs dürfen insbesondere auch Praktikabilitätserwägungen angestellt werden, wobei gewisse Ungenauigkeiten hinzunehmen sind. Nur im Falle der Überschreitung der Grenzen des gemeindlichen Gestaltungsspielraums, was dann vorliegt, wenn für die getroffene Regelung ein sachlich einleuchtender Grund fehlt, ist dieser willkürlich und damit der Gleichheitssatz verletzt (BayVGH, U.v. 6.12.2018 – 20 BV 16.2389, 20 BV 16.2431 – juris; U.v. 28.10.1999 – 23 N 99.1354 – BeckRS 1999, 19475 Rn. 30).
Nach diesen Grundsätzen hält die Regelung der Beklagten einer Überprüfung nicht stand. Der allgemeine Gleichheitssatz ist verletzt, wenn der Normgeber eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerfG, B.v. 23.1.1990 – 1 BvL 4/87 – NJW 1990,1900). Gleichzeitig darf der Satzungsgeber ungleiche Sachverhalte nicht gleich behandeln. So liegt der Fall hier. Richtig ist zwar, dass im beplanten und unbeplanten Innenbereich durch die Multiplikation der Geschossflächenzahl nach § 20 BauNVO mit der Grundstücksfläche entsprechend § 5 Abs. 2 bis 5 BGS-EWS Keller- und Dachgeschosse im Innenbereich bei der Berechnung der zulässigen Geschossfläche außer Acht bleiben, wenn sie nicht Vollgeschosse sind i.S.d. § 20 Abs. 1 BauNVO, Art. 83 Abs. 6 BayBO, Art. 2 Abs. 5 BayBO (1998). Danach sind Vollgeschosse nur Geschosse, die vollständig über der natürlichen oder festgelegten Geländeoberfläche liegen und über mindestens zwei Drittel ihrer Grundfläche eine Höhe von mindestens 2,30 m haben. Als Vollgeschosse gelten Kellergeschosse, deren Deckenunterkante im Mittel mindestens 1,20 m höher liegt als die natürliche oder festgelegte Geländeoberfläche. Diese Typisierung ist im Innenbereich sachgerecht, weil sie den Vorgaben des Baurechts zur Ermittlung der zulässigen Geschossfläche entspricht. Im Außenbereich wird jedoch nicht die zulässige Geschossfläche nach derartigen Maßstäben ermittelt, weil dort die tatsächliche Geschossfläche der rechtlich zulässigen Geschossfläche entspricht bzw. entsprechen sollte. Insoweit würde man durch das Abstellen auf Vollgeschosse sowohl im Innen- als auch im Außenbereich ungleiche Sachverhalte gleichbehandeln. Greift man für den Außenbereich faktisch auf den Maßstab der tatsächlichen Geschossfläche zurück, ist die Heranziehung von lediglich ausgebauten Dach- und Kellergeschossen zudem nicht geeignet, denn es ist nicht wahrscheinlich und von der Beklagten auch nicht vorgetragen, dass es sich dabei um den „Typus“, also den Regelfall, handelt. Bei Kellergeschossen zeigt sich dies besonders, zumal hier der Ausbauzustand nach der bisherigen Rechtsprechung keine Rolle spielt.
2. Des Weiteren war die Erhebung eines Herstellungsbeitrags nicht mehr zulässig, weil die Beitragserhebung nach Ablauf der Zwanzigjahresfrist nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) bb) 1. Spiegelstrich KAG erfolgte, denn das Grundstück der Klägerin wurde bereits im Jahre 1955 an die öffentliche Entwässerungsanlage angeschlossen, sodass die Zwanzigjahresfrist mit Ablauf des Jahres 1975 abgelaufen war. Auch die Dreißigjahresfrist des Art. 19 Abs. 2 KAG für Beiträge, die vor dem 1. April 2014 durch nicht bestandskräftigen Bescheid festgesetzt sind, war bereits abgelaufen, sodass es auf deren Anwendbarkeit hier nicht ankommt. Die Erhebung eines Herstellungsbeitrags nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG oder eines zusätzlichen Beitrags nach Art. 5 Abs. 2a KAG haben sich am Vorteilsbegriff zu orientieren. Daran anknüpfend kann ein Beitragstatbestand, der einmal verwirklicht wurde und damit eine Beitragspflicht entstanden ist, nicht mehr zur Beitragserhebung führen, wenn die Festsetzungsverjährung eingetreten ist oder wenn nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) bb) KAG die Festsetzung eines Beitrags ohne Rücksicht auf die Entstehung der Beitragsschuld spätestens 20 Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem die Vorteilslage eintrat, nicht mehr zulässig ist (BayVGH, U.v. 13.7.2017 – 20 B 16.1695 – juris Rn 18 = BayVBl 2018, 241).
In seiner Entscheidung vom 13. Juli 2017 (Az.: 20 B 16.1695, a.a.O.) hat der Senat in einem vergleichbaren Fall entschieden: Wenn nach nichtigem Satzungsrecht erstmals eine Beitrags- und Gebührensatzung erlassen wird, die den Geschossflächenbeitrag nach der zulässigen Geschossfläche abrechnet, können Altanschließer nur zu einem Herstellungsbeitrag herangezogen werden, wenn die Zwanzigjahresfrist nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) bb) KAG noch nicht abgelaufen ist (amtlicher Leitsatz 1). Gleiches gilt für einen Nacherhebungstatbestand, der für Altanschließer vorsieht, dass sie zu einem Beitrag für die zulässige Geschossfläche erst herangezogen werden, wenn eine Veränderung der baulichen Ausnutzung vorgenommen wird (amtl. LS 2). Auch im Hinblick auf die hierzu im Schrifttum geäußerte ablehnende Kritik (Thimet, BayVBl 2018, 712) hält der Senat an dieser Rechtsprechung fest.
Der Begriff des Vorteils ist grundsätzlich, wie sich bereits aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, B.v. 5.3.2013 – 1 BvR 2457/08 – BGBl I 2013, 820 = BayVBl 2013, 465) ergibt, rein tatsächlich zu verstehen. Hier ist daher die Vorteilslage mit dem erstmaligen Anschluss des Grundstücks an die Entwässerungseinrichtung des Beklagten im Jahre 1955 entstanden. Der Vorteil ist zwar grundsätzlich rein tatsächlich zu verstehen, kann aber immer nur unter Berücksichtigung des vom Beitragsgläubiger in seiner Satzung gewählten Beitragsmaßstabs bestimmt werden (BayVGH, U.v.13.7.2017 – 20 B 16.1695 – juris Rn. 22). Nur so ist feststellbar, bezüglich welchen Vorteils die Frist wann zu laufen begonnen hat und wann sie beendet ist. Maßstabsgebend kann hier jedoch nur das wirksame, nunmehr in Kraft getretene Satzungsrecht sein. Denn damit verfügt eine Gemeinde erstmals über einen wirksamen Maßstab, nach dem sie die Beitragsschuld berechnen kann. Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs, hier also der zulässigen Geschossfläche, ist sodann festzustellen, wie viel zulässige Geschossfläche im Zeitpunkt des Entstehens der Vorteilslage auf dem Grundstück der Klägerin vorhanden war. Entspricht dies, wie hier anzunehmen ist, der jetzt abgerechneten zulässigen Geschossfläche, kann nach dem Ablauf der Zwanzigjahresfrist des Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) bb) KAG kein Beitrag für die Herstellung der Entwässerungseinrichtung (Art. 5 Abs. 1 KAG) mehr verlangt werden.
Der verfassungsrechtliche Grundsatz der Rechtssicherheit verpflichtet dazu, sicherzustellen, dass Beiträge, die einen einmaligen Ausgleich für die Erlangung eines Vorteils durch Anschluss an eine Einrichtung schaffen sollen, unabhängig von einem Vertrauen des Vorteilsempfängers und ungeachtet der Fortwirkung des Vorteils zeitlich nicht unbegrenzt festgesetzt werden können (BVerwG, B.v. 6.9.2018 – 9 C 5.17 – NVwZ-RR 2019, 386). Bei der Bestimmung des Vorteils kann allerdings nicht alleine auf die erstmalige Anschlussmöglichkeit an die leitungsgebundene Einrichtung abgestellt werden, sondern es ist zu differenzieren. Denn der Eintritt einer neuen Vorteilslage setzt hinsichtlich des neu hinzukommenden Vorteils die Ausschlussfrist gesondert in Gang (LT-Drs. 17/370 S. 13 Nr. 1 a). Bebauung und Bebaubarkeit hängen auch unmittelbar mit dem Entstehen eines beitragsrelevanten Vorteils zusammen, denn nur im Falle einer Bebauung bzw. Bebaubarkeit – abgesehen von einer selbstständigen gewerblichen Nutzbarkeit – wird dem Grundstückseigentümer oder Erbbauberechtigten ein Vorteil i.S.d. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG vermittelt (vgl. hierzu Kraheberger in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: 1. Januar 2019, Rn 727 lit. c).
Soweit vorgeschlagen wird (Thimet, BayVBl 2018, 712), bei der Bestimmung der ursprünglichen, beim erstmaligen Anschluss vorhandenen Vorteilslage auf den zu diesem Zeitpunkt angewandten Beitragsmaßstab abzustellen, verstößt dies gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Belastungsklarheit. Zu beachten ist hier, dass sich Unterschiede der abgabenrechtlichen Tatbestände zwar auf den Zeitpunkt auswirken, in dem eine beitragsrelevante Vorteilslage entsteht und die Frist zur Beitragserhebung zu laufen beginnt (vgl. BVerwG, Urteile v. 15.4.2015 – 9 C 19.14 – Buchholz 11 Art. 20 GG Nr. 218 Rn. 16 und v. 22.11.2016 – 9 C 25.15 – BVerwGE 156, 326 Rn. 23). Maßgeblich ist indes auch insoweit stets der tatsächliche Abschluss der Vorteilserlangung (vgl. BVerfG, B.v. 5.3.2013 – 1 BvR 2457/08 – BVerfGE 133, 143 Rn. 41); rechtliche Gesichtspunkte können dessen Bestimmung ergänzen, ihn jedoch nicht ersetzen. Die tatsächliche Vorteilserlangung fällt nämlich nicht stets mit der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht zusammen (BVerwG, B.v. 6.9.2018 – 9 C 5.17 – NVwZ-RR 2019, 386).
Unter diesem Blickwinkel kann es deshalb zur Bestimmung des Vorteils keine Rolle spielen, dass aufgrund unwirksamen Satzungsrechts in der Vergangenheit ein (unwirksamer) Beitragsmaßstab, wie im vorliegenden Fall, angewendet wurde. Hier wird zwar die Meinung vertreten, dass ansonsten der vom Satzungsgeber in der Übergangsregelung geäußerte Wille, lediglich das nach der alten Satzungsregelung Abgegoltene als Vorteil zu betrachten, außer Acht gelassen werde. Es liegt jedoch nicht in der Hand des kommunalen Satzungsgebers, über die Beitragssatzung vergangene Vorteile zu definieren. Diese ergeben sich vielmehr aus den damaligen tatsächlichen und rechtlich wirksamen Umständen. Deswegen ist es nicht zutreffend, dass es auf den in der Satzung bei Eintritt des Vorteils bestimmten Beitragsmaßstab ankommt. Dieser Beitragsmaßstab war nichtig und kann damit rechtlich nicht relevant sein. Die gegenteilige Ansicht verkennt hier auch, dass es sich bei erstmals wirksamem Satzungsrecht nicht um eine Nacherhebung eines zusätzlichen Vorteils i.S.d. Art. 5 Abs. 2a KAG handelt, sondern um die erstmalige Erhebung eines Herstellungsbeitrags nach Art. 5 Abs. 1 KAG. Die Anwendbarkeit des Art. 5 Abs. 2a KAG setzt nämlich voraus, dass zunächst bereits ein Beitrag nach Art. 5 Abs. 1 KAG aufgrund einer gültigen Satzung wirksam entstanden ist (und dies unabhängig davon, ob der Beitrag zuvor festgesetzt und/oder bezahlt wurde, BayVGH, U.v. 8.2.2018 – 20 BV 16.1692 – juris). Dementsprechend ist auch der abzugeltende Vorteil im Rahmen einer Gesamtbeurteilung unter Zugrundelegung des in der erstmals wirksamen Satzung festgelegten Beitragsmaßstabs in den Blick zu nehmen. Daher handelt es sich bei dem „Übergang von der tatsächlichen auf die zulässige Geschossfläche“ bei erstmals wirksamem Satzungsrecht nicht wirklich um einen Wechsel des Beitragsmaßstabs, denn dies würde voraussetzen, dass der ursprüngliche Maßstab wirksam gewesen ist, was weder hier noch in der Sachverhaltskonstellation der Senatsentscheidung vom 13. Juli 2017 (Az.: 20 B 16.1695) der Fall gewesen ist. Entsprechend ist auch die Entscheidung des 23. Senats vom 23. November 1993 (Az.: 23 CS 93.1753 – BeckRS 1993, 11546) zu verstehen. Auch hier sollte (vergeblich) erstmals wirksames Satzungsrecht begründet werden, sodass die Begrifflichkeit des „Übergangs“ untechnisch zu verstehen und dogmatisch nicht präzise ist. Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass diese Rechtsprechung den bundesverfassungsrechtlichen Grundsatz der Belastungsklarheit nicht berücksichtigen konnte, weil sie vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 5. März 2013 – 1 BvR 2457/08 – a.a.O. ergangen ist. Gleiches gilt auch für die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs (BayVerfGH, Entscheidung v. 8.1.2002 – Vf. 6-VII-00 — BayVBl 2002, 428 = BayVerfGH 55, 1), welche allerdings im Unterschied zum streitgegenständlichen Sachverhalt zur Frage erging, ob es mit der Bayerischen Verfassung vereinbar ist, beim Wechsel des Beitragsmaßstabs einer Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung (BGS/EWS) auch Eigentümer von Grundstücken, für die bereits nach früherem, wirksamen Satzungsrecht eine Beitragspflicht entstanden war, zu einem weiteren Beitrag heranzuziehen. Diese Frage hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des 23. Senats des BayVGH (U.v. 11.7.2000 – 23 B 00.412 – juris) bejaht, betrifft aber einen anderen Sachverhalt. Im streitgegenständlichen Fall handelt es sich um die erstmalige Erhebung eines Herstellungsbeitrags nach Art. 5 Abs. 1 KAG, weil erstmals wirksames Satzungsrecht erlassen wurde. In dem vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof entschiedenen, oben zitierten Fall, handelte es sich um einen Ergänzungsbeitrag nach Art. 5 Abs. 2a KAG, bei dem vorher wirksames Satzungsrecht bestanden haben und der zusätzliche Vorteil auch kalkulatorisch nachvollziehbar sein muss, um eine Überdeckung zu verhindern. Zudem darf das Entstehen der Beitragspflicht nicht ohne Weiteres mit dem Entstehen des Vorteils gleichgesetzt werden.
Der Erlass einer Übergangsregelung wie hier § 9 Abs. 2 BS-EWS, wonach eine weitere Beitragsschuld für den Unterschied zwischen zulässiger und bisheriger zu Grunde gelegter Geschossfläche, bei unbebauten Grundstücken mit der Bebauung, bei bebauten Grundstücken mit der Vergrößerung der nach früherem Satzungsrecht maßgebenden Geschossfläche entsteht, führt zu keiner anderen Bewertung. Auch hierbei handelt es sich um keinen Nacherhebungstatbestand nach Art. 5 Abs. 2a KAG, sondern um ein Hinausschieben der Erhebung bzw. des Entstehens eines Herstellungsbeitrags unter Anrechnung einer früheren Erhebung aufgrund unwirksamen Satzungsrechts. Diese Übergangsregelungen werden zwar aus Vertrauensschutzgründen erlassen, sind jedoch im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes (Art. 20 Abs. 3 GG) nicht zwingend. Es entspricht vielmehr der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs (BayVerfGH, Entscheidung v. 8.1.2002, a.a.O.) und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. Kraheberger in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand: 1. Januar 2019, Rn 727 lit. d), dass der Satzungsgeber von einer Übergangsregelung absieht, die Altanschließer nach dem neuen Satzungsrecht nochmals veranlagt und früher geleistete Beiträge lediglich anrechnet. Ohnehin ist eine solche Übergangsregelung in der Herstellungsbeitragssatzung allenfalls in der Lage, das Entstehen der Beitragspflicht hinauszuschieben, nicht jedoch eine neue Vorteilslage zu begründen (vgl. hierzu: BVerwG, B.v. 6.9.2018 – 9 C 5.17 – NVwZ-RR 2019, 386).
Soweit weiter angeführt wird (Thimet, BayVBl 2018, 712), dass aus der Gesetzesbegründung zur KAG-Änderung (LT-Drucksache 17/370 S. 13) ersichtlich sei, dass Übergangsregelungen, die einen Maßstabswechsel von tatsächlicher zu zulässiger Geschossfläche zum Gegenstand haben und hinsichtlich des Entstehens der Beitragsschuld auf die Vornahme baulicher Veränderungen durch den Beitragsschuldner abstellen, unberührt, also weiter zulässig bleiben, so geht dies aus der Gesetzesbegründung in dieser Weise nicht hervor. Liest man die Gesetzesbegründung weiter, so heißt es dort, dass diese Übergangsregelungen als rein rechtliche Aspekte den Eintritt der Vorteilslage nicht beeinflussen. Würde man der streitgegenständlichen satzungsrechtlichen Übergangsregelung die Rechtsmacht zubilligen, den Eintritt der Vorteilslage bei dem „Übergang“ von tatsächlicher auf die zulässige Geschossfläche festzulegen, so wäre dies mit der bisherigen Rechtsprechung des erkennenden Senats und der des 23. Senats, dass der Satzungsgeber von einer Übergangsregelung absieht, die Altanschließer nach dem neuen Satzungsrecht nochmals veranlagt und früher geleistete Beiträge lediglich anrechnet, schwerlich vereinbar. Denn dann würde der Erhebung des Herstellungsbeitrags ohne entsprechende Übergangsregelung die fehlende („zusätzliche“) Vorteilslage entgegenstehen und eine „Nacherhebung“ erst zulässig sein, wenn eine tatsächliche Geschossflächenmehrung erfolgt. Dies zeigt anschaulich, dass die Bewertung der Vorteilslage nicht davon abhängen kann, ob sich der kommunale Satzungsgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraums für eine Übergangsregelung entscheidet oder nicht.
Versteht man den Vorteilsbegriff so, dass im Falle der „Umstellung“ von tatsächlicher Geschossfläche auf zulässige Geschossfläche bei erstmals wirksamem Satzungsrecht erst mit der Erweiterung der tatsächlichen Geschossfläche bei Altanschließern der Vorteil für die zulässige Geschossfläche ausgelöst wird, verstieße eine Übergangsregelung wie sie in § 9 Abs. 2 BS-EWS enthalten ist, wonach eine weitere Beitragsschuld für den Unterschied zwischen zulässiger und bisheriger zu Grunde gelegter Geschossfläche, bei unbebauten Grundstücken mit der Bebauung, bei bebauten Grundstücken mit der Vergrößerung der nach früherem Satzungsrecht maßgebenden Geschossfläche entsteht, gegen das verfassungsrechtliche Gebot der Belastungsklarheit und wäre nichtig. Zwar mag diese Regelung nicht gegen den Vertrauensschutzgrundsatz (so Thimet, a.a.O.) verstoßen, darauf kommt es jedoch nicht an. Das Rechtsstaatsprinzip gewährleistet unter bestimmten Umständen Rechtssicherheit auch dann, wenn keine Regelungen bestehen, die Anlass zu spezifischem Vertrauen geben oder wenn Umstände einem solchen Vertrauen sogar entgegenstehen. Das Gebot der Belastungsklarheit und – vorhersehbarkeit schützt unter Abwägung des staatlichen Interesses an der vollständigen Durchsetzung von Geldleistungspflichten nicht das Vertrauen, sondern das Interesse der Bürgerinnen und Bürger, irgendwann nicht mehr mit einer Inanspruchnahme rechnen zu müssen und entsprechend disponieren zu können. Die verfassungsrechtliche Grenze der Beitragserhebung setzt folglich keinen Vertrauenstatbestand voraus, sondern knüpft allein an den seit der Entstehung der Vorteilslage verstrichenen Zeitraum an (vgl. BVerwG, Vorlagebeschluss v. 6.9.2018 – 9 C 5/17 – juris; unter Hinweis auf BVerfG, B.v. 5.3.2013 – 1 BvR 2457/08 – BVerfGE 133, 143 Rn. 41, 43 f.). Diese Grundsätze werden bei einem entsprechenden Verständnis der Übergangsregelung verletzt, weil eine Beitragserhebung für die zulässige Geschossfläche – die tatsächliche Geschossflächenmehrung wird ja nicht abgerechnet – ohne zeitliche Begrenzung möglich wäre.
Soweit haushaltsrechtliche Bedenken gegen die Rechtsprechung des Senats geltend gemacht werden, weil die Rechtsprechung des Senats für die beitragserhebenden Gemeinden zu Einnahmeausfällen führe, so haben es die Kommunen durch Ausgestaltung des Satzungsrechts und dem Verzicht auf eine entsprechende Altfall(Übergangs-)regelung in der Hand, Beitragsausfälle möglichst zu vermeiden. Dadurch kann einer Ungleichbehandlung von Alt – und Neuanschließern bei der Heranziehung von Herstellungsbeiträgen entgegengewirkt werden. Aus Gleichbehandlungsgründen (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 Satz 1 BV) kann es sogar geboten sein, dass eine beitragserhebende Gemeinde bei erstmals wirksamer Herstellungsbeitragssatzung von dem Erlass einer Altfall(Übergangs-)regelung absieht und Neuanschließer und Altanschließer, unter Anrechnung deren geleisteter Beiträge, sofort veranlagt. Liegt hier bei dem erstmals wirksamen Erlass einer Herstellungsbeitragssatzung für einen gewichtigen Teil der Beitragsschuldner die Entstehung der Vorteilslage jenseits der Ausschlussfrist, so kann es bei entsprechend abgrenzbarem Investitionsaufwand notwendig und auch geboten sein, die Erhebung des erstmals auf einer rechtmäßigen Satzung beruhenden Herstellungsbeitrags in der Höhe auf einen „fiktiven” Verbesserungsbeitrag für Altanschließer zu beschränken (BayVGH, B.v. 29.1.2018 – 20 CS 17.1824 – BayVBl 2018, 818; U.v. 26.10.2006 – 23 B 06.1672 – BayVBl 2007, 246; U.v. 1.3.2007 – 23 B 06.1668). Insoweit ist der Begriff des Vorteils nicht nur grundstücksbezogen, sondern auch investitionsbezogen zu verstehen. Dies entspricht der Vorgabe des bayerischen Gesetzgebers in Art. 5 KAG, welcher zwischen Herstellungsbeiträgen und Verbesserungsbeiträgen investitionsbezogen zwischen Neu- und Altanschließern unterscheidet.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 VwGO, § 709 Sätze 1 und 2 ZPO.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.


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