Baurecht

Vereinbarkeit der Nutzungsänderung eines Hochhauses mit nachbarschützenden Vorschriften

Aktenzeichen  W 5 K 15.4

Datum:
3.3.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauNVO BauNVO § 23 Abs. 2
BauGB BauGB § 34
BayBO BayBO Art. 6 Abs. 1 S. 3, Abs. 4 S. 3

 

Leitsatz

1 Die Festsetzung einer Baulinie nach § 23 Abs. 2 BauNVO ist eine planungsrechtliche Vorschrift iSd Art. 6 Abs. 1 S. 3 BayBO, sodass keine Abstandsflächen vor Außenwänden von Gebäuden an Grundstücksgrenzen notwendig sind. (redaktioneller Leitsatz)
2 Für die Berechnung einer Wandhöhe sind Dächer nur mit einzubeziehen, wenn sie einen höheren Neigungswickel als 45 Grad aufweisen. (redaktioneller Leitsatz)
3 Mögliche baurechtliche Verstöße gegen Vorgaben zu Lüftungsanlagen, Abluftkaminen, einen Müllraum sowie einen Kinderspielplatz sind nicht Drittschützend. (redaktioneller Leitsatz)
4 Aus § 6 BauNVO ergibt sich weder, dass in einem Mischgebiet ein Gebäude, das für Wohnzwecke genutzt wird, unzulässig ist, noch dass sich Wohn- und Gewerbeflächen in gleichem oder ähnlichem Verhältnis befinden müssen. Insbesondere besteht zwischen beiden Nutzungen kein Rangverhältnis. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Aufwendungen der Beigeladenen zu tragen.
III.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
Der angefochtene Baugenehmigungsbescheid der Stadt Würzburg vom 5. Dezember 2014 verletzt die Klägerin nicht in ihren subjektivöffentlichen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Gemäß Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 BayBO ist eine Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlichrechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Einem Nachbarn des Bauherrn steht ein Anspruch auf Versagung der Baugenehmigung grundsätzlich nicht zu; er kann eine Baugenehmigung nur dann mit Aussicht auf Erfolg anfechten, wenn Vorschriften verletzt sind, die auch seinem Schutz dienen, oder wenn das Vorhaben es an der gebotenen Rücksichtnahme auf seine Umgebung fehlen lässt und dieses Gebot im Einzelfall Nachbarschutz vermittelt. Ein derartiger Fall ist vorliegend nicht gegeben.
1. Nachbarschützende Vorschriften des Bauordnungsrechts, insbesondere solche des Abstandsflächenrechts werden nicht zulasten der Klägerin verletzt.
1.1. Der (sinngemäße) Vortrag der Klägerseite, dass die Abstandsflächenvorschriften hier nicht eingehalten seien und insbesondere die Abstandsflächentiefe durch neue Dachaufbauten sich erhöht habe, kann nicht zum Erfolg der Klage führen. Denn es liegt keine Verletzung abstandsflächenrechtlicher Vorschriften zulasten der Klägerin vor.
Zwar erstreckt sich das Prüfprogramm bei Sonderbauten – es handelt sich hier um ein Hochhaus gemäß Art. 2 Abs. 4 Nr. 1 BayBO – auch auf die Anforderungen des Abstandsflächenrechts der Bayerischen Bauordnung (Art. 60 Satz 1 Nr. 2 BayBO) und damit auch auf beantragte Abweichungen im Sinn des Art. 63 Abs. 1 BayBO, so dass auch die Abstandsflächenvorschriften zu prüfen waren.
Hier hat die Stadt Würzburg unter Nr. 1313 der Baugenehmigung eine Abweichung nach Art. 63 Abs. 1 BayBO von den vorgeschriebenen Tiefen der Abstandsfläche auf der Westseite (grundsätzlich erforderlich: 14,30 m und 29,95 m; geplant: 8,24 m und 7,16 m) erteilt. Begründet wurde dies damit, dass keine Bedenken hinsichtlich der Belichtung und Belüftung bestehen und die Abweichung unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Die Beklagte ist jedoch zu Unrecht davon ausgegangen, dass das Vorhaben der Beigeladenen insoweit einer Abweichung von den Regelungen über Abstandsflächen bedarf, so dass sie ins Leere geht. Im Einzelnen:
1.2. Zwar sind nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayBO vor den Außenwänden von Gebäuden Abstandsflächen von oberirdischen Gebäuden freizuhalten. Eine Abstandsfläche ist nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO aber gerade nicht erforderlich vor Außenwänden, die an Grundstücksgrenzen errichtet werden, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden muss oder gebaut werden darf.
Zu den planungsrechtlichen Vorschriften nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO gehört auch die Festsetzung einer Baulinie nach § 23 Abs. 2 BauNVO (vgl. VG Würzburg, B.v. 10.3.2014 – W 5 S 14.124 – juris; bestätigt durch BayVGH, B.v. 29.7.2014 – 9 CS 14.709 – juris; siehe schon BayVGH, B.v. 27.1.1984 – 2 CS 83 A.3030 – BayVBl 1984, 214; Dhom in Simon/Busse, BayBO, Stand 2015, Art. 6 Rn. 49; Schwarzer/König, BayBO, 2012, Art. 6 Rn. 28). Ist nämlich eine Baulinie festgesetzt, so muss nach § 23 Abs. 2 Satz 1 BauNVO auf dieser Linie gebaut werden.
Verläuft die Baulinie entlang einer Grundstücksgrenze, bestimmt sie – anders als die Baugrenze, die nur nicht überschritten werden darf -, weil Gebäude eben auf die Baulinie zu setzen sind, den konkreten Standort des Vorhabens an der Grundstücksgrenze. Ist daher sichergestellt, dass Baulinie und Grundstücksgrenze identisch sind, sind bei Einhaltung der Baulinie keine Abstandsflächen einzuhalten (BayVGH, B.v. 27.1.1984 – 2 CS 83 A.3030 – BayVBl 1984, 214; BayVGH, B.v. 10.12.2008 – 1 CS 08.2770 – juris zu Baugrenzen; Dhom in Simon/Busse, BayBO, Art. 6 Rn. 49; Molodovsky/Kraus in Molodovsky/Famers/Kraus, BayBO, Stand Dez. 2015, Art. 6 Rn. 84).
Nach diesen Maßstäben scheidet hier ein Verstoß gegen das Abstandsflächenrecht von vornherein aus. Das Gebäude wird hier auf die vordere Grundstücksgrenze gesetzt. Dies entspricht den Festsetzungen des Baulinien-Auflageplans „…straße“ der Stadt Würzburg von 1951, festgesetzt mit RB vom 15. Januar 1951 in der „Zusammenfassung der Baulinien-Auflagepläne für das Gebiet zwischen A… …, O… …, W…straße und …straße“ zum Baulinienplan Nr. …22 vom 10. Dezember 2009 und der Bauweise entlang der …straße.
Derartige Baulinienfestsetzungen wurden gemäß § 173 Abs. 3 BBauG 1960 als einfache Bebauungspläne übergeleitet und entfalten gemäß § 233 Abs. 3 BauGB nach wie vor Geltung. Soweit ein einfacher Bebauungsplan Regelungen bzw. Festsetzungen enthält, bestimmt sich die Zulässigkeit eines Vorhabens allein danach, ob es diesen Festsetzungen widerspricht oder nicht. Lediglich ergänzend – soweit keine Festsetzungen vorhanden sind – sind die Bestimmungen der §§ 34 oder 35 BauGB heranzuziehen, was § 30 Abs. 3 BauGB ausdrücklich klarstellt. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der für das Vorhaben maßgebliche Baulinien-Auflageplan außer Kraft getreten sein könnte. Vielmehr erklärt der Bebauungsplan „Innenstadt Teilabschnitt … – …“ vom 9. November 1998, der für den Bereich des Grundstücks der Beigeladenen ein Mischgebiet gem. § 6 BauNVO festsetzt, die unveränderte Fortgeltung der Festsetzungen des Baulinienplans „…straße“ vom 15. Januar 1951.
Bei der mit roter Farbe auf der Ostseite der …straße dargestellten Baulinie im Baulinienplan handelt es sich um eine Gebäudefluchtlinie mit der rechtlichen Wirkung, dass die vordere Gebäudeflucht unmittelbar an diese Linie herangerückt werden muss (vgl. § 4 Abs. 2 BauO 1901 i. V. m. Nr. 44 der Entschließung des Staatsministeriums des Innern vom 3.8.1910, abgedruckt in Englert/Mang, BayBO 1901, 11. Aufl. 1957, Anhang 28).
Nach allem scheidet hier, da gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO nach planungsrechtlichen Vorschriften an die vordere Grundstückgrenze gebaut werden muss, ein Verstoß gegen das Abstandsflächenrecht von vornherein aus.
1.3. Darüber hinaus wäre hier aber auch die Berechnung der Abstandsflächentiefe zu beanstanden, soweit in diese die Höhe des Daches eingeflossen ist. Wie bei dem Hochhaus bisher schon bestimmt sich die Abstandsflächentiefe allein nach der Wandhöhe. Insoweit war keine Neubetrachtung der Abstandsflächen durchzuführen.
Für das Hochhaus hat die Beklagte eine Änderung der durch das Vorhaben der Beigeladenen benötigten Abstandsflächen gegenüber dem Bestand von 1,13 m wegen der nunmehrigen Dachneigung von 45° zugrunde gelegt. Diese Berechnung findet im Gesetz keine Stütze.
Nach Art. 6 Abs. 4 Satz 1 BayBO berechnet sich die Tiefe der Abstandsfläche nach der Wandhöhe. Nach Art. 6 Abs. 4 Satz 3 BayBO ist die Höhe von Dächern mit einer „Neigung von mehr als 45 Grad“ zu einem Drittel hinzuzurechnen. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Regelung bleiben damit Dächer mit einer Neigung bis einschließlich 45° oder – anders ausgedrückt – nicht größer als 45° unberücksichtigt (vgl. auch Schwarzer/König, BayBO Art. 6 Rn. 72; Dhom/Franz/Rauscher in Simon/Busse, BayBO, Art. 6 Rn. 182; Dirnberger in Jäde/Dirnberger/Bauer/Weiß, Die neue BayBO, Sept. 2015, Art. 6 Rn. 128). Ausweislich der genehmigten Eingabeplanung liegt hier aber eine Dachneigung von exakt 45° vor (vgl. Ansichten Plan 01, Ansichten Plan 02, Ansichten für Abstandsflächen Plan 06) und damit keine Dachneigung von mehr als 45°, so dass die Hinzurechnung zu unterbleiben hat.
1.4. Maßgeblich ist nach Art. 6 Abs. 4 BayBO deshalb alleine die Wandhöhe, nach dessen Satz 2 also das Maß von der Geländeoberfläche bis zum Schnittpunkt der Wand mit der Dachhaut. Vorliegend vergrößert sich aufgrund der erhöhten Dachneigung die vor der westlichen Außenwand einzuhaltende Abstandsfläche, gemessen an der Ansicht West der Eingabeplanung „Ansichten für Abstandsflächen“ um wenige Zentimeter (allenfalls10 cm).
Angesichts dieser marginalen Veränderung spricht vieles dafür, dass bezüglich des Hochhauses keine neue abstandsflächenrechtliche Gesamtbetrachtung erforderlich ist.
Jedenfalls begegnet eine Abweichung nach Art. 63 BayBO in Anbetracht der vorhandenen Höhe des Gebäudes, der schon allein damit einhergehenden Atypik der Grundstückssituation auf der Flnr. …89 und der allenfalls minimalen, mit der Messlatte der abstandsflächenrechtlichen Belange Belichtung, Belüftung, Besonnung und Wahrung des Wohnfriedens nicht mehr fassbaren Verschlechterung der nachbarrechtlichen Situation des klägerischen Grundstücks auf der gegenüberliegenden Straßenseite mit einem Abstand von ca. 15 m keinen Bedenken.
Abgesehen davon würde auch das Gebäude der Klägerin zur …straße hin – wollte man nicht auch auf dieses Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO anwenden – nicht die sich aus Art. 6 Abs. 4 BayBO zu errechnenden Abstandsflächen einhalten. Die relevante Wandhöhe beträgt ca. 15 m. Dazu käme noch ein Drittel der Giebelfläche. Bis zur Mitte der …straße stehen aber nur 7,5 m zur Verfügung.
1.5. Die Einwände der Klägerin zu in den Eingabeplänen fehlenden Angaben zu Lüftungsanlagen, Abluftkaminen und einem Müllraum sowie hinsichtlich des Kinderspielplatzes und der Prüfstatik sind – jedenfalls unter dem Aspekt des Nachbarschutzes – irrelevant. Soweit gerügt wird, dass ein Abluftkamin sowie ein Müllraum für den gewerblichen Müll nicht im Plan dargestellt sei und der Müllraum zwischen Notstromaggregat und Technikzentrale im Keller liege, ist dieses Vorbringen im Übrigen auch völlig unsubstanziiert, denn es wird noch nicht einmal ansatzweise begründet, inwieweit hierdurch nachbarschützende Vorschriften, die der Klägerin zustehen könnten, verletzt sein sollen. Eine Abweichung von den Vorschriften über Kinderspielplätze ist nicht nachbarschützend. Die bauordnungsrechtlichen Bestimmungen zur Herstellung eines Kinderspielplatzes dienen nicht dem Schutz des Nachbarn (vgl. Taft in Simon/Busse, BayBO, Art. 7 Rn. 177). Dass durch eine Nebenbestimmung, mit der dem Bauherrn gestattet wird, den Antrag auf Erteilung des Prüfauftrags hinsichtlich des Standsicherheitsnachweises nachzureichen, der Nachbar in seinen Rechten verletzt sein könnte, scheidet von vornherein aus. Soweit ein unzureichender Schallschutz im Bauprojekt der Beigeladenen gerügt wird, kann dies keinesfalls in Rechte des Nachbarn eingreifen.
2. Auch nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts werden durch die streitgegenständliche Baugenehmigung nicht zulasten der Klägerin verletzt.
2.1. Bauplanungsrechtlich beurteilt sich das Vorhaben der Beigeladenen nach § 30 Abs. 3 BauGB (einfacher Bebauungsplan), im Übrigen nach § 34 Abs. 2 BauGB und § 6 BauNVO. Die Baugrundstücke und das Grundstück der Klägerin liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans „Innenstadt Teilabschnitt … – …“ vom 9. November 1998, der für diesen Bereich ein Mischgebiet gem. § 6 BauNVO festsetzt, sowie des Baulinien-Auflageplans „…straße“ vom 15. Januar 1951, der für die Baugrundstücke Baulinien vorgibt.
2.2. Dass für einen 2,30 m breiten Bereich zwischen den beiden Gebäudetrakten an der …straße im Wege der Befreiung (Nr. …50 des Genehmigungsbescheids) ein Zurückbleiben hinter der festgesetzten Baulinie zugelassen wurde, kann sich nicht zulasten der Klägerin auswirken.
2.3. Das klägerische Bauvorhaben fügt sich seiner Art nach in die Umgebungsbebauung ein. Die vorgesehene Wohnnutzung ist nach § 6 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO, die geplante gewerbliche Nutzung nach § 6 Abs. 2 Nrn. 2 und 3 BauNVO allgemein zulässig. Mischgebiete dienen dem Wohnen und der Unterbringung von das Wohnen nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieben (§ 6 Abs. 1 BauNVO).
Nicht durchdringen kann die Klägerseite mit ihrem Vorbringen, dass durch eine Umnutzung von Büros in Wohnungen in dem hier vorgesehenen Umfang, das Gebiet nicht mehr den Grundzügen eines Mischgebiets entspreche, sondern denen eines Wohngebiets. Es ist nicht der geringste Anhaltspunkt dafür vorgetragen oder sonst wie ersichtlich, dass der fragliche Bereich an der …straße in ein allgemeines oder besonderes Wohngebiet „umkippen“ würde. Im Übrigen bleibt darauf hinzuweisen, dass anders als die Klägerseite wohl meint, § 6 BauNVO nicht beinhaltet, dass ein ausschließlich zu Wohnzwecken genutztes Gebäude in einem Mischgebiet unzulässig wäre, oder sich gar Wohn- und Gewerbeflächen in gleichem oder ähnlichem Verhältnis befinden müssten. Zulässig sind vielmehr – selbstverständlich – „reine“ Wohngebäude (vgl. § 6 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO), zulässig sind in einem Mischgebiet Wohngebäude jeglicher Art und Größe (vgl. Roeser in König/Roeser/Stock, BauNVO, 2014, § 6 Rn. 8). Darüber hinaus handelt es sich schon gar nicht um ein reines Wohngebäude, vielmehr soll das Erdgeschoss gewerblich genutzt werden (Ladenfläche, Tagescafé), wie sich den genehmigten Planunterlagen unzweifelhaft entnehmen lässt.
Im Übrigen bleibt noch darauf hinzuweisen, dass der Gebietscharakter des Mischgebiets dadurch gekennzeichnet ist, dass es sowohl dem Wohnen als auch der Unterbringung von Gewerbebetrieben dient, allerdings nur solchen, die das Wohnen nicht wesentlich stören. Anders als die Klägerseite wohl meint ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 BauNVO, dass zwischen beiden Nutzungen ein Rangverhältnis nicht besteht (vgl. Roeser in König/Roeser/Stock, BauNVO, § 6 Rn. 3).
Das Vorhaben der Klägerin fügt sich auch nach dem Maß der baulichen Nutzung in die Umgebung ein. Zwar stellt das frühere „…haus“ per se einen Fremdkörper in der Umgebung dar. Vorliegend wird aber gerade dieses Gebäude einer geänderten Nutzung unterzogen. Die äußere Form bleibt weitgehend unverändert. Der bestehende Rahmen wird nicht gesprengt, auch nicht durch die Veränderung des Daches, zumal die Höhe des Dachfirsts unverändert bleibt.
2.4. Das Vorhaben der Beigeladenen verstößt auch nicht zulasten der Klägerin gegen das aus § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauGB herzuleitende nachbarliche Rücksichtnahmegebot.
Die an das Gebot der Rücksichtnahme zu stellenden Anforderungen hängen von den Umständen des Einzelfalles ab. Das heißt, es ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles zu prüfen, ob die mit einem Bauvorhaben verbundenen Nachteile das Maß dessen überschreiten, was einem Grundstücksnachbarn billigerweise noch zugemutet werden kann. Eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Klägerin ist hier nicht zu erkennen. Die ausreichende Belichtung, Belüftung und Besonnung ihres Nachbargrundstücks wird grundsätzlich durch die bauordnungsrechtliche Abstandsflächenregelung sichergestellt. Hält ein Bauvorhaben – wie hier (vgl. Ausführungen unter 1.) – diese Vorschriften ein, so ist darüber hinaus für ein drittschützendes Gebot der Rücksichtnahme auf diese nachbarlichen Belange kein Raum. Der Landesgesetzgeber hat insoweit abschließend bewertet und geregelt, was den Nachbarn billigerweise zugemutet werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 15.9.1998 – 1 B 96.4115 – juris). Für einen Verstoß gegen das nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme unter dem Aspekt der „Einmauerung“, der voraussetzt, dass die genehmigte Anlage das Nachbargrundstück regelrecht abriegelt, d. h. dort ein Gefühl des „Eingemauertseins“ oder eine „Gefängnishofsituation“ hervorruft (vgl. zuletzt BayVGH, B.v. 29.1.2016 – 15 ZB 1759 – juris), ist hier weder etwas vorgetragen noch sonst wie ersichtlich.
2.5. Soweit die Klägerin Einschränkungen des Betriebs der von ihr betriebenen „…Lounge“ befürchtet, geht auch dieser Einwand ins Leere, weil sie bereits bisher gegenüber der Nachbarschaft die auf ein Mischgebiet bzw. ein besonderes Wohngebiet bezogenen Immissionsschutzrichtwerte einhalten muss. Auch auf den unmittelbar an das klägerische Grundstück angrenzenden Grundstücken Flnrn. …29 und …26 findet im Übrigen Wohnnutzung statt.
Nach alledem war die Klage insgesamt abzuweisen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Da sich die Beigeladene durch Antragstellung am Kostenrisiko des Verfahrens beteiligt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO) entsprach es der Billigkeit, die ihr entstandenen außergerichtlichen Aufwendungen der Klägerin aufzuerlegen (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11 und § 711 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg, Hausanschrift: Burkarderstraße 26, 97082 Würzburg, oder Postfachanschrift:Postfach 11 02 65, 97029 Würzburg, schriftlich zu beantragen. Hierfür besteht Vertretungszwang.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder Postfachanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München, Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach, einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte, Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, oder die in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 12.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe:
Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1, 63 Abs. 2 Satz 1 GKG und orientiert sich an Ziffer 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (BayVBl 2014, Sonderbeilage Januar). Demnach ist bei Nachbarklagen gegen eine Baugenehmigung von einem Streitwert von 7.500,00 EUR bis 15.000,00 EUR auszugehen, soweit nicht ein höherer wirtschaftlicher Schaden feststellbar ist. Das Gericht hält im vorliegenden Fall einen Streitwert von 12.000,00 EUR für angemessen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Für die Streitwertbeschwerde besteht kein Vertretungszwang.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg, Hausanschrift: Burkarderstraße 26, 97082 Würzburg, oder Postfachanschrift: Postfach 11 02 65, 97029 Würzburg, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.


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