Baurecht

Vergabeverfahren: Privater Träger einer Einrichtung für soziale Leistung als öffentlicher Auftraggeber

Aktenzeichen  Z3-3-3194-1-31-06/17

Datum:
4.9.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
NZBau – 2018, 59
Gerichtsart:
Vergabekammer
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GWB § 98 Nr. 2, § 99 Nr. 2, § 134, § 169 Abs. 2
VgV § 58 Abs. 1, § 60 Abs. 1, Abs. 2
BayEUG Art. 33 Abs. 2, Art. 111 Abs. 1 Nr. 4, § 113 Abs. 1 S. 1, Abs. 2
SGB XII § 75
SGB VIII § 46 Abs. 1, Abs. 2
KStG § 5 Abs. 1 Nr. 9
PfleWoqG Art. 12 Abs. 2, Art. 13 Abs. 1 S. 1, Art. 14 Abs. 2, Art. 15
AEUV Art. 267 Abs. 3

 

Leitsatz

1. Ein privater Träger von Einrichtungen für soziale Leistungen, der verschiedene im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art wie z.B. den Betrieb von Förderschulen, Förderstätten, heilpädagogischen Tagesstätten und Wohnheimen erfüllt und aufgrund dieser Aufgaben unterschiedlichen staatlichen Aufsichtsbefugnissen etwa nach dem PfleWoqG, dem BayEUG oder dem SGB VIII unterliegt, kann gem. § 99 Nr. 2 b) GWB auch dann öffentlicher Auftraggeber sein, wenn er nicht als überwiegend öffentlich finanziert i.S.d. § 99 Nr. 2 a) GWB gilt.
2. Für die Frage der Erfüllung des Kriteriums der Aufsicht über die Leitung i.S.v. § 99 Nr. 2 b) GWB ist für alle Aufsichtsbefugnisse zu klären, ob diese es staatlichen Stellen potentiell ermöglichen würden, die Entscheidungen des Auftraggebers auch in Bezug auf öffentliche Aufträge zu beeinflussen.
3. Hat der Auftraggeber vorab in den Vergabeunterlagen festgelegt, welche Mindestanforderungen er an die Inhalte der abgefragten Konzepte für eine bestimmte Bewertung stellt, darf er hiervon nachträglich nicht mehr abweichen. Insbesondere darf er ein Angebot, das nicht einmal die Mindestanforderungen für eine durchschnittliche Bewertung erfüllt, nicht mit der vollen Punktzahl bewerten.

Tenor

1. Der Antragsgegnerin wird untersagt, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen. Bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht wird die Antragsgegnerin verpflichtet, die Angebotswertung unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen.
2. Die Antragsgegnerin und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerin notwendigen Auslagen als Gesamtschuldner.
3. Für das Verfahren wird eine Gebühr von 7280 Euro festgesetzt. Auslagen sind nicht angefallen.
4. Die Hinzuziehung des Bevollmächtigten der Antragstellerin war notwendig.

Gründe

I.
Die Antragsgegnerin beabsichtigt den Auftrag von Fahrdienstleistungen von derzeit 74 Schülern von deren Wohnorten zur Förderschule und retour, im Wege eines offenen Verfahrens als Dienstleistungsauftrag für eine Laufzeit von 48 Monaten zuzüglich Verlängerungsoption um weitere 24 Monate zu vergeben und hat dies mit europäischer Bekanntmachung im Supplement zum Amtsblatt der europäischen Gemeinschaften vom 06.04.2017 veröffentlicht. Im Einzelfall sind die Beförderungsteilnehmer auch im Kurzzeit-Wohnheim der Antragsgegnerin untergebracht und dann von dort aus bzw. dorthin zu befördern.
Die Vergabe erfolgt als Gesamtauftrag. Nebenangebote wurden nicht zugelassen (II.2.10 der Bekanntmachung). Der Bezirk O… hat das Vergabeverfahren für die Antragsgegnerin durchgeführt.
In der Bekanntmachung (Ziffer II.2.5) wurden als Zuschlagskriterien die Qualität des Konzeptes für die Schülerbeförderung, gewichtet mit 40%, Umweltaspekte, gewichtet mit 10% und der Angebotspreis, gewichtet mit 50%, genannt.
Nach Ziffer IV der Ausschreibungsunterlagen erhält das Angebot des Bieters mit der höchsten Punktzahl den Zuschlag.
Weiter wird unter Nr. 1 aufgeführt:
„Gewertet wird mit bis zu 50 Punkten der Angebotspreis des Bieters für alle Touren einschließlich Mehrwertsteuer, soweit sie anfällt, für alle Vertragsjahre, wobei die H… gemeinnützige GmbH die Preise gemäß Preisgleitklausel Kapitel E.; Ziffer 7. hochrechnet. Das Angebot mit dem niedrigsten Angebotspreis erhält bezüglich des Wertungskriteriums „Angebotspreis“ die Maximalpunktzahl von 50 Punkten. Die weiteren Angebote erhalten diejenigen Punktezahl, die sich aus folgender Berechnungsformel ergeben:
Punktezahl für das zu wertende Angebot = (Preis des bestplatzierten Angebotes ./. Preis des zu wertenden Angebotes) x 50.“
Unter Nr. 2 legte die Antragsgegnerin hinsichtlich der „Qualität des von dem Bieter mit dem Angebot einzureichenden Konzeptes für die Beförderung“ fest:
“Mit bis zu 40 Punkten findet Eingang in die Angebotsauswertung die Qualität des von dem Bieter mit dem Angebot einzureichenden Konzeptes für die Beförderung. Zur Bewertung werden gleichgewichtig folgende Unterkriterien herangezogen:
a) Ausfallsicherheitskonzept des Bieters (max. 20 Punkte):
– der Bieter soll darlegen, wie er den Auftrag personell organisiert und durchzuführen beabsichtigt und wie auf Ausfälle des Personals z. B. aufgrund von Krankheit reagiert wird und welche Maßnahmen zur Optimierung der Ausfallsicherheit getroffen werden,
– der Bieter soll ferner darlegen, wie auf Ausfälle von Fahrzeugen reagiert wird und welche Maßnahmen zur Optimierung der Ausfallsicherheit (z. B. Vorhaltung von Reservefahrzeugen) getroffen werden.
b) Reaktion auf unvorhergesehene Ereignisse (max. 20 Punkte)
Der Bieter soll darlegen, wie auf unvorhergesehene Ereignisse reagiert wird, nämlich
– auf akut auftretende gesundheitliche Problemsituationen bei einem Fahrgast,
– Streitigkeiten der Fahrgäste untereinander sowie
– bei Unfällen.
Für jedes Unterkriterium werden bis zu 20 Punkte vergeben, und zwar,
– für Konzeptionen, die über dem Durchschnitt liegen: 20 Punkte
– für durchschnittliche Konzeptionen: 10 Punkte
– für unter dem Durchschnitt liegende Konzeptionen: 0 Punkte.
Durchschnittliche Konzeptionen in Bezug auf das Wertungskriterium „Ausfallsicherheit“ liegen vor, wenn der Bieter mindestens 2 Ersatzfahrer und 2 Ersatz-Begleitpersonen sowie mindestens 1 Reservefahrzeuge vorhält und darlegt, dass und wie die Ersatzkapazitäten spätestens eine halbe Stunde vor Unterrichtsbeginn einsatzbereit zur Verfügung stehen. Durchschnittliche Konzeptionen in Bezug auf das Wertungskriterium „Reaktion auf unvorhergesehene Ereignisse“ liegen vor, wenn der Bieter für jede der vorgenannten unvorhergesehenen Ereignisse einen schlüssigen Ablaufplan darlegt, in dem die von dem Fahrer/Beifahrer zu ergreifenden Maßnahmen vor Ort konkret beschrieben sind.“
Nr. 3. Umweltaspekte (max. 10 Punkte) sollen wie folgt bewertet werden:
o „die von dem Bieter im Zuschlagsfall einzusetzenden Fahrzeuge entsprechen der Feinstaubgruppe 4 der Feinstaubverordnung (Fünfunddreißigste Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes): 10 Punkte
o die Fahrzeuge entsprechen der Feinstaubgruppen 1 – 3 der Feinstaubverordnung: 0 Punkte.
Der Bieter hat im Rahmen seines Angebotes anzugeben, in welche Feinstaubgruppe die von ihm eingesetzten Fahrzeuge einzuordnen sind. Sind die Fahrzeuge in mehrere Feinstaubgruppen einzuordnen, hat der Bieter in Prozentsätzen anzugeben, wie viele Fahrzeuge in welche Gruppe einzuordnen sind. In diesem Fall werden die Punkte prozentual vergeben. Unterlässt der Bieter Angaben hierzu, erhält der Bieter in Bezug auf dieses Wertungskriterium 0 Punkte.”
Unter Ziffer III.1.1 bis III.1.3 der Bekanntmachung wurden verschiedene Vorgaben hinsichtlich der geforderten Eignung der Bieter gemacht.
Als Schlusstermin für den Eingang der Angebote wurde der 18.05.2017, 12:00 Uhr, festgelegt. Aufgrund von Bieteranfragen und Antworten wurde der Schlusstermin für die Einreichung der Angebote der 26.05.2017, 08:00 Uhr, verschoben.
Gemäß der Niederschrift haben bis zum Schlusstermin zwei Bieter Angebote abgegeben, die Antragstellerin und die Beigeladene.
Mit Informationsschreiben nach § 134 GWB vom 12.06.2017 wurde der Antragstellerin mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, den Zuschlag nach Ablauf der Wartepflicht an die M… gemeinnützige GmbH zu erteilten. Auf das Angebot der Antragstellerin könne der Zuschlag nicht erteilt werden, weil es nicht das wirtschaftlichste gewesen sei. Die Antragstellerin habe im Wertungskriterium „Konzept Ausfälle Fahrer/Fahrzeuge“ 18 Punkte erzielt, im „Konzept Unvorhersehbare Ereignisse“ 15 Punkte und in punkto „Umweltverträglichkeit“ 6 Punkte. Der Antragstellerin wurden die für ihr Angebot jeweils erzielten Punkte bei den einzelnen Zuschlagskriterien mitgeteilt, ebenso die des wirtschaftlichsten Bieters.
Daraufhin rügte die Antragstellerin per E-Mail am 21.06.2017 die Entscheidung des Antragsgegners unter Fristsetzung, da ihr bei korrekter Wertung mehr Punkte zustehen würden und sie damit erstplatziert sei.
Mit E-Mail vom 22.06.2017 erhob die Antragstellerin weitere Rügen, wonach das Angebot der Beigeladenen mängelbehaftet sei und deshalb ausgeschlossen werden müsste bzw. bei etwaiger Korrektur dann hinter dem Angeboten der Antragstellerin habe platziert werden müssen.
Die Vergabestelle half den Rügen mit E-Mails vom 22.06.2017 nicht ab. Nach Prüfung der Unterlagen bestünden keinerlei Anhaltspunkte für das Vorliegen der Rügepunkte vorlägen.
Die Antragstellerin stellte nach Ablehnung der Rügen mit Schreiben vom 22.06.2017 einen Nachprüfungsantrag und beantragte Folgendes:
1. Die Antragsgegnerin gemäß § 163 Abs. 2 S. 3 GWB unverzüglich in Textform über den Nachprüfungsantrag zu informieren, um zum Schutze der Rechte der Antragstellerin das Zuschlagsverbot gemäß § 169 GWB auszulösen.
2. Die Antragsgegnerin wird vorbehaltlich einer dauerhaften Aufgabe des Beschaffungswillens angewiesen, das im Supplement zum EU-Amtsblatt unter dem Aktenzeichen 2017/S … am 06.04.2017 bekannt gemachte Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags im ÖPNV für Fahrdienstleistungen für die Förderschule und HPT der Einrichtung H… in rechtsfehlerfreien Stand zurückzuversetzen und unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen.
3. Es wird festgestellt, dass die Antragsgegnerin die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt hat.
4. Die Hinzuziehung des Bevollmächtigten der Antragstellerin im Verfahren vor der Vergabekammer wird für notwendig erklärt.
5. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung durch die Antragstellerin.
Für den Fall, dass die Antragsgegnerin das Verfahren ohne Ausspruch der Vergabekammer freiwillig und umgehend in rechtsfehlerfreien Stand zurückversetzet, sowie für den Fall, dass die Antragsgegnerin dauerhaft vom Beschaffungsvorhaben Abstand nimmt, wurde hilfsweise beantragt,
6. Es wird festgestellt, dass die Antragsgegnerin verpflichtet waren, das im Supplement zum EU-Amtsblatt unter dem Aktenzeichen 2017/S … am 6.4.2017 bekannt gemachte Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags im ÖPNV für H… in rechtsfehlerfreien Stand zurückzuversetzen und unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen.
7. Es wird festgestellt, dass die Antragsgegnerin die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt hat.
8. Die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin durch diese wird für notwendig erklärt.
9. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerin.
Zudem wurde Akteneinsicht in die der Vergabe zugrunde liegenden Unterlagen, insbesondere die Unterlagen, mittels deren die Antragsgegnerin das Angebot der Beigeladenen geprüft habe, sowie in die Dokumentation des Verfahrens beantragt.
Die Antragsgegnerin sei eine gemeinnützige juristische Person des Privatrechts, die Aufgaben nichtgewerblicher Art erfülle und überwiegend durch Gebietskörperschaften und deren Sondervermögen sowie Verbände solcher finanziert werde.
Die Antragstellerin wende sich gegen die beabsichtigte Bezuschlagung der Beigeladenen. Die Zuständigkeit der Vergabekammer sei gegeben und der Auftrag überschreite den maßgeblichen Schwellenwert von 209.000,00 €.
Der Nachprüfungsantrag sei auch zulässig, da die Antragstellerin antragsbefugt sei und ihrer Rügeverpflichtung mit ihren Rügen vom 21.06.2017 und 22.06.2017 fristgerecht nachgekommen sei.
Weiter wurde ausgeführt, dass der Nachprüfungsantrag auch begründet sei, da die Antragsgegnerin die Bestimmungen über das Vergabeverfahren nicht eingehalten habe und die Antragstellerin dadurch in ihren Rechten verletzt sei.
Aus folgenden Gründen sei die Beigeladene vom Verfahren auszuschließen:
1. Das Angebot der erstplatzierten Bieterin sei unvollständig sowie fachlich und rechnerisch falsch.
2. Das Angebot der erstplatzierten Bieterin sei nicht form- und fristgerecht eingegangen.
3. Die erstplatzierte Bieterin habe Änderungen an ihren Eintragungen vorgenommen, welche nicht zweifelsfrei seien.
4. Die erstplatzierte Bieterin habe Änderungen oder Ergänzungen an den Vergabeunterlagen vorgenommen.
5. Die erstplatzierte Bieterin habe nicht nur unwesentliche Preisangaben unterlassen.
Selbst wenn die Beigeladene nicht vom Verfahren auszuschließen sei, würde die Antragstellerin bei korrekter Wertung des Angebots den ersten Platz einnehmen, denn ihr Angebot sei fehlerhaft bepunktet worden, da die der Antragstellerin erteilten Punkte bei der Wertung so nicht vorgesehen seien.
Die Antragstellerin hätte beim Kriterium „Konzept Ausfälle Fahrer/Fahrzeuge“ die volle Punktzahl erhalten müssen, denn die Antragsgegnerin habe mit ihrer Bepunktung zu erkennen gegeben, dass die Antragstellerin ein überdurchschnittliches Konzept angeboten habe. Bei überdurchschnittlichen Konzepten seien aber laut Wertungsmatrix 20 Punkte zwingend vorgegeben.
Beim Kriterium „Konzept Unvorhersehbare Ereignisse“ hätte die Antragstellerin ebenfalls 20 Punkte erhalten müssen, da die Antragsgegnerin mit ihrer Bepunktung zu erkennen gegeben habe, dass die Antragstellerin ein überdurchschnittliches Konzept angeboten habe, das laut Wertungsmatrix zwingend mit 20 Punkten zu bewerten gewesen sei.
Für das Wertungskriterium „Umweltverträglichkeit“ habe die Antragstellerin 10 Punkte erhalten müssen, denn die Antragstellerin habe ausschließlich EURO VI-Fahrzeuge angeboten, die mit 10 Punkten zu bewerten seien. Zusammen mit den für den Preis vergebenen Punkten, habe die Antragstellerin daher insgesamt eine höhere Punktzahl erzielt und liege vor der Beigeladenen.
Angesichts der vorgenannten Wertungsfehler, gehe die Antragstellerin davon aus, dass auch das Preiskriterium nicht korrekt gewertet worden sei.
Die Vergabekammer informierte die Antragsgegnerin mit Schreiben 22.06.2017 über den Nachprüfungsantrag und forderte deren Vergabeunterlagen an, die am 26.06.2017 eingegangen sind.
Der ehrenamtliche Beisitzer hat die Entscheidung über Beiladungen, den Umfang der Akteneinsicht sowie ggf. über die Verfahrenseinstellung nach Antragsrücknahme mit Schreiben vom 03.07.2017 auf den Vorsitzenden und den hauptamtlichen Beisitzer übertragen.
Mit Schreiben vom 04.07.2017 beantragte die Antragsgegnerin auf den Nachprüfungsantrag:
1. Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin wird abgelehnt.
2. Der Antragsgegnerin wird gestattet, der Fa. M… gGmbH – Beizuladende – binnen 2 Wochen nach Zustellung der Entscheidung der Vergabekammer den Zuschlag zu erteilen.
3. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer.
4. Die Antragstellerin trägt die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung aufgewandten Kosten der Antragsgegnerin.
Der Nachprüfungsantrag sei teilweise unzulässig. Die vorgetragenen Rügepunkte (unter Nr. 3.1 des Nachprüfungsantrages) in Bezug zum zwingenden Ausschluss der Beigeladenen seien „reine Rügen ins Blaue hinein“, die ohne irgendwelche Anhaltspunkte dazu benannt worden seien. Deshalb seien die Rügen aus Sicht der Antragsgegnerin als unsubstantiiert einzustufen.
Ebenso sei die gerügte fehlerhafte Wertung des Angebots der Antragstellerin, wie unter Nr. 3.2 des Nachprüfungsantrags vorgetragen, nicht ordnungsgemäß gerügt worden. Zwar sei die Rüge vom 21.06.2017 und die weiteren Rügen vom 22.06.2017 innerhalb der gesetzlichen Frist gemäß § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB eingegangen. Aber die Antragstellerin habe in der Rüge vom 21.06.2017 lediglich unspezifiziert gerügt, dass die Wertung der Antragstellerin fehlerhaft sei und im vorliegenden Fall mehr Punkte zustehen würden. Eine Begründung bei welchem Zuschlagskriterium die Wertung der Antragstellerin nicht stimme und weshalb die Wertung fehlerhaft erfolgt sei, sei nicht ausgeführt worden. Es könne erwartet werden, dass der Anbieter in der Rüge näher darauf eingehe, da die Vergabestelle in ihrer Mitteilung nach § 134 GWB ja die Punkte der vier Zuschlagskriterien detailliert aufgeführt habe.
Inhaltlich müsse die Rüge so konkret sein, damit der Auftraggeber in die Lage versetzt werde, den beanstandeten Fehler zu erkennen. Zudem habe die Antragstellerin eine unangemessen kurze Frist angesetzt. Die Rüge vom 21.06.2017 sei um 20.32 Uhr und die Rüge vom 22.06.2017 sei um 08.45 Uhr eingegangen. Damit dränge sich der Verdacht auf, dass die Kombination aus unspezifizierter Rüge und unnötig aufgebautem Zeitdruck, den Auftraggeber dazu verleiten sollte, der Rüge nicht abzuhelfen und damit den Weg in ein Nachprüfungsverfahren zu ermöglichen. Erst im Nachprüfungsverfahren seien spezifizierte Begründungen zur fehlerhaften Wertung der Antragstellerin erfolgt, was zu spät gewesen sei.
Der Nachprüfungsantrag sei auch im Übrigen nur zum Teil begründet.
Die Antragsgegnerin führte aus, dass der Nachprüfungsantrag unbegründet sei hinsichtlich des Vorbringens, wonach die Beigeladene auszuschließen (Nr. 3.1 des Nachprüfungsantrages) sei. Dies habe die Antragstellerin wie folgt begründet:
1. „Die Angebote der erstplatzierten Bieterin seien unvollständig sowie fachlich und rechnerisch falsch.
2. Die Angebote der erstplatzierten Bieterin seine nicht form- und fristgerecht eingegangen.
3. Die erstplatzierte Bieterin habe Änderungen an ihren Eintragungen vorgenommen, welche nicht zweifelsfrei seien.
4. Die erstplatzierte Bieterin habe Änderungen oder Ergänzungen an den Vergabeunterlagen vorgenommen.
5. Die erstplatzierte Bieterin habe nicht nur unwesentliche Preisangaben unterlassen.“
Die Unterlagen seien auf die Rügen der Antragstellerin nochmals geprüft worden. Es lägen, wie bereits mit Absageschreiben vom 22.06.2017 der Antragstellerin mitgeteilt worden sei, keinerlei Anhaltspunkte vor, dass das Angebot der Antragstellerin auszuschließen sei.
In Bezug auf die von der Antragstellerin vorgebrachte fehlerhafte Wertung ihres Angebots teilte die Antragsgegnerin mit, dass erstmals im Nachprüfungsantrag vom 22.06.2017 konkret mitgeteilt worden sei, dass bei der Wertung der Konzepte Zwischenstufen gebildet worden seien, die in den Ausschreibungsunterlagen nicht vorgesehen seien. Dieser Fehler in der Auswertung hätte ausgeräumt werden können, wenn die Antragstellerin dies spezifizierter gerügt hätte und nicht bereits vor Ablauf ihrer gesetzten Frist zur Abhilfe der Rüge einen Nachprüfungsantrag gestellt hätte. Die Antragsgegnerin habe die Wertung aller Angebote unter Berücksichtigung der in den Ausschreibungsunterlagen mitgeteilten Wertung wiederholt. Die Wertungsreihenfolge der Angebote habe sich durch die Neuwertung aber nicht verändert, da alle Angebote zuvor gleich fehlerhaft bewertet worden seien. Da die Bieter bei der Neubewertung bei den Qualitätskriterien eine identische Bewertung erhalten haben, sei vorliegend allein der Preis das entscheidende Kriterium für die Reihung.
Weiter wurde im Einzelnen zu der Wertung Stellung genommen.
Sowohl beim Leistungskriterium „Konzept Ausfälle Fahrer / Fahrzeuge“, also auch beim Leistungskriterium „Konzept unvorhersehbare Ereignisse“ hätten beide Bieter jeweils die Höchstpunktzahl von 20 Punkten erhalten.
Beim Leistungskriterium „Umweltverträglichkeit“ habe die Beigeladene in der ursprünglichen Wertung mehr Punkte als die Antragstellerin erhalten. Als Kriterium Umweltschutz sehe die Antragsgegnerin insbesondere das Alter und die Laufzeit der eingesetzten Fahrzeuge als entscheidend. Die Beigeladene habe die Fahrzeuge gut beschrieben, ein Höchstalter und eine Höchstkilometerzahl zugesichert. Sie habe deshalb bei der Neubewertung die Höchstpunktzahl erhalten.
Die Antragstellerin habe die Fahrzeuge beschrieben indem sie auf eine Anlage verwiesen habe, die aber nicht bei dem Angebot enthalten gewesen sei. In der neuen Bewertung habe die Antragstellerin die Höchstpunktzahl erhalten.
Die Antragstellerin moniere im Nachprüfungsantrag zudem, dass die Preiswertung nicht richtig durchgeführt worden sei. Die Antragsgegnerin habe dagegen die Preiswertung unter Zugrundelegung der Zuschlagskriterien gewertet. Diesbezüglich sei ein Bruttovergleich angestellt worden, weil die Mehrwertsteuer in Fällen der Fahrdienstleistungen (0%, 7% bzw. 19%) und bei Beteiligung von gemeinnützigen GmbHs, die grundsätzlich von der Mehrwertsteuer befreit seien, eine nicht unwesentliche Rolle spiele.
Nach § 169 Abs. 2 GWB sei der Antragsgegnerin die vorzeitige Erteilung des Zuschlags zu gestatten, da vorliegend unter Berücksichtigung aller Interessen ein besonderes Interesse an der beschleunigten Erteilung des Zuschlags bestehe.
Zunächst sei das Interesse der Allgemeinheit am raschen Abschluss des Verfahrens zu berücksichtigen. Darüber hinaus gebe es seitens der Antragsgegnerin und der Beigeladenen ein besonderes Interesse am vorzeitigen Zuschlag. Gegenstand der vorliegenden Vergabe sei die Schülerbeförderung für die Förderschule und Heilpädagogische Tagesstätte. Um den Auftrag erfüllen zu können, sei dem Auftragnehmer eine angemessenere Vorlaufzeit von mindestens zwei Monaten vor Vertragsbeginn einzuräumen, damit dieser die erforderlichen Fahrzeuge beschaffen und das erforderliche Personal einstellen könne. Bei einer Verzögerung hätte der Auftragnehmer nicht mehr die erforderliche Vorlaufzeit und könne entsprechend mit Vertragsbeginn nicht leisten. Der aktuelle Vertrag laufe aus, sodass die individuelle Beförderung der behinderten Schüler nicht mehr sichergestellt sei. Es bestehe theoretisch die Möglichkeit mit dem Unternehmen, das derzeit die Leistung erbringe, über eine Vertragsverlängerung zu verhandeln, aber es sei nicht absehbar, ob dieses der Verlängerung zustimme und den Bedarf decken könne. Andernfalls habe die Antragsgegnerin die Leistung interimsweise anderweitig zu vergeben, was zu erheblichen Zusatzkosten führe.
Ausschlaggebendes Interesse seitens der Antragsgegnerin sei die Aufrechterhaltung der Beförderung.
Die Antragsgegnerin führte noch aus, dass die Bieter insbesondere wegen der unvorhersehbaren Entwicklung der Kraftstoffpreise bei einem Vergabeverfahren, das zeitlich weit vor Vertragsbeginn liege, nur schwer kalkulieren könnten. Auch sei bei der Interessensabwägung der teilweise unzulässige Nachprüfungsantrag zu berücksichtigen. Deshalb sei der vorzeitige Zuschlag zu erstatten.
Daraufhin nahm die Antragstellerin mit Schreiben vom 06.07.2017 Stellung und beantragte,
1. Den Antrag auf vorzeitige Zuschlagsgestattung gemäß § 169 Abs. 2 GWB abzulehnen.
Mangels neuem Informationsschreiben gemäß § 134 GWB sehe die Antragstellerin den Rechtsstreit nicht als erledigt an, da sie weder eine Rücknahme im Rahmen einer Einigung mit der Antragsgegnerin erklären, noch unbedingte Fortsetzungsfeststellungsanträge zur Klärung stellen könne.
Vorsorglich, für den Fall, dass kurzfristig ein Schreiben gemäß § 134 GWB eingehe und dass keine Einigung gefunden werde, teilte die Antragstellerin mit, dass hinsichtlich der formalen Mängel keine Rüge ins Blaue hinein stattgefunden habe, da mangels Akteneinsicht von ihr kein weiterer Vortrag erwartet werden könne.
Auch sei die Rüge hinsichtlich der fehlerhaften Wertung hinreichend substantiiert vorgetragen worden. Die Antragsgegnerin „überstrapaziere“ die Anforderungen an eine Rüge.
Auch verkenne die Antragsgegnerin, dass die Antragstellerin gemäß § 160 Abs. 3 GWB zur Rüge verpflichtet sei, aber diese könne auch unmittelbar vor einem Nachprüfungsantrag erfolgen. Die Antragstellerin habe zudem erläutert, warum eine derart knappe Frist gesetzt werden musste.
Die Anordnung der Versendung des Nachprüfungsantrages habe der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin erst nach Fristablauf um 12:00 Uhr verfügt. Die Irritation der Antragsgegnerin hinsichtlich des Zeitstempels auf dem Telefax ergebe sich aus einem EDV-Fehler des Computerfaxes.
Die Antragsgegnerin impliziere auf S. 8 des Schriftsatzes vom 04.07.2017, dass das Angebot der Antragstellerin unvollständig sei. Vermutlich liege nur ein eilbedingter Fehler vor. Die Antragstellerin habe vor Einreichung jedes Angebots identische Kopien angefertigt. Die Prüfung der Kopien habe ergeben, dass die Antragstellerin alle erforderlichen Ausführungen zum Fahrzeugkonzept, die für eine Maximalpunktzahl erforderlich seien, gemacht habe.
Der Nachprüfungsantrag sei auch begründet. Indem die Antragsgegnerin eine Neubewertung durchgeführt habe, habe er dem Begehren der Antragstellerin entsprochen und insoweit deren Rüge nach veranlasstem Nachprüfungsantrag abgeholfen. Die Antragsgegnerin habe insoweit die fehlerhafte Auswertung eingeräumt. Das Verfahren sei von der Antragsgegnerin in einen früheren Stand zurückversetzt worden, allerdings mangels einer neuen Mitteilung nach § 134 GWB noch nicht abgeschlossen.
Die Antragstellerin bezweifle, ob nun eine rechtmäßige Neubewertung durchgeführt worden sei. Denn die Antragsgegnerin stelle allein auf die dazumal rechtswidrig vergebenen Punkte ab und runde diese auf. Ein bloßes Aufrunden sei keine Neubewertung. Die Kriterien seien auch inhaltlich zu prüfen. Die bloße mathematische Betrachtung genüge der eigenen Wertungsmatrix nicht. Vielmehr stelle die Antragsgegnerin eine neue Wertungsmatrix auf, welche nunmehr ein Aufrunden einer unrechtmäßigen Zwischenwertung beinhalte. Die neue nicht bekannt gemachte Wertungsmatrix sei rechtswidrig, was gerügt werde.
Der Antrag auf vorzeitige Zuschlagsgestattung sei abzulehnen, da die Antragsgegnerin bereits keine über ein allgemeines Zuschlagsinteresse hinausgehenden Gründe geltend mache. Insbesondere liege kein substantiierter Vortrag vor, warum die Rüstzeiten nicht ausreichend sein sollen. Insbesondere die Beigeladene verfüge über einen großen Fahrzeugpark und Mitarbeiterstab. Auch könne die Antragstellerin im Rahmen einer Interimsvergabe ohne weiteres und rechtzeitig einspringen und sei auch daran interessiert. Der Vortrag der Antragsgegnerin, es könne eine Interimsvergabe im Rahmen einer Verlängerung des Vertrages mit dem Mitbewerber erfolgen, sei eine unzulässige De-facto-Vergabe. Für den Fall, dass die Antragstellerin an einem Verfahren zur Interimsvergabe nicht beteiligt werde, kündigte die Antragstellerin einen weiteren Nachprüfungsantrag an.
Mit Beschluss vom 12.07.2017 wurde die M… gemeinnützige GmbH, deren Interessen im streitgegenständlichen Vergabeverfahren von der Entscheidung der Vergabekammer in erheblicher Weise berührt sein könnten, beigeladen.
Ebenfalls mit Schreiben vom 12.07.2017 wurde zur mündlichen Verhandlung in den Räumen der Regierung von Oberbayern am 26.07.2017, 10:00 Uhr geladen. Das Verfahren wurde zur gemeinsamen mündlichen Verhandlung mit der Sache Z3-3-3194-1-32-06/17 verbunden.
In einem weiteren Schreiben vom 12.07.2017 wurde über den Umfang der Akteneinsicht entschieden und der Antragstellerin entsprechend Akteneinsicht gewährt.
Mit Schreiben vom 12.07.2017 übersandte die Antragsgegnerin in Abschrift nach Neubewertung der Angebote ein neues Informationsschreiben nach § 134 GWB, das auch an die Antragstellerin gesandt wurde.
Mit Schriftsatz vom 14.07.2017 teilte die Antragsgegnerin insbesondere mit, dass sie eine Neubewertung der beiden Angebote vorgenommen habe und an den unterlegenen Bieter eine neue Mitteilung nach § 134 GWB übersandt habe. Die Wertungsreihenfolge habe sich dabei nicht geändert.
Mit Schreiben vom 18.07.2017 äußerte die Antragstellerin, dass die Bewertung, deren Begründung und die Dokumentation der Konzepte nicht den Anforderungen an eine transparente und nachvollziehbare Bewertung von Konzepten genügten. Da nach der aktuellen Rechtsprechung des BGH (Beschluss vom 4.4.2017 – X ZB 3/17) eine sogenannte Schulnotenbewertung von Konzepten nicht mehr zu beanstanden sei, müsse nach dem BGH das Risiko einer intransparenten Vergabe durch eingehende Dokumentation des Wertungsprozesses begegnet werden. Dies gelte für die Bewertung und Dokumentation vom 06.06.2017 und vom 12.07.2017.
Die stichwortartige pauschale Begründung lasse die Bewertung des Konzeptes „Ausfall“ nicht hinreichend nachvollziehen. Es liege keine Dokumentation „aller maßgeblichen Erwägungen und Schritte“, die es ermögliche, nachzuvollziehen, „welche konkreten qualitativen Eigenschaften der Angebote mit welchem Gewicht in die Benotung eingegangen sind“ vor, wie vom BGH gefordert. Im Übrigen sei auch nicht deutlich, warum das Konzept unter Zugrundelegung der festgestellten Parameter überdurchschnittlich sei, laut den aufgestellten Anforderungen.
Das gleiche gelte für die Bewertung des Konzeptes „Unvorhergesehene Vorfälle“. Eine Auseinandersetzung mit der eigens aufgestellten Definition, wann ein Konzept durchschnittlich sei finde hier nicht statt und sei nicht dokumentiert. Auch bei diesem Konzept seien bei den Ausführungen der Antragsgegnerin zur Wertung, lediglich Merkmale des Konzeptes schlagwortartig festgestellt worden, ohne eine Bewertung und Begründung der Punktevergabe entsprechend den Anforderungen des BGH vorzunehmen.
Die Bewertung des Konzepts „Umweltverträglichkeit sei noch am nachvollziehbarsten, dennoch fehle eine ausführliche Dokumentation aller maßgeblichen Erwägungen und Schritt einer nachvollziehbaren Dokumentation einer Konzeptbewertung. Auch wenn die Antragstellerin, die Konzepte der Beigeladenen aufgrund der Schwärzungen bei der Akteneinsicht nicht kenne, gehe sie davon aus, dass die Bewertung bei der Beigeladenen in gleicher Weise erfolgt sei. Auch sei die Bewertung der Konzepte im Vergleich untereinander nicht nachvollziehbar. Die Antragstellerin gehe davon aus, dass die Konzepte der Beigeladenen schlechter bewertet werden müssen. In diesem Fall würde die Antragstellerin den Wertungsnachteil im Kriterium Preis über mehr Punkte im Bereich der Qualität beseitigen, so dass sie mehr Gesamtpunkte erhalten müsste als die Beigeladene.
Aufgrund der jetzt am 12.07.2017 mitgeteilten Wertungspunkte lasse sich erstmals der Preisunterschied zwischen den Angeboten der Antragstellerin und der Beigeladenen berechnen, weil die Bewertung in den Konzepten bei beiden Angeboten gleich erfolgt sei. Das Angebot der Beigeladenen sei wesentlich günstiger als das der Antragstellerin. Da die Aufgreifschwelle nach der ständigen Rechtsprechung bei 10% Preisdifferenz liege, liege ein Unterkostenangebot der Beigeladenen vor. Dieser Preisunterschied könne nicht aus der Umsatzsteuerbefreiung der Beigeladenen resultieren, weil als Ausgleich für die Befreiung auch der Nachteil, dass die Beigeladene keine Vorsteuer ziehen könne, mit einkalkuliert werden müsse. Der Preisunterschied könne allein aus zu niedrig angesetzten Stundenanzahlen für Fahrer und Beifahrer resultieren. Diese niedrigen Stundenzahlen stellten jedoch einen Verstoß bzw. eine Umgehung der Bestimmungen zum Mindestlohn dar. Nach dem Beschluss des VK Bund vom 14.07.2015 – VK 2-57/15 habe der Bieter einen Rechtsanspruch auf Aufklärung des Angebots, insbesondere aufgrund der Mindestlohnrelevanz habe eine Aufklärung durch die Antragsgegnerin stattfinden müssen. Dies sei vergaberechtswidrig unterblieben.
Da die Antragsgegnerin ohne nachvollziehbare Gründe die Konzepte gleich bewertet habe, führe dies im Ergebnis dazu, dass die Antragsgegnerin die Angebote nur anhand des Kriteriums „Preis“ bewerte. Die Antragsgegnerin habe daher bewusst, das Wertungskriterium Qualität ausgeblendet.
Da die Antragsgegnerin ohne nachvollziehbare Gründe die Konzepte gleich bewertet habe, führe dies im Ergebnis dazu, dass der Antragsgegner die Angebote nur anhand des Kriteriums „Preis“ bewerte. Die Antragsgegnerin habe daher bewusst das Wertungskriterium Qualität ausgeblendet.
Die Antragsgegnerin nahm noch zu dem Schriftsatz der Antragstellerin vom 18.07.2017 mit Schreiben vom 24.07.2017 Stellung und teilte hinsichtlich Unterpreisangeboten mit, dass § 60 VgV nicht bieterschützend sei bzw. nur dann ausnahmsweise, wenn der günstigste Bieter das Ziel verfolge, bestimmte Wettbewerber in Form eines Verdrängungswettbewerbs vom Markt zu verdrängen. Da hier alle beteiligten Bieter einen relativ großen Marktanteil hielten, sei vorliegend nicht von einem Verdrängungswettbewerb auszugehen. Es gäbe keinerlei Hinweise, dass vorliegend das Angebot der Beigeladenen ungewöhnlich niedrig sei. Der monetäre Unterschied betrage zwischen der Beigeladenen und der Antragstellerin auf die gesamte Vertragsdauer gesehen ca. 7%. Da die Aufgreifschwelle bei einer Differenz von ca. 10 – 15% liege, handle es sich schon formal um kein ungewöhnlich niedriges Angebot das zu überprüfen sei. Zudem sei davon auszugehen, dass die Beigeladene, die zugleich der aktuelle Vertragspartner für diese Leistung sei, und Rahmenbedingungen sowie die Vertragserfüllung bereits umfassend kenne, sich bei der Kalkulation der Leistung sicher sei. Da bei der Beigeladenen der Besetztkilometerpreis deutlich höher als der aktuelle Besetztkilometerpreis sei, stelle sich die Frage eines ungewöhnlich niedrigen Angebotspreises nicht.
Am 12.07.2017 sei nochmals eine Bewertung der Angebote durchgeführt worden und das Ergebnis im Protokoll vom gleichen Tage in Kurzform festgehalten worden. Es wurde zu den einzelnen Leistungskriterien nochmals einzeln Ausführungen gemacht.
Mit Schreiben vom 19.07.2017 nahm die Beigeladene durch ihren nun Verfahrensbevollmächtigten Stellung und beantragte,
1.Den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen, soweit die Antragstellerin mit ihren Beanstandungen zu Ziffer 3.1 des Nachprüfungsantrages einen zwingenden Ausschluss des Angebotes der Beigeladenen begehrt,
2.die Hinzuziehung der Bevollmächtigten der Beigeladenen für das Verfahren vor der Vergabekammer für notwendig zu erklären,
3.der Antragstellerin die der Beigeladenen entstandenen notwendigen Aufwendungen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung aufzuerlegen.
Die Beigeladene führte aus, dass der Nachprüfungsantrag in Bezug auf den von der Antragstellerin vorgetragenen Ausschluss des Angebotes der Beigeladenen unzulässig und unbegründet sei.
Die Antragsgegnerin sei schon kein öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 99 GWB, so dass die Anrufung der Vergabekammer bereits unstatthaft sei. Die Antragsgegnerin sei kein öffentlicher Auftraggeber in Sinne des § 99 Nr. 2 GWB, da diese nicht zu dem besonderen Zweck gegründet worden sei, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben wahrzunehmen. Die Antragsgegnerin sei im Jahre 2008 im Zuge einer Ausgliederung des bis dahin von dem H… Verein zur Förderung und Betreuung mehrfachbehinderter Kinder und Erwachsener e.V. betriebenen Förderzentrums nebst Förderstätte, Tagesstätte, Wohnheim und Begegnungsstätte gegründet worden. Alleiniger Gesellschafter sei der vorgenannte Verein. Dieser wie auch die Antragsgegnerin sei zu dem Zweck der Förderung mildtätiger Zwecke und der Betreuung mehrfachbehinderter Kinder und Erwachsener auch in Zusammenarbeit mit anderen steuerbegünstigten Organisationen gleicher Zielsetzung und zum Zwecke der Förderung der freien Wohlfahrtspflege und der Berufsbildung begründet worden. Sowohl die Antragsgegnerin als auch ihr Gesellschafter seien Mitglieder im Paritätischen Wohlfahrtsverband. Auch wenn diese im Interesse liegende Aufgaben im Sinne des § 33 Abs. 2 BayEUG wahrnehmen, sei diese damit nicht zu dem besonderen Zweck der Erfüllung staatlicher Allgemeininteressen gegründet worden. Gründungszwecke wären – wie sich aus § 2 der Vereinssatzung ergäbe – die Erfüllung mildtätiger, caritativer Zwecke. Der Antragsgegnerin sei es nicht darum gegangen, sich unmittelbar in die Staatsverwaltung einzubinden, sondern vielmehr um mildtätig, caritativ tätig zu sein.
Jedenfalls fehle der Antragsgegnerin aber auch die für eine Subsumtion unter die Vorschrift des § 99 Nr. 2 notwendige besondere Staatsnähe. Über die Antragsgegnerin übten weder staatliche Stellen oder von diesen bestimmte Mitglieder der Geschäftsführung oder Organe die Leitung aus, noch werde die Antragsgegnerin durch die öffentliche Hand überwiegend finanziert.
Maßgeblich für die Betrachtung der überwiegenden Finanzierung sei nicht der konkret zu vergebende Auftrag, sondern vielmehr sei auf die Finanzierung der juristischen Peron und seiner Aktivitäten als Ganzes abzustellen. Dabei seien nur solche Finanzmittel ohne spezifische Gegenleistung zu berücksichtigen. Zweckgebundene Zahlungen, die die Antragsgegnerin von staatlichen Stellen erhalte, lägen deutlich unterhalb von 50% der Kosten der Antragsgegnerin, so dass eine überwiegende öffentliche Finanzierung nicht gegeben sei. Der Nachprüfungsantrag sei schon aus diesem Grund unzulässig.
Soweit die Antragstellerin mit Email vom 22.06.2017 pauschal gerügt habe, dass die Beigeladene von Verfahren auszuschließen sei, erfülle ein derart pauschaler Vorwurf, der völlig ins Blaue hinein erhoben worden sei, nicht das Mindestmaß für die Substantiierung von Rügen. Eine Auflistung von Vergaberechtsfehlern ohne jeglichen Tatsachenvortrag genüge dazu nicht. Dies gelte auch für die im Nachprüfungsantrag zu Ziffer 3.1 vorgebrachten Rügen. Insoweit sei der Nachprüfungsantrag ebenso unzulässig.
Zudem sei der Nachprüfungsantrag unzulässig, weil die Antragstellerin in ihrem Nachprüfungsantrag nicht vortrage, dass und wodurch ihr durch die Verletzung der gerügten Vergaberechtsverstöße ein Schaden zu entstehen drohe. Es sei nicht ersichtlich, dass der Antragstellerin ein Schaden entstehe, denn trotz der Berichtigung der Fehler in der Angebotsauswertung erreiche das Angebot der Antragstellerin keine besseren Zuschlagschancen.
Unabhängig davon seien die Rügen unbegründet. Die Beigeladene habe weder ein unvollständiges noch ein fachlich und rechnerisch falsches Angebot abgegeben. Das Angebot sei form- und fristgerecht eingegangen und die Beigeladene habe keine Änderungen und Ergänzungen an den Vergabeunterlagen vorgenommen, so dass auch der Vorwurf der Antragstellerin, Änderungen und Ergänzungen der Beigeladenen an den Antragsunterlagen seien nicht zweifelsfrei erfolgt, unzutreffend seien. Die Beigeladene habe zudem auch keine Preisangaben unterlassen.
Nach der zwischenzeitlich erfolgten Korrektur der Angebotsauswertung durch die Antragsgegnerin greife der Antrag auf Zurückversetzung des Verfahrens in einen rechtmäßigen Stand nicht mehr.
Mit Schreiben vom 24.07.2017 teilte die Beigeladene noch zu dem Schreiben der Antragstellerin vom 18.07.2017 mit, dass die erhobene Beanstandung, bei dem Angebot der Beigeladenen handle es sich um ein Unterkostenangebot, unerheblich sei, da sich die Antragstellerin nur auf eine vermeintliche Unauskömmlichkeit des Angebots eines Wettbewerbers berufen könne, wenn eine Verdrängungsabsicht des Mitbewerbers vom Markt vorliege, was nicht zutreffe. Sie habe auch diesbezüglich nichts vorgetragen.
Das Angebot der Beigeladenen sei im Übrigen auskömmlich kalkuliert und die Behauptungen der Antragstellerin, die Beigeladene habe mit zu geringen Stunden kalkuliert, sei völlig aus der Luft gegriffen. Die gemäß den Vorgaben der Vergabeunterlage zu kalkulierenden 150.500 Besetztkilometer p. a. einschließlich der Leerfahrten könnten innerhalb der von der Beigeladenen in ihrem Angebot gemäß dem Preisblatt kalkulierten Fahrzeiten problemlos gefahren werden.
Die mündliche Verhandlung fand am 26.07.2017 in den Räumen der Regierung von Oberbayern statt.
Das Nachprüfungsverfahren wurde mit dem Nachprüfungsverfahren Z3-3-3194-1-32-06/2017 (… ./. …) zur gemeinsamen mündlichen Verhandlung verbunden. Die Antragsgegnerin erklärte zu Protokoll, dass sie den Antrag auf vorzeitige Zuschlagserstattung nach § 169 Abs. 2 GWB vom 04.07.2017 zurücknehme.
Die Sach- und Rechtslage wurde erörtert. Die Verfahrensbeteiligten hatten Gelegenheit zum Vortrag.
Der Vorsitzende wies darauf hin, dass die Zuständigkeit der Vergabekammer nach § 99 Nr. 2 GWB ungeklärt sei. Nach vorläufiger Rechtsauffassung der Vergabekammer bestehe keine überwiegende Finanzierung der Antragsgegnerin von Stellen nach Nummer 1 oder 3, da die Erlöse überwiegend von staatlichen Stellen für spezifische Gegenleistungen gewährt werden und aus diesem Grund damit § 99 Nr. 2a GWB nicht gegeben sei.
Die Antragsgegnerin könnte aber Auftraggeberin nach § 99 Nr. 2b GWB sein, da ihre Leitung unter der qualifizierten Aufsicht durch öffentliche Auftraggeber liegen. Rechtsgrundlage für die Aufsicht über die Schule sei der 5. Teil des BayEUG.
Die Antragsgegnerin bestätigte, dass sie in Bezug auf das Wohnheim der Heimaufsicht nach dem PfleWoqG unterliege und die Aufsicht über die Heilpädagogische Tagesstätte in § 45 ff. SGB VIIII geregelt sei. Bei der Förderstätte gebe es keine Aufsicht. Der Bezirk O… könne dort nur auf Erfüllung der Vertragsrechte aus der Leistungsvereinbarung pochen.
Der Vorsitzende wies darauf hin, dass insoweit die Einzelheiten völlig ungeklärt seien, Grundlagen fänden sich in den Entscheidungen des EuGH vom 01.02.2001, Rs. C-237-99 „OPAC“ und vom 27.02.2003 Rs. C-373-00 Adolf Truley. Die jüngere nationale Rechtsprechung (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.07.2015, Verg 11/15 und OLG Celle, Beschluss vom 13.10.2016, 13 Verg 6/16) habe sich mit den Thema nicht auseinander gesetzt.
Aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Thematik für eine große Anzahl freier Sozialträger und der zahlreichen ungeklärten Fragen ziehe die Kammer daher eine Vorlage der Sache an den EuGH in Betracht.
Die Antragstellerin hielt ihre Anträge vom 22.06.2017 und die Antragsgegnerin hielt seine Anträge vom 04.07.2017, außer Nr. 2, aufrecht. Die Beigeladene stellte keine Anträge. In der mündlichen Verhandlung wurde die Frist zur Entscheidung der Vergabekammer gem. § 167 Abs. 1 S. 2 GWB bis zum 31.08.2017 verlängert.
Im Übrigen wird auf das Protokoll verwiesen.
Nach Aufforderung der Vergabekammer in der mündlichen Verhandlung übersandte die Antragsgegnerin mit E-Mail vom 31.07.2017 den „Rahmenvertrag für teilstationäre und stationäre Einrichtungen nach §§ 75 SGB XII“, die „Individuelle Leistungsvereinbarung für Leistungstyp teilstationäre Angebote zur Tagesbetreuung körperlich, geistig und seelisch behinderter Erwachsener in Förderstätten, Förder- und Betreuungsgruppen“ und die „Individuelle Leistungsvereinbarung für Leistungstypen teilstationäre Angebote geistig behinderte Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene in Heilpädagogischen Tagesstätten“.
Mit Schreiben vom 07.08.2017 stellte die Antragsgegnerin erneut einen Antrag auf vorzeitige Gestattung des Zuschlags gemäß § 169 Abs. 2 GWB. Die Antragsgegnerin führte dazu aus, dass der Antrag begründet sei, da das Interesse des Auftraggebers an der Vorabgestattung des Zuschlags, sowie das Interesse der Allgemeinheit, gegenüber dem Interesse der Antragsgegnerin überwiegen würden.
Die Antragstellerin habe bei der Vergabeentscheidung insbesondere die Bewertung der Qualitätskriterien gerügt, die zu einer Verletzung in ihren Rechten führe. Der Antragstellerin sei jedoch schon in der mündlichen Verhandlung von der Vergabekammer deutlich mitgeteilt worden, dass sie vermutlich nach einer Neubewertung der Angeboten durch die Antragsgegnerin unter Berücksichtigung der Ausführungen der Kammer nicht den Zuschlag erhalten werde, da die Neubewertung nichts an dem Gesamtergebnis ändere. Die Vergabestelle werde die Neubewertung der Angebote durchführen und die Informationsschreiben nach § 134 GWB unmittelbar danach versenden.
Der Auftraggeber müsse im Rahmen seiner Beschaffungspflicht für die Schülerbeförderung und die Eingliederungshilfeleistungen die Beförderung sicherstellen. Dies könne bei einer Förderschule und Heilpädagogischen Tagesstätte mit 74 vereinbarten Plätzen nicht täglich neu und spontan erfolgen. Vielmehr seien hier die besonderen Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen mit Behinderung besonders zu berücksichtigen. Gerade dieser Personenkreis mit schwerer geistiger Behinderung und häufig weiteren Behinderungen bedürfe einer verlässlichen, langfristig gesicherten und kontinuierlichen Beförderung zu den Förder- und Betreuungseinrichtungen. Veränderungen führten oftmals zu einer tiefen Verunsicherung und Krisen. Grundlage für eine Förderung und pädagogische Betreuung sei ein sicheres verlässliches Umfeld, auf dem Förderung gelingen könne. Daher bedürfe es einer umgehenden und längerfristigen Entscheidung über die künftige Durchführung der Beförderung durch nicht wechselnde Auftragnehmer. Aktuell befördere die Beigeladene im Rahmen der Interimsvergabe die Kinder und Jugendlichen bis zum 30.09.2017. Diese würden auch bei einer Vorabgestattung den Zuschlag erhalten. Damit wäre bis zur Entscheidung des EuGH und der Vergabekammer die kontinuierliche Beförderung sichergestellt.
Dies entspreche auch dem Interesse der Allgemeinheit. Entsprechend dem Sozialstaatsprinzip solle die besondere Förderung und Betreuung der Menschen mit Behinderung u.a. durch Sicherstellung der Beförderung gewährleistet sein. Dem stehe der Aspekt, dass die Vergabeleistung wirtschaftlich erfolgen müsse, nicht entgegen, denn der Zuschlag müsse auch nach der Neubewertung der Qualitätskriterien an den günstigsten Anbieter erfolgen, was nicht die Antragstellerin sei.
Mit der Verzögerung der Vergabe und dem Abwarten auf den Beschluss des EuGH könne die gesetzlich vorgegebene Beförderungspflicht nicht rechtssicher durchgeführt werden. Die Interimsvergabe sei im Hinblick auf die Frist zur Entscheidung der Vergabekammer nur bis zum 30.09.2017 erfolgt, da die Antragsgegnerin mit einem Abschluss des Verfahrens habe rechnen können. Eine Verlängerung der Interimsvergabe über weitere Monate sei unter Einhaltung der Vergabevorschriften nicht zulässig, da der Auftrag nur national ausgeschrieben worden sei und bei einer mehrmonatigen Verlängerung der EU-Schwellenwert überschritten würde. Eine Verlängerung sei deshalb nur bis maximal Ende November 2017 möglich. Eine weitere Ausschreibung danach bis zu einer Entscheidung des EuGH (vermutlich 2 – 2,5 Jahre) sei „wegen der erforderlichen Vorbereitung und Fristen nicht rechtssicher gestaltbar“, da erst nach der Entscheidung des EuGH Klarheit hinsichtlich der Frage bestehe, ob die Antragsgegnerin öffentlicher Auftraggeber nach § 99 GWB sei und damit europaweit ausschreiben müssen. Auch sei wegen der einzuhaltenden Fristen im Rahmen einer europaweiten Ausschreibung und den Vor-bereitungszeiten ab Zuschlag von ca. 2 – 3 Monate für die Einstellung von Fahrern und die Beschaffung von Fahrzeugen eine Ausschreibung mit Vertragsbeginn zum 01.12.2017 nicht mehr möglich. Damit sei die Beförderung bis zur erneuten Entscheidung der Vergabekammer ohne Vorabgestattung des Zuschlags nicht sichergestellt.
Zudem erfülle der Auftraggeber mit einer Verlängerung bzw. einer weiteren nationalen Interims-vergabe die Bedingungen der für die Refinanzierung der Schülerbeförderungsleistungen zuständigen Regierung von O… mit der Folge eines hohen Verlustrisikos durch Kürzungen der Vergütungen. Dieses Verlustrisiko bedrohe die Antragsgegnerin in ihrer Existenz, ganz zu schweigen von den damit verbundenen Unruhen in der Elternschaft.
Das OLG Düsseldorf habe in seinen Beschluss vom 11.09.2000 – Verg 7/00 gerade in Fällen der Vorlage beim Europäischen Gerichtshof einem Antrag auf Vorabgestattung des Zuschlags im Vergabeverfahren stattgegeben.
Im Hinblick auf die Eindeutigkeit der fehlenden materiellen Erfolgsaussichten auf Erhalt des Zuschlages der Antragstellerin nach Neubewertung der Angebote sowie den dargelegten Grün-den für die Notwendigkeit der Vorabgestattung des Zuschlages bei einer Aussetzung des Verfahrens bis zu einer Grundsatzentscheidung des EuGH seien die Voraussetzungen des § 169 Abs. 2 GWB umfänglich erfüllt.
Daraufhin nahm die Antragstellerin mit Schreiben vom 10.08.2017 Stellung und beantragte,
1. den Antrag auf vorzeitige Zuschlagsgestattung gemäß § 169 Abs. 2 GWB abzulehnen.
Zur Begründung wurde auch auf den Schriftsatz der Antragstellerin vom 06.07.2017 Bezug genommen. Weiter trug sie im Wesentlichen vor, dass die Antragsgegnerin keine Gesichtspunkte vorgetragen habe, welche eine vorzeitige Zuschlagsbestattung tragen könnten. Die Vergabekammer habe noch nicht entschieden, ob die Antragsgegnerin überhaupt zu einer Neubewertung verpflichtet sei. Zudem stehe nicht fest, welches Ergebnis dann die Wertung hätte. Hinzu komme, dass eventuell zunächst eine Aufklärung hinsichtlich der Konzepte durch die Vergabestelle zu erfolgen habe.
Das nachvollziehbare Interesse des Auftraggebers lasse sich auch mit einer oder mehreren Interimsvergaben abdecken.
Auch sei der Entscheidungszeitraum des EuGH nicht vorauszusagen. Weiter äußerte die Antragstellerin, dass es auf Schwellenwerte im Rahmen einer Interimsvergabe nicht ankomme. Es sei in der Rechtsprechung anerkannt, dass eine Interimsvergabe im Rahmen eines vereinfachten Verhandlungsverfahrens für bis zu sechs Monate erfolgen dürfe. Dieser Zeitraum könne von der Antragsgegnerin genutzt werden, um für einen etwaigen erforderlichen Zeitraum ein formales Vergabeverfahren zur Abdeckung des Interimszeitraums durchzuführen.
Die seitens der Antragsgegnerin genannte Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 11.09.2000 sei veraltet. Nach der herrschenden Rechtsmeinung müsse bei derartiger Konstellation die Vergabe mit Interimsvergabe überbrückt werden. Da die Antragsgegnerin nicht zu befürchten brauche, in ihren Interessen geschädigt zu werden, da sie auf das mildere Mittel der Interimsvergabe zurückgreifen könne, die Antragstellerin hingegen bei vorzeitiger Zuschlagsgestattung in ihrem Interesse auf Primärrechtsschutz unwiderruflich verletzt würde, sei der Antrag abzulehnen. Ein gesteigertes Interesse der Allgemeinheit sei auch nicht erkennbar.
Daraufhin nahm die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 17.08.2017 Stellung und teilte mit, dass es vorliegend nicht um ÖPNV-Leistungen handle. Grundlage für die Beschaffungspflicht des überörtlichen Sozialhilfeträgers für Eingliederungshilfeleistungen, die durch Vereinbarung durch die Antragsgegnerin erfüllt werde, sei § 17 SGBI, §§ 75 ff. SGB XII, Art. 82 AGSG. Zu den danach geschuldeten Leistungen gehören im Einzelfall auch Beförderungsleistungen, damit die Inanspruchnahme der behinderungsbedingten Eingliederungshilfeleistungen überhaupt erfolgen könne. Eine erneute Interimsvergabe müsse europaweit ausgeschrieben werden. In diesem Falle bestehe das Risiko eines erneuten Nachprüfungsverfahrens gegeben, mit der Folge, dass kein Zuschlag erfolgen könne und die Leistung weiterhin nicht erbracht werden könne. Die Kinder und Jugendlichen mit schwersten Behinderungen könnten damit nicht in ihre Förder- und Betreuungseinrichtungen gelangen. Das Risiko einer erneuten Rüge, verdeutliche auch der Schriftsatz der Antragstellerin.
Die Neubewertung, auf Grundlage des ausführlichen Protokolls der mündlichen Verhandlung, erfolge, um eine Grundlage für eine Vorabgestattung des Vergabezuschlags zu erhalten. Im Übrigen wurde auf die Begründung der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 07.08.2017 verwiesen.
Mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 28.08.2017 äußerte sich auch noch die Beigeladene zum Antrag nach § 169 Abs. 2 GWB.
Nachdem die Vergabekammer klargestellt hatte, dass sie in der Sache entscheiden werde, nahm die Antragsgegnerin ihren erneuten Antrag nach § 169 Abs. 2 GWB vom 07.08.2017 zurück.
Auf die ausgetauschten Schriftsätze, die Verfahrensakte der Vergabekammer sowie auf die Vergabeakte, soweit sie der Vergabekammer vorgelegt wurde, wird ergänzend Bezug genommen.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig und begründet.
Die Vergabekammer Südbayern ist für die Überprüfung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens zuständig.
1. Zuständigkeit der Vergabekammer
1.1 Die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Vergabekammer Südbayern ergibt sich aus §§ 155, 156 Abs. 1, 158 Abs. 2 GWB i.V.m. §§ 1 und 2 BayNpV.
Gegenstand der Vergabe ist ein Dienstleistungsauftrag i. S. d. § 103 Abs. 4 GWB. Der geschätzte Gesamtauftragswert überschreitet den gemäß § 106 GWB maßgeblichen Schwellenwert in Höhe von 209.000 Euro für den Gesamtauftrag bei weitem. Eine Ausnahmebestimmung der §§ 107 – 109 GWB liegt nicht vor.
1.2 Die Antragsgegnerin ist auch Auftraggeber gemäß §§ 98, 99 Nr. 2 GWB.
Gem. § 99 Nr. 2 GWB sind öffentliche Auftraggeber andere juristische Personen des öffentlichen und des privaten Rechts, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen, sofern
a) sie überwiegend von Stellen nach Nummer 1 oder 3 einzeln oder gemeinsam durch Beteiligung oder auf sonstige Weise finanziert werden,
b) ihre Leitung der Aufsicht durch Stellen nach Nummer 1 oder 3 unterliegt oder
c) mehr als die Hälfte der Mitglieder eines ihrer zur Geschäftsführung oder zur Aufsicht berufenen Organe durch Stellen nach Nummer 1 oder 3 bestimmt worden sind.
1.2.1 Die Antragsgegnerin erfüllt im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art.
Die Antragsgegnerin ist Träger einer Tagesstätte, eines Förderzentrums mit Förderschule, einer Förderstätte, eines Wohnheims und einer Praxis und Begegnungsstätte zur Förderung und Betreuung mehrfachbehinderter Kinder und Erwachsener. Sie ist zu dem Zweck gegründet worden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen, nämlich die Förderung und Betreuung mehrfachbehinderter Kinder und Erwachsener. Mit pädagogischer Pflege und therapeutischen Hilfen soll den grundlegenden Bedürfnissen eines Menschen mit Behinderung entsprochen und die Basis für weitere Entwicklungen beim Lernen, Arbeiten und Erholen zur Stärkung der Eigenständigkeit bereitet werden.
Der Begriff des Allgemeininteresses ist zwar weder gemeinschaftsrechtlich noch nationalrechtlich definiert oder umschrieben worden. Er ist aber dahingehend zu verstehen, dass im Allgemeininteresse liegende Aufgaben solche sind, welche hoheitliche Befugnisse, die Wahrnehmung der Belange des Staates und damit letztlich Aufgaben betreffen, welche der Staat selbst erfüllen oder bei denen er einen entscheidenden Einfluss behalten möchte (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.07.2015, Az. Verg 11/15; Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 10.09.2002, Az. Verg 23/02; Dreher in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht Band 2, § 98 Rn. 66 ff.; Werner in: Byok/Jaeger/Werner Vergaberecht, 3. Aufl., § 98 Rn. 41 ff.; Eschenbruch in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß, GWB-Vergaberecht, § 99 Rn.107 ff.; vgl. auch EuGH, Urteil vom 22.05.2003, Rs. C-18/01). Die von der Antragsgegnerin erbrachten Leistungen der Förderung und Betreuung von Menschen mit Behinderungen sind grds. vom Staat zu erbringende Transferleistungen nach dem SGB IX und XII (insbesondere §§ 55 ff. SGB IX und 53 ff. SGB XII), in dem soziale Leistungen für behinderte Menschen geregelt sind.
Die zu erfüllenden Aufgaben sind nichtgewerblicher Art. Auch der Begriff der Nichtgewerblichkeit, der neben dem Allgemeininteresse einer gesonderten Prüfung zu unterziehen ist (EuGH, a.a.O.), ist weder gemeinschaftsrechtlich noch nationalrechtlich definiert.
Um festzustellen, ob die Aufgaben nichtgewerblicher Art sind, sind die Umstände, die zur Gründung der Gesellschaft geführt haben, und die Voraussetzungen, unter denen sie ihre Tätigkeit ausübt, zu würdigen, wobei insbesondere das Fehlen einer Gewinnerzielungsabsicht, das Fehlen der Übernahme der mit der Tätigkeit verbundenen Risiken und die etwaige Finanzierung der Tätigkeit aus öffentlichen Mitteln zu berücksichtigen sind (EuGH, a.a.O.; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.07.2015, Az. Verg 11/15 und Beschluss vom 13.08.2007, Az. VII-Verg 16/07). Erforderlich ist eine Gesamtbetrachtung, anhand derer festzustellen ist, ob sich die juristische Person von anderen als rein wirtschaftlichen Überlegungen leiten lässt, wobei eine Gewinnerzielungsabsicht die Nichtgewerblichkeit nicht per se ausschließt (OLG Düsseldorf, a.a.O.; Eschenbruch in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß, GWB-Vergaberecht, § 99 Rn.124 ff.).
Ausgehend von diesen Maßstäben, übt die Antragsgegnerin Aufgaben nichtgewerblicher Art aus. Nach der Gewinn- und Verlustrechnung der Antragsgegnerin für das Jahr 2016 hat sie bei Gesamterlösen von knapp13 Millionen EUR einen Jahresüberschuss von 76.823,11 EUR. Es ist daher, wenn überhaupt, nur eine nicht bedeutsame Gewinnerzielungsabsicht zu erkennen. Nach der Satzung des Trägervereins H…, Verein zur Förderung und Betreuung mehrfachbehinderter Kinder und Erwachsener e.V., der alleiniger Gesellschafter der Antragsgegnerin ist, dient diese unmittelbar steuerbegünstigten gemeinnützigen und mildtätigen Zwecken und ist deshalb nach §§ 51 ff. AO von Ertragssteuerlasten und nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG von der Körperschaftssteuer befreit. Abgesehen von privaten Spenden und von den Zuwendungen nach dem Schulfinanzierungsgesetz, die die Antragsgegnerin für den Schulaufwand, die Fahrt- und Personalkosten der Förderschule vom Freistaat Bayern erhält, bestehen sämtliche Einnahmen aus Transferleistungen aufgrund von Vereinbarungen nach den §§ 75 ff. SGB XII mit dem Sozialhilfeträger und aus Erstattungen der Krankenkassen für durchgeführte Therapien. Hierdurch sind unternehmerische Risiken der Antragsgegnerin so gut wie ausgeschlossen. Bei einer solchen Sachlage ist Nichtgewerblichkeit anzunehmen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.07.2015, Az. Verg 11/15).
1.2.2 Die Antragsgegnerin ist allerdings nicht überwiegend von Stellen nach § 99 Nr. 1 oder 3 GWB einzeln oder gemeinsam durch Beteiligung oder auf sonstige Weise finanziert. Dabei ist „überwiegend“ in einem rein quantitativen Sinne zu verstehen und meint, dass die öffentliche Finanzierung 50% an der Gesamtfinanzierung übersteigt (EuGH, Urteil vom 03.10.2000, Rs. C-380/98; Dörr in Burgi/Dreher, Beck’scher Vergaberechtskommentar § 99 Rn. 54).
Maßgeblich für die Betrachtung der überwiegenden Finanzierung im Sinne des § 99 Nr. 2 GWB ist nicht der konkret zu vergebende Auftrag. Vielmehr ist auf die Finanzierung des Antraggegners als juristische Person und seiner Aktivitäten als Ganzes abzustellen, nicht nur auf das jeweilige Aufgabengebiet. Dabei sind alle Mittel von Stellen, die unter § 99 Nr. 1 – 3 GWB fallen, zu berücksichtigen, über die der Antragsgegner verfügt.
Dabei ist aber zu beachten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 12.09.2013, Rs. C-526/11, Urteil vom 13.12.2007, Rs. C-337/06, Urteil vom 03.10.2000, Rs. C-380/98) unter dem Begriff der Finanzierung in § 98 Nr. 2 GWB ein Transfer von Finanzmitteln zu verstehen ist, der ohne spezifische Gegenleistung mit dem Ziel vorgenommen werde, die Tätigkeit der betreffenden Einrichtung zu unterstützen. Zahlungen, die im Rahmen eines Leistungsaustausches gewährt werden, stellen keine öffentliche Finanzierung dar (EuGH, Urteil vom 03.10.2000 – Rs. C-380/98).
Weit über 50% ihrer Einkünfte erhält die Antragsgegnerin vom Bezirk O… als Träger der Sozialhilfe auf der Basis von Leistungsvereinbarungen gem. § 75 ff. SGB XII. Im Einzelnen handelt es sich dabei um Maßnahmenpauschalen nach § 76 Abs. 2 SGB XII für das Kurzzeitwohnen auf der Rechtsgrundlage der §§ 53 Abs. 1, 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 1 SGB IX, für die Förderstätte nach §§ 53, 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII i.V.m. 55 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 SGB IX und für das Wohnheim nach §§ 53, 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 6 SGB IX, um Grundpauschalen für das Kurzzeitwohnen nach §§ 53 Abs. 1, 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 1 SGB IX, für die Förderstätte nach §§ 53, 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII i.V.m. 55 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 SGB IX und für das Wohnheim nach §§ 53, 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 6 SGB IX sowie um den sog. Investitionsbetrag auf der Rechtsgrundlage von §§ 53 Abs. 1, 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 1 SGB IX, für die Förderstätte nach §§ 53, 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII i.V.m. 55 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 SGB IX und für das Wohnheim auf der Rechtsgrundlage von §§ 53, 54 Abs. 1 S. 1 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 6 SGB IX Bei diesen von der Antragsgegnerin erbrachten Leistungen handelt es sich um spezifische Gegenleistungen für die von ihr erbrachten Vertragsleistungen (siehe – insoweit übereinstimmend – OLG Celle, Beschluss vom 13.10.2016, Az. 13 Verg 6/16; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Juli 2015, Az. VII-Verg 11/15). Gleiches gilt für Leistungen der Krankenkassen an die Antragsgegnerin als Leistungserbringer (Badenhausen-Fähnle in Müller-Wrede, GWB-Vergaberecht § 99 Rn. 64, OLG Naumburg, Beschluss vom 17.03.2005, Az. 1 Verg 3/05).
1.2.3 Allerdings ist nach Auffassung der Vergabekammer Südbayern eine Einordnung der Antragsgegnerin als öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 99 Nr. 2 GWB deshalb geboten, weil ihre Leitung der Aufsicht des Freistaats Bayern in einer Form unterliegt, die die erforderliche besondere Staatsgebundenheit erfüllt.
Dafür ist erforderlich, aber auch ausreichend, dass die Leitung einer Aufsicht der öffentliche Hand untersteht, die es dieser ermöglicht, die Entscheidungen des Antragsgegners auch in Bezug auf öffentliche Aufträge zu beeinflussen (vgl. EuGH, Urteil vom 01.02.2001, Az.: C-237/99 Tz. 48-49; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.06.2013, Az. Verg 55/12). Auf die traditionellen Kategorien des deutschen Verwaltungsorganisationsrechts mit der Unterscheidung zwischen Fachaufsicht und Rechtsaufsicht, kommt es dabei nicht maßgeblich an. Sie hat für die Frage, ob eine Stelle, die unter § 99 Nr. 1 oder 3 GWB fällt, entsprechende Aufsichtsbefugnisse hat, allenfalls Indizcharakter (VK Südbayern, Beschluss vom 27.03.2014, Az. Z3-3-3194-1-01- 01/14).
Nach der Rechtsprechung des EuGH ist der Begriff des öffentlichen Auftraggebers wie auch das Tatbestandsmerkmal der staatlichen Aufsicht über die Leitung eines potentiellen öffentlichen Auftraggebers funktional und damit unabhängig von den formellen Modalitäten seiner Anwendung zu verstehen (vgl. u.a. EuGH, Urteil vom 01.02.2001. Rs C-237/99 „OPAC“, sowie Urteil vom 12.09.2013, Rs C-526/11 „Ärztekammer Westfalen-Lippe).
Das funktionale Verständnis ergibt sich insoweit bereits aus Sinn und Zweck der europäischen Vergaberichtlinien. Dieser besteht darin, die Gefahr einer Bevorzugung einheimischer Bieter oder Bewerber bei der Auftragsvergabe durch öffentliche Auftraggeber zu vermeiden und zugleich die Möglichkeit auszuschließen, dass eine vom Staat, von Gebietskörperschaften oder anderen Einrichtungen des öffentlichen Rechts finanzierte oder kontrollierte Stelle sich von anderen als von wirtschaftlichen Überlegungen leiten lässt (vgl. u.a. EuGH, Urteil vom 15.01.1998 – Rs C-44/96, Mannesmann Anlagenbau Austria; Urteil vom 03.10.2000, Rs C-380/98 „University of Cambridge“; Urteil vom 01.02.2001, Rs C-237/99, „OPAC“ sowie Urteil vom 13.12.2007, Rs C-337/06 „öffentlich rechtliche Rundfunkanstalten). Folglich reicht die Möglichkeit einer Einflussnahme durch die konkrete Gestaltung der staatlichen Aufsicht grundsätzlich aus, um die für die öffentliche Auftraggeberschaft erforderliche enge Bindung zum Staat herzustellen (so auch Dörr in Burgi/Dreher, Beck’scher Vergaberechtskommentar § 99 Rn. 59).
Es ist daher für den jeweiligen Einzelfall zu prüfen, ob die der staatlichen Stelle eingeräumte Aufsicht eine Verbindung mit der staatlichen Stelle schafft, die es dieser ermöglicht, die Entscheidungen einer Einrichtung in Bezug öffentliche Aufträge zu beeinflussen (vgl. EuGH Urteil vom 01.02.2001, Rs. C-237/99 „OPAC“).
Wie bereits das BayObLG in seinem Beschluss vom 10.09.2002, Az.: Verg 23/02, betont hat, ist auch bei der Frage der Aufsicht auf den Rechtsträger selbst und nicht auf die einzelne von der juristischen Person durchgeführte Vergabe abzustellen. Grund ist wiederum die Überlegung, dass eine Gleichstellung von juristischen Personen mit staatlichen Stellen nur dann stattfinden kann, wenn die juristische Person ähnlich wie eine staatliche Stelle handelt (in diesem Sinne auch EuGH Urteil vom 01.02.2001, Rs. C-237/99, Urteil vom 27.02.2003, Rs. C-373/00, „Adolf Truley, Urteil vom 12.09.2013, Rs. C-526/11, „Ärztekammer Westfalen Lippe“).
Der EuGH hebt in allen Entscheidungen hervor, dass die Möglichkeit der Einflussnahme auf eine bevorstehende Beschaffungsentscheidung gegeben sein muss. Die allenfalls nachträgliche Kontrolle von bereits umgesetzten Entscheidungen genügt dagegen nicht um die erforderliche Verbindung zu staatlichen Stellen annehmen zu können (EuGH, Urteil vom 27.02.2003, Rs. C-373/00 Adolf Truley, Urteil vom 12.09.2013, Rs. C-526/11 „Ärztekammer Westfalen Lippe“). Etwas anderes kann mit dem EuGH allenfalls dann gelten, wenn die staatliche Kontrolle laufend in Bezug auf das gesamte Geschäftsgebaren der Einrichtung erfolgt und so eine aktive staatliche Aufsicht auf die Leitung der Einrichtung ermöglicht.
Da auf den Auftraggeber als solchen abzustellen ist (s.o.), ist nach Auffassung der Vergabekammer Südbayern eine Zusammenschau der verschiedenen Aufsichtsbefugnisse vorzunehmen, denen die Antragstellerin bei ihren verschiedenen Tätigkeiten unterliegt.
Die Antragsgegnerin unterliegt beim Betrieb ihrer privaten Förderschule der Schulaufsicht nach dem 5. Teil des BayEUG. In Bezug auf das Wohnheim unterliegt sie der Aufsicht nach Art. 11 bis 15 des Pflege- und Wohnqualitätsgesetzes (PfleWoqG). Die Aufsicht über die Heilpädagogische Tagesstätte ist in § 45 ff. SGB VIIII geregelt.
Nach Art. 7 Abs. 1 des Grundgesetzes untersteht das gesamte Schulwesen der Aufsicht des Staates. Bei der Schulaufsicht handelt es sich um Aufsichtsbefugnisse eigener Art, die nicht in das traditionelle Begriffspaar „Rechts- und Fachaufsicht“ passt (Lindner/Stahl, Das Schulrecht in Bayern, Vorbemerkung vor Art. 111 BayEUG Rn. 2).
Bei einer privaten Förderschule – wie sie die Antragsgegnerin betreibt – wird diese Aufsicht durch die verfassungsrechtliche in Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG garantierte Privatschulfreiheit eingeschränkt. Dennoch bestehen ggü. einer privaten Förderschule signifikante Aufsichtsbefugnisse. Nach Art. 111 Abs. 1 BayEUG gehören zur staatlichen Schulaufsicht die Planung und Ordnung des Unterrichtswesens, die Sicherung der Qualität von Erziehung und Unterricht, insbesondere durch den Abschluss von Zielvereinbarungen mit den Schulen, die Förderung und Beratung der Schulen, auch unter Einbeziehung der staatlichen Schulberatungsstellen, die Aufsicht über die inneren und äußeren Schulverhältnisse sowie über die Schulleitung und das pädagogische Personal und die Förderung der Zusammenarbeit der Schulen mit den Jugendämtern und den Trägern der freien Jugendhilfe sowie anderen Trägern und Einrichtungen der außerschulischen Erziehung und Bildung bei der Erfüllung ihrer gemeinsamen Aufgaben.
Die Aufsicht nach Art. 111 Abs. 1 Nr. 4 BayEUG über die inneren und äußeren Schulverhältnisse umfasst z.B. die Unterrichtsgestaltung, Lehrpläne und Lehrmethoden, aber auch die räumlichen Verhältnisse und Einrichtungen. Bei der Aufsicht über den Schulleiter und das pädagogische Personal nach Art. 111 Abs. 1 Nr. 4 BayEUG überwacht und überprüft die zuständige Aufsichtsbehörde und hat ggf. die fehlende Eignung zu beanstanden (Lindner/Stahl, Das Schulrecht in Bayern, Art. 111 BayEUG Rn. 5).
Nach Art. 113 Abs. 1 Satz 1 BayEUG haben die Schulaufsichtsbehörden in Erfüllung ihrer Aufgaben insbesondere das Recht, die Unterrichtseinrichtungen, Schülerheime und Einrichtungen der Mittagsbetreuung zu besichtigen, Einblick in deren Betrieb zu nehmen sowie Berichte und Nachweise zu fordern.
Nach Art. 113 Abs. 2 BayEUG können schulaufsichtliche Anordnungen sowohl an den Träger als auch an die Leiterin oder den Leiter einer Unterrichtseinrichtung oder eines Schülerheims gerichtet werden.
Speziell bei Privatschulen kann die die Schulaufsichtsbehörde nach Art. 95 BayEUG Schulleiterinnen und Schulleitern, Lehrkräften und Beschäftigten oder sonstigen schulischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Privatschulen, die mit erzieherischen oder pflegerischen Aufgaben betraut sind, die Ausübung ihrer Tätigkeit untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass sie die für die Tätigkeit erforderliche Eignung nicht besitzen, oder wenn die Schule ohne die erforderliche Genehmigung betrieben wird.
In Art. 11 PfleWoqG bestehen unter der Bezeichnung Qualitätssicherung umfangreiche Unterrichtungs- und Kontroll- und Betretungsrechte. Im Falle von festgestellten Abweichungen von den Anforderungen dieses Gesetzes (Mängeln), soll die zuständige Behörde gem. Art. 12 Abs. 2 PfleWoqG zunächst den Träger über die Möglichkeiten zur Abstellung der Mängel beraten. Werden festgestellte Mängel nach einer Beratung gemäß Art. 12 Abs. 2 PfleWoqG nicht abgestellt, kann die zuständige Behörde gem. Art. 13 Abs. 1 Satz 1 PfleWoqG gegenüber den Trägern Anordnungen erlassen, die zur Beseitigung einer eingetretenen oder Abwendung einer drohenden Beeinträchtigung oder Gefährdung des Wohls der Bewohnerinnen und Bewohner, zur Sicherung der Einhaltung der dem Träger gegenüber den Bewohnerinnen und Bewohnern obliegenden Pflichten oder zur Vermeidung einer Unangemessenheit zwischen dem Entgelt und der Leistung der stationären Einrichtung erforderlich sind. Gem. Art. 14 Abs. 1 PfleWoqG kann die zuständige Behörde dem Träger die weitere Beschäftigung der Leitung, eines oder einer Beschäftigten oder einer sonstigen Mitarbeiterin oder eines sonstigen Mitarbeiters ganz oder für bestimmte Funktionen oder Tätigkeiten untersagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass diese Personen die für ihre Tätigkeit erforderliche Eignung nicht besitzen. Gem. Art. 14 Abs. 2 PfleWoqG kann die zuständige Behörde auf Kosten des Trägers eine kommissarische Leitung für eine begrenzte Zeit einsetzen und im Extremfall gem. Art. 15 PfleWoqG dem Träger den Betrieb einer stationären Einrichtung zu untersagen.
Gerade letztere Befugnisse sind vom EuGH als Indizien für eine qualifizierte Staatsnähe i.S.d. § 98 Nr. 2 GWB herangezogen worden (vgl. EuGH, Urt. v. 01.02.2001. Rs C-237/99 „OPAC“).
Ähnlich weitgehende Aufsichtsbefugnisse bestehen gem. 45 ff. SGB VIII in Bezug auf die Heilpädagogische Tagesstätte. Gem. § 46 Abs. 1 SGB VIII soll nach den Erfordernissen des Einzelfalls an Ort und Stelle überprüfen, ob die Voraussetzungen für die Erteilung der Erlaubnis weiter bestehen. Gem. § 46 Abs. 2 SGB VIII sind die von der zuständigen Behörde mit der Überprüfung der Einrichtung beauftragten Personen sind berechtigt, die für die Einrichtung benutzten Grundstücke und Räume, soweit diese nicht einem Hausrecht der Bewohner unterliegen, während der Tageszeit zu betreten, dort Prüfungen und Besichtigungen vorzunehmen, sich mit den Kindern und Jugendlichen in Verbindung zu setzen und die Beschäftigten zu befragen. Zur Abwehr von Gefahren für das Wohl der Kinder und der Jugendlichen können die Grundstücke und Räume auch außerhalb der in § 46 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII genannten Zeit und auch, wenn sie zugleich einem Hausrecht der Bewohner unterliegen, betreten werden. Der Träger der Einrichtung hat die Maßnahmen nach den Sätzen 1 und 2 zu dulden. Gem. § 48 SGB VIII kann die zuständige Behörde dem Träger einer erlaubnispflichtigen Einrichtung die weitere Beschäftigung des Leiters, eines Beschäftigten oder sonstigen Mitarbeiters ganz oder für bestimmte Funktionen oder Tätigkeiten untersagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er die für seine Tätigkeit erforderliche Eignung nicht besitzt. Sind in einer Einrichtung Mängel festgestellt worden, so soll die zuständige Behörde gem. Nach § 45 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII zunächst den Träger der Einrichtung über die Möglichkeiten zur Beseitigung der Mängel beraten. Werden festgestellte Mängel nicht behoben, so können dem Träger der Einrichtung nach § 45 Abs. 6 Satz 3 SGB VIII Auflagen erteilt werden, die zur Beseitigung einer eingetretenen oder Abwendung einer drohenden Beeinträchtigung oder Gefährdung des Wohls der Kinder oder Jugendlichen erforderlich sind. Nach § 45 Abs. 7 SGB VIII ist Erlaubnis zum Betrieb der Einrichtung gem. § 45 Abs. 1 SGB VIII zurückzunehmen oder zu widerrufen, wenn das Wohl der Kinder oder der Jugendlichen in der Einrichtung gefährdet und der Träger der Einrichtung nicht bereit oder nicht in der Lage ist, die Gefährdung abzuwenden.
Alle genannten Aufsichtsbefugnisse gehen weit über eine schlicht nachvollziehende Kontrolltätigkeit nach Art der Rechnungsprüfungsbehörden hinaus. Jedenfalls bei Vorliegen von Missständen ermöglichen sie steuernde Eingriffe in die laufende Tätigkeit der jeweiligen Einrichtungen und damit potentiell auch Eingriff in Beschaffungstätigkeiten, wenn hierin ein zu beanstandender Missstand liegt oder für die Behebung eines Missstands (z.B. an Gebäuden oder Ausrüstungsgegenständen) Beschaffungen erforderlich werden.
Aus diesem Grund ist die Vergabekammer Südbayern der Ansicht, dass hinsichtlich der verschiedenen Aufsichtsbefugnisse des Freistaats Bayern über den Antragsgegner die besondere Staatsnähe des § 98 Abs. 2 GWB vorliegend gegeben ist. Aus diesem Grund, ist auch die Zuständigkeit der Vergabekammer Südbayern gegeben.
Auf die vom OLG Düsseldorf im Beschluss vom 15.07.2015, Verg 11/15 und vom OLG Celle im Beschluss vom 13.10.2016, Az. 13 Verg 6/16 (ohne Divergenzvorlage an den BGH) diametral unterschiedlich entschiedene Frage, ob die Antragsgegnerin aufgrund des „effet utile“ des europäischen Vergaberechts als öffentliche Auftraggeberin sui generis anzusehen ist, kommt es damit nicht an.
Da auf die Antragsgegnerin und nicht auf die einzelne von der juristischen Person durchgeführte Aufgabe abzustellen ist (BayObLG, Beschluss vom 10.09.2002, Az. Verg 23/02) kommt es auch nicht darauf an, dass die Durchführung der Schülerbeförderung selbst möglicherweise gar keiner staatlichen Aufsicht unterliegt.
Die Vergabekammer ist sich bewusst, dass durch eine solche Sicht eine große Anzahl von freien Trägern von sozialen Leistungen wie die Antragsgegnerin zu öffentlichen Auftraggebern i.S.d. § 99 Nr. 2 GWB werden. Die Frage hat damit grundsätzliche Bedeutung. Deswegen und aufgrund der divergierenden obergerichtlichen Rechtsprechung hätte sich eine Vorlage an den EuGH gem. Art. 267 AEUV zur Vorabentscheidung angeboten.
Allerdings kommt eine solche Vorlage wegen des besonderen Beschleunigungsgrundsatzes im Nachprüfungsverfahren gem. § 167 Abs. 1 GWB nur ausnahmeweise, insbesondere in Fällen des § 168 Abs. 2 Satz 2 GWB in Betracht. Die Vergabekammer ist gem. Art. 267 Abs. 3 AEUV auch nicht zur Vorlage verpflichtet, da sie nicht letztinstanzlich entscheidet.
Wegen des erneuten Zuschlagsgestattungsantrags vom 07.08.2017 und wegen der Notwendigkeit, die Fahrdienste in jedem Fall aufrecht zu erhalten und dies keinesfalls zu gefährden hat die Vergabekammer Südbayern daher von einer Vorlage abgesehen.
2. Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.
2.1 Antragsbefugnis
Gemäß § 160 Abs. 2 GWB ist ein Unternehmen antragsbefugt, wenn es ein Interesse am Auftrag hat, eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB und zumindest einen drohenden Schaden darlegt. Die Antragstellerin hat ihr Interesse am Auftrag durch die Abgabe eines Angebots nachgewiesen. Es ist nicht erkennbar, dass sie mit diesem Nachprüfungsantrag einen anderen Zweck verfolgt, als den, den strittigen Auftrag zu erhalten. Da ihr der Zuschlag nicht erteilt wird, droht ihr ein finanzieller Schaden.
2.2 Rügeobliegenheit
Die Antragstellerin hat ihrer Rügeobliegenheit gemäß § 160 Abs. 3 S.1 Nr.1 GWB genügt. Ihre E-Mail-Rügeschreiben vom 21.06.2017 und 22.06.2017 gingen vor Einreichung des Nachprüfungsantrags bei der Antragsgegnerin ein. Dass die Antragstellerin bei dem Vergabeverfahren aufgrund des Wertungsergebnisses nicht den Zuschlag erhalten soll, hat Sie erst mit Übersendung des Informationsschreibens nach § 134 Abs. 1 GWB vom 12.06.2017 erfahren. Erst in diesem Schreiben wurden die Wertungspunkte der Antragstellerin und der Beigeladenen mitgeteilt. Ab diesem Zeitpunkt konnte die Wertung, in Kenntnis des Ergebnisses, auch angegriffen.
Auch wenn die Antragsgegnerin aufgrund des kurzen Zeitraums zwischen Rüge und Nachprüfungsantrag keine realistische Chance mehr hatte, den Rügen abzuhelfen, hat dies keine Auswirkungen auf die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags. Eine Wartefrist zwischen der Erhebung der Rüge und der Stellung des Nachprüfungsantrags existiert nicht. Der Bieter muss insbesondere nicht abwarten, ob bzw. wie der Auftraggeber auf seine Rüge reagiert. Er kann vielmehr unmittelbar nach Zugang der Rüge einen Antrag auf Vergabenachprüfung stellen (Hofmann in Müller-Wrede, GWB-Vergaberecht § 160 Rn. 54; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.05.2011, Az. VII-Verg 10/11; OLG Frankfurt, Beschluss vom 05.10.2010, Az. 11 Verg 7/10).
Die Rüge war in Bezug auf die Wertung ihres Angebots nach den nichtpreislichen Zuschlagskriterien auch ausreichend konkret.
Sinn der Rüge ist es, dem Auftraggeber die Möglichkeit der Heilung der aufgezeigten Mängel bereits im Vergabeverfahren zu ermöglichen, damit zeitraubende Nachprüfungsverfahren vermieden werden können. Der Rüge muss daher eine konkrete vergaberechtliche Beanstandung zu entnehmen sein (OLG München, Beschluss vom 26.6.2007, Az. Verg 6/07). An den Inhalt einer Rüge dürfen aber ansonsten, um die Gewährung effektiven Rechtschutzes sicherzustellen, nur geringe Anforderungen gestellt werden (OLG München, Beschluss vom 05.11.2009, Verg 15/09). Der Bieter muss seinen Standpunkt nicht in allen Einzelheiten juristisch begründen, es genügt, dass seinem Vorbringen eine konkrete vergaberechtliche Beanstandung zu entnehmen ist (OLG München, Beschluss vom 10.12.2009, Az. Verg 16/09).
Vor diesem Hintergrund war es völlig ausreichend, dass die Antragstellerin in ihrem Rügeschreiben vom 21.06.2017 darauf hingewiesen hat, dass die Wertung fehlerhaft war und ihr eine höhere Punktzahl bei den nichtpreislichen Zuschlagskriterien zugestanden hätte. Darin liegt eine konkrete vergaberechtliche Beanstandung, aufgrund derer die Antragsgegnerin ihre Wertung hätte überprüfen müssen. Dass die Antragstellerin nicht konkret auf die unzulässige Bildung von Zwischennoten anstatt der bekanntgemachten Stufen von 0 Punkten für unter dem Durchschnitt liegende Konzeptionen, 10 Punkten für durchschnittliche Konzeptionen und 20 Punkten für Konzeptionen, die über dem Durchschnitt liegen, hingewiesen hat, ist auch bei einer von einem Rechtsanwalt erhobenen Rüge unschädlich.
Nicht gerügt hat die Antragstellerin dagegen, dass in den Vergabeunterlagen ausgeführt ist, dass die Antragsgegnerin die Preise bei der Wertung gemäß Preisgleitklausel Kapitel E.; Ziffer 7. der Vergabeunterlage hochrechnet, obwohl eine solche Hochrechnung zum Zeitpunkt der Wertung gar nicht möglich war und tatsächlich auch nicht durchgeführt wurde.
Die Antragstellerin hätte dies nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber rügen müssen, weil sie aus der Vergabeunterlage entnehmen konnte, dass die Preisanpassung nach der Formel P1= P0 x (0,70 + 0,30 x D1/D0) erst ab dem Schuljahr 2018/19 zum Tragen kommen solle und wegen ihrer Abhängigkeit von dem Preis für Dieselkraftstoffe für Großverbraucher nach dem Index des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden (D) nicht in die im Jahr 2017 erfolgende Wertung eingehen konnte. Referenzwert für Preisanpassungen ist nämlich der Wert für den Monat Juli 2018, Juli 2019 bzw. Juli 2020, der im Jahr 2017 nicht bekannt war.
Eine aus praktischen Gründen so nicht durchführbare Preiswertung ist für einen durchschnittlichen Bieter, der sich an EU-weiten Vergabeverfahren beteiligt, erkennbar, dazu bedarf es keiner vergaberechtlichen Spezialkenntnisse.
Die durchgeführte Preiswertung ohne Anwendung der Preisgleitklausel stellt im vorliegenden Einzelfall auch keinen so gewichtigen Vergabeverstoß dar, dass das Verfahren allein deswegen in den Stand vor Versand der Vergabeunterlagen zurückversetzt werden musste.
3. Begründetheit des Nachprüfungsantrags
Der Nachprüfungsantrag ist – soweit er zulässig ist – begründet, da die Wertung der nichtpreislichen Zuschlagskriterien für die Vergabekammer bei beiden eingereichten Angeboten nicht nachvollziehbar ist.
3.1 Die Einleitung eines Aufklärungsverfahrens nach § 60 VgV wegen eines unangemessen niedrigen Preises der Beigeladenen durch die Antragsgegnerin, war allerdings nicht erforderlich, da die Aufgreifschwelle nicht erreicht war.
Nach § 60 Abs. 1, 2 VgV hat der öffentliche Auftraggeber, wenn Preis oder Kosten eines Angebots im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig erscheinen, vom Bieter Aufklärung zu verlangen. Der BGH hat in seinem Beschluss vom 31.01.2017, Az. X ZB 10/16 festgestellt, dass jeder Bieter nach § 97 Abs. 6 GWB einen Rechtsanspruch auf Einhaltung der preisprüfungsrelevanten Bestimmungen hat.
Der BGH (a.a.O.) hat weiter darauf hingewiesen, dass in der Rechtsprechung der Vergabesenate Aufgreifschwellen anerkannt sind, bei deren Erreichen eine Verpflichtung des Auftraggebers angenommen wird, in eine nähere Prüfung der Preisbildung des fraglichen Angebots einzutreten. Unterschiedliche Einschätzungen bestehen diesbezüglich nur darüber, ob diese Aufgreifschwelle immer erst bei einem Preisabstand von 20% zum nächsthöheren Angebot erreicht ist (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25. April 2012, Az. Verg 61/11) oder schon in einem Bereich über 10% einsetzen kann (vgl. Ziekow/Völlink/Vavra, Vergaberecht, 2. Aufl., § 16 VOB/A Rn. 46 unter Hinweis auf OLG Karlsruhe, Beschluss vom 27.09.2009, Az. 15 Verg 3/09).
Der Entscheidung des BGH ist zu entnehmen, dass im allgemeinen Angebote, die das nächstniedrige Angebot um lediglich 10% unterschreiten, noch nicht ungewöhnlich oder unangemessen niedrig sind, da ein solcher Preisabstand noch nicht ohne Weiteres ein Missverhältnis zwischen Preis und Leistung zum Ausdruck bringt (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30.04.2014, Az. VII Verg 41/13). Anhaltspunkte dafür, dass trotz Unterschreitens der 10%-Grenze ein unangemessen niedriger Preis durch die Beigeladene angeboten wurde, sind nicht erkennbar.
Da vorliegend eine Preisdifferenz von weniger als 10 v.H. gegeben ist und auch keine weiteren Indizien für ein Unterangebot erkennbar sind, bestand für den Auftraggeber kein Anlass, ein Aufklärungsverfahren einzuleiten. Insbesondere hat die Beigeladene gerade nicht weniger, sondern mehr Stunden für die Fahrer und Beifahrer kalkuliert als die Antragstellerin. Der Preisunterschied resultiert im Wesentlichen daraus, dass die Antragstellerin für ihre Fahrer einen höheren Stundenlohn kalkuliert hat, sowie aus der Befreiung der Beigeladenen von der Umsatzsteuer.
3.2 Bei der Preiswertung sollte laut den Ausschreibungsunterlagen (Seite 6 Ziff. 1.) der Angebotspreis des Bieters für alle Vertragsjahre für alle Touren einschließlich Mehrwertsteuer, soweit sie anfällt, gewertet werden. Die Antragsgegnerin hat aber bei der Preiswertung vom 12.06.2017, ohne dass dies den Bietern zuvor mitgeteilt wurde, eine Mindestlohnerhöhung berücksichtigt.
Eine derartige nicht bekanntgemachte Modifikation der Preise im Rahmen der Wertung verstößt gegen den Transparenzgrundsatz und stellt daher einen Vergabeverstoß dar. Allerdings führt das unzulässige Vorgehen der Antragsgegnerin im vorliegenden Fall nicht zu einer Rechtsverletzung im Sinne des § 98 Abs. 6 GWB der Antragstellerin, sondern allenfalls der Beigeladenen, weil sich durch die Berücksichtigung der künftigen Mindestlohnerhöhung der Angebotspreis der Beigeladenen stärker erhöhte als der der Antragstellerin. Die Preisdifferenz zwischen der Antragstellerin und der Beigeladenen verringerte sich dadurch, so dass das Angebot der Antragstellerin besser bewertet wurde als bei einer Preiswertung wie bekanntgegeben. Da die Antragsgegnerin auch die Preiswertung ohne die Modifikation dokumentiert hat, konnte die Vergabekammer dies unschwer feststellen.
Keine Rechtsverletzung liegt auch darin, dass in den Vergabeunterlagen nicht mitgeteilt wurde, dass in die Wertung der „Gesamtpreis (brutto)“ nach Ziffer 12 der Preisblätter einfließt und nicht der „Gesamtpreis abzüglich Erstattung Beifahrerkosten (Ziffer 14)“ oder der „Besetztkilometerpreis (Ziffer 15)“.
Die Bieter haben die Vergabeunterlagen offenbar einheitlich so verstanden, dass nur der „Gesamtpreis (brutto)“ nach Ziffer 12 der Preisblätter in die Wertung einfließt. Die Angebote sind insoweit auch vergleichbar.
3.3 Die Antragstellerin ist dagegen durch die Wertung der nicht preislichen Zuschlagskriterien in ihren Rechten verletzt, da diese vor dem Hintergrund der eigenen Bewertungsvorgaben der Antragsgegnerin nicht nachvollziehbar ist.
Der Auftraggeber hat zwar bei der Prüfung und Wertung der Angebote einen Beurteilungsspielraum, der vergaberechtlich nur eingeschränkt der Nachprüfung unterliegt (allgemeine Ansicht vgl. nur Wiedemann in Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zur VgV § 58 Rn. 83 ff.; OLG München, Beschluss vom 22.01.2016, Az. Verg 13/15). Die Vergabenachprüfungsinstanzen sind insbesondere nicht befugt, ihre eigene Wertung anstelle derjenigen des Auftraggebers zu stellen.
Hat der Auftraggeber allerdings – wie im vorliegenden Fall – aus Transparenzgründen und als Reaktion auf die seinerzeitige sog. Schulnotenrechtsprechung (vgl. nur OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.12.2015, Az. Verg 25/15 und Beschluss vom 08.03.2017, Az. Verg 39/16) vorab in den Vergabeunterlagen festgelegt, welche Mindestanforderungen er an die Inhalte der Konzepte für eine bestimmte Bewertung stellt, darf er hiervon nachträglich nicht mehr abweichen. Die Situation ist hier vergleichbar wie beim ebenfalls unzulässigen nachträglichen Fallenlassen von Bewertungsunterkriterien (siehe dazu Wiedemann in Kulartz/Kus/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zur VgV § 58 Rn. 85; OLG Frankfurt, Beschluss vom 26.03.2004, Az. 11 Verg 2/04; OLG Naumburg, Beschluss vom 25.09.2008, Az. 1 Verg 3/08). Die Bieter haben einen Anspruch darauf, dass der Auftraggeber die Angebote tatsächlich so bewertet, wie er dies in den Vergabeunterlagen bekanntgemacht hat. Der Beurteilungsspielraum des Auftraggebers verengt sich in einem solchen Fall durch Selbstbindung.
Im vorliegenden Fall kann hinsichtlich des nichtpreislichen Zuschlagskriteriums „Ausfallsicherheitskonzepts“ die Wertung der Antragsgegnerin mit der Zuerkennung der Höchstpunktzahl von 20 Punkten bei beiden Bietern nicht nachvollzogen werden.
Laut der Vorgaben in den Ausschreibungsunterlagen (Seite 6 und 7 Ziff. 2) liegt eine durchschnittliche Konzeption vor (10 Punkte), wenn der Bieter mindestens 2 Ersatzfahrer und 2 Ersatz-Begleitpersonen sowie mindestens 1 Reservefahrzeug vorhält und darlegt, dass und wie die Ersatzkapazitäten spätestens eine halbe Stunde vor Unterrichtsbeginn einsatzbereit zur Verfügung stehen.
Beide Bieter haben, zumindest in ihrem Angebot, nicht dargelegt, dass und wie die Ersatzkapazitäten spätestens eine halbe Stunde vor Unterrichtsbeginn einsatzbereit sind. Auch führt die Antragstellerin zwar Ersatzfahrer an, erwähnt aber keine Ersatz-Begleitpersonen.
Auch hinsichtlich des Kriteriums „Reaktion auf unvorhergesehene Ereignisse“ kann die Wertung des Angebots der Antragstellerin mit der Höchstpunktzahl nicht nachvollzogen werden, da bereits für eine durchschnittliche Bewertung mit 10 Punkten die Darlegung eines schlüssigen Ablaufplans für jedes der genannten unvorhergesehen Ereignisse erforderlich gewesen wäre (Seite 6 und 7 Ziff. 2). Zu dem Ereignis „Streitigkeiten der Fahrgäste untereinander“ hat die Antragstellerin, im Gegensatz zur Beigeladenen, keinen Ablaufplan, wie gefordert, vorgelegt und zu dem Ereignis „akut auftretende gesundheitliche Problemsituationen und Unfälle“ lediglich einen rudimentären Ablaufplan.
Die Antragstellerin hat zu Recht darauf hingewiesen, dass durch die nicht nachvollziehbare Bewertung der nicht preislichen Zuschlagskriterien mit der Höchstpunktzahl bei allen Bietern diese Kriterien gegenüber dem Preis völlig entwertet werden und faktisch nur noch der Preis für die Bieterreihenfolge von Bedeutung ist.
Da die Wertung der nichtpreislichen Zuschlagskriterien im Ermessen der Antragsgegnerin liegt und nicht durch die Vergabekammer ersetzt werden kann, war eine Neuwertung anzuordnen, auch wenn nicht auszuschließen ist, dass sich durch eine solche Neuwertung die Bieterreihenfolge nicht ändert und sich ggf. der Vorsprung der Beigeladenen auf die Antragstellerin sogar noch vergrößert. Dies zu entscheiden und zu dokumentieren ist aber Sache der Antragsgegnerin und kann von der Vergabekammer nicht vorweggenommen werden.
4. Kosten des Verfahrens
Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer hat gemäß § 182 Abs. 3 S.1 GWB derjenige zu tragen, der im Verfahren vor der Vergabekammer unterlegen ist. Dies sind vorliegend die Antragstellerin und die Beigeladene.
Die Beigeladene war – anders als im Parallelverfahren Z3-3-3194-1-32-06/17 – an der Kostenregelung des Nachprüfungsverfahrens zu beteiligen, da sie sich im vorliegenden Verfahren durch Einreichung von Schriftsätzen, Teilnahme an der mündlichen Verhandlung und Antragstellung aktiv am Verfahren beteiligt hat. Eine aktive Beteiligung am Nachprüfungsverfahren liegt bereits dann vor, wenn sich die Beigeladene schriftsätzlich zu den streitigen Rechtsfragen geäußert und die Zulässigkeit und Begründetheit der sofortigen Beschwerde der Antragstellerin verneint hat (vgl. OLG Düsseldorf, vom 10.05.2012 – Verg 5/12).
Die Höhe der Gebühr richtet sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens. Für das Verfahren wird eine Gebühr von 7283 Euro festgesetzt. Auslagen sind nicht angefallen.
Von der Antragstellerin wurde bei Einleitung des Verfahrens ein Kostenvorschuss in Höhe von 2.500 Euro erhoben. Dieser Kostenvorschuss wird nach Bestandskraft erstattet.
Die Entscheidung über die Tragung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin beruht auf § 182 Abs. 4 GWB. Die Zuziehung eines anwaltlichen Vertreters wird als notwendig i.S.v. § 182 Abs. 4 S.1 und 4 GWB i. V. m. Art. 80 Abs. 2 S.3, Abs. 3 S.2 BayVwVfG angesehen.
Die anwaltliche Vertretung war erforderlich, da eine umfassende Rechtskenntnis und damit eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens nach dem GWB nicht erwartet werden kann. Zur Durchsetzung ihrer Rechte ist die Antragstellerin hier aufgrund der komplexen Rechtsmaterie auf anwaltliche Vertretung angewiesen. Hierüber hinaus war die Zuziehung eines anwaltlichen Vertreters seitens der Antragstellerin notwendig, um die erforderliche „Waffengleichheit“ gegenüber der anwaltlich vertretenen Antragsgegnerin herzustellen.


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