Baurecht

Verlängerung einer Baugenehmigung für “teilprivilegiertes” Vorhaben im Außenbereich

Aktenzeichen  15 ZB 20.426

Datum:
20.4.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 9551
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 69
BauGB § 35 Abs. 4 S. 1 Nr. 3

 

Leitsatz

1. Die Rechtsfolge des Erlöschens der Baugenehmigung tritt nicht ein, wenn der Ausnutzung der Genehmigung Umstände entgegenstehen, die außerhalb des Einwirkungsbereichs des Bauherrn liegen. Der Gesundheitszustand des Bauherrn ist ein Umstand, der in seiner Person und damit innerhalb seiner Risikosphäre liegt und eine Hemmung des Fristenlaufs nicht rechtfertigen kann. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2. Nach Ablauf von über 2 Jahrzehnten handelt es sich nicht mehr um eine „alsbaldige“ Neuerrichtung eines zulässigerweise errichteten und durch Brand zerstörten gleichartigen Gebäudes an gleicher Stelle (§ 35 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 BauGB). (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 6 K 19.1053 2020-01-21 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 20.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger begehrt die Feststellung der Wirksamkeit einer bereits mehrfach verlängerten Baugenehmigung zur Errichtung eines Wohnhauses im bauplanungsrechtlichen Außenbereich (Baugenehmigung vom 20.9.2006: „Teilprivilegierung“ des Bauvorhabens nach Maßgabe des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB), hilfsweise die Verpflichtung des Beklagten zu deren erneuter Verlängerung (unter Aufhebung des den diesbezüglichen klägerischen Antrag ablehnenden Bescheids des Landratsamts vom 14.5.2019).
Das Verwaltungsgericht Regensburg hat die Klage mit Urteil vom 21. Januar 2020 abgewiesen. Die zuletzt bis zum Ablauf des 23. September 2016 verlängerte Baugenehmigung sei erloschen, nachdem der Kläger bis zu diesem Zeitpunkt nicht mit der Ausführung des Bauvorhabens begonnen habe. Die erneute Verlängerung der Baugenehmigung sei erst nach deren Erlöschen und damit verspätet beantragt worden (mit klägerischem Schreiben vom 20.12.2016). Wiedereinsetzung in den vorigen Stand komme nicht in Betracht. Im Übrigen sei das Bauvorhaben mittlerweile – wegen des Wegfalls der bisherigen „Teilprivilegierung“ – bauplanungsrechtlich unzulässig geworden, so dass auch aus diesem Grund eine erneute Verlängerung der Baugenehmigung ausscheide. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil Bezug genommen.
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung macht der Kläger im Wesentlichen unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens geltend, an der Richtigkeit des Urteils bestünden ernstliche Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Kläger habe entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts vor Erlöschen der Baugenehmigung mit dem Bauvorhaben begonnen. Hilfsweise stehe ihm auch der Anspruch auf Verlängerung der Baugenehmigung zu. Es sei Wiedereinsetzung in die versäumte Antragsfrist zu gewähren bzw. jene Frist zu verlängern gewesen. Außerdem sei das Bauvorhaben unverändert bauplanungsrechtlich zulässig. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Bevollmächtigten des Klägers vom 2. April 2020 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1. Der vom Kläger geltend gemachte Zulassungsgrund liegt nicht vor. An der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts bestehen keine ernstlichen Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht stellt zu Recht fest, dass die dem Kläger erteilte Baugenehmigung (Bescheid vom 20.9.2006) durch Zeitablauf erloschen ist und der Kläger keinen Anspruch auf Verlängerung (bzw. Neuerteilung) der streitgegenständlichen Baugenehmigung hat. Der Senat folgt den ausführlichen Gründen des angefochtenen Urteils und nimmt hierauf Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Ergänzend ist im Hinblick auf das Zulassungsvorbringen zu bemerken:
a) Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass es sich bei den Tätigkeiten, welche der Kläger noch vor Erlöschen der Baugenehmigung ausgeführt haben will (insbesondere verschiedene Behördengänge und das vom Kläger behauptete Aufstellen eines Baucontainers sowie die „Anzeige des Baubeginns“ durch den Kläger gegenüber dem Landratsamt mit dem Datum 1.9.2016), allenfalls um bloße Vorbereitungshandlungen und nicht um die tatsächliche „Aufnahme der Bauarbeiten“ bzw. den „Beginn der Ausführung des Bauvorhabens“ im Sinne der gefestigten verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 69 Abs. 1 BayBO gehandelt hat (vgl. hierzu Decker in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Stand: Dezember 2019, Art. 69 Rn. 39 ff. m.w.N.). Die hiervon abweichende und vom Kläger im Zulassungsverfahren erneut vorgetragene Rechtsmeinung ist demgegenüber nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der gerichtlichen Würdigung der Sach- und Rechtslage und damit an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung begründen zu können.
b) Der weitere Einwand des Klägers, die Baugenehmigung sei nicht erloschen, weil er durch seinen „Gesundheitszustand“ an der Verwirklichung des Bauvorhabens gehindert worden sei, ist schon deshalb nicht stichhaltig, weil die Rechtsfolge des Erlöschens der Baugenehmigung allenfalls dann nicht eintritt, wenn der Ausnutzung der Genehmigung Umstände entgegenstehen, die außerhalb des Einwirkungsbereichs des Bauherrn liegen (vgl. Decker in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Stand: Dezember 2019, Art. 69 Rn. 61 ff. m.w.N.). Der Gesundheitszustand des Bauherrn ist jedoch ein Umstand, der in seiner Person und damit innerhalb seiner Risikosphäre liegt und eine Hemmung des Fristenlaufs nicht rechtfertigen kann.
c) Auf die vom Kläger im Zulassungsverfahren problematisierte Frage, ob in die unstreitig versäumte Frist zur Stellung des Antrags auf (erneute) Verlängerung der Baugenehmigung – entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts – Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Art. 32 BayVwVfG) gewährt werden kann oder eine „Nachsichtgewährung“ wegen Versäumung einer behördlichen Frist (Art. 31 Abs. 7 Satz 2 BayVwVfG) möglich ist, kommt es für die gerichtliche Entscheidung nicht an. Denn das Verwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, dass das klägerische Bauvorhaben bauplanungsrechtlich unzulässig ist und jedenfalls dies der Erteilung (bzw. der Verlängerung) einer Baugenehmigung entgegensteht. Das auf dem Baugrundstück einst stehende und Mitte der 1990er Jahre (vermutlich bereits 1993) abgebrannte Wohnhaus rechtfertigt die bei Erlass der erloschenen Baugenehmigung (Bescheid vom 20.9.2006) noch angenommene „Teilprivilegierung“ des klägerischen Bauvorhabens nicht mehr. Beim klägerischen Bauvorhaben handelt es sich – nachdem mittlerweile über 2 Jahrzehnte vergangen sind – nicht mehr um die „alsbaldige“ Neuerrichtung eines zulässigerweise errichteten und durch Brand zerstörten gleichartigen Gebäudes an gleicher Stelle (§ 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauGB). Der Kläger ist dementsprechend bei der mit Bescheid des Landratsamts vom 13. November 2014 erteilten letzten Verlängerung der Baugenehmigung darauf hingewiesen worden, dass eine weitere Verlängerung der Baugenehmigung nicht mehr in Aussicht gestellt werden könne. Im Zulassungsverfahren setzt der Kläger auch insoweit lediglich seine eigene Rechtsmeinung an die Stelle der Rechtsauffassung des erstinstanzlichen Gerichts, ohne damit jedoch Zweifel an der Richtigkeit der gerichtlichen Entscheidung begründen zu können.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 3 und § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.1.1.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der 2013 aktualisierten Fassung (abgedruckt in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, Anhang) und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
3. Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO), ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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