Baurecht

Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung einer Stützmauer (abgewiesen), Art. 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayStrWG ist gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 3 BayBO Teil des Prüfprogrammes im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren (Anschluss an BayVGH, U.v. 7.6.2021 – 9 B 18.1655 – juris Rn. 30), Auswirkungen auf die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, eingeschränkte Sichtverhältnisse, Verkehrsgefährdung (bejaht), Art. 24 Abs. 1 BayStrWG schützt den normalen Verkehrsablauf, ohne dass die Wahrscheinlichkeit von Verkehrsunfällen bestehen muss. Erforderlich, aber auch ausreichend ist die erkennbare, in konkreten Ursachen bestehende Möglichkeit, nicht aber die unbedingte Gewissheit, dass das Bauvorhaben den Verkehrsablauf auf der Kreisstraße beeinträchtigt oder gefährdet, Kein Bestandsschutz durch bereits erteilter Baugenehmigung hinsichtlich Aufschüttung wegen widersprüchlicher Bauvorlagen

Aktenzeichen  AN 17 K 21.01090

Datum:
12.5.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 18261
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 113 Abs. 5
BayBO Art. 68 Abs. 1 Satz 1
BayBO Art. 59 Satz 1 Nr. 3
BayStrWG Art. 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) ist zulässig, jedoch unbegründet. Die Ablehnung der durch die Klägerin beantragten Baugenehmigung durch den Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 VwGO.
1. Die Ablehnung der beantragten Baugenehmigung durch den Beklagten ist gemäß Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO rechtmäßig, da das Vorhaben der Klägerin zwar genehmigungspflichtig, jedoch nicht genehmigungsfähig ist.
a) Das Vorhaben der Klägerin verstößt gegen Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes (BayStrWG), der gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 3 BayBO Teil des Prüfprogrammes im hier anzuwendenden vereinfachten Baugenehmigungsverfahren ist (BayVGH, U.v. 7.6.2021 – 9 B 18.1655 – juris Rn. 30; s.a. VG München, U.v. 30.7.2019 – M 1 K 17.4867 – juris Rn. 37 m.w.N.).
Nach Art. 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayStrWG dürfen baurechtliche Genehmigungen u.a. für die Errichtung baulicher Anlagen längs von Kreisstraßen, hier die A.H1. Straße (….), in einer Entfernung bis zu 30 m – gemessen vom Rand der Fahrbahndecke – nur im Einvernehmen mit der Straßenbaubehörde erteilt werden, welche hier das Staatliche Bauamt … ist (Art. 58 Abs. 2 Nr. 2, Art. 59 Abs. 1 BayStrWG). Die Straßenbaubehörde darf das Einvernehmen gemäß Art. 24 Abs. 1 Satz 2 BayStrWG nur verweigern oder von Auflagen abhängig machen, soweit dies für die Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs, besonders wegen der Sichtverhältnisse, Verkehrsgefährdung, Bebauungsabsichten und Straßenbaugestaltung erforderlich ist. Art. 24 Abs. 1 BayStrWG schützt den normalen Verkehrsablauf, ohne dass die Wahrscheinlichkeit von Verkehrsunfällen bestehen muss. Erforderlich, aber auch ausreichend ist die erkennbare, in konkreten Ursachen bestehende Möglichkeit, nicht aber die unbedingte Gewissheit, dass das Bauvorhaben den Verkehrsablauf auf der Kreisstraße beeinträchtigt oder gefährdet (BayVGH, U.v. 7.6.2021 – 9 B 18.1655 – juris Rn. 32; Wiget in Zeitler, BayStrWG, 31. EL September 2021, Art. 24 Rn. 47). Was die in Art. 24 Abs. 1 Satz 2 BayStrWG genannten Sichtverhältnisse anbelangt, so muss das den Verkehrsteilnehmern verbleibende Sichtfeld in einem Umfang erhalten bleiben, der nach verkehrstechnischen Erfahrungen in Ansehung der durchschnittlichen und abgestellt auf den durchschnittlichen Straßenbenutzer weiterhin die der Verkehrsbedeutung der Straße angemessene sichere Nutzung erlaubt (vgl. Wiget in Zeitler, BayStrWG, 31. EL September 2021, Art. 23 Rn. 84). Eine Verkehrsgefährdung im Sinne der Vorschrift tritt ein, wenn mit dem Anbau an die Straße eine Steigerung der bestehenden Gefahrensituation verbunden ist. Die Gefahrensituation auf der Straße, die bis zu einem gewissen Grad wegen des Vorhandenseins der Straße und des Verkehrs vorgegeben ist, darf durch den Anbau nicht merklich erhöht werden (BayVGH, U.v. 7.6.2021 – 9 B 18.1655 – juris Rn. 32).
Nach dem im Rahmen der Inaugenscheinnahme vor Ort gewonnen Eindruck geht die Kammer davon aus, dass es durch die beantragte Stützmauer – welche bereits ohne Baugenehmigung errichtet worden ist – zu einer Beeinträchtigung des normalen Verkehrsablaufes kommt, soweit es die Situation der aus dem L.… links in die A.H1. Straße Einfahrenden und die sich ortsauswärts auf der A.H1. Straße bewegenden Fahrzeuge betrifft. Durch die Stützmauer ergibt sich für ein aus dem L.… links in die A.H1. Straße abbiegendes Fahrzeug eine erhebliche Beeinträchtigung der Sichtverhältnisse hinsichtlich der sich auf der A.H1. Straße ortsauswärts befindlichen Fahrzeuge, noch dazu der Verlauf der A.H1. Straße, blickt man aus dem L.… nach links auf sie, aus dem Sichtfeld heraus verschwenkt ist. Insofern muss sich ein vom L.… links auf die A.H1. Straße ausfahrender Fahrzeugführer gleichsam Stück für Stück in die A.H1. Straße hineintasten, um besser nach links und somit etwa kreuzende Fahrzeuge sehen zu können. Umgekehrt gerät auch für die ortsauswärts auf der A.H1. Straße Fahrenden durch die Stützmauer und der nach rechts verschwenkten Fahrbahn ein sich aus dem L.… heraustastendes Fahrzeug erst vergleichsweise spät in den Blick. Daraus ergibt sich in Folge die auf konkrete Umstände gestützte Möglichkeit einer Beeinträchtigung, ja sogar Gefährdung des Verkehrsablaufs auf der Kreisstraße. Daran ändert die innerorts auf 50 km/h begrenzte Höchstgeschwindigkeit nichts, da sie zwar das Risiko einer Kollision von auf der A.H1. Straße fahrenden und in diese aus dem L.… links einbiegenden Fahrzeuge im Vergleich zum außerörtlichen Bereich reduziert, jedoch nicht unter die Schwelle der durch konkrete Tatsachen gestützte Möglichkeit einer Beeinträchtigung bzw. Gefährdung des Verkehrsablaufs auf der Kreisstraße drückt. Ebenso wenig lässt sich eine signifikante Risikominimierung durch die Haltelinie mit Stopp-Schild an der Einmündung L.…-A.H1. Straße und den gegenüberliegenden Verkehrsspiegel annehmen. Die durch das Stopp-Schild ausgelöste Haltepflicht ändert nichts an den mangelhaften Sichtverhältnissen. Wäre es nicht vorhanden, würde ein durchschnittlicher Verkehrsteilnehmer gleichwohl anhalten und sich sodann vortasten (müssen), eben weil er nach links kein hinreichend weites Blickfeld in die A.H1. Straße hat. Der gegenüberliegende Verkehrsspiegel ist nach dem Augenschein nur untergeordnet wahrnehmbar. Fährt man vom L.… an die Einmündung zur A.H1. Straße heran, bietet sich ein unruhiges Panorama: Links gegenüber befindet sich ein Wohnhaus samt dominanten Zwerchgiebel, dessen großflächig verglaste Front eine gewisse Ablenkungswirkung entfaltet. Im Hintergrund des Verkehrsspiegels, der an einem Laternenpfahl angebracht ist, steht ein weiteres, gelb angestrichenes Wohnhaus, welches dessen optische Wahrnehmbarkeit zurückdrängt. Hinzu tritt die insgesamt eher unübersichtliche Kreuzungssituation mit Stopp-Schild, die dem Kraftfahrzeuführer weitere Aufmerksamkeit abverlangt. Davon abgesehen dient der Verkehrsspiegel hier lediglich dazu, behelfsmäßig die durch die unzureichenden Sichtverhältnisse ausgelösten Verkehrsgefahren zu mindern; zu beseitigen vermag er sie nicht. Speziell in den Jahreszeiten Herbst und Winter dürften schließlich die typischerweise zu erwartenden Witterungsverhältnisse die Nutzbarkeit des Verkehrsspiegels einschränken.
Der Klägerin vermag schließlich auch nicht zum Erfolg zu verhelfen, dass sich das Staatliche Bauamt im Schreiben 15. Februar 2021 damit einverstanden erklärt hat, statt einer vollständigen Freihaltung des Sichtdreiecks die am 11. November 2016 im Rahmen eines Ortstermins vorgeschlagene Kompromisslösung zu akzeptieren, dass die oberste Steinreihe auf die Hälfte der Länge zwischen der Straßeneinmündung und der Werbeanlage zum Gebäude – bis zur gepflasterten Fläche – zu versetzen und im weiteren Verlauf in dem besonders sichtbeeinträchtigenden Abschnitt zwischen der Werbeanlage und dem Mauervorsprung um eine Steinreihe (ca. 50 cm) abzusenken sei. Denn dieser Kompromissvorschlag war nicht Gegenstand des Bauantrages und wurde so auch nicht umgesetzt. Er hätte auch nicht als Auflage im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Satz 2 BayStrWG festgesetzt werden können, da es sich dann um ein aliud handeln würde.
b) Die Klägerin kann sich auch nicht auf einen durch die Baugenehmigung vom 3. Dezember 2012 zur Errichtung des Bürogebäudes (….) vermittelten Bestandsschutz berufen, der dem Beklagten die Berufung auf die Belange der Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs abgeschnitten hätte. Anders als die Klägerseite meint, wurde mit der Baugenehmigung vom 3. Dezember 2012 keine Geländeauffüllung dergestalt genehmigt, dass die Klägerin bis an die südliche Grundstücksgrenze zum Gehweg heran auf das Bodenniveau des höherstehenden Bürogebäudes hätte aufschütten dürfen.
Der Inhalt einer Baugenehmigung und damit das genehmigte Vorhaben bestimmen sich nach der Bezeichnung und den Regelungen in der Baugenehmigung, die wiederum durch die in Bezug genommenen und mit Genehmigungsvermerk versehenen Bauvorlagen konkretisiert wird. Erforderlich sind daher u.a. die Bezeichnung des Grundstücks, Art und Maß der baulichen Nutzung, überbaubare Grundstücksfläche, Abstandsflächen, Gestaltung, Erschließung und wesentliche Einzelheiten des Bauvorhabens. Da die Baugenehmigung ein mitwirkungsbedürftiger Verwaltungsakt ist, wird ihr Inhalt auch wesentlich durch die Antragstellung mitbestimmt. Die Bauvorlagen haben jedoch gegenüber dem Baugenehmigungsbescheid nur konkretisierende und erläuternde Funktion. Weichen Darstellungen in den mit Genehmigungsvermerk versehenen Bauvorlagen vom Genehmigungsbescheid ab, geht letzterer vor. Lässt sich jedoch der Inhalt der Baugenehmigung unter Rückgriff auf die in Bezug genommenen Bauvorlagen und sonstigen Unterlagen nicht eindeutig klären, wird dies bei Widersprüchlichkeit regelmäßig sogar die Nichtigkeit der Baugenehmigung, Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG, zur Folge haben (zum Ganzen Decker in Busse/Kraus, BayBO, 144. EL September 2021, Art. 68 Rn. 251 ff.).
Dem Baugenehmigungsbescheid vom 3. Dezember 2012 selbst lässt sich zunächst nicht explizit entnehmen, dass der Klägerin eine Aufschüttung bis an die südliche Grundstücksgrenze und bis zur Höhe des Fundaments des Bürogebäudes gestattet worden wäre. Betrachtet man die mit Genehmigungsvermerk versehene „Ansicht von Osten“ (Bauakte Az. … – Errichtung eines Bürogebäudes), so ist in dieser eine gestrichelte Linie „best. Gelände“ eingezeichnet, die Richtung Süden in Richtung eines wohl L-förmigen Sockels abfällt; der sich anschließende Fußweg ist mit einer Höhe von -2,22 m angegeben. Über dem bestehenden Gelände ist weiter eine sich auf Höhe des Fundaments des Bürogebäudes fortsetzende durchgezogene Linie bis zur südlichen Grundstücksgrenze zu sehen, auf der auch ein Baum skizzenartig eingezeichnet ist. Diese Linie endet an der südlichen Grundstücksgrenze etwa auf der Oberkante eines schmalen rechteckigen Gebildes, welches profilgleich auf den L-förmigen, oben genannten Sockel aufsetzt. Daraus ragt wieder ein etwa 1 cm hoher Strich über die durchgezogene Bodenlinie hinaus, der aber schon in dem genannten Aufsatz beginnt. Für die Kammer ist mangels entsprechender Beschreibung nicht nachvollziehbar, was sich genau am südlichen Grundstücksende befindet bzw. befinden soll, nicht zuletzt auch deshalb, weil sämtliche Bauvorlagen konsequent auf die Einhaltung der durch § 8 Abs. 4 i.V.m. Anlage 1 der Bauvorlagenverordnung (BauVorlV) geforderten Farbgebung zur Unterscheidung zwischen Bestand und Planung verzichten. Wenn aber unklar ist, wie das nach Süden abfallende Grundstück der Klägerin zum Fußweg hin abschließt bzw. abschließen soll, kann der „Ansicht von Osten“ auch bei wohlwollender Auslegung keine genehmigte Aufschüttung mehr beigemessen werden. Verbleibende Zweifel wegen unklarer Pläne gehen nämlich zu Lasten des durch die Genehmigung begünstigten Bauherren, hier der Klägerin (Decker in Busse/Kraus, BayBO, 144. EL September 2021, Art. 68 Rn. 254). Davon abgesehen ist die Ansichtszeichnung Ost hier nicht geeignet, eine Aufschüttung über die gesamte Gebäudelänge entlang des Fußwegs bzw. der A.H1. Straße zu belegen, da das Vorhabengrundstück in unterschiedlicher Intensität zur Straße hin abfällt und die „Ansicht von Osten“ insofern nur punktuell die Situation an der östlichen Gebäudeaußenwand betrachtet. Insofern fordert § 8 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b BauVorlV auch die Vorlage des Anschnitts der vorhandenen und geplanten Geländeoberfläche. Zwar ist eine Schnittzeichnung „A-A“ in Nord-Süd-Richtung verlaufend und angesetzt etwa 8,3 m entfernt von der südwestlichen Ecke des Bürogebäudes Teil des Bauantrages vorhanden, jedoch stimmt diese nicht mit der Realität überein. So ist an der an der südlichen Grundstücksgrenze eine schwarz markierte „vorh. Stützwand“ mit daraus aufragendem, etwa 1 cm langem, dünnen Strich sowie das bestehende Gelände von der südlichen Außenwand des damals geplanten Bürogebäudes bis zu dieser Stützwand als weitestgehend eben eingezeichnet. Dies erscheint jedoch angesichts der Aktenlage mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen. In der Bauakte zur Baugenehmigung der Werbeanlage vom 26. November 2014 (Az. …) ist ein Foto des damaligen Ist-Zustandes zu sehen, in dem das Gelände auf Höhe des Schnitts A-A Richtung Fußweg bzw. Straße deutlich abfällt. Zwar datiert die Baugenehmigung des Bürogebäudes vom 3. Dezember 2012 (Schnittzeichnung vom Mai 2012), allerdings erscheint es ausgeschlossen, dass ursprünglich ein nahezu ebenes Vorhabengelände bis zum Fußweg vor der A.H1. Straße vorhanden war und hernach abgegraben wurde. Dagegen spricht auch das Foto auf Seite 15 der Behördenakte …, welches aus dem L.… heraus aufgenommen wurde, bevor das Bürogebäude errichtet war. Es verdeckt zwar den Blick auf die Kreuzung mit der A.H1. Straße aufgrund der ebenfalls abgebildeten Musiker, lässt aber ein zum Fußweg abgeböschtes Grundstück erkennen. Schließlich lässt sich der Bauakte zur Genehmigung der Werbeanlage auch keine vorhandene Stützwand an der besagten Position mit einer Höhe von 1,29 m über dem südlich angrenzenden Fußweg entnehmen.
Insofern kann der Baugenehmigung vom 3. Dezember 2012 nicht im Wege der Auslegung entnommen werden, dass der Klägerin eine Aufschüttung des Vorhabengeländes bis zum südlich angrenzenden Fußweg auf die Höhe des Fundaments des Bürogebäudes genehmigt wurde. Sie ist diesbezüglich hinsichtlich der Bauvorlagen in sich unklar bis widersprüchlich, was zu Lasten der Klägerin als Bauherrin geht (Decker a.a.O.). Darüber hinaus steht hier sogar, ohne dass es entscheidungserheblich darauf ankommt, eine (Teil-)Nichtigkeit der Baugenehmigung vom 3. Dezember 2012 gemäß Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG im Raum. Denn würde man anders als oben den Bauvorlagen eine entsprechende Aufschüttung entnehmen, so widerspräche dies diametral der Festsetzung in Ziffer III. 3 des Baugenehmigungsbescheides vom 3. Dezember 2012, die an der Einmündung des L.… in die Kreisstraße in 3 m Abstand vom Fahrbahnrand der Kreisstraße ein Sichtdreieck auf 70 m Länge (gemessen in der Fahrspurachse der Kreisstraße) fordert, das von sichtbehindernden Gegenständen aller Art, auch Anpflanzungen, mit einer Höhe von mehr als 0,80 m über den anliegenden Fahrbahnen freizuhalten ist. Zur Vermeidung der (Teil-)Nichtigkeit könnte man sich nur auf den Standpunkt stellen – und damit wiederum das oben geschilderte Ergebnis erreichen -, dass bei Widersprüchen zwischen der Baugenehmigungsurkunde und den Bauvorlagen erstere Vorrang genießt (Decker in Busse/ Kraus, BayBO, 144. EL September 2021, Art. 68 Rn. 252).
c) Nach alldem ist die Ablehnung des Antrages auf Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer Stützmauer durch den Beklagten mit Bescheid vom 6. Mai 2021 rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, da das Bauvorhaben der Klägerin nicht wie beantragt genehmigungsfähig ist (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO, Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO). Es kommt auch kein Anspruch der Klägerin nach § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO auf eine Verpflichtung des Beklagten, sie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu verbescheiden in Betracht. Auf die Baugenehmigung besteht im Grundsatz ein Rechtsanspruch, weshalb das Verwaltungsgericht die Verpflichtungsklage grundsätzlich spruchreif zu machen und abschließend über das Klagebegehren zu entscheiden hat (Decker in Busse/Kraus, BayBO, 144. EL September 2021, Art. 68 Rn. 593 ff. auch zu den hier nicht einschlägigen Ausnahmen). Bei der Regelung des Art. 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayStrWG, die dem beantragten Bauvorhaben der Klägerin entgegensteht (s.o.), handelt es sich nicht um eine, die der Baubehörde (im Einvernehmen mit der Straßenbaubehörde) einen Ermessensspielraum einräumt, sondern um eine gebundene Entscheidung. Das Vorliegen der materiellen Voraussetzungen des Art. 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayStrWG unterliegt demzufolge der vollen verwaltungsgerichtlichen Kontrolle, ein reiner Verbescheidungsanspruch scheidet aus (Wiget in Zeitler, BayStrWG, 31. EL September 2021, Art. 24 Rn. 53 f.).
Schließlich kann die Klägerin auch nicht, wie im schriftsätzlichen Vortrag ihres Bevollmächtigten angedeutet, gleichsam als „Minus“ zum gestellten Klageaantrag verlangen, dass ihr die Stützmauer hilfsweise in der Variante des Kompromisses vom 11. November 2016 bauaufsichtlich genehmigt wird. Hierbei handelte es sich um ein anderes als das beantragte und abgelehnte Vorhaben, weshalb es schon nicht Klagegegenstand ist.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 161 Abs. 1, § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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