Baurecht

Verwaltungsgerichte, Erteilte Baugenehmigung, Beiladung, Vorläufiger Rechtsschutz, Außergerichtliche Kosten, Belastung des Grundstücks, Beschwerdevorbringen, Rücksichtnahme, Drittschützende Wirkung, Niederschlagswasser, Prüfung im Beschwerdeverfahren, Kosten des Beschwerdeverfahrens, Bauaufsichtliches Einschreiten, Kostenentscheidung, Behördenakten, Antragstellers, Darlegungsanforderungen, Baumaßnahmen, Nässeschäden, Planabweichung

Aktenzeichen  9 CS 21.464

Datum:
9.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 7348
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO §§ 80 Abs. 5, 80a Abs. 3

 

Leitsatz

Verfahrensgang

W 4 S 20.1829 2021-01-21 VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 3.750 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die der Beigeladenen durch das Landratsamt Kitzingen mit Bescheid vom 1. September 2020 erteilte Baugenehmigung zur Geländeauffüllung auf den Grundstücken FlNr. … und … jeweils Gemarkung
M* …
Mit Unterlagen vom 5. November 2019 beantragte die Beigeladene eine Geländeauffüllung von ca. 490 m3 im westlichen Teil des Grundstücks FlNr. … Gemarkung M* … sowie im südlichen Teil des im Westen anschließenden Grundstücks FlNr. … Gemarkung M* … Beide Grundstücke fallen nach Westen hin ab; das Grundstück FlNr. … Gemarkung M* … grenzt im südöstlichen Bereich unmittelbar an das Grundstück FlNr. … Gemarkung M* … des Antragstellers an, das dort mit einer Grenzmauer und einem Nebengebäude bebaut ist. Das Landratsamt Kitzingen erteilte mit Bescheid vom 1. September 2020 die beantragte Baugenehmigung unter Beifügung einer Nebenbestimmung, nach der die in Schurf 2 festgestellte erhöhte Belastung mit Arsen vor der Auffüllung zu beseitigen ist bzw., sofern dies nicht möglich ist, durch bauliche Maßnahmen so zu sichern ist, dass dort anfallendes Niederschlagswasser nicht eindringen kann.
Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller Klage zum Verwaltungsgericht (Az. W 4 K 20.1359), über die noch nicht entschieden ist. Mit Schriftsatz vom 23. November 2020 stellte er einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz, den das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 21. Januar 2021 ablehnte, weil kein Verstoß gegen die Abstandsflächenvorschriften vorliege und nicht davon auszugehen sei, dass es durch die Aufschüttung zu einer nachteiligen Veränderung des Wasserabflusses zu Lasten des Grundstücks des Antragstellers komme. Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde.
Er ist der Ansicht, die Baugenehmigung verletze das Gebot der Rücksichtnahme, weil durch die Auffüllung der bisher vorhandenen Mulde Niederschlagswasser direkt gegen seine Grenzmauer fließe und dies zu Nässeschäden führe. Durch die Baumaßnahme komme es zu einer Verdichtung und die Beigeladene halte die Vorgaben des geotechnischen Gutachtens von … … … vom 1. August 2002 nicht ein, weil die vorgesehene Krallmatte nicht eingebracht worden sei. Außerdem sei eine Verunreinigung seines Grundstücks durch abgeschwemmtes, belastetes Material nicht auszuschließen.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 21. Januar 2021 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 1. September 2020 anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er ist der Ansicht, das Beschwerdevorbringen genüge den Darlegungsanforderungen nicht, weil im Wesentlichen nur der erstinstanzliche Vortrag wiederholt werde. Unabhängig davon, sei auf das unterhalb der Baugrundstücke gelegene Grundstück des Antragstellers schon immer die gleiche Menge Niederschlagswasser abgeflossen. Eine eine planabweichende Bauausführung berühre die Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung nicht. Abgesehen davon, sei die Baumaßnahme hinsichtlich der Einbringung der Krallmatte aber auch noch gar nicht abgeschlossen. Die bisher durchgeführten Maßnahmen führten zu einer Egalisierung der Geländeoberfläche und zu einer Verbesserung der Situation des Unterliegergrundstücks, da es aufgrund der Beseitigung von Erosionsrinnen zu einer gleichmäßigeren Versickerung komme. Anforderungen nach Bundesbodenschutzrecht seien nicht Gegenstand der Baugenehmigung.
Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, es sei nicht ersichtlich, wie es zu einem vermehrten Wasserzufluss auf das Grundstück des Antragstellers kommen solle; vielmehr sei die vorher steil zum Grundstück des Antragstellers abfallende Mulde beseitigt worden. Der Einbau der Krallmatte sei vorgesehen, die Baumaßnahme aber noch nicht abgeschlossen. Eine Beeinträchtigung durch wild abfließendes Wasser könne der Antragsteller nicht geltend machen. Die Baugenehmigung sehe die Entfernung der Bodenbelastung ausdrücklich vor; wie es im Übrigen durch die Auffüllung zu einer Belastung des Grundstücks des Antragstellers kommen solle, sei nicht nachvollziehbar.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die vom Antragsteller dargelegten Gründe, auf die die Prüfung im Beschwerdeverfahren beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses. Bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage, wie sie das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes kennzeichnet, hat das Verwaltungsgericht den Antrag des Antragstellers zu Recht abgelehnt, weil dessen Klage im Hauptsacheverfahren voraussichtlich erfolglos bleiben wird. Die angefochtene Baugenehmigung verstößt, worauf es allein ankommt, nicht gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften, die zumindest auch dem Schutz des Antragstellers zu dienen bestimmt sind (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Dem Gebot der Rücksichtnahme, auf das sich der Antragsteller beruft, kommt drittschützende Wirkung zu, soweit in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist. Die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, hängen dabei wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (vgl. BayVGH, B.v. 27.11.2019 – 9 CS 19.1595 – juris Rn. 25). Danach ist voraussichtlich – soweit angenommen werden kann, dass das Beschwerdevorbringen den Darlegungsanforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO genüge leistet – keine Rechtsverletzung des Klägers gegeben.
1. Soweit der Kläger geltend macht, Niederschlagswasser laufe durch die Auffüllung direkt gegen seine Grenzmauer und führe zu Nässeschäden, bleibt die Beschwerde ohne Erfolg.
Die Baugenehmigung trifft bereits keine Aussage zur Ableitung von Schmutzwasser (vgl. § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WHG) sowie Niederschlagswasser (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WHG), weil die genehmigte Baumaßnahme keine bebauten oder befestigten Flächen umfasst. Vielmehr handelt es sich bei dem vom Kläger geltend gemachten ablaufenden Wasser um Regenwasser, das auf natürlichen Boden und damit in den Anwendungsbereich des § 37 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 WHG fällt (vgl. Faßbender in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand August 2020, § 37 WHG Rn. 24, 26; OVG NW, B.v. 17.9.2008 – 15 A 2174/08 – juris Rn. 3). Diese Vorschrift verleiht jedoch keine öffentlich-rechtliche Abwehrposition (vgl. BayVGH, B.v. 16.5.1995 – 14 CS 95.209 – BeckRS 1995, 15668 – zu Art. 63 Abs. 1 Nr. 1 BayWG a.F.; B.v. 14.5.2012 – 15 ZB 10.1047 – juris Rn. 9, 11).
Im Übrigen ist eine vorhabenbedingte Veränderung des Oberflächenwasserabflusses nicht substantiiert dargelegt. Das Verwaltungsgericht hat darauf abgestellt, dass durch die gleichmäßige Modellierung der Aufschüttung sowie der vorgesehenen Berme die Gefahr eines unkontrollierten Wasserablaufs auf das Grundstück des Antragstellers weniger wahrscheinlich sei als beim vorherigen, abschüssigen und muldenähnlichen Zustand. Eine Pflicht zur Beweisaufnahme im Rahmen des Verfahrens vorläufigen Rechtsschutzes besteht für das Verwaltungsgericht nicht (vgl. BayVGH, B.v. 16.3.2016 – 9 CS 16.191 – juris Rn. 15), zumal es seine Bewertung nachvollziehbar auch auf in der Behördenakte befindliche Lichtbilder der ursprünglichen Geländesituation stützt.
Dem Beschwerdevorbringen lassen sich keine Anhaltspunkte für eine Gefahrenlage oder eine wesentliche, unzumutbare Verschärfung der Situation entnehmen, denn aufgrund der in der Behördenakte mittels Lichtbildern dokumentierten Situation des ursprünglichen Geländeverlaufs ist davon auszugehen, dass auch ohne die genehmigten Aufschüttungen schon bisher eine gewisse Menge an wild abfließendem Regenwasser auf das Grundstück des Antragstellers gelangt ist. Dazu kommt, worauf das Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen hat, dass die angelegte Berme zu einer Unterbrechung des Hanges führt und auch nach den genehmigten Plänen weitgehend ein – allerdings deutlich geringerer – Höhenversatz zwischen dem Grundstück FlNr. … Gemarkung M* … und dem Grundstück des Antragstellers besteht. Dass es aufgrund der Aufschüttung zu einer derartigen Verdichtung der Flächen kommt, dass die Absorbtionsfähigkeit des Bodens deutlich sinkt, ist weder substantiiert dargelegt, noch ersichtlich. Soweit der Antragsteller eine planabweichende Bauausführung beanstandet, weil die Krallmatte nicht eingebracht sei, lässt dies – unabhängig davon, dass dies mangels Abschluss der Bauarbeiten noch gar nicht beurteilt werden kann – die Rechtmäßigkeit der erteilten Baugenehmigung unberührt, sondern kann allenfalls ein bauaufsichtliches Einschreiten erforderlich machen (vgl. BayVGH, B.v. 27.2.2015 – 15 ZB 13.2384 – juris Rn. 12 f.; U.v. 25.11.2013 – 9 B 09.952 – juris Rn. 18).
2. Die im Beschwerdevorbringen geltend gemachte drittschützende Wirkung von § 4 Abs. 3 BBodSchG im Hinblick auf die im Grundstück FlNr. … Gemarkung M* … vorhandene Arsenbelastung führt ebenfalls nicht zum Erfolg.
Das Bodenschutzrecht ist bereits mangels Konzentrationsnormen (vgl. § 10 BBodSchG, Art. 11 BayBodSchG) nicht Gegenstand der Baugenehmigung (vgl. Art. 59 Satz 1 BayBO). Aber auch unabhängig davon, dass gleichwohl eine Regelung zur Entfernung des belasteten Bodenmaterials in der Baugenehmigung vom 1. September 2020 getroffen wurde, ist weder dargelegt noch ersichtlich, wieso es hierdurch und durch die Aufschüttung zu einer Verunreinigung des Grundstücks des Antragstellers durch belastetes, abgeschwemmtes Material kommen sollte. Denn zum einen befindet sich die Belastung des Bodens im Bereich der Schürfstelle 2, in deren Umkreis keine Auffüllungen erfolgen sollen, und zum anderen ist im Bereich der Schürfstelle 2 ausweislich der Planunterlagen nur ein eher flacher, bis mäßig geneigter Geländeverlauf vorhanden. Weder bei Entfernung noch bei – planwidrigem – Belassen der Bodenbelastung, ist deshalb nachvollziehbar, wie es hier überhaupt zu der vom Kläger befürchteten Belastung seines Grundstücks kommen könnte.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Da die Beigeladene im Beschwerdeverfahren einen Antrag gestellt hat und einen rechtlich die Sache förderlichen Beitrag geleistet hat, entspricht es der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten erstattet erhält (§ 163 Abs. 3 VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs. Sie entspricht der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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