Baurecht

Vorläufiger Rechtschutz eines Grundstücksnachbarn gegen eine beschränkte Erlaubnis nach Art. 15 BayWG u.a. zur Grundwasseraufstauung, Anforderungen an die Anordnung der sofortigen Vollziehung im privaten Interesse, Wasserrechtliches Gebot der Rücksichtnahme, Rechtliche Relevanz einer 50 Jahre alten Betonschlitzwand für das wasserrechtliche Rücksichtnahmegebot im Rahmen eines Neubaus (bejaht), Pflicht zur weiteren Sachverhaltsaufklärung trotz aufgrund vieler Baustellen gestörter Grundwasserverhältnisse (verneint).

Aktenzeichen  M 2 S 21.2866

Datum:
4.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 23342
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO §§ 80, 80a
BayWG Art. 15

 

Leitsatz

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 27. Mai 2021 (M 2 K 21.2865) gegen den Bescheid vom 10. Mai 2021 (…) wird wiederhergestellt.
II. Die Antragsgegnerin und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.
III. Der Streitwert wird auf 7.500 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen eine der Beigeladenen im Zusammenhang eines Bauvorhabens durch eine kreisfreie Stadt erteilte beschränkte Erlaubnis nach Art. 15 Bayerisches Wassergesetz (BayWG).
Die Beigeladene ist Bauherrin eines Bauvorhabens auf den in der Nähe des … …hofs gelegenen Grundstücken Fl.-Nr. … und …, Gemarkung … (…), mit einer Gesamtfläche von rund 2.000 m2. Die Antragstellerin ist eine Familiengesellschaft, die Eigentümerin des bebauten südlich gelegenen Nachbargrundstücks ist. Die Beigeladene beabsichtigt, nach dem bereits weitgehend erfolgten Rückbau des Bestandsgebäudes ein mehrstöckiges Hotel mit Zimmern, Wohneinheiten und einer Gastronomieeinheit zu errichten. Das Gebäude soll über ein Untergeschoss (einschließlich integrierter Tiefgarage) verfügen. Der Neubau wurde durch die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 7. Oktober 2019 genehmigt. Hiergegen ist bei einer anderen Kammer des Verwaltungsgerichts München eine Klage der hiesigen Antragstellerin anhängig (M 8 K 19.5465); über diese Klage ist noch nicht entschieden.
Seit der in den 1970er Jahren erfolgten (zwischenzeitlich weitgehend beseitigten) Bestandsbebauung wird das Baugrundstück im Norden vollständig, im Osten teilweise und im Süden mindestens auch teilweise von Betonschlitzwänden umfasst, die, soweit sie im Anstrombereich des Grundwassers liegen, geeignet sind, zu einer Grundwasseraufstauung zu führen. Diese Wände sollen erhalten bleiben und für den Neubau genutzt werden. Insbesondere im Westen – dort grenzt die … straße an das Baugrundstück – werden auch neue Bohrpfähle gesetzt; auch im Osten sollen bestehende Lücken der Schlitzwände geschlossen werden. Bereits mit Bescheid vom 26. September 2019 wurde der Beigeladenen im Zusammenhang mit diesem Bauvorhaben eine beschränkte Erlaubnis nach Art. 15 BayWG erteilt; ein Sofortvollzug war von der Antragsgegnerin damals nicht angeordnet worden. Gegen diesen Bescheid hatte die Antragstellerin Klage erhoben (M 2 K 20.4671). Die Beigeladene hat ihren Antrag auf Erteilung der wasserrechtlichen Erlaubnis allerdings noch während des anhängigen Gerichtsverfahrens zurückgenommen. Anlass für die Rücknahme war eine Empfehlung des Wasserwirtschaftsamts …, da die von der Beigeladenen vorgelegten (wohl aus den Bestandsplänen des Nachbargebäudes auf dem Grundstück der Antragstellerin entnommenen) Höhenkoten fehlerhaft waren und deshalb unzumutbare Auswirkungen auf das benachbarte Anwesen zu erwarten gewesen wären. Die Beteiligten des gerichtlichen Verfahrens haben dieses übereinstimmend für erledigt erklärt; das Gericht hat durch Beschluss vom 31. März 2021 das Verfahren eingestellt.
Nach Vorlage eines neuen Antrags (ebenfalls) vom 27. Januar 2021 (vorgelegt als Anlage …), modifiziert durch Tektur vom 6. Mai 2021 (Tekturantrag von … v. 6.5.2021, vorgelegt als Anlage … …), erteilte die Antragsgegnerin auf Basis einer grundsätzlich positiven Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamts vom 12. April 2021 (vorgelegt als Anlage …) und vom 6. Mai 2021 (vorgelegt als Anlage …) mit Bescheid vom 10. Mai 2021 der Beigeladenen unter Nummer I die beschränkte Erlaubnis nach Art. 15 BayWG, (unter Nr. 1) während der Bauzeit Grundwasser zu entnehmen, zutagezufördern, zutagezuleiten und abzuleiten (§ 9 Abs. 1 Nr. 5 WHG), (unter Nr. 2) Grundwasser aufzustauen, abzusenken und umzuleiten (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 WHG) und (unter Nr. 3) Stoffe sowie Injektionen in den Untergrund einzubringen (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 bzw. Abs. 2 Nr. 2 WHG). Nummer II erklärte Nr. I des Bescheids für sofort vollziehbar. Nr. III des Bescheids listet die der Erlaubnis zugrundeliegenden Unterlagen, Nr. IV des Bescheids eine Reihe von Nebenbestimmungen auf.
Zur Begründung des Bescheids wurde hinsichtlich der Belange der Antragstellerin u.a. ausgeführt, dass ein Aufstau an deren Grundstück in Höhe von etwa 11 cm zu erwarten sei. Während der sich im Gebäude der Antragstellerin befindliche Öltank und Autoaufzug ohnehin außerhalb des möglichen Aufstaubereichs lägen, lägen die vom Aufstau betroffenen Räumlichkeiten (Heizraum, Personenaufzug, Hebeanlage und ein Pumpensumpf) in dem Aufstaubereich einer bereits 1971 errichteten Betonschlitzwand, die auf der Grenze zwischen den Grundstücken der Antragstellerin und der Beigeladenen liege und die in den Neubau integriert werde. Zudem sei zu bedenken, dass die Oberkante der Bodenplatte im Heizraum bei 515,413 m ü. NN. und damit ohnehin ca. 19 cm unterhalb des im Jahr 1940 erreichten Hochwasserpegels von 515,30 m ü. NN. (zzgl. einschließlich Sicherheitszuschlag von 0,3 m = 515,60 m ü. NN.) liege. Die Anordnung des Sofortvollzugs wurde ausführlich begründet. Insbesondere geht der Bescheid davon aus, dass die Beigeladene massive wirtschaftliche Nachteile glaubhaft gemacht habe, sollte sie aufgrund eines klagebedingten Suspensiveffekts an einer Fortsetzung der Bauarbeiten gehindert werden. Für Bauverzögerungen, die auf der fehlenden Nutzbarkeit öffentlich-rechtlicher Genehmigungen beruhten, müsse die Beigeladene nach den Regeln des Zivilrechts einstehen. Weiterer Schaden drohe der Beigeladenen dadurch, dass gegenüber Mietern bereits eingegangene Übergabeverpflichtungen nicht eingehalten werden könnten und zudem Vertragsstrafen vereinbart worden seien. Zwar gehöre es zum wirtschaftlichen Risiko der Beigeladenen, dass es zu verwaltungsprozessbedingten Verzögerungen komme. Jedoch sei es ein Anliegen der öffentlichen Hand, dass Risiken aus der Verfahrensgestaltung nicht zu unvertretbaren wirtschaftlichen Belastungen führten, zumal sich die Aufwendungen und Verpflichtungen der Beigeladenen in einem wirtschaftlich üblichen Rahmen hielten. Ferner liege ein öffentliches Interesse an der Anordnung der sofortigen Vollziehung darin, die den Verkehrsfluss beeinträchtigende Baustelle in der … straße nicht länger als notwendig hinnehmen zu müssen.
Gegenstand der Tektur vom 6. Mai 2021 (vorgelegt als Anlage … …) war der Umgang mit aufgestautem Grundwasser. Ursprünglich war im Antrag von 27. Januar 2021 vorgesehen gewesen, bei Höchstgrundwasserständen das Grundwasser in die städtische Kanalisation einzuleiten. Die … Stadtentwässerung, ein Eigenbetrieb der Antragsgegnerin, erteilte die notwendige Zulassung nicht. Deshalb beantragte die Beigeladene das Grundwasser bei Höchstgrundwasserständen nunmehr unterhalb der Bodenplatte des Neubaus in drei Rohrleitungen von Westen (… straße) nach Osten (… straße) ableiten zu dürfen. Inzwischen hat mit Blick auf die nähere Ausgestaltung und die Einziehung einer vierten Rohrleitung die Beigeladene am 30. Juni 2021 einen weiteren Tekturantrag gestellt, über den die Antragsgegnerin noch nicht entschieden hat.
Am 27. Mai 2021 erhob die Antragstellerin gegen den Bescheid vom 10. Mai 2021 Klage und beantragte, ihn aufzuheben (M 2 K 21.2865).
Mit Schriftsatz vom 31. Mai 2021 beantragte sie,
die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen.
Außerdem beantragte sie mit Blick auf die von der Beigeladenen geplante Errichtung der Grundwassersperren bis zum 18. Juni 2021, bis zur Entscheidung über den Eilantrag einen sog. Schiebebeschluss zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes zu erlassen. Diesem Antrag entsprach das Gericht insoweit, als es am 4. Juni 2021 unter Verweis auf die Komplexität der Sach- und Rechtsfragen sowie den planmäßigen Baufortschritt durch Beschluss die aufschiebende Wirkung der Klage vom 27. Mai 2021 gegen Nummer I.2. des Bescheids vom 10. Mai 2021 bis zur Entscheidung über den Eilantrag vorläufig wiederherstellte, soweit der Bescheid die Beigeladene zur Vornahme von baulichen Maßnahmen an der Grenze zum Grundstück der Antragstellerin berechtigt (M 2 S 21.2866). Mit Schreiben vom 16. Juni 2021 gab das Gericht den Beteiligten weitere Gelegenheit zur Stellungnahme zur Antragsschrift und bat insbesondere um Äußerung zu näher benannten wasserwirtschaftlichen Aspekten.
Mit Schriftsätzen vom 31. Mai 2021, 4. Juli 2021, 11. Juli 2021 und vom 18. Juli 2021 begründete die Antragstellerin ihren Antrag und nahm zum gerichtlichen Schreiben vom 16. Juni 2021 Stellung.
In formeller Hinsicht hält die Antragstellerin den streitgegenständlichen Bescheid für rechtswidrig, weil sie im Verwaltungsverfahren nur unzureichend angehört worden sei.
In materieller Hinsicht verstoße die beschränkte Erlaubnis gegen das wasserrechtliche Rücksichtnahmegebot. Die Errichtung von Grundwassersperren zum Schutz des neu zu errichtenden Gebäudes könne zu einem Aufstau von Grundwasser am Grundstück der Antragstellerin führen und zur Folge haben, dass Teile ihres Gebäudes unter Wasser gesetzt würden. Am Grundstück der Antragstellerin liege der 100-jährige Höchstwasserstand einschließlich des Sicherheitszuschlags von 0,30 m bei 515,60 m ü. NN. Da bereits am weiter nördlich gelegenen Grundstück … straße 21 eine Grundwassersperreinrichtung bestehe, die bis ins Tertiär einbinde, staue sich mehr Wasser bei der Antragstellerin, wenn nun auch noch das unmittelbar nördlich angrenzende Grundstück der Beigeladenen eine Sperre bilde (vgl. die graphische Darstellung vorgelegt als Anlage …). Einen Aufstau von 12 cm, wie er nach den entdeckten Fehlern im ersten Antrag der Beigeladenen (dazugehöriger Bescheid vom 26.9.2019) verursacht worden wäre, habe das Wasserwirtschaftsamt als unzumutbar bezeichnet (Stellungnahme des WWA vom 3.12.2020, vorgelegt als Anlage …). Auch eine Aufstauung von 11 cm habe das Wasserwirtschaftsamt als unzumutbar bezeichnet (Stellungnahme des WWA vom 6.5.2021, vorgelegt als Anlage …).
Es werde bestritten, dass seit 1971 an der gesamten Grundstücksgrenze eine Betonschlitzwand verlaufe (vgl. Schriftsatz v. 31.5.2021, S. 34). Selbst wenn dies so wäre und insoweit der Neubau die seit rund 50 Jahren bestehende Grundstückssituation bei der Antragstellerin nicht verändere, sei dies rechtlich nicht relevant. Denn in jedem Fall sei diese Wand bislang nicht genehmigt und müsse die Beigeladene daher rechtlich so behandelt werden, als würde sie diese Wand erstmals errichten. Denn eine solche Wand sei nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 WHG 1957 genehmigungspflichtig gewesen (vgl. Schriftsatz v. 31.5.2021, S. 12). Der streitgegenständliche Bescheid stelle daher auch klar, dass er den durch die Gesamtmaßnahme verursachten Grundwasseraufstau genehmige (vgl. Schriftsatz v. 31.5.2021, S. 28). Im Übrigen wäre selbst bei Annahme einer ursprünglichen wasserrechtlichen Genehmigung deren Bestandsschutz mit dem Abriss des Gebäudes entfallen.
Insgesamt sei auch ein Abfluss des Grundwassers nicht anderweitig ausreichend sichergestellt. Die von der Beigeladenen vorgeschlagene Grundwasserüberleitung sei jedenfalls noch nicht ausgereift und nicht genehmigungsfähig. Schließlich fehle es auch an der rechtlichen Absicherung, dass das Grundwasser dauerhaft auf das östlich gelegene Nachbargrundstück fließen dürfe (vgl. Schriftsatz v. 31.5.2021, S. 28, 35 ff.).
Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots resultiere im Übrigen auch daraus, dass der Sachverhalt durch die Antragsgegnerin nicht ausreichend untersucht worden sei. Vor der Genehmigung wäre zu untersuchen gewesen, weshalb das Grundwasser seit dem Jahr 2000 selbst nach Ansicht der Antragsgegnerin um 13 cm (vgl. den streitgegenständlichen Bescheid unter Nr. 3.7.24) gestiegen sei. Ohnehin sei seit 1978 ein Anstieg von über 1 m erfolgt, wie sich aus den Pegelaufzeichnungen an der Messstelle … … ergebe (vorgelegt als Anlage …). Die Betrachtung des Zeitraums nur seit dem Jahr 2000 sei zu kurz, es sei der Zeitraum seit 1978 zu betrachten. Nicht ohne Grund sei die Antragsgegnerin noch im Jahr 2015 davon ausgegangen, die Ursachen des Grundwasseranstiegs untersuchen zu müssen (vgl. Pressebericht, vorgelegt als Anlage …).
Ermessensfehlerhaft sei der Bescheid, weil die Antragsgegnerin ausweislich des Bescheids angenommen hat, dass ohne eine Genehmigung hohe Schadensersatzansprüche gegen sie zu befürchten seien. Damit verkenne sie, dass auf die Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis – anders als bei einer baurechtlichen Genehmigung nach Art. 68 BayBO – kein Anspruch bestehe (vgl. Schriftsatz v. 31.5.2021, S. 38). Überdies sei das Verwaltungsverfahren nach der „Hauruck-Tektur“ vom 6. Mai 2021 unsachgemäß schnell durch- und bereits am 10. Mai 2021 mit einer „Überfall-Genehmigung“ zu Ende geführt worden (Schriftsatz v. 30.5.2021, S. 24).
Ungeachtet dessen sei die Anordnung des Sofortvollzugs rechtswidrig. Zu erwartende wirtschaftliche Schäden seitens der Beigeladenen wegen des Suspensiveffekts einer Klage gegen die wasserrechtliche Erlaubnis seien der Regelfall; der Gesetzgeber habe bewusst im Wasserrecht keine dem § 212a Abs. 1 BauGB vergleichbare Norm geschaffen. Mögliche Verzögerungsschäden bis zur Entscheidung in der Hauptsache habe sich die Beigeladene vorliegend schon deshalb selbst zuzuschreiben, da sie es gewesen sei, die im Jahr 2019 für den letztendlich zurückgenommenen ersten Antrag fehlerhafte Unterlagen eingereicht habe; der daraus resultierende Zeitdruck sei nicht durch die Antragsgegnerin (im Wege einer Anordnung des Sofortvollzugs) auszugleichen. Schließlich könne auch das Anliegen, den Verkehrsfluss in der … straße nur möglichst kurz zu beeinträchtigen, die Anordnung des Sofortvollzugs (im öffentlichen Interesse) nicht rechtfertigen. Denn die Dauer der Inanspruchnahme des öffentlichen Verkehrsraums durch das Vorhaben der Beigeladenen verlängere sich durch einen „Baustopp“ infolge einer aufschiebenden Wirkung nicht. Es verschiebe sich zwar naturgemäß der Beginn der Bauarbeiten und damit insgesamt der Fertigstellungszeitpunkt des Projekts, aber nicht die Länge des Zeitraums, währenddessen infolge von Bauarbeiten der Verkehrsraum in Anspruch genommen werde.
Die Antragsgegnerin beantragte mit Schreiben vom 4. Juni 2021,
den Antrag abzulehnen.
Mit Schriftsätzen vom 4. Juni 2021, 2. Juli 2021 und vom 15. Juli 2021 begründete sie ihren Antrag und nahm zu dem gerichtlichen Schreiben vom 16. Juni 2021 Stellung.
Zur formellen Rechtmäßigkeit des Bescheids trug sie vor, dass die Antragstellerin anlässlich des Antrags vom 27. Januar 2021 angehört worden, eine weitere Anhörung anlässlich des Tekturantrags vom 6. Mai 2021 aber nicht mehr nötig gewesen sei.
Der Bescheid sei auch materiell rechtmäßig. Durch den Neubau betrage die maximal mögliche Aufstauung etwa 11 cm. Dieser Aufstau sei bereits durch die im Jahr 1971 eingebrachte Schlitzwand bedingt, der Neubau beeinflusse den Zustand des Anwesens der Antragstellerin daher nicht nachteilig. Ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot setze nachteilige Wirkungen auf die Antragstellerin voraus, worunter „nur ungünstige Veränderungen des tatsächlichen Zustands zu verstehen“ seien (Schriftsatz v. 4.6.2021, S. 4). Außerdem sei die Antragstellerin bislang noch nie von einem Grundwassereinstau betroffen gewesen. Vor diesem Hintergrund komme es auf die gegenwärtige bau- und wasserrechtliche Genehmigungslage gar nicht an. Nach ständiger Verwaltungspraxis seien in den 1970er Jahren neben den Baugenehmigungen keine zusätzlichen wasserrechtlichen Verfahren durchgeführt worden, weshalb eine gesonderte wasserrechtliche Gestattung nicht bestehe. Jedoch liege eine baurechtliche Genehmigung vor; ob in dieser auch wasserrechtliche Belange geprüft worden seien, sei nicht bekannt, da die Genehmigung nicht auffindbar sei.
Das vorgelegte Konzept zur Vermeidung eines unzumutbaren Grundwasseraufstaus (Entwässerungskonzept) sei sachgerecht. Die Grundwasserableitung durch die drei Rohrleitungen müsse rechtlich nicht abgesichert werden, da dieses Grundstück gar nicht in Anspruch genommen werde; denn die Überleitungsanlagen des Neubauvorhabens befänden sich vollständig auf dem Grundstück der Beigeladenen.
Es sei unzutreffend, dass der Grundwasseranstieg in den letzten Jahren 1 m betrage. Der zehnjährige Mittelwasserstand betrage ausweislich der Grundwassermessstelle … … für den Zeitraum 2000 bis 2009 514,03 m ü. NN. und im Zeitraum 2010 bis 2019 514,16 m ü. NN. Somit belaufe sich der Anstieg des Grundwasserspiegels in den letzten 20 Jahren auf etwa 13 cm. Der Zeitraum der letzten 20 Jahre sei für die Bewertung der Grundwasserstände auch maßgeblich. In den Jahren 1977 bis 1985 hätten umfangreiche …-Baumaßnahmen in der Gegend um den … …hof mit entsprechender Bauwasserhaltung stattgefunden. Die Ganglinien in der Gegend ergäben daher keine Daten, die für eine Interpretation der Grundwasserverhältnisse geeignet wären. Auch in den Jahren von 1985 bis 1991 fand den Pegel nachhaltig beeinflussende Bauwasserhaltung in der Gegend statt.
Der Sofortvollzug des Bescheides sei anzuordnen gewesen, weil andernfalls der Suspensiveffekt einer zu erwartenden Klage zu einer Bauzeitverzögerung mit erheblichen finanziellen Schäden für die Beigeladene geführt hätte. Entgegen der Annahme der Antragstellerin habe die Beigeladene den Zeitdruck auch nicht durch Eigenverschulden treuwidrig oder gar durch Täuschung herbeigeführt. Überdies sei mit einer Anordnung des Sofortvollzugs der allgemeine Verkehr in der … straße weniger beeinträchtigt als ohne. Das Grundstück solle bis zum Gehweg bebaut werden. Es sei bereits teilweise ausgehoben worden, so dass für die gesamte Zeit (die sich ohne Sofortvollzug verlängern würde) eine den Verkehr beeinträchtigende Baustellensicherung auf dem Gehweg zwingend vorgehalten werden müsse.
Die Beigeladene beantragte mit Schriftsatz vom 4. Juni 2021 ebenfalls,
den Antrag abzulehnen.
Mit Schriftsätzen vom 4. Juni 2021, 2. Juli 2021 und vom 14. Juli 2021 begründete sie ihren Antrag und nahm zu dem gerichtlichen Schreiben vom 16. Juni 2021 Stellung.
Die Beigeladene trug vor, dass der Neubau jedenfalls wegen einer seit 1971 an der gesamten Grenze zum Grundstück der Antragstellerin verlaufenden Betonschlitzwand die Situation nicht zum Nachteil der Antragstellerin verändere. Selbst wenn man davon ausgehe, dass die Bestandsschlitzwand nicht genehmigt sei, liege keine Verletzung der Rechte der Antragstellerin vor. Zum einen sei seit dem Tekturantrag vom 6. Mai 2021 gar nicht beantragt (und folglich auch nicht genehmigt) worden, im ca. 5 m breiten (Rest-)Bereich (hin zur … straße) eine Schlitzwand oder Bohrpfähle einzubringen. Zum anderen scheide eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots aus. Am Grundstück der Antragstellerin betrage der Aufstau maximal 11 cm. Dabei verursache aber der genehmigte Teil der bisherigen Wand einen maximalen Aufstau von 10 cm, der durch den vorderen (möglicherweise ungenehmigten) Bereich der Schlitzwand lediglich um 1 cm steige (Stellungnahme von … v. 2.7.2021, S. 1, vorgelegt als Anlage …). Das sei nicht rücksichtslos. Aber selbst für den Fall, dass die gesamte Aufstauwirkung von 11 cm zu betrachten sei, fehle es an einem unzumutbaren Nachteil für die Antragstellerin. Vom Aufstau betroffen seien lediglich einzelne, unterhalb des Bemessungswasserstandes für den Endzustand des neuen Vorhabens der Beigeladenen liegende Teile des Untergeschosses (Heizraum, Pumpensumpf, Unterfahrt des Personenaufzugs); der ganz überwiegende Teil des Anwesens werde aufgrund seiner Höhenlage vom Aufstau überhaupt nicht betroffen. Die unterhalb des Bemessungswasserstandes für den Endzustand liegenden Räumlichkeiten wären allerdings ohnehin bei Eintritt des Wasserstandes von 1940 (zuzüglich des Sicherheitszuschlags von 0,30 m) dem Risiko ausgesetzt, vom Grundwasser erreicht zu werden. Dieses Risiko bestehe statistisch einmal in 100 Jahren. Bei Ansatz eines hundertjährigen Prognosezeitraums sei nicht damit zu rechnen, dass der prognostizierte Grundwasser Aufstau von 11 cm an der Südseite zu einer Beeinträchtigung der Antragstellerin führt. Denn der höchste Grundwasserspiegel sei am südlich des Bauvorhabens liegenden Pegel … … (mit dem der Grundwasserstand seit 1971 beobachtet werde) im Jahr 2010 mit 514,48 m ü. NN. gemessen worden. Unter Berücksichtigung der Tatsachen, dass dieser Pegel ca. 40 m in Anstromrichtung liege und er – bei einem Gefälle von 0,5% – einen um 20 cm höheren Grundwasserspiegel aufweise als das Baugrundstück, liege der in den letzten 50 Jahren gemessene höchste Wasserstand um ca. 1 m unterhalb des Höchstwasserstandes von 1940 von 515,3 m ü. NN. (Gutachten von … v. 2.7.2021, S. 2, vorgelegt als Anlage …).
Außerdem sei zu berücksichtigen, dass die Beigeladene mit der Herstellung nur eines Untergeschosses nicht überdimensioniert tief in das Grundwasser eingreife, sondern ein gerade in Innenstädten übliches Maß an Unterkellerung gewählt habe. Vor diesem Hintergrund seien die Auswirkungen für die Antragstellerin nicht unzumutbar und nicht rücksichtslos. Schließlich sei mit Blick auf die längste Verjährungsfrist des Bürgerlichen Gesetzbuchs von 30 Jahre ohnehin anzunehmen, dass angesichts des verstrichenen Zeitraums von 50 Jahren die Antragstellerin die Berufung auf das wasserrechtliche Rücksichtnahmegebot insoweit verwirkt habe.
Die Beigeladene verwies zur Rechtfertigung des angeordneten Sofortvollzugs auf einen den Neubau betreffenden, bereits abgeschlossenen Mietvertrag und einen einem Bauunternehmer erteilten Auftrag zur Erstellung des Rohbaus sowie in diesem Zusammenhang eingegangene Vertragsstrafenregelungen. Außerdem sei wertungsmäßig § 212a BauGB zu beachten, der leerliefe, würde in den Fällen, in denen, wie hier, zur Realisierung des Bauvorhabens auch eine wasserrechtliche Genehmigung benötigt würde, eine Sofortvollzugsanordnung unterbleiben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die Behördenakte, auch im Hauptsacheverfahren, verwiesen.
II.
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist zulässig (Rn. 35 ff.) und begründet (Rn. 44 ff.). Der Bescheid der Antragsgegnerin vom 27. Mai 2021 ist nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage wegen unzutreffender Annahmen im Rahmen der Anwendung des Rücksichtnahmegebots rechtswidrig und verletzt voraussichtlich die Rechte der Antragstellerin (§ 113 Abs. 1 VwGO). Die Klage in der Hauptsache wird daher voraussichtlich erfolgreich sein, so dass ihre aufschiebende Wirkung wiederherzustellen ist (§ 80a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO). Sollten mit Blick auf die grundsätzlich mögliche Ergänzung von Ermessensüberlegungen im gerichtlichen Verfahren nach § 114 Satz 2 VwGO die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens lediglich als offen anzusehen sein, so ergäbe jedenfalls eine Interessenabwägung ein Überwiegen der Belange der Antragstellerin.
A. Der Antrag ist zulässig. Die Antragstellerin ist insbesondere antragsbefugt (Rn. 36 ff.) und dem Antrag fehlt auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis (Rn. 40 ff.).
I. Im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes nach §§ 80, 80a VwGO ist § 42 Abs. 2 VwGO analog anzuwenden (vgl. BayVGH, B.v. 15.7.2010 – 8 CS 10.1527 – juris Rn. 5). Die Antragsbefugnis ist zu bejahen, da es nicht von vornherein unter jedem rechtlich denkbaren Gesichtspunkt ausgeschlossen ist, dass sich die Antragstellerin als benachbarte Grundstückseigentümerin auf das wasserrechtliche Gebot der Rücksichtnahme berufen kann.
Das wasserrechtliche Rücksichtnahmegebot ist nach allgemeiner Ansicht in § 6 Abs. 1 Nr. 3, § 13 Abs. 1 WHG verankert. Es gebietet, im Rahmen der Ermessensbetätigung bei Erteilung einer beschränkten Erlaubnis nach Art. 15 BayWG Belange Privater einzubeziehen, deren rechtlich geschützte Interessen von der beantragten Gewässerbenutzung in individualisierter und qualifizierter Weise betroffen werden können. Dieser Personenkreis hat einen Anspruch auf ermessensgerechte – d.h. insbesondere rücksichtnehmende – Beachtung und Würdigung seiner Belange (vgl. nur BayVGH, B.v. 11.2.2020 – 8 ZB 19.1481 – juris Rn. 12 m.w.N.). Die Antragstellerin ist als Eigentümerin des südlich unmittelbar angrenzenden Grundstücks jedenfalls möglicherweise in qualifizierter sowie individualisierter Weise betroffen und möglicherweise auch unzumutbar beeinträchtigt. Es ist nach den vorgelegten Unterlagen nicht nur theoretisch mit einem – wenngleich im einzelnen umstrittenen – Aufstau von Grundwasser auf dem Grundstück der Antragstellerin zu rechnen, weil dieses im Anströmungsgebiet des aus südwestlicher Richtung fließenden Grundwassers liegt. Damit ist auf längere Sicht auch eine Beeinträchtigung des Eigentums der Antragstellerin und damit deren Betroffenheit in Art. 14 Abs. 1 GG durch ein Eindringen von Grundwasser in das Gebäude nicht von vornherein ausgeschlossen. Angesichts der faktischen Auswirkungen auf den Bestand und die Nutzbarkeit eines Gebäudes, in das (möglicherweise) aufgestautes Grundwasser eindringt, ist auch nicht ausgeschlossen, diese Beeinträchtigung als unzumutbar und damit rücksichtslos einzuordnen.
Eine Beeinträchtigung ist nicht deshalb als ausreichend unwahrscheinlich anzusehen, weil in dem Entwässerungskonzept der Beigeladenen eine Grundwasserüberleitung vorgesehen ist. Abgesehen davon, dass dieses wohl ein Aufstauen des Grundwassers auf die Höhe der (Keller-)Räume der Antragstellerin gar nicht verhindern soll, wird gerade die (zumal langfristige) Geeignetheit dieser Maßnahmen bestritten. Das Konzept lässt damit jedenfalls die ausreichende Möglichkeit einer konkreten Beeinträchtigung, wie sie für die Antragsbefugnis nötig ist, nicht entfallen. Auch der Umstand, dass offenbar rund 50 Jahre keine Grundwasserschäden am Anwesen der Antragstellerin eingetreten sind, hindert angesichts eines weitergreifenden Prognosezeitraums die Möglichkeit einer ausreichenden Wahrscheinlichkeit für eine Beeinträchtigung des Eigentums der Antragstellerin nicht und steht daher der Bejahung der Antragsbefugnis nicht entgegen (vgl. für Hochwasser VG Augsburg, U.v. 17.5.2010 – Au 7 K 09.1447 – juris Rn. 74).
Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin scheitert die Annahme einer möglichen qualifizierten Betroffenheit auch nicht daran, dass im Rahmen des Rücksichtnahmegebots nur tatsächliche Veränderungen berücksichtigt werden dürften und deshalb die (gegebenenfalls nun erfolgte erstmalige) wasserrechtliche Legalisierung der für den Aufstau verantwortlichen Betonschlitzwand an der gemeinsamen Grundstücksgrenze durch den streitgegenständlichen Bescheid unbeachtlich sei, solange nur der rechnerische Aufstau durch das neue Gebäude nicht höher sei als durch das Bestandsgebäude. Dass es einen allgemeinen Rechtsgrundsatz gibt, demzufolge rechtliche Veränderungen vom wasserrechtlichen Rücksichtnahmegebot strukturell nicht verarbeitet werden können, kann das Gericht nicht erkennen, jedenfalls handelt es sich um eine materielle Frage der Rücksichtslosigkeit des Vorhabens und hindert nicht die Bejahung der Antragsbefugnis.
II. Dem Antrag fehlt auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Der streitgegenständliche Bescheid ist nicht bestandskräftig geworden. Die Antragstellerin hat auch nicht – wie die Beigeladene es zumindest für erwägenswert hält – ihre möglichen Rechte verwirkt (Rn. 41 f.). Es liegt auch keine bloße wiederholende Verfügung vor, gegen die Rechtsschutz grundsätzlich von vornherein ausgeschlossen wäre (Rn. 43).
1. Verwirkung setzt neben dem Verstreichen eines ausreichend langen Zeitraums voraus, dass der Berechtigte unter Verhältnissen untätig bleibt, unter denen vernünftigerweise etwas zur Wahrung des Rechts unternommen zu werden pflegt. Erst dadurch wird eine Situation geschaffen, auf die der jeweilige Gegner vertrauen, sich einstellen und einrichten darf (BVerfG, B.v. 26.1.1972 – 2 BvR 255/67 – juris Rn. 18; vgl. a. Riese in Schoch/Schneider, VwGO, 24. EL, Stand: Juni 2017, § 113 Rn. 60; Terhechte in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, § 53 VwVfG Rn. 16 ff.).
Bei diesem Verständnis ist es für die Bejahung einer Verwirkung nicht ausschlaggebend, dass die dem Bürgerlichen Gesetzbuch bekannte Verjährungshöchstgrenze bei 30 Jahren liegt. Mit diesem Einwand könnte die Beigeladene allenfalls begründen, dass seit der Errichtung der Wand in den 1970er Jahren und dem Beginn der mit ihr verbundenen (möglichen) Aufstauungen ein ausreichend langer Zeitraum verstrichen ist. Ob dies der Fall ist, kann das Gericht jedoch offen lassen. Denn vorliegend ist jedenfalls das nötige Umstandsmoment nicht gegeben. Bereits angesichts der bestehenden Unklarheiten über die Genehmigungslage hinsichtlich der bestehenden Schlitzwand und deren tatsächlichen Verlauf ist nicht erkennbar, dass in den letzten 50 Jahren zugunsten der Beigeladenen, auf die allein es wegen der begünstigenden Wirkung des Bescheids ankommt, eine Situation eingetreten ist, auf deren Fortbestand sie sich einstellen und einrichten durfte. Allein die Möglichkeit, dass die Wand damals nicht genehmigt worden war bzw. diese Genehmigung infolge des Abrisses des Bestandsgebäudes unwirksam geworden ist und nunmehr die bestehende Wand durch den streitgegenständlichen Bescheid zumindest in ihrer wesentlichen Länge genehmigt worden ist, macht deutlich, dass die Antragstellerin sich nun erstmals gegen diese Wand wenden können muss. Ob dies mit Erfolg möglich ist, ist eine Frage der Begründetheit des Rechtsbehelfs. Sowohl bei bereits anfänglicher formeller Illegalität als auch bei nachträglicher Integration der alten Wand in einen Neubau besteht zumindest nunmehr keine Situation, in der die Beigeladene darauf vertrauen könnte, dass bislang hingenommene Aufstauungen auch weiterhin hingenommen werden müssen und infolgedessen diese von vornherein einer (Un-)Zumutbarkeitsbeurteilung im Rahmen des Rücksichtnahmegebots entzogen sein könnten.
2. Der streitgegenständliche Bescheid stellt, auch hinsichtlich der Betonschlitzwand aus den 1970er Jahren, schließlich keine wiederholende Verfügung eines möglichen Genehmigungsbescheids aus den 1970er Jahren dar, die keine Möglichkeit eines Rechtsbehelfs gegen den dann unanfechtbaren Bescheid eröffnet (vgl. Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 51 Rn. 57) und grundsätzlich auch selbst keinem Rechtsschutz zugänglich wäre (vgl. VG München, B.v. 29.3.2010 – M 12 K 09.5504 – juris Rn. 63). Der streitgegenständliche Bescheid nimmt weder ausdrücklich noch konkludent auf eine alte Genehmigung Bezug, sondern möchte den Neubau einschließlich sämtlich integrierter Bestandsschlitzwände genehmigen. Es kommt insoweit daher an dieser Stelle nicht darauf an, dass das Gericht infolge des Abrisses des Bestandsgebäudes vom Erlöschen einer möglicherweise vorhandenen wasserrechtlichen Genehmigung ausgeht (Rn. 78 ff.).
B. Der Antrag ist begründet. Zwar ist die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung formell ordnungsgemäß erfolgt (Rn. 46 f.), jedoch hat die zulässige Anfechtungsklage in der Hauptsache voraussichtlich Erfolg (Rn. 48 ff.), jedenfalls ergibt bei Annahme nur offener Erfolgsaussichten eine Interessenabwägung ein Überwiegen der Belange der Antragstellerin (Rn. 89 ff.).
I. Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nach § 80a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf den Antrag eines Dritten die aufschiebende Wirkung seiner Klage im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft dabei eine eigene originäre Abwägungsentscheidung. Es hat hierbei zwischen dem von der Behörde auf Antrag der begünstigten Beigeladenen geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheids sowie dem Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsbehelfs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens maßgeblich zu berücksichtigen. Dem Charakter des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens entsprechend kann das Gericht seine vorläufige Entscheidung im Regelfall nur auf der Grundlage einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage treffen. Ergibt diese, dass der Rechtsbehelf offensichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse der Antragstellerin regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon als offensichtlich rechtswidrig, besteht kein Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Kann hingegen wegen der Komplexität der Sach- und Rechtslage keine solche Abschätzung der Erfolgsaussichten der Hauptsache getroffen werden, sind die einander gegenüber stehenden Interessen zu gewichten, wobei vorliegend letztlich offen bleiben kann, welche Relevanz insoweit der Maßstab der ernstlichen Zweifel nach § 80 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. § 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO hat.
II. Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung in Nr. II des Bescheids vom 10. Mai 2021 genügt den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Diese Vorschrift verpflichtet die Behörde, mit einer auf den konkreten Fall abgestellten und nicht lediglich „formelhaften“ schriftlichen Begründung das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung darzulegen. Dies gilt auch für die Anordnung der sofortigen Vollziehung im Interesse eines Beteiligten, die trotz des missverständlichen Wortlauts des § 80a Abs. 1 Nr. 1 VwGO vor Einlegung eines Rechtsbehelfs angeordnet werden kann (vgl. W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 80a Rn. 8). Auch in diesem Fall ist § 80 Abs. 3 VwGO (analog) zu beachten.
Die von der Antragsgegnerin im Bescheid ausführlich niedergelegten Gründe (II.3, S. 8 ff.) lassen in nachvollziehbarer, wenn auch die Aspekte der materiellen Begründung der Erlaubnis und des Sofortvollzugs ungewöhnlich verschränkenden Weise die konkreten Erwägungen erkennen, die sie dazu veranlasst haben, von der Anordnungsmöglichkeit auf Antrag der Beigeladenen Gebrauch zu machen.
III. Nach dem beschriebenen Maßstab ist im vorliegenden Fall bei summarischer Prüfung davon auszugehen, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung (vgl. nur BVerwG, B.v. 2.11.2017 – 7 C 25/15 – juris Rn. 23; VG Karlsruhe, U.v. 21.7.2020 – 6 K 3258/18 – juris Rn. 22) die wasserrechtliche Erlaubnis vom 10. Mai 2021 mit den Anforderungen des wasserrechtlichen Gebots der Rücksichtnahme (Rn. 49 ff.) nicht vereinbar und daher rechtswidrig ist und die Antragstellerin hierdurch in ihren Rechten verletzt wird. Der Bescheid ist nicht deshalb rechtswidrig, weil die Antragsgegnerin das Verfahren aus unberechtigter Sorge vor einer Amtshaftung zu schnell durchgeführt (Rn. 54 f.), einen unzureichenden Wahrscheinlichkeitsmaßstab angelegt (Rn. 56 f.) oder eine unzureichende Datenbasis und Prognosemethode zur Abschätzung des künftigen Grundwasseranstiegs verwendet hat (Rn. 58 ff.). Allerdings hat die Antragsgegnerin zu Unrecht die Wirkungen der vorhandenen Betonschlitzwand aus den 1970er Jahren von der Betrachtung ausgeblendet. Hierin liegt ein Ermessensfehler, der die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt (Rn. 75 ff.).
1. a) In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die wasserrechtlichen Gestattungstatbestände grundsätzlich Drittschutz nur nach Maßgabe des Rücksichtnahmegebots vermitteln (vgl. BVerwG, U.v. 18.3.2009 – 9 A 39/07 – juris Rn. 34; erstmals BVerwG, U.v. 15.7.1987 – 4 C 56/83 – juris Rn. 13 ff.). Verankert ist das Rücksichtnahmegebot in § 6 Abs. 1 Nr. 3, § 13 Abs. 1 WHG. Es gebietet, dass im Rahmen der Erteilung auch einer beschränkten Erlaubnis nach Art. 15 BayWG im Rahmen der Ermessensbetätigung Belange Privater einzubeziehen sind, deren rechtlich geschützte Interessen von der beantragten Gewässerbenutzung in individualisierter und qualifizierter Weise betroffen werden. Dieser Personenkreis hat einen Anspruch auf ermessensgerechte – d.h. insbesondere rücksichtnehmende – Beachtung und Würdigung seiner Belange (BayVGH, B.v. 11.2.2020 – 8 ZB 19.1481 – juris Rn. 12 m.w.N.). Dabei kann die Würdigung der geltend gemachten Beeinträchtigungen eines Drittschutzrechtes im Einzelfall im Rahmen des Anspruchs auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die erhobenen Einwände auch zur Rechtswidrigkeit einer erteilten Erlaubnis führen, wenn wirksame Nebenbestimmungen und Auflagen nicht festgesetzt werden können (vgl. VG Ansbach, U.v. 23.6.2004 – AN 9 K 03.01286 – juris Rn. 41; s.a. BVerwG, U.v. 15.7.1987 – 4 C 56/83 – juris Rn. 20).
Die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, mithin die Anforderungen an die Feststellung einer möglichen Beeinträchtigung und an die Gründe für deren Bewertung als rücksichtslos, hängen wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme zu Gute kommen soll, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (BayVGH, U.v. 20.5.2021 – 8 B 19.1587 – juris Rn. 38; OVG Lüneburg, B.v. 27.8.2019 – 13 ME 280/19 -, juris Rn. 15 – jew. m.w.N.). Eine Beeinträchtigung muss in jedem Falle erheblich (qualifiziert) sein (BayVGH, U.v. 20.5.2021 – 8 B 19.1587 – juris Rn. 38/42); das Rücksichtnahmegebot gewährt keinen Schutz vor jeglicher denkbaren Beeinträchtigung.
b) Im Zusammenhang mit Grundwasserbenutzungstatbeständen und der Beurteilung ihrer Folgen weist das Gebot der Rücksichtnahme eine ausgeprägt prospektive Dimension auf. Einwirkungen auf das Grundwasser führen zumeist erst langfristig und inkrementell zu Veränderungen – wie etwa der Fließrichtung, der Anströmgeschwindigkeit oder der Aufstaubereiche und -höhen – und wirken sich entsprechend auf Dritte und ihre Belange erst mit Verzögerung aus.
Infolgedessen haben Genehmigungsbehörden im Rahmen der Prüfung des Rücksichtnahmegebots über mögliche Beeinträchtigungsszenarien Prognosen zu treffen. Für eine ordnungsgemäße Rechtsanwendung im Zusammenhang einer Prognose und für ihre gerichtliche Kontrolle ist dabei zu beachten, dass die Behörde typischerweise zunächst den zukünftigen schädigenden Sachverhalt bzw. Zustand zu identifizieren hat, auf dessen (Nicht-)Eintritt es kraft Gesetzes ankommt (Prognoseereignis), im vorliegenden Fall also eine als hinreichend qualifiziert zu bewertende Beeinträchtigung eines relevanten Belangs des Rücksichtnahmebegünstigten – hier die Aufstauwirkung am Grundstück der Antragstellerin. Sodann hat sie zu bestimmen, mit welcher Wahrscheinlichkeit dieses Ereignis (nicht) eintreten muss (darf), um überhaupt Berücksichtigung erfahren zu dürfen (Rn. 56 f.). Schließlich bedarf es der Anwendung einer Prognosemethode (Rn. 58 ff.), und zwar einer Anwendung auf gegenwärtig bekannte oder erst noch zu erforschende Tatsachen (sog. Prognosebasis), um einen zumindest validen Schluss auf den Eintritt oder Nichteintritt des Prognoseereignisses zu ziehen (vgl. zum Ganzen Riese in Schoch/Schneider, VwGO, Stand: 36. EL Februar 2019, § 114 Rn. 153; Ramsauer, NordÖR 2019, 157/163; Schönenbroicher in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Aufl. 2019, § 40 Rn. 124).
c) Die Notwendigkeit einer behördlichen Prognose führt nicht zu einer Reduktion der gerichtlichen Kontrolldichte (vgl. allg. Schneider in Schoch/Schneider VwVfG, Grundwerk Juli 2020, § 24 Rn. 171; Ramsauer, NordÖR 2019, 157/163; Kloepfer, Umweltrecht, 4. Aufl. 2016, § 8 Rn. 155 ff.; wohl ausnahmsweise anders für den Fall einer wasserrechtlichen „Prognoseentscheidung mit planerischem Einschlag“ BayVGH, U.v. 2.2.2010 – 8 BV 08.1113 – juris Rn. 56), auch wenn Kontrollmodifikationen gerade im Rahmen der Prognosemethode und damit verkoppelt auch im Bereich der ermittlungswürdigen Tatsachen auf Ebene der Prognosebasis nicht ausbleiben (Rn. 65).
2. Die Antragsgegnerin hat durch den streitgegenständlichen Bescheid das Rücksichtnahmegebot nicht deshalb verletzt, weil sie ermessensfehlerhaft ein überbeschleunigtes Verwaltungsverfahren aus Sorge vor Amtshaftungsansprüchen durchgeführt hätte. Die Geschwindigkeit eines Verwaltungsverfahren kann für sich genommen keine Rechtsverletzung darstellen, erst recht keine Verletzung des Rücksichtnahmegebots. Entscheidend ist allein, ob – sei es infolge geschwindigkeitsbedingt fehlender Sorgfalt oder aus anderen Gründen – Belange der Antragstellerin nicht erkannt oder unzutreffend gewichtet wurden.
Hinzukommt, dass es nicht zutrifft, dass sich die Antragsgegnerin aus Sorge vor Amtshaftung zu einer, wie die Antragstellerin meint, „Überfall-Genehmigung“ entschlossen hat. Die Antragstellerin hat mit einem Hinweis auf Amtshaftungsrisiken (S. 18 f. des Bescheids) lediglich begründet, die streitgegenständliche Genehmigung zwar nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens, aber noch vor Abschluss des Petitionsverfahrens zu erteilen, das anlässlich des Neubauvorhabens der Beigeladenen eine Bürgerinitiative eingeleitet hat. Ob ein Zuwarten auf eine Petitionsentscheidung amtspflichtwidrig gewesen wäre, bedarf keiner Entscheidung. Ein Petitionsverfahren hindert die Antragstellerin jedenfalls nicht, ein Verwaltungsverfahren mit der Erteilung eines Bescheids abzuschließen. Das Petitionsverfahren begründet nur (begrenzte) Ansprüche gegenüber dem Petitionsempfänger, nicht aber gegenüber Dritten (vgl. Lindner in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, 2. Aufl. 2017, Art. 115 Rn. 11).
3. Die Antragsgegnerin hat durch den streitgegenständlichen Bescheid das Rücksichtnahmegebot auch nicht deshalb verletzt, weil sie ihrer Prognose einen unzutreffenden Wahrscheinlichkeitsgrad zugrunde gelegt hätte. Die für die Prognose erforderliche Wahrscheinlichkeit, mit der das Prognoseereignis im maßgeblichen Zeitraum (nicht) eintreten muss (darf), wird nicht von Art. 24 BayVwVfG gesteuert, sondern ergibt sich aus dem materiellen Recht (vgl. Kallerhoff/Fellenberg in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 24 Rn. 21). Hinsichtlich des wasserrechtlichen Rücksichtnahmegebots herrscht in der Rechtsprechung Einigkeit, dass nicht der objektiv-rechtliche Besorgnisgrundsatz (wie er etwa in § 48 Abs. 1 Satz 1 WHG normiert ist) anzulegen ist. Es bedarf vielmehr einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit, dass rechtlich geschützte Interessen des vom Rücksichtnahmegebot Begünstigten erheblich beeinträchtigt werden (vgl. BayVGH, U.v. 20.5.2021 – 8 B 19.1587 – juris Rn. 42; ähnlich VG Karlsruhe, U.v. 21.7. 2020 – 6 K 3258/18 – juris Rn. 31). Die Nachteile müssen konkret zu erwarten und nicht lediglich abstrakt denkbar sein (vgl. zusammenfassend Breuer/Gärditz, Öffentliches und privates Wasserrecht, 4. Aufl. 2017, Rn. 955 ff., 964 f.; Kloepfer, Umweltrecht, 4. Aufl. 2016, Bd. II, § 14 Rn. 411). Eine bloß entfernte Möglichkeit ist also ebenso wenig ausreichend, wie eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich (VG Karlsruhe, U.v. 21.7. 2020 – 6 K 3258/18 – juris Rn. 31).
Diesen Maßstab hat die Antragsgegnerin der Sache nach zugrunde gelegt, auch wenn eine explizite Erwähnung im Bescheid fehlt. Sie hat im Übrigen, wenngleich ebenfalls unausgesprochen, zutreffend hinsichtlich des maßgeblichen Prognosezeitraums auf 100 Jahre rekurriert (vgl. für Hochwasser VG Augsburg, U.v. 17.5.2010 – Au 7 K 09.1447 – juris Rn. 74; s.a. Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 2.7.2021, S. 13; Gutachten von … v. 2.7.2021, S. 2, vorgelegt als Anlage …).
4. Ferner hat die Antragsgegnerin voraussichtlich das Rücksichtnahmegebot weder deshalb verletzt, weil sie entgegen den Vorstellungen der Antragstellerin ihre Prognosebasis nicht durch weitere Ermittlungen verbessert hat noch, weil sie es unterlassen hat, im Rahmen der Prognosemethode komplexere Grundwassermodelle oder ähnliche Untersuchungsmethoden anzuwenden. Es ist nach summarischer Prüfung nicht rechtswidrig, dass die Antragsgegnerin die auf Grundlage der vorhandenen Daten bestehenden Unsicherheiten über den gegenwärtigen Grundwasserstand hingenommen, keine weiteren Aufklärungsschritte unternommen und auf dieser Basis eine erwartete Aufstauungshöhe errechnet hat.
a) Allgemein gesprochen verlangt eine sachgerechte Tatsachenbasis für eine Prognose, dass sie unter Berücksichtigung aller zum Entscheidungszeitpunkt vorhandenen Daten und Erkenntnismittel festgelegt wird (vgl. BayVGH, U.v. 20.5.2021 – 8 B 19.1587 – juris Rn. 41). Dabei bestehen enge Bezüge zwischen Prognosebasis und Prognosemethode. Denn die vorhandenen Daten und Informationen steuern die Auswahl aus dem Portfolio bekannter und fachlich grundsätzlich geeigneter Prognosemethoden ebenso wie eine vorab gewählte Methode die Anforderung an die Auswahl vorhandener Tatsachen oder an die Notwendigkeit weiterer Sachverhaltsermittlung.
Im Zusammenhang mit der Abschätzung zu erwartender Veränderungen einer Aufstauung auf das Grundwasser kann im Rahmen der Prognosemethode mit fachwissenschaftlichen Erfahrungssätzen gearbeitet werden. Vorliegend wurden aus ermittelten Grundwasserpegelständen der Vergangenheit unter Berücksichtigung absehbarer Entwicklungen erfahrungsbasierte Interpolationen auf künftige (Höhen-)Entwicklungen des Grundwasserstandes vorgenommen. Die Antragsgegnerin und die Beigeladene gehen von einer Grundwasserfließrichtung nach Nordosten aus, bei mittleren Grundwasserständen mit einem Gefälle von 0,3%, bei höheren Grundwasserständen von 0,5%. In der geologisch-hydrologischen Karte von … sei der mittlere Grundwasserstand bei 513,20 m ü. NN. ausgewiesen. Diese Angaben seien durch Interpolation auch weiter entfernter Messpunkte gewonnen und daher mit gewissen Unsicherheiten behaftet. Unter Heranziehung weiteren Kartenmaterials lasse sich jedoch ein mittlerer Wasserstand bei 513,80 m ü. NN. abschätzen, der höchste Wasserstand, mithin das HW 1940, wäre bei 515,30 m ü. NN. zu erwarten. Am Pegel … … ergebe sich für die Jahre zwischen 1974 und 1993 ein maximaler Wasserstand von 514,08 m ü. NN., der mittlere Wasserstand liege bei 513,30 m ü. NN. Unter Einbeziehung eines Sicherheitszuschlags von 0,3 m (addiert auf den höchsten Wasserstand des Hochwassers im Jahr 1940) ergebe sich ein Bemessungswasserstand für das Gebäude im Endzustand von 515,60 m ü. NN. (Antrag von v. 4.6.2019, S. 10 f., vorgelegt als Anlage …; Antrag von … v. 27.1.2021, S. 10 f., vorgelegt als Anlage …). Die Aussagekraft der Berechnungen und Interpolationen hängt hierbei von der Zahl der Pegelmessstellen und der Dauer ihres Einsatzes, ferner auch vom Geschehen in der Vergangenheit ab. So beeinflussen etwa bauliche Großprojekte (wie ein …-Bau) allein durch jahrelange großräumige Bauwasserhaltung die Messergebnisse.
Zur Bewältigung komplexer Wirkungszusammenhängen besteht außerdem die Möglichkeit der aufwändigeren Grundwassermodellierung. Solche Modelle hat die Antragsgegnerin vorliegend nicht angewendet. Sie hält sie für nicht erforderlich und für unverhältnismäßig (vgl. Bescheid vom 10.5.2021, S. 12).
b) Welche Tatsachen und Erkenntnisse zu ermitteln und welche Prognosemethoden mit welcher Komplexität anzuwenden sind, ist für den vorliegenden Fall gesetzlich nicht geregelt. Eine Regelung bzw. Regelungstechnik, die etwa mit § 13a Abs. 4 WHG i.V.m. § 3 Nr. 11 WHG vergleichbar wäre, der mit seiner Bezugnahme auf den „Stand der Technik“ im Wege eines dynamischen unbestimmten Rechtsbegriffs den Entwicklungen des technischen Fortschritts (und nicht nur den der anerkannten Praxis) normative Verbindlichkeit verleiht (vgl. zu den drei üblichen insbesondere umweltrechtlichen „Technik-Standards“ zur Integration technischen oder wissenschaftlichen Fortschritts in das Recht Seibl, NJW 2013, 3000 ff.), ist im Zusammenhang mit dem Rücksichtnahmegebot nicht vorhanden. Fehlt es an einer fachgesetzlichen Spezifizierung, so können die Anforderungen an Prognosebasis und -methode nur rechtsgutorientiert begründet werden. Angesichts des Bezugspunkts der hier notwendigen Prognose – lediglich nachbarliche (Eigentums-)Interessen und nicht etwa (Gesundheits-)Risiken für die Qualität von Trinkwasser und damit einer Vielzahl von Personen – genügt eine Anwendung (orientiert man sich an Terminologie und Gehalt der insbesondere umweltrechtlichen anerkannten „Technik-Standards“) allgemein anerkannter Regeln der Technik („erste Stufe“), also die Anwendung nur der Standards, die sich nach der Mehrheitsauffassung unter den technischen Praktikern bewährt haben (in diese Richtung VG Karlsruhe, U.v. 21.7.2020 – 6 K 3258/18 – juris Rn. 31: „anerkannte fachliche Regeln“; ähnlich wohl BayVGH, U.v. 20.5.2021 – 8 B 19.1587 – juris Rn. 41; zum Anforderungsprofil für die Behörden und Gerichte vgl. BVerfG, B.v. 8.8.1978 – 2 BvL 8/77 – juris Rn. 107).
Bei der „Ausfüllung“ und Anwendung dieser allgemein anerkannten Regeln ist vorliegend zu beachten, dass das Wasserwirtschaftsamt durch Gesetz (Art. 63 Abs. 3 Satz 1 BayWG) als Fachbehörde zur innerbehördlichen Wissensgenerierung eingerichtet ist (Breuer/Gärditz, Öffentliches und privates Wasserrecht, 4. Aufl. 2017, Rn. 574). Seinen amtlichen Auskünften und Gutachten kommt eine besondere Bedeutung und ein grundsätzlich wesentlich größeres Gewicht als Expertisen privater Fachinstitute zu (st. Rechtsprechung, vgl. nur BayVGH, B.v. 2.1.2020 – 8 ZB 19.47 – juris Rn. 11 m.w.N.). Dieser strukturelle Erkenntnis- und Erfahrungsvorsprung erstreckt sich auch auf die (wasserwirtschafts-)amtliche „Plausibilitätsprüfung“ von Untersuchungen eines vom Vorhabenträger beauftragten Fachbüros (vgl. BayVGH, B.v. 2.1.2020 – 8 ZB 19.47 – Rn. 10 ff.; BayVGH, B.v. 7.5.2018 – 8 CS 18.455 – juris Rn. 15).
c) Die Anerkennung des skizzierten Erkenntnis-, Erfahrungs- und „Einschätzungsvorsprung(s) (…) der wasserwirtschaftlichen Fachbehörde“ (BayVGH, B.v. 7.8.2014 – 8 ZB 13.2583 – juris Rn. 8) geht allerdings mit Blick auf die Vorgaben zum effektiven Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 GG nicht mit einem gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum einher (vgl. allgemein BVerfG, B.v. 23.10.2018 – 1 BvR 2523/13 – juris Rn. 19 ff.; konkret zum Wasserrecht Breuer/Gärditz, Öffentliches und privates Wasserrecht, 4. Aufl. 2017, Rn. 574; Jacob/Lau, NVwZ 2015, 241/245 ff.; Pape in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 61. EL April 2011, § 12 WHG Rn. 51).
Gleichwohl bieten die Prognosemethode, aber auch die Prognosebasis (denn auch sie kann kaum ohne wissenschaftliches Fachwissen zur Methode ermittelt und festgelegt werden) Einbruchstellen für die Annahme eines gewissen Prognosespielraums zugunsten der Fachbehörde (vgl. Ramsauer, NordÖR 2019, 157/163). Infolgedessen besteht für die Gerichte die Notwendigkeit einer Abweichung und eventuellen Einholung weiterer Gutachten zur Aufhellung des Sachverhalts lediglich dann, wenn die Stellungnahmen des Wasserwirtschaftsamts oder die von ihm (nur) überprüften Privatgutachten Widersprüche enthalten, von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgegangen wurde oder die gewählte Methodik aus anderen Gründen nicht geeignet ist, den einschlägigen Vorgaben Rechnung zu tragen (vgl. nur BayVGH, B.v. 2.5.2011 – 8 ZB 10.2312 – juris Rn. 11). Diese „Fehlerkontrolle“ (Ramsauer, NordÖR 2019, 157/163) haben die Gerichte von Amts wegen vorzunehmen, im Übrigen – hierin liegt der maßgebliche Unterschied zu einer auf strikte „Grenzkontrolle“ beschränkten gerichtlichen Überprüfung eines behördlichen Beurteilungsspielraums – obliegt es der Antragstellerin, die Erkenntnisse, die in dem Gutachten ihren Niederschlag gefunden haben, durch substantiierte Einwände ernsthaft infrage zu stellen (vgl. nochmals BayVGH, B.v. 2.5.2011 – 8 ZB 10.2312 – juris Rn. 11).
d) Der Kontrollumfang der Gerichte umfasst allerdings auch die Beantwortung der Frage, ob von Gesetzes wegen bestimmte Anforderungen an die „Breite“ der zu ermittelnden Tatsachen bestehen, ob also die Ermittlung von bestimmten Tatsachen unterblieben ist, deren Verfügbarkeit für die Wahl einer sachgerechteren, etwa einer genaueren Prognosemethode aber geboten gewesen wäre. Denn welcher „Genauigkeitsmaßstab“ geboten ist, ist eine Frage des einfachen oder gegebenenfalls des Verfassungsrechts, deren Beantwortung den Gerichten obliegt.
Vorliegend erscheint es hinnehmbar, dass die Antragsgegnerin die ihren Rechenergebnissen zugrunde gelegten Pegelwerte, Anströmwinkel und die Grundwasserfließrichtung – entgegen den Vorstellungen der Antragstellerin – nicht durch weitere Untersuchungen und neue Grundwassermodelle stärker aktualisiert hat. Die Kritik der Antragstellerin kann insoweit nicht ausreichend überzeugen.
aa) Die Antragstellerin kritisiert grundlegend, dass die herangezogenen Grundwassergleichen aus dem Jahr 1940 und die Angaben zum Mittelwasser von 1990 aufgrund der zahlreichen baulichen Veränderungen in … den heutigen Stand nicht mehr abbildeten. Zwar sei die Berechnung des Grundwasseraufstaus mathematisch an sich richtig (vgl. Stellungnahme von … aus 11/2020, S. 5, vorgelegt als Anlage … …), angesichts der gestörten Grundwasserverhältnisse ohne eine aktuelle Erfassung der Grundwasserströme, aus der auch die Auswirkungen des Baus der …-Trassen sowie andere größere Baumaßnahmen berücksichtigt würden, aber nicht belastbar. Es sei davon auszugehen, dass durch die mutmaßlich schon vorhandene Abtrennung der nördlichen Gebäude vom Grundwasser (auch dort seien Schlitzwände vorhanden) und des …-Baus in der Vergangenheit insbesondere keine natürlichen Fließverhältnisse mehr vorhanden seien. Folglich sei ungewiss, ob die in die mathematische Gleichung eingesetzten Werte zum Anströmwinkel und zum Gefälle des Grundwassers noch der Realität entsprächen (vgl. Stellungnahme von … aus 11/2020, S. 4, vorgelegt als Anlage … …). Das verwendete Berechnungsverfahren sei nur für „freie Grundwasserverhältnisse“ tauglich. Es bedürfe eines aktuellen Grundwassermodells (… aus 11/2020, S. 14, vorgelegt als Anlage … …; Stellungnahme von … v. 28.6.2021, S. 8, vorgelegt als Anlage …), neue Grundwassermessstellen seien einzurichten und die Grundwasserstände für einen längeren Zeitraum zu messen und die Fließwasserrichtung neu zu bestimmen. Auch die Gründungssituation bzw. die Höhenkoten der Gebäude im Umfeld des Grundstücks der Beigeladenen seien zu erkunden (vgl. Stellungnahme von … aus 11/2020, S. 6, vorgelegt als Anlage … …; … aus 2/2021, S. 18, vorgelegt als Anlage … …).
bb) (1) Die Antragstellerin geht zunächst zurecht davon aus, dass Prognosen in aller Regel umso belastbarer werden, je aktueller und je exakter die gegenwärtigen Verhältnisse im örtlichen Grundwasser, hinsichtlich der Pegelentwicklung, der Fließrichtung oder etwa der Ursachen für gestörte Verhältnisse und deren Auswirkungen erkundet sind. Es erscheint weiterhin nicht fernliegend, dass das langjährige und intensive Baugeschehen in der Gegend um den …hof auch Auswirkungen auf das Grundwasser zeitigt, die in den gegenwärtig vorhandenen Daten nicht umfassend abgebildet werden.
(2) Die Antragstellerin legt jedoch sodann nicht in ausreichender Weise dar, dass die zugrunde gelegten Daten die „wahre“ Realität in einem Ausmaß verfehlen, das nicht mehr hingenommen werden kann. So bleibt etwa der Hinweis darauf, dass seit 1990 eine Beeinflussung des oberen Grundwasserstockwerks durch Bebauung stattgefunden habe ( … aus 2/2021, S. 8, vorgelegt als Anlage … …) zu oberflächlich und vage. Befürchtete Auswirkungen werden nicht qualifiziert abgeschätzt. Auch der Verweis auf andere Grundwasserprobleme in … („… Straße“) genügt nicht, um eine Wissensgenerierungspflicht auszulösen. Die dortigen Entwicklungen mögen Grund und Verstärkung der allgemeinen Sorgen der Antragstellerin sein, begründen aber keine grundlegenden Zweifel an den Grundwasserkenntnissen im hier relevanten Stadtteil. Auch die (nur) behaupteten Grundwasserschäden an anderen Gebäuden der … straße (vgl. Stellungnahme von … v. 28.6.2021, S. 7, vorgelegt als Anlage …) stellen die Adäquanz der von der Antragstellerin und dem Wasserwirtschaftsamt „gelebten“ Erfahrungssätze auf Basis der bereits vorhandenen Daten nicht in ausreichendem Maße in Frage.
(3) Der Einwand, dass sich auf Basis des mittleren Grundwasserstands von 513,20 m ü. NN. und der eingependelten Messung an der Messstelle … … seit dem Jahr 2010 auf 514,25 m ü. NN. ein Anstieg des Grundwasserstandes von rund 1 m nachweisen lasse (Stellungnahme von … aus 11/2020, S. 3, vorgelegt als Anlage … …), führt ebenfalls nicht zu einer Verpflichtung der Antragsgegnerin, weitere Sachverhaltsaufklärung zu betreiben.
Zutreffend ist zunächst, dass die vorgelegten Ergebnisse des Pegels … … einen kontinuierlichen Anstieg des Grundwassers erkennen lassen (vgl. Messprotokoll, vorgelegt als Anlage …). Diese Messstelle liegt rund 50 m vom Grundstück der Antragstellerin entfernt und wird von der Antragsgegnerin 14-tägig gemessen. Der Pegel ist offenbar seit 1971 in Betrieb (vgl. Gutachten von … v. 2.7.2021, S. 2, vorgelegt als Anlage …), in den Jahren 1995 bis 2001 scheinen aber keine Messungen vorgenommen worden zu sein. Das vorgelegte Messprotokoll enthält (nur) die gemessenen Werte der Jahre 1978 bis 2020. Die Antragstellerin entnimmt diesen Werten im Ergebnis einen Anstieg des Grundwassers „in den letzten Jahrzehnten im Mittel von über einem Meter“ (Antragsschrift vom 31. Mai 2021, S. 10). Diese Beschreibung ist wörtlich genommen unplausibel, weil eine Aussage zu einem „Anstieg im Mittel“ den Vergleich von mindestens zwei (ggf. gemittelten) Zeiträumen voraussetzt. Aber auch weniger wörtlich verstanden, lässt sich kein Anstieg von 1 m annehmen. Im Jahr 1978 liegt der Grundwasserpegel bei rund 512,70 m ü. NN., im Jahr 2020 514,20 m ü. NN. (Differenz: 1,50 m). In diesen rund 40 Jahren war der niedrigste Pegelstand am 27. November 1980 mit 512,41 m ü. NN., der höchste Pegelstand am 8. August 2010 mit 514,48 m ü. NN. (Differenz: 2,07 m). Der rechnerische Mittelwert von 1978 bis 2020 liegt ausweislich des Messprotokolls bei 513,78 m ü. NN. Der graphischen Darstellung lassen sich bis 1995 starke Ausschläge entnehmen. Im Zeitraum von 1977 bis 1991 fanden nach Mitteilung der Antragstellerin im Umgriff des Pegels umfangreiche …-Baumaßnahmen statt (Schriftsatz v. 2.7.2021, S. 8). Es ist plausibel, dass die hierfür notwendigen Bauwasserhaltungen sich auf das Grundwasser teilweise erheblich auswirkten und zumindest eine wesentliche Ursache für die Schwankungen bilden. Jedenfalls ist daher der Vortrag der Antragsgegnerin insoweit überzeugend, dass eine Durchschnittsbildung der Werte aus dem Zeitraum von 1978 bis 2020 keine Aussage über die „wahre“ Entwicklung des Grundwasserpegels gibt. Insoweit ist die Annahme der Antragstellerin eines besonders starken Anstiegs des Grundwassers nicht ausreichend dargetan. Seit dem Jahr 2001 zeigt die Darstellung erheblich weniger Schwankungen. Der Wasserstand liegt zwischen 513,80 m ü. NN. (im Jahr 2005) und dem Höchstwert am 8. August 2010 von 514,48 m ü. NN. (Differenz: 0,68 m). Seit etwa dem Jahr 2014 liegt der Pegelstand nicht ausnahmslos, aber doch sehr konstant über 514,00 m ü. NN. Orientiert man sich am abgeschätzten mittleren Wasserstand von 513,80 m ü. NN., ist ein Anstieg vorhanden, aber er fällt nicht auffallend signifikant aus. Jedenfalls ist ein Anstieg des Grundwassers, der zur Annahme zwingen könnte, dass die von Antragsgegnerin, Wasserwirtschaftsamt und Beigeladenen zugrunde gelegten Prämissen erheblich fehlerhaft sind und insoweit von Gesetzes wegen ein Auftrag zur Wissensgenerierung besteht, nicht ausreichend wahrscheinlich gemacht.
Auch aus einer anderen Perspektive erscheint die Annahme eines Anstiegs von rund 1 m nicht valide begründet. Das Gutachten vom Februar 2021 (vorgelegt als Anlage … …, S. 5) geht von einem früheren mittleren Grundwasserstand (in den 1950er Jahren) von 513,20 m ü. NN. aus und stellt diesen Wert dem seit 2010 eingependelten Wert von 514,25 m ü. NN. gegenüber und schlussfolgert daraus einen Anstieg von etwa 1 m. Allerdings führt das Gutachten der Beigeladenen (Antrag von … v. 27.1.2021, S. 10 f., vorgelegt als Anlage …) – unwidersprochen – aus, dass der Wert von 513,20 m ü. NN. mit Unsicherheiten behaftet und vielmehr annäherungsweise von einem mittleren Wasserstand von 513,8 m ü. NN. auszugehen ist. Dies zugrunde gelegt, wäre nur noch ein Anstieg von etwa 0,45 m zu erkennen. Allen Beteiligten ist zuzugestehen, dass mit vagen Angaben und Interpolationen Abschätzungen vorgenommen werden müssen, die sodann im Wege mathematischer Berechnung in (pseudo-)exakte Werte umgerechnet werden (müssen). Hieraus folgt einerseits, dass auch für ein Bezweifeln der Annahmen nicht exakte Erkenntnisse verlangt werden können. Andererseits kann aber auch nicht aus dem Vergleich von unsicheren Extremwerten auf einen sicheren Anstieg geschlussfolgert werden. Auch hieraus ergibt sich, dass ein signifikanter Anstieg des Grundwassers nicht dargelegt wurde.
(4) Auch ungeachtet des Vortrags der Antragstellerin drängt sich eine vertiefte Ermittlung nicht auf. Die Grenzen der Pflicht zur staatlichen Wissensgenerierung im Einzelnen lassen sich nicht abstrakt bestimmen, sondern richten sich nach der Art der Materie und den Umständen des Einzelfalls (vgl. BVerwG, B.v. 10.10.2017 – 7 B 5/17 – juris Rn. 19). Dabei ist von Relevanz, dass der gebotene Ermittlungsaufwand auch in Relation zum quantitativen und qualitativen Ausmaß des von der beabsichtigten Gewässerbenutzung ausgehenden Gefährdungspotentials gesetzt werden muss (vgl., wenngleich bezogen auf den Wahrscheinlichkeitsmaßstab, BVerwG, U.v. 26.6.1970 – IV C 99.67 – juris Rn. 15). Vorliegend geht es nicht darum, Auswirkungen eines Vorhabens auf das Grundwasser – und damit ein besonders schützenswertes Medium – abzuschätzen, dessen Beeinträchtigung weitreichende und langfristige Folgen für einen nicht unerheblichen Personenkreis hat, sondern – verglichen hiermit – „nur“ um Auswirkungen einer aufstauenden Maßnahme auf einen Nachbarn. Anders gewendet: Es geht um Beeinträchtigungen des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 GG) und nicht um den Schutz von Leben und Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 GG). Die Schadensszenarien sind demnach nicht in gleicher Weise existentiell, zumal einer beschränkten Erlaubnis keine privatrechtsgestaltende Wirkung zukommt (vgl. § 16 WHG). Weder die Antragstellerin noch die Allgemeinheit sind im vorliegenden Fall Gefahren ausgesetzt, deren Vermeidung aus verfassungsrechtlichen Gründen möglichst genauer und aktueller Wissensgenerierung bedürfen. Hier spiegelt sich insoweit der oben dem Gesetz entnommene „Aufklärungsstandard“ der (nur) „allgemein anerkannten Regeln der Technik und nicht etwa des „Stands der Technik“ oder gar des „Stands von Wissenschaft und Technik“ wieder. Gerade vor dem Hintergrund eines sehr langen Prognosezeitraums und der unbeschränkten Vielzahl an Einflussfaktoren, die für die Zukunft noch auftreten können und in ihren kleinräumigen Auswirkungen für das Grundstück der Antragstellerin nicht vorhersehbar sind – sei es in Gestalt von weiterem Baugeschehen in mehr oder weniger nahem Umgriff oder, von der Antragsgegnerin gar nicht erst steuerbar, anderen anthropogenen Faktoren, die sich etwa auf den Niederschlagsumfang und damit auch auf den Grundwasserpegel auswirken -, dürfen die Anforderungen an eine Wissensgenerierung nicht überspannt werden. Insoweit ist es hinnehmbar, dass die Antragsgegnerin und das Wasserwirtschaftsamt mit Näherungswerten und erfahrungsbasierten Annahmen versuchen, ein Realitätsabbild zu konstruieren. Im Ergebnis überspannt die Antragstellerin mit ihren Vorstellungen nach beständig aktualisierten Grundwassermodellen die Anforderungen und verlässt mit ersichtlich auch über das Einzelvorhaben hinausgehendem Erkenntnisinteresse den Raum des rechtlich durch das Rücksichtnahmegebot vorgezeichneten Erkenntnisniveaus. Es kann daher für den hier zu entscheidenden Fall im Ergebnis keine gesetzliche Pflicht zur bestmöglichen oder auch nur besseren Erforschung des Sachverhalts angenommen werden.
5. Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots liegt jedoch darin, dass die Antragsgegnerin auf Ebene der Prognosebasis bzw. der Prognosemethode zu Unrecht die faktischen Wirkungen der vorhandenen Betonschlitzwand aus den 1970er Jahren von der Betrachtung ausgenommen hat.
a) Das ermittelte Prognoseergebnis – Aufstauwirkung von grundsätzlich 11 cm am Grundstück der Antragstellerin – ist ermessensfehlerhaft, weil die Antragsgegnerin ausweislich der Begründung im Bescheid (vgl. S. 10) die Stauwirkung durch die alte Betonschlitzwand als a priori der Antragstellerin zumutbare tatsächliche Beeinträchtigung (auch im Falle bisher fehlender Legalisierung) der Abwägung der gegenläufigen Belange zugrunde legt. Das verdeutlicht auch eine aktuelle E-Mail des Wasserwirtschaftsamts vom 18. Juni 2021 (vorgelegt als Anlage 2 der Antragstellerin), in der es auf Nachfrage der Antragsgegnerin mitgeteilt hat, dass „u.E. ein Grundwasseraufstau von 11 cm aus wasserwirtschaftlicher Sicht hinnehmbar (ist). Die Wasserrechtsbehörde müsste u.E. dann eine Abwägung zwischen den Interessen des Bauherrn und denen der Nachbarn treffen. Evtl. würden heute Maßnahmen wie Grundwasserüberleitungen o.ä. verlangt“.
Abgesehen davon, dass die Einschätzung, ein Aufstau von 11 cm wäre wasserwirtschaftlich vertretbar, angesichts der noch gegenteiligen Aussage in der Stellungnahme vom 6.6.2021 (S. 4, vorgelegt als Anlage …) überrascht – und in der mündlichen Verhandlung über die Klage zu erörtern sein wird -, verdeutlicht die Aussage das Problem: Weder im Genehmigungsverfahren (noch während des gerichtlichen Eilverfahrens, vgl. zur Ergänzung von Ermessenserwägungen Rn. 85 f.) haben die Antragstellerin und das Wasserwirtschaftsamt diese Fragestellung sachgerecht bearbeitet und hat die Antragsgegnerin keine – im Rahmen des Rücksichtnahmegebots – zu treffende Abwägung vorgenommen. Sie hat sich nicht bzw. unzureichend mit der Frage befasst, ob aus heutiger Sicht die Errichtung der Wand noch genehmigt werden kann und dabei auch nicht berücksichtigt, dass teilweise Räume im Anwesen der Antragstellerin – wohl genehmigt – unterhalb des Pegels des Hochwassers von 1940 liegen. Hierin liegt ein Ermessensfehler, der die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt.
b) Die Bestandsschlitzwand und ihre Wirkungen sind zu berücksichtigen, weil sie jedenfalls wegen Erledigung in anderer Weise nach Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG nicht mehr formell legal ist (aa) und auch nicht als rein tatsächlicher „Lagefaktor“ aus dem Rücksichtnahmegebot ausgeschlossen werden darf (bb). Schließlich ist auch ein hinreichender Ursachenzusammenhang zwischen den Vorhaben der Beigeladenen und möglichen Schäden am Bestandsgebäude der Antragstellerin zu bejahen (cc). Der daher bestehende Anspruch der Antragstellerin auf Berücksichtigung ist auch nicht verwirkt (dd). Richtigerweise hätte die Antragsgegnerin den Sachverhalt so prüfen müssen, als würde die Wand nunmehr erstmals errichtet und ins Grundwasser eingebracht; das hat sie nicht getan und damit ermessensfehlerhaft gehandelt (ee).
(aa) Die Berücksichtigung der Aufstauwirkung hängt nicht davon ab, ob der tatsächliche Verlauf der Wand ganz oder teilweise wasserrechtlich – im Rahmen der Baugenehmigung im Jahr 1971 oder einer gesonderten Genehmigung – legalisiert wurde. Denn eine möglicherweise erteilte wasserrechtliche Genehmigung hat sich durch die zwischenzeitlich weitgehend abgeschlossene Beseitigung des Bestandsgebäudes erledigt. Allgemein gilt, dass der Wegfall des Regelungsobjektes, etwa durch Zerstörung oder Abriss eines Gebäudes, zu einer Erledigung der Genehmigung auf andere Weise im Sinne von Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG führt (vgl. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 42 Rn. 212). Daher wird in einem solchen Fall eine Baugenehmigung als Verwaltungsakt unwirksam und der Bestandsschutz erlischt (BVerwG, B.v. 5.6.2007 – 4 B 20/07 – juris Rn. 4; OVG NW, U.v. 6.2.2015 – 2 A 1394/13 – juris Rn. 53). Damit hat sich die Baugenehmigung für das Bestandsgebäude auf dem Grundstück der Beigeladenen erledigt. Die Erledigung erstreckt sich dabei auch auf die verbliebenen Betonschlitzwände, die in den Neubau integriert werden sollen, da diese Wände nicht ausnahmsweise einen rechtlich abtrennbaren Teil der Genehmigung betreffen (vgl. OVG NW, U.v. 6.2.2015 – 2 A 1394/13 – juris Rn. 53). Es ist anzunehmen – die Baugenehmigung ist nicht auffindbar -, dass das Gebäude als Ganzes und als Einheit baurechtlich genehmigt worden ist.
Diese Erledigungswirkung beschränkt sich nicht auf die baurechtliche Genehmigung. Sie erstreckt sich auch auf eine möglicherweise erteilte wasserrechtliche Genehmigung dieser (und auch der an den anderen Grundstücksgrenzen befindlichen) Schlitzwände, und zwar auch für den Fall, dass die Genehmigung ausschließlich bislang erhaltene Wände oder sonstige Bestandteile umfasst haben sollte. Es fehlte dann zwar mangels Abrisses an einem tatsächlichen Wegfall des Regelungsgegenstandes. Auch sind das baurechtliche und das wasserrechtliche Genehmigungsverfahren grundsätzlich zwei getrennte Verwaltungsverfahren (vgl. § 29 Abs. 2 BauGB), die hinsichtlich des Regelungsgehalts der behördlichen Entscheidungen nicht identisch sind, so dass nicht ohne weiteres das Erlöschen der einen zum Erlöschen der anderen führt. Aber die bauwie die (möglicherweise) wasserrechtliche Beurteilung erfolgte in Ansehung des jeweiligen Gesamtvorhabens. Der wasserrechtliche Benutzungstatbestand wird nicht allein durch die Einbringung einer bestimmten Wand (oder gar nur einzelner ihrer Teile) in das Grundwasser verwirklicht, sondern durch das 1971 genehmigte Gebäude in seiner konkreten Gestalt. Insoweit sind die Regelungsgegenstände der bau- und der wasserrechtlichen Genehmigung im Ergebnis jedenfalls vorliegend verschränkt und teilen im Falle des Abrisses rechtlich nicht abtrennbarer Teile ein gemeinsames (Unwirksamkeits-)Schicksal. Außerdem wäre es mit dem Schutzziel des Wasserrechts unvereinbar, Gewässerbenutzern die Möglichkeit einzuräumen, durch Erhaltung von Fundamenten bei Neuvorhaben nicht die gegenwärtigen wasserrechtlichen Anforderungen erfüllen zu müssen. Das Institut der Bestandskraft würde damit sachwidrig erweitert. Hinzu tritt vorliegend, dass die an den anderen Grundstücksgrenzen errichteten Schlitzwände zwar ebenfalls erhalten, aber verstärkt werden sollen (vgl. Stellungnahme von … aus 11/2020, S. 4, vorgelegt als Anlage … …). Insoweit erfährt das damals wasserrechtlich (möglicherweise) genehmigte Vorhaben auch konkret hinsichtlich der wasserrechtlichen Elemente eine unmittelbare Veränderung, die zu einer relevanten Modifizierung und damit auch zu einer Erledigung in anderer Weise führt.
Die Relevanz dieser Erledigungswirkung hängt nicht davon ab, ob der Abriss im – vorliegend maßgeblichen (Rn. 48) – Zeitpunkt des Bescheiderlasses am 10. Mai 2021 bereits begonnen hatte bzw. wie weit fortgeschritten er zu diesem Zeitpunkt war. Denn mit Blick auf die beabsichtigte Beseitigung des Bestandsgebäudes auf dem Grundstück der Beigeladenen und die daher vorhersehbare Erledigung war die Antragsgegnerin schon zu diesem Zeitpunkt verpflichtet, die Stauwirkungen der Wand in das Rücksichtnahmegebot einzustellen.
(bb) Die Wand und ihre Aufstauwirkungen sind – entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin und der Beigeladenen – auch ungeachtet der formellen Illegalität nicht als (nur) tatsächliche seit etwa 50 Jahren vorhandene Beeinträchtigungen in das Rücksichtnahmegebot einzustellen. Es kommt nicht in Betracht, den von der Antragstellerin seit 50 Jahren (sei es wissentlich oder unwissentlich) hingenommenen Aufstau als gewissermaßen natürlichen „Lagefaktor“ des Grundstücks zu betrachten und nur einen möglichen Mehraufstau durch das aktuelle Vorhaben in das Rücksichtnahmegebot einzustellen und sodann die (Un-)Zumutbarkeitsbeurteilung auf den Mehrbetrag zu begrenzen. Das Rücksichtnahmegebot nimmt zwar prognostizierte tatsächliche Auswirkungen in den Blick, die sodann auf ihre (Un-)Zumutbarkeit zu überprüfen sind. Der Ausgangspunkt des Rücksichtnahmegebots ist aber normativ. Das ist anschaulich daran zu erkennen, dass aus Wertungsgesichtspunkten ein Nachbar beispielsweise Rücksichtnahme auf seine eigene Nutzung nicht verlangen kann, wenn diese materiell illegal ist (vgl. BVerwG, U.v. 15.7.1987 – 4 C 56/83 – juris Rn. 13; s. a. BVerwG, U.v. 14.1.1993 – 4 C 19/90 – juris Rn. 27; Stüer, Bau- und FachplanungsR, 5. Aufl. 2015, Rn. 1755; Knopp in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG, 44. EL September 2012, § 13 Rn. 50 bezogen auf konkurrierende Gewässerbenutzer). Gleichermaßen können daher nicht Auswirkungen einer jedenfalls inzwischen nicht mehr genehmigten Schlitzwand wegen deren langjähriger Existenz als Vorbelastung a priori hinzunehmen sein. Das Gericht folgt insoweit nicht der wohl (implizit) anderslautenden Ansicht des Verwaltungsgerichts Ansbach (vgl. VG Ansbach, U.v. 23.6.2004 – AN 9 K 03.01286 – juris Rn. 44). Das Verwaltungsgericht Ansbach begründet seine Auffassung nicht. Es verweist drei Absätze vor den einschlägigen (impliziten) Ausführungen lediglich auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 15.7.1987 – 4 C 56/83; der Verweis zielt auf juris Rn. 14), der es meint entnehmen zu können, dass es beim Rücksichtnahmegebot „auf bereits vorhandene Nutzungen“ (VG Ansbach, U.v. 23.6.2004 – AN 9 K 03.01286 – juris Rn. 41) – offenbar ungeachtet ihrer Rechtmäßigkeit – ankomme. Dieser Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts lässt sich nach Ansicht des hiesigen Gerichts eine aus der schieren Existenz einer Nutzung abgeleitete (rücksichtnahme-)rechtliche Irrelevanz gerade nicht entnehmen. Denn das Bundesverwaltungsgericht stellt bei der Benennung möglicher Träger des Rücksichtnahmegebots auf „alle rechtmäßigen (!) Wasserbenutzer“ (juris Rn. 13) ab; ferner betont es im konkreten Fall, dass die Beigeladene (die sich – anders als die Beigeladene im vorliegenden Fall – in einem Anfechtungsprozess gegen einen Aufhebungsbescheid auf das Rücksichtnahmegebot berief), eine wasserrechtliche Bewilligung (!) besitze und deshalb zu dem Kreis der qualifiziert und individualisiert geschützten Dritten gehöre (juris Rn. 14). Diese Wertung muss auch auf den hier zu behandelnden Fall übertragen werden, in dem es darum geht, zu entscheiden, ob ein seit längerem faktisch vorhandenes und nun legalisiertes Aufstaurisiko hingenommen werden muss. Im Ergebnis muss sich also die Beigeladene so behandeln lassen, als würde sie die Betonschlitzwand im Umfang der streitgegenständlichen Genehmigung neu errichten. Es gilt, eine Bewertung des Rücksichtnahmegebots aus heutiger Sicht für das errechnete Aufstaurisiko durchzuführen. Soweit hiernach, wie die Beigeladene zuletzt vorgetragen hat, die Führung der Schlitzwand bis unmittelbar an die … straße nicht beantragt worden ist, bleibt die Wand – soweit sie, was gegenwärtig unklar ist, überhaupt bis zur … straße reicht – zumindest formell illegal und wäre gegebenenfalls zu beseitigen.
(cc) Die Rücksichtnahmefähigkeit der von der Antragstellerin geltend gemachten Belange scheitert auch nicht von vornherein an einem fehlenden Ursachenzusammenhang zwischen den beabsichtigten Maßnahmen der Beigeladenen und den befürchteten Nachteilen. Vorliegend mag der von der Antragstellerin vorgetragene Anstieg des Grundwasserspiegels und mit ihm verbundene Gefahren für das Bestandsgebäude auch eine Ursache in anderen Bauprojekten der Vergangenheit oder Zukunft sowie – insbesondere auf den maßgeblichen Prognosezeitraum von 100 Jahren (Rn. 57) – in großräumigen klimatischen Veränderungen (vgl. Ausführungen der Antragstellerin in ihrem Schriftsatz v. 2.7.2021, S. 8) finden, doch wird gerade durch das konkrete Vorhaben der Beigeladenen und der geplanten Aufstauungsmaßnahmen an der Grundstücksgrenze bzw. in unmittelbarer Nähe zum Grundstück der Antragstellerin ein wesentlicher und spürbarer Beitrag geleistet (vgl. zu dieser Anforderung OVG NW, U.v. 9.3.2016 – 20 A 2978/11 – juris Rn. 46 ff.; VG Karlsruhe, U.v. 21.7.2020 – 6 K 3258/18 – juris Rn. 30).
(dd) Die Auswirkungen der Schlitzwand aus den 1970er Jahren sind auch nicht deshalb einer (Un-)Zumutbarkeitsbeurteilung im Rahmen des Rücksichtnahmegebots von vornherein entzogen, weil ein Berufen hierauf durch die Antragstellerin verwirkt wäre (vgl. Rn. 41 f.). Eine Verwirkung scheidet hier deshalb aus, weil entweder wegen einer von der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen auf dem Grundstück ungenehmigt errichteten Wand schon kein Vertrauenstatbestand entstehen kann, wenn und weil – wie hier – nicht erkennbar ist, dass die Antragstellerin von der Wand und ihrer Wirkungen Kenntnis hatte oder haben musste, oder weil es der Antragstellerin unbenommen bleiben muss, der Verwirklichung eines neuen Vorhabens mit Einwänden entgegenzutreten, die gegenüber einem alten Vorhaben verwirkt wären, wenn – wie hier – eine möglicherweise bestandene ursprüngliche Genehmigung erloschen ist.
(ee) Vor diesem Hintergrund ist der streitgegenständliche Bescheid ermessensfehlerhaft. Die Berücksichtigung nachbarlicher Interessen nach Maßgabe des Rücksichtnahmegebots ist ein Aspekt des der Rechtsfolgenseite zuzuordnenden (vgl. hierzu Riese in Schoch/Schneider, VwGO, 36. EL, Stand: Februar 2019, § 114 Rn. 150) Bewirtschaftungsermessens (vgl. VGH BW, U.v.13.6.2019 – 3 S 2801/18 – juris Rn. 69; BayVGH, U.v. 1.10.2008 – 22 B 08.1660 – juris Rn. 29). Dieses unterliegt, obwohl es Ausdruck des im Wasserrecht geltenden repressiven Verbots mit Befreiungsvorbehalt ist, wie andere Ermessensvorschriften auch der gerichtlichen Kontrolle nach § 114 VwGO (vgl. Pape in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 61. EL April 2011, WHG § 12 Rn. 48; Schendel/Scheier in Giesberts/Reinhardt, BeckOK Umweltrecht, 58. Ed., Stand: 1.4.2021, § 12 Rn. 12). Wird – wie hier – ein wesentlicher Belang der Antragstellerin zu Unrecht von vornherein einer Würdigung als (zum Vorhaben der Beigeladenen) gegenläufiger Belang unberücksichtigt gelassen, liegt ein Ermessensfehlgebrauch vor (vgl. zum Begriff Riese in Schoch/Schneider, VwGO, 36. EL, Stand: Februar 2019, § 113 Rn. 65).
Der Ermessensfehler ist bislang auch nicht beseitigt worden (vgl. zu den diesbezüglichen Anforderungen BayVGH, U.v. 1.10.2008 – 22 B 08.1660 – juris Rn. 27), wie auch die oben bereits zitierte Äußerung des Wasserwirtschaftsamts vom 18. Juni 2021 (Rn. 76) belegt.
6. Ob sich eine Aufstauung von 11 cm für die Antragstellerin als zumutbar oder rücksichtslos erweisen wird, hat die Antragsgegnerin im Rahmen der Ermessensprüfung (neu) zu begründen. Sie wird sich damit auseinandersetzen müssen, weshalb der Antragstellerin ein Grundwasseranstieg angesichts der teilweisen „Tiefenlage“ ihrer Räume unterhalb des Pegelstandes HW 1940 überhaupt noch zumutbar sein soll. Immerhin scheint nach den vorgelegten Stellungnahmen des Wasserwirtschaftsamts dieses regelmäßig eine Aufstauung nur insoweit zuzulassen, wie die Summe aus HW 1940, Sicherheitszuschlag und Aufstaubetrag die am tiefsten liegenden Räume der betroffenen Nachbargrundstücke nicht erreicht. Das Wasserwirtschaftsamt hat gerade im vorliegenden Fall nur wegen der – rechtsfehlerhaften – Ausblendung der „alten“ Stauwirkungen einen fortbestehenden Aufstau von 11 cm für zumutbar erachtet. Abgesehen hiervon könnte gegen die Zumutbarkeit sprechen, dass die Antragstellerin für ihr Vorhaben (wohl) eine Genehmigung hat. Dafür, im vorliegenden Fall der Antragstellerin zumindest eine gewisse Aufstauung dennoch zuzumuten – und zwar gerade aus Gründen der Rücksichtnahme auf die Interessen der Beigeladenen – könnte sprechen, dass sie mit ihrer legalen Risikoentscheidung, ins „HW 1940-Grundwasser“ zu bauen, möglicherweise keinen Anspruch erwirbt, dass nun Nachbarn wie die Beigeladene ihrerseits eine grundwasserwirksame Bebauung unterlassen. Gleichzeitig wird abzuwägen sein, ob die Beigeladene nicht auf eine (etwas) weniger tiefe Bauweise zu verweisen ist. Auch wird darzulegen sein, weshalb aus dem Umstand, dass in der … straße „keine im Vergleich zum HW 1940 erhöhten Grundwasserstände festgestellt“ werden konnten (Bescheid vom 10.5.2021, S. 12), nicht folgt, den üblichen Sicherheitszuschlag von 0,30 m zu erhöhen bzw. ihn nicht zumindest zum mittleren Grundwasserspiegel der 1940er Jahre (bzw. der frühesten bekannten Pegelstände der (wohl) 1950er Jahre) in Beziehung zu setzen. Jedenfalls erscheint ein unverändertes Fortschreiben des Sicherheitszuschlags ohne jedwede Berücksichtigung der bereits festgestellten Erhöhungen des Grundwasserspiegels nicht ohne weiteres plausibel. Ob die von der Antragsgegnerin vorgetragenen 98 cm Differenz zwischen dem im Jahr 2010 gemessenen Höchststand in der … straße und dem Stand beim Hochwasser 1940 groß oder klein ist, ist eine Bewertungsfrage, deren Beantwortung davon abhängt, wie stark der absolute (Anstiegs-)Betrag beim Hochwasser 1940 war. Für sich betrachtet (ohne Bezugssetzung) erscheint die angegebene Differenz normativ ohne Aussagekraft.
7. Angesichts der gegenwärtig anzunehmenden Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Bescheids kann offenbleiben, ob der von der Antragstellerin erhobene Vorwurf der formellen Rechtswidrigkeit wegen unterlassener Anhörung nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG trägt. Jedenfalls wäre es der Antragsgegnerin möglich, dass Anhörungsverfahren bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens noch nachzuholen (Art. 45 Abs. 2 BayVwVfG). Offenbleiben kann derzeit auch, ob die vorgesehene Entwässerung von West nach Ost mit Blick auf eine fehlende juristische Absicherung auf dem östlichen Nachbargrundstück als ausreichend angesehen werden kann. Schließlich bedarf es gegenwärtig keiner Entscheidung, ob die Annahmen der Beigeladenen bzw. des Wasserwirtschaftsamts vor dem Hintergrund der vorgelegten Bohrprofile sachgerecht sind oder ob – auch ohne erweiterte Ermittlungen – zumindest „ungünstigere“ Faktoren in die mathematische Gleichung einzusetzen wären (vgl. insoweit Stellungnahme von … v. 28.6.2021, S. 9 ff., vorgelegt als Anlage …). Keiner näheren Untersuchung bedarf daher im Eilverfahren auch die Frage, ob insbesondere die Ausführungen des Wasserwirtschaftsamts in jeder Hinsicht der Verpflichtung genügt, ein fachliches Ergebnis nicht nur herzustellen, sondern auch darzustellen (vgl. hierzu VG München, B.v. 16.2.2021 – M 2 S 20.3930 – juris Rn. 41 f.). Gleiches gilt für die aktuell vorgenommenen Relativierungen (Schriftsatz vom 15. Juli 2021 (S. 1 f.) der vormaligen Stellungnahme der Antragsgegnerin gegenüber dem Umweltausschuss der … vom 13. Januar 2015 (vorgelegt als Anlage … …).
IV. Ungeachtet der vorstehend bejahten Erfolgsaussichten in der Hauptsache, hätte der vorliegende Antrag auch Erfolg, wenn angesichts der zumindest grundsätzlich bestehenden Möglichkeit, noch im gerichtlichen Hauptsacheverfahren Ermessenserwägungen zu ergänzen, die Erfolgsaussichten lediglich als offen anzusehen wären.
1. Dies ergibt sich wohl überzeugenderweise bereits aus § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO, der über § 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO Anwendung findet (vgl. Schoch in Schoch/Schneider, VwGO, 24. EL, Stand: August 2012, § 80a Rn. 63; a.A. Külpmann in Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 1072). Der dort vom Gesetzgeber normierte materielle Maßstab lautet: ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts. Ernstliche Zweifel sind gegeben, wenn neben den für die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit des Bescheids sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken (vgl. Schoch in Schoch/Schneider, VwGO, 24. EL, Stand: August 2012, § 80a Rn. 63, § 80 Rn. 282; a.A. Buchheister in Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 80 Rn. 46 und § 80a Rn. 16, 8; für das zweipolige Verhältnis Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 95). Dieses Verständnis folgt dem herrschenden Verständnis des gleichen Maßstabs in § 69 FGO, der Vorbild für § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO war (vgl. zur Auslegung die st. Rspr. des BFH; zahlreiche Nachweise bei Stapperfend in Gräber, FGO, 9. Aufl. 2019, § 69 Rn. 160 m.w.N.). Zweifelsfälle gehen insoweit zu Lasten der begünstigten Beigeladenen.
2. Jedenfalls aber ergibt sich der Erfolg des Antrags im Falle von offenen Erfolgsausschichten der Hauptsache aus der andernfalls – folgt man der obigen Auffassung nicht – erforderlichen „reinen Interessenabwägung“ (BayVGH, B.v. 12.6.2013 – 9 AS 13.218 – juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 21.12.2001 – 15 ZS 01.2570 – juris Rn. 26; Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80a Rn. 23; ähnlich Buchheister in Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 80a Rn. 8). Denn im Rahmen einer Abwägung der im konkreten Fall einander gegenüber stehenden Interessen ergibt sich kein Überwiegen der Interessen der Antragsgegnerin bzw. der Beigeladenen gegenüber den Interessen der Antragstellerin. Die sofortige Vollziehbarkeit eines Verwaltungsakts kann gem. § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 „im öffentlichen Interesse“ (Rn. 92 f.), aber auch „im überwiegenden Interesse eines Beteiligten“ angeordnet werden (Rn. 94 ff.).
a) Für die im öffentlichen Interesse erfolgende Vollziehbarkeitsanordnung muss ein besonderes öffentliches Interesse vorliegen, das über jenes Interesse hinausgeht, das den Erlass des Verwaltungsakts rechtfertigt. Es müssen besondere Gründe dafür sprechen, dass der Verwaltungsakt sofort und nicht erst nach Eintritt der Bestandskraft verwirklicht, umgesetzt oder vollzogen wird. Es muss eine besondere Dringlichkeit für die sofortige Verwirklichung des Verwaltungsaktes vorliegen (vgl. Gersdorf in Posser/Wolff, BeckOK VwGO, 57. Ed., Stand: 1.10.2019, § 80 Rn. 99).
Solche Gründe bestehen nicht. Das von der Antragsgegnerin vorgebrachte Interesse an einer möglichst kurzen Dauer der mit dem Neubau verbundenen Sondernutzung der … straße, die mit Beeinträchtigungen des Verkehrs verbunden ist, trägt die Anordnung des Sofortvollzugs nicht. Zwar dürfte der Antragsgegnerin darin zuzustimmen sein, dass eine insgesamt kürzere Bauzeit auch zu einer kürzeren Inanspruchnahme der … straße durch die Beigeladene führt. Denn auch während eines Zeitraums, in dem die aufschiebende Wirkung der Klage bestehen und daher die Baustelle weitgehend ruhen würde, müsste jedenfalls in gewissem Umfang die … straße im Wege der Sondernutzung in Anspruch genommen werden und könnte – anders als die Antragstellerin meint – nicht dem widmungsgemäßen Gebrauch vollumfänglich zur Verfügung stehen. Denn zumindest die bis zum Straßenrand (Gehsteig) reichende Baugrube müsste gesichert werden und würde den Straßenverkehr beeinträchtigen. Damit würde im Falle des Bestehens der aufschiebenden Wirkung die Sondernutzung der … straße insgesamt verlängert. Aber diese Beeinträchtigung dürfte zum einen nicht besonders gravierend sein, zum anderen ist sie dem auf Basis der kraft Gesetzes sofort vollziehbaren (§ 212a Abs. 1 BauGB) baurechtlichen Genehmigung erfolgten Abbruch des Altbestands geschuldet, nicht aber der hier streitgegenständlichen wasserrechtlichen Genehmigung.
b) Die sofortige Vollziehbarkeit im überwiegenden Interesse eines Beteiligten verlangt eine konkret-individuelle Abwägung der kollidierenden Belange der Beigeladenen als Adressatin des sie begünstigenden Bescheids und der Antragstellerin als Dritter. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die verfassungsrechtlichen Positionen der Beteiligten – vorliegend v.a. Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG – grundsätzlich gleichberechtigt sind und daher kein Vorrang etwa zugunsten des Rechtsbehelfsführers für eine aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs besteht (vgl. Schoch in Schoch/Schneider, VwGO, 24. EL, Stand: August 2012, § 80a Rn. 24, 62; Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 80 Rn. 91 – jew. m.w.N.). Außerhalb der Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs bedarf es eines besonderen Interesses (§ 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO), das über das Interesse der begünstigten Beigeladenen am Gebrauchmachen der Genehmigung hinausgeht und das Rechtsschutzinteresse der durch die Genehmigung belasteten Antragstellerin überwiegt (Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 80 Rn. 92).
Ein solches über das Erlass- und Verwirklichungsinteresse hinausgehendes, qualitativ anderes Vollziehungsinteresse der Beigeladenen ist vorliegend nicht anzuerkennen, jedenfalls überwiegt es nicht die Interessen der Antragstellerin (insoweit ab Rn. 98 ff.). Zwar liegt es auf der Hand, dass eine aufschiebende Wirkung, die für eine Fertigstellung des Bauvorhabens unerlässliche Herstellung der Grundwasseraufstauung auf Basis der streitgegenständlichen Genehmigung, für die Beigeladene schon wegen des Zeitverzugs mit einer nachteiligen Kostenlast verbunden ist. Allein eine erst spätere Nutzung des Gebäudes – hier v.a. durch Vermietung – führt für die Beigeladene zu Einnahmeausfällen und damit zu einem finanziellen (Verzögerungs-)Schaden. Nach ihrem eigenen Vortrag schuldet sie darüber hinaus im Falle der verspäteten Übergabe dem künftigen Mieter eine Vertragsstrafe.
Die vorgetragenen Einbußen, insbesondere die Vereinbarung einer Vertragsstrafe bzw. eines pauschalen Schadensersatzes bzw. die näheren, auch zeitlichen Umstände, wurden nur teilweise glaubhaft gemacht (§ 173 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO, vgl. Funke-Kaiser in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 7. Aufl. 2018, § 80 Rn. 106; ähnl. Kuhla/Hüttenbrink, Der Verwaltungsprozess, 3. Aufl. 2002, J. Rn. 138). Aus der teilweise geschwärzten E-Mail vom 6. Mai 2020 und dem Schreiben vom 30. Juli 2020 (vorgelegt als Anlage … … bzw. Bl. 73 f. BA) lässt sich schon die Vereinbarung einer Vertragsstrafe nicht entnehmen. Aus dem in der Behördenakte befindlichen „Spielhallen-Mietvertrag“ (dort Nr. 3.3) und dem Nachtrag zum „Hotel-Mietvertrag“ (dort Nr. 6) ist hingegen eine Vereinbarung über einen pauschalierten Schadensersatz erkennbar, aber auch hier bleibt wegen Schwärzung bzw. Auslassung offen, in welcher Höhe der Schadensersatz fällig wird (Bl. 232, 253 BA, s.a. Bl. 275 BA). Ab wann er fällig wird, lässt sich einem ungeschwärzten Auszug entnehmen (Bl. 509 BA).
Ungeachtet dessen kann ohnedies offenbleiben, wie hoch das vorgetragene Haftungsrisiko tatsächlich ist, also ob, unter welchen Voraussetzungen und gegebenenfalls in welcher Höhe die Beigeladene im Fall der aufschiebenden Wirkung nach dem Zivil-/Vertragsrecht haftet. Denn die mit Mietausfall bzw. einer Haftung verbundenen finanziellen Nachteile stellen kein anzuerkennendes Interesse am Sofortvollzug dar. Gleiches gilt für die vorgetragenen erhöhten Baukosten, weil bereits abgeschlossene Verträge etwa mit einer Firma zur Erstellung des Rohbaus nicht eingehalten werden könnten. Hierin dokumentiert sich allein die materielle (finanzielle) Seite des Erlass- und des Verwirklichungsinteresses, aber kein besonderes Vollzugsinteresse. So nachvollziehbar eine entsprechende Planung der Beigeladenen ist, sie bildet ihr Risiko ab. Eine andere Beurteilung würde überdies zu einer regelhaft-strukturellen Bevorzugung des risikobereiten Begünstigten gegenüber dem Rechtsbehelfsführer führen, zumal vorliegend die von der Beigeladenen vorgelegten Dokumente sogar aus der Zeit vor der Erteilung der wasserrechtlichen Genehmigung stammen.
3. Selbst wenn man sich auf eine reine Folgenabwägung dergestalt beschränkte, dass die Folgen einer Aussetzung der Vollziehung des Verwaltungsakts trotz späterer Erfolglosigkeit der Anfechtungsklage den Folgen einer sofortigen Vollziehung trotz späterem Obsiegen in der Hauptsache gegenübergestellt werden (vgl. OVG NW, B.v. 29.7.2014 – 7 B 220/14 – juris Rn. 13: „allgemeine folgenorientierte Interessenabwägung“; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 28.9.2012 – OVG 10 S 21.12 – juris Rn. 4; für zumindest das zweipolige Verhältnis ebenso Buchheister in Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 80 Rn. 51), ergibt sich kein Überwiegen der Interessen der Beigeladenen. Denn gerade die Errichtung des Gebäudes (und nicht nur dessen Inbetriebnahme, vgl. hierzu VG München, B.v. 23.3.2018 – M 19 SN 17.4631 – juris Rn. 145) droht die Rechte der Antragstellerin zu beeinträchtigen. Die Aufstauwirkung setzt mit der Errichtung des Gebäudes ein und besteht mindestens bis zum Eintritt der Rechtskraft der gerichtlichen Hauptsacheentscheidung fort. Im Erfolgsfalle wird man aber auch im Anschluss nach einer Aufhebung der Genehmigung dem errichteten Gebäude für geraume Zeit eine Aufstauwirkung zuschreiben müssen, auch wenn eine Reduzierung einer möglicherweise rücksichtslosen Aufstauwirkung durch horizontale Kernbohrungen im Gebäude der Beigeladenen technisch möglich sein dürfte (vgl. Stellungnahme von … v. 3.6.2021, S. 1 f., vorgelegt als Anlage … ). Zu berücksichtigen ist auch, dass deren effektive Durchsetzung für die Antragstellerin mit rechtlichen und auch tatsächlichen Unsicherheiten verbunden ist (vgl. BayVGH, B.v. 21.12.2001 – 15 ZS 01.2570 – juris Rn. 27 ff.; Manssen in Spannowsky/Manssen, BeckOK Bauordnungsrecht Bayern, 18. Ed., Stand: 1.4.2021, Rn. 92 ff.). Insgesamt ist es daher vorliegend (für den Fall offener Erfolgsaussichten) nicht zu rechtfertigen, mögliche Beeinträchtigungen der Antragstellerin den zwar hohen, aber dennoch nur finanziellen Interessen der Beigeladenen unterzuordnen, zumal nicht erkennbar ist, dass ein Vollzug der Genehmigung erst im Zeitpunkt der Bestandskraft für die Beigeladene zu unüberwindbaren finanziellen oder wirtschaftlichen Hindernissen oder vergleichbaren Beeinträchtigungen anderer Art führen würde (vgl. BayVGH, B.v. 21.12.2001 – 15 ZS 01.2570 – juris Rn. 32 ff.).
Nichts Anderes ergibt sich aus der von der Beigeladenen vorgetragenen Wertung des § 212a Abs. 1 BauGB. Dass ohne Sofortvollzug der streitgegenständlichen Genehmigung in der Sache wohl auch von der Baugenehmigung faktisch kein Gebrauch gemacht werden kann, weil die Betonschlitzwände aus wasserrechtlichen Gründen nicht errichtet, verstärkt oder „genutzt“ werden dürfen (anders mit Blick auf die Schlusspunkttheorie OVG NW, B.v. 29.7.2014 – 7 B 220/14 – juris Rn. 5), ist Konsequenz der gesetzgeberischen Entscheidung, baurechtlich genehmigungspflichtige, aber gerade nicht wasserrechtliche genehmigungspflichtige Vorhaben von Gesetzes wegen für sofortvollziehbar zu erklären. Die Sensibilität der durch das Wasserrecht geschützten Rechtsgüter verbietet es, ohne gesetzgeberische Entscheidung in denjenigen Fällen, in denen der wasserrechtliche Benutzungstatbestand zugleich baurechtlich genehmigungspflichtig ist, vom Regelfall eines überwiegenden Interesses am Sofortvollzug des Begünstigten auszugehen.
Schließlich ist es auch ohne Bedeutung, ob für die fehlerhaften Angaben im ersten Antrag der Beigeladenen ein Fahrlässigkeitsvorwurf gemacht werden kann oder nicht. Einen fehlerhaften Antrag einzureichen und zurücknehmen zu müssen, ist ebenfalls Teil der Risikosphäre der Beigeladenen. Die von der Antragsgegnerin wohl insinuierte Verantwortlichkeit der Antragstellerin für die fehlerhaften Angaben in ihren Bestandsplänen ist jedenfalls so lange nicht von Belang, wie keine vorsätzliche Schädigung der Beigeladenen erkennbar ist.
C. Die Erfolgsaussichten der Hauptsache erstrecken sich auf den gesamten Bescheid, so dass – anders als im (Hänge-)Beschluss vom 4. Juni 2021 – keine Differenzierung nach den einzelnen Regelungsgegenständen des Bescheids geboten ist.
D. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 3 Hs. 1 VwGO. Die unterliegende Beigeladene ist an den Kosten zu beteiligen, weil sie einen Antrag gestellt hat. Sie haftet dabei nach § 159 Satz 1 VwGO neben der Antragsgegnerin zu gleichen Teilen. Ihre eigenen außergerichtlichen Kosten tragen die Antragsgegnerin und die Beigeladene jeweils selbst. Die Streitwertfestsetzung orientiert sich an Nr. 9.7.1 i.V.m. Nr. 1.5. des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.


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