Baurecht

Vorläufiger Rechtsschutz, Nachbar, Mehrfamilienhaus, Gebietsprägungserhaltungsanspruch, Rücksichtnahmegebot, Sozialadäquanz, Überschreitung einzelner kurzzeitiger Geräuschspitzen bei Stellplätzen eines Wohngebäudes

Aktenzeichen  AN 3 S 21.02157

Datum:
14.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 1619
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
BauGB § 34
BauNVO § 15

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
3. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im einstweiligen Rechtsschutz gegen die der Beigeladenen vom Antragsgegner erteilte Baugenehmigung für die Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit zehn Wohneinheiten.
Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. … der Gemarkung … (nachfolgend wird auf die Angabe der Gemarkung verzichtet; alle erwähnten Flurnummern beziehen sich auf die Gemarkung …). Das Grundstück grenzt westlich an das Grundstück FlNr. … und südlich an das Vorhabengrundstück FlNr. … an. Es ist unter anderem mit einem Wohngebäude bebaut, welches giebelseitig grenzständig zum Grundstück FlNr. … situiert ist.
Die Beigeladene ist Eigentümerin des Vorhabengrundstücks FlNr. … Dieses grenzt nördlich an die Grundstücke FlNrn. …und …, östlich an die Grundstücke FlNrn. …und …, südlich an das Grundstück FlNr. …und westlich an die Grundstücke FlNrn. … und … an. Das Grundstück befindet sich in Hanglage und weist in südlicher Richtung ein Gefälle auf.
In der näheren Umgebung des Grundstücks des Antragstellers und des Vorhabengrundstücks befinden sich neben Wohnbebauung auch Ladengeschäfte des Einzelhandels, ein Friseursalon sowie ein Gastronomiebetrieb.
Die Grundstücke FlNrn. …und … welche im Miteigentum der Beigeladenen stehen, sind gemäß der Grundbuchblätter …bzw. … für die Gemarkung … mit zwei Grunddienstbarkeiten in Form eines Geh- und Fahrtrechts sowie eines Ver- und Entsorgungsleitungsrechts zugunsten des jeweiligen Eigentümers des Grundstücks FlNr. … belastet. Das Grundstück FlNr. …ist zusätzlich mit den wortlautgleichen Grunddienstbarkeiten zugunsten des Eigentümers des Grundstück FlNr. … belastet.
Mit Bauantrag vom 1. April 2021 – beim Antragsgegner am 7. April 2021 eingegangen – begehrte die Beigeladene die Erteilung einer Baugenehmigung für das Vorhaben „Neubau eines Mehrfamilienhauses (10 WE)“.
Das geplante Gebäude soll über zwei Stockwerke (Erdgeschoss, Obergeschoss und Dachgeschoss) und über ein Walmdach verfügen. In südöstlicher Richtung soll das Gebäude einen einstöckigen Anbau, welcher sich nicht über die gesamte Länge des Gebäudes erstrecken soll, sowie eine darüber liegende Dachgaube erhalten. Es soll walmseitig mit einem Abstand von circa 4 m zum grenzständigen Wohngebäude des Antragstellers errichtet werden. Der natürliche Geländeverlauf soll angeglichen und das Grundstück zu diesem Zweck aufgeschüttet werden.
Ausweislich der vorgelegten Baupläne befindet sich der Schnittpunkt der nördlichen Hauswand mit der Dachhaut auf einer Höhe von 6,325 m. Die Höhe des Daches wurde ab diesem Punkt mit 4,555 m angegeben. Der vorhandene Geländeverlauf entspricht in diesem Bereich in etwa dem geplanten Geländeverlauf. Im Bereich der nordwestlichen Ecke ging der Planersteller davon aus, dass der natürliche Geländeverlauf 0,045 m höher liegt als der geplante Geländeverlauf.
Gemäß der vorgelegten Abstandsflächenberechnung liegen alle Abstandsflächen des Vorhabens auf dem Baugrundstück. In Richtung des Grundstücks des Antragstellers wurde die Abstandsfläche der Nordseite des Gebäudes mit 3,09 m im nordwestlichen Bereich und mit 3,05 m im nordöstlichen Bereich angegeben.
Das Baugrundstück soll über eine 5 m breite Privatstraße erschlossen werden. Diese soll über die Grundstücke FlNrn. …und … geführt werden und das Baugrundstück in westlicher Richtung an die … Straße anschließen. Die Privatstraße soll sich im westlichen Teil des Baugrundstücks in nordsüdlicher Richtung über die gesamte Länge des Grundstücks erstrecken. Entlang der Privatstraße sollen auf dem Baugrundstück 13 Stellplätze errichtet werden, welche sich in acht Stellplätze westlich und fünf Stellplätze östlich der Privatstraße aufteilen. Die westlichen Stellplätze sollen sich in einer Reihe entlang der Privatstraße über die gesamte Länge des Baugrundstücks verteilen. Die östliche Stellplatzreihe soll nahe der südlichen Grenze des Baugrundstücks beginnen und auf halber Länge der Privatstraße enden. Von der Privatstraße aus soll im Bereich der nördlichen Grenze des Baugrundstücks ein Gehweg entlang des Grundstücks des Antragstellers zum Hauseingang an der östlichen Gebäudeseite führen. Der geplante Gehweg soll insgesamt circa 20 m lang sein, wobei er auf einer Länge von 9 m entlang des Grundstücks des Antragstellers verlaufen soll.
Gemäß des – mit einem Ungültigkeitsvermerk versehenen – zeichnerischen Stellplatznachweises vom 1. April 2021 waren zwei Stellplätze auf dem Grundstück FlNr. … grenzständig zur südwestlichen Grenze des Grundstücks des Antragstellers geplant. In der genehmigten Fassung vom 16. Juli 2021 sind diese Stellplätze nicht mehr vorhanden.
Die Beigeladene legte im Rahmen des Genehmigungsverfahrens ein immissionsschutzrechtliches Lärmgutachten der … Ingenieursgesellschaft vom 9. Dezember 2020 vor, welches die schalltechnischen Auswirkungen des Parkplatzverkehrs einschließlich des Zu- und Abfahrtsverkehrs zum Gegenstand hat.
Dem Gutachten liegt eine Planung zugrunde, welche die Errichtung von insgesamt 25 Stellplätzen vorsah. Auf dem Vorhabengrundstück sollten dieser Planung zufolge 18 (östlich und westlich der Privatstraße jeweils neun Stellplätze) und auf den Grundstücken FlNrn. …, …und …weitere sieben Stellplätze errichtet werden. Die räumliche Anordnung der Stellplätze auf dem Vorhabengrundstück entsprach dabei der genehmigten Fassung.
Zur Berechnung der Lärmimmissionen wurde als Rahmenrichtlinie die TA Lärm, für den Parkplatzverkehr die Parkplatzlärmstudie des Bayerischen Landesamtes für Umweltschutz sowie für den Straßenverkehr die EN ISO 9161-2 herangezogen. Gemäß der Parkplatzlärmstudie wurde der Parkplatztyp als „Wohnanlage, Parkplatz oberirdisch“ bestimmt. Die Bewegungshäufigkeit wurde mit tags 0,4 und nachts 0,15 Bewegungen pro Stellplatz und Stunde angesetzt. Die Zu- und Abfahrten auf der Privatstraße wurden separat nach den Grundsätzen der RLS-90 mit einer Geschwindigkeit von 10 km/h und 160 Kfz-Bewegungen zur Tageszeit sowie 30 zur Nachtzeit modelliert. Die zugrunde gelegten Berechnungsparameter für das Verkehrsaufkommen und die Bewegungshäufigkeit seien als konservativ anzusehen. Die bestehende Bebauung wurde aufgrund der gebietsprägenden Umgebungsbebauung und der gemischten Nutzung der benachbarten Gebäude (Friseursalon und Sport-/ Fahrradgeschäft) vom Gutachter als Misch- bzw. Dorfgebiet eingestuft. Die relevanten Immissionsrichtwerte wurden demzufolge mit 60 dB(A) für den Tag und 45 dB(A) für die Nacht angegeben. Die Vorbelastung des Gebiets wurde dahingehend berücksichtigt, dass gemäß Ziffer 3.2.1 Abs. 2 der TA Lärm vorgegangen wurde und der Immissionsrichtwert für den Tag um 6 dB(A) reduziert wurde. Für die Nachtzeit wurde eine Vorbelastung nicht angenommen, da die Gewerbebetriebe in der Umgebung nachts geschlossen seien. Als Immissionsorte wurden die Gebäude auf den Grundstücken FlNrn. … (… Str. …), … (…), … (…), … (…) und das Bauvorhaben auf dem Grundstück FlNr. … festgelegt. Das Wohngebäude auf dem Grundstück des Antragstellers wurde nicht als Immissionsort begutachtet.
Das Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass die Beurteilungspegel an allen Immissionsorten die Immissionsrichtwerte sowohl tagsüber als auch zur Nachtzeit einhalten. Für den Immissionsort auf dem Grundstück FlNr. … wurden Beurteilungspegel von 47 dB(A) tags und 43 dB(A) nachts ermittelt. Für das Bauvorhaben wurden Werte von 46 dB(A) tags und 42 dB(A) nachts errechnet.
Hinsichtlich der einzelnen kurzzeitigen Geräuschspitzen („Maximalpegel“) nach Ziffer 6.1 der TA Lärm kam der Gutachter – unter Zugrundelegung der ursprünglich geplanten 25 Stellplätze – zu dem Ergebnis, dass an allen Immissionsorten die zulässigen Immissionsrichtwerte von 90 dB(A) tags und 65 dB(A) nachts bezüglich der Nachtzeit überschritten werden. Für den Immissionsort auf dem Grundstück FlNr. … wurde ein Beurteilungspegel von 79 dB(A) ermittelt. Für das Bauvorhaben wurde ein Wert von 74 dB(A) errechnet. Dies wurde mit dem geringen Abstand der Stellplätze zur jeweiligen Hausfassade begründet. Der Gutachter führte diesbezüglich aus, dass nach einem Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 28. Oktober 1994 – 5 K 4894/94 das Maximalpegelkriterium der TA Lärm bei bauordnungsrechtlich erforderlichen Stellplätzen außer Betracht bleiben dürfe. Dies werde mit der Sozialadäquanz des Parkverkehrs nach § 12 Abs. 2 BauNVO begründet, soweit der Parkverkehr in dem durch die zugelassene Nutzung hervorgerufenen Umfang erfolge. Garagen und Stellplätze, deren Zahl dem durch die zugelassene Nutzung verursachten Bedarf entspreche, würden auch in Wohngebieten keine erheblichen, unzumutbaren Störungen hervorrufen. Der Gutachter bezieht sich dabei auch auf Ausführungen in der Parkplatzlärmstudie, die in diesem Zusammenhang auf einen Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 20. Juli 1995 – 3 S 3538/94 hinweist. Gemäß der Parkplatzlärmstudie deute das Überschreiten des Maximalpegelkriteriums auf Planungsmängel im Bereich des Immissionsschutzes hin. Laut des Gutachters kämen bauliche Lärmschutzmaßnahmen aufgrund der beengten Platzverhältnisse nicht in Betracht. Zudem würden sich Lärmschutzwände allenfalls im Hinblick auf das Erdgeschoss wirksam pegelmindernd auswirken.
Gemäß der Stellungnahme des Fachbereichs Immissionsschutz des Antragsgegners sei das Gutachten trotz veränderter Planung weiterhin verwertbar. Gegenüber der im Gutachten errechneten Prognose ergebe sich aufgrund der reduzierten Zahl an Stellplätzen eine Verbesserung. Die angesetzten Bewegungshäufigkeiten seien plausibel. Die berücksichtigten An- und Abfahrten zur Nachtzeit seien konservativ angesetzt. Die Überschreitung des Maximalpegelkriteriums sei möglich, jedoch bleibe dies bei reiner Wohnparkplatznutzung unberücksichtigt.
Der Antragsteller verweigerte die Zustimmung zu dem Vorhaben.
Der Markt …erteilte das erforderliche Einvernehmen und gab in seiner Stellungnahme an, dass sich das Vorhaben im unbeplanten Innenbereich befinde. Die Eigenart der näheren Umgebung entspreche dem eines Mischgebiets.
Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens wurden von den Eigentümern der Grundstücke FlNrn. … (* … Straße **), … (* … Straße **), … und … Einwendungen gegen das Vorhaben erhoben. Es wurden die Erschließungssituation, die Lärmbelästigung, der fehlende Lärmschutz, die Nichteinhaltung der Abstandsflächen, das mangelnde Einfügen, die sich verschlechternde Parksituation sowie Probleme mit der Müllentsorgung gerügt.
Mit Bescheid vom 12. November 2021 – dem Antragsteller am 16. November 2021 zugestellt -erteilte der Antragsgegner die beantragte Baugenehmigung.
Die Baugenehmigung enthält folgende Auflagen:
1. Die Bestimmungen der „Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm – TA-Lärm – vom 26. August 1998“ sind zu beachten.
2. Die Beurteilungspegel der vom Betrieb der Stellplätze einschließlich der Privatzufahrt ausgehenden [sic] dürfen an den nächstgelegenen Wohnhäusern im benachbarten Mischgebiet (Bebauung … und …) nachfolgende Immissionsrichtwerte bzw. Immissionsrichtwertanteile nicht überschreiten:
tagsüber 54 dB(A) (6 Uhr bis 22 Uhr)
nachts 42 dB(A) (22 Uhr bis 6 Uhr)
Der Immissionsrichtwertanteil für die Nachtzeit bezieht sich auf die ungünstigste Nachtstunde.
3. Die Zu- und Abfahrt auf der Privatstraße zu den ausgewiesenen Parkplätzen hat in Schrittgeschwindigkeit zu erfolgen. Hierzu ist ein Verkehrsschild aufzustellen, das maximal eine Geschwindigkeit von 10 km/h erlaubt.
4. Es dürfen ausschließlich 13 Parkplätze nach dem vorliegenden Stellplatzplan errichtet werden.
5. In 3 m Entfernung vor Öffnungen im Mauerwerk bzw. lufttechnischen Anlagen (z.B. Klimageräte usw.) ist ein maximaler Schalldruckpegel von 40 dB(A) einzuhalten.
6. Das Landratsamt behält sich die Festsetzung weiterer Auflagen zum Immissionsschutz vor, sofern vom Betrieb der Parkplätze bzw. sonstiger Lüftungsanlagen der Wohnanlage unzulässige Immissionen ausgehen sollten (Auflagenvorbehalt gemäß Art. 36 Abs. 2 Ziffer 5 BayVwVfG).
7. Bis zur Bezugsfertigkeit der genehmigten Baumaßnahme müssen 12 angelegte Stellplätze (oder Garagenplätze) nachgewiesen werden (Art. 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 BayBO).
Zur Begründung wurde im Wesentlichen angeführt, dass das Vorhaben den im Rahmen des Art. 59 BayBO zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften entspreche und die Baugenehmigung daher unter den genannten Bedingungen und Auflagen erteilt werden könne (Art. 68 BayBO).
Die Berechnung im vorliegenden Abstandsflächenplan sei nachvollziehbar und korrekterweise ab dem natürlichen Gelände erfolgt, sodass die leichte Hanglage des Baugrundstücks berücksichtigt worden sei. Die Abstandsflächen könnten vollständig und mit der Mindestabstandsfläche von 3 m auf dem Baugrundstück eingehalten werden. Abweichungen seien nicht erforderlich. Es würden keine nachbarschützenden Belange beeinträchtigt.
Die angesetzten Bewegungshäufigkeiten im Schallschutzgutachten hinsichtlich der Zufahrt und den Stellplätzen seien immissionsschutzrechtlich plausibel. Die berücksichtigten An- und Abfahrten zur Nachtzeit seien konservativ angesetzt worden. Im Rahmen einer Ortseinsicht sei festgestellt worden, dass das Nachbaranwesen, …Str. …(FlNr. …), auf der Nordseite keine Fenster habe, die als Immissionsort zu berücksichtigen seien. Im rückwärtigen Bereich dieses Anwesens würden hohe Grenzmauern existieren, die zusätzlich abschirmend wirken würden. Grundsätzlich werde daher im Gutachten von einer sehr konservativen Berechnung des Parkplatzlärms gegenüber dem Bestandswohnhaus, …Str. …(FlNr. …), ausgegangen. Die vorgebrachten Einwände seien folglich durch das Gutachten widerlegbar. Es seien keine Überschreitungen der für ein Mischgebiet zulässigen Immissionsrichtwerte durch den zu erwartenden Parkplatzsuchverkehr zu erwarten. Dies gelte auch in Bezug auf die Grundstücke FlNrn. … und … Hier werde durch das Gutachten nachgewiesen, dass eine Überschreitung der Lärmwerte für ein Mischgebiet im westlichen Bereich durch die Parkplatzausweisung auch ohne lärmsenkende Maßnahmen nicht zu befürchten sei. Die vorgebrachten immissionsschutzrechtlichen Bedenken bezüglich der Zufahrt und dem Parkplatz seien somit durch das vorgelegte Immissionsschutzgutachten ausgeräumt und entsprechend widerlegt worden. Nachbarschützende Belange seien nicht beeinträchtigt.
Die für das Bauvorhaben gemäß der Satzung des Marktes … erforderlichen Stellplätze könnten vollständig auf dem Baugrundstück nachgewiesen werden. Die Zufahrtsbreite entspreche den gesetzlichen Vorgaben.
Das Baugrundstück befinde sich im Innenbereich nach § 34 BauGB und füge sich in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Die ursprüngliche Planung des Vorhabens sei aufgrund des sog. „Fußabdrucks“ abgelehnt und eine entsprechende Verkleinerung gefordert worden. Dieser Aufforderung seien die Bauherren nachgekommen. Die jetzige Version sei für zulässig erachtet worden. Es sei hierbei nicht ausschlaggebend, ob es sich um Ein- oder Mehrfamilienhäuser handele.
Die vorgebrachten Bedenken, dass durch das Bauvorhaben an den Müllentsorgungsterminen weitere Mülltonnen bzw. gelbe Säcke an der Straße stünden, sei keine nach Art. 59 BayBO für die Baugenehmigung entscheidende bzw. zu berücksichtigende Tatsache.
Mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2021 – bei Gericht am gleichen Tag eingegangen – ließ der Antragsteller Klage (AN 3 K 21.02158) gegen die Baugenehmigung erheben und den hier zu entscheidenden Antrag im einstweiligen Rechtsschutz stellen.
Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, dass das Bauvorhaben als Wohnblock mit zehn Wohnungen dem maßgeblichen Gebietscharakter fremd sei. Die nähere Umgebung des Baugrundstücks bestehe ausschließlich aus Ein- und Zweifamilienhäusern.
Das Bauvorhaben sei zudem gemäß § 15 BauNVO rücksichtslos gegenüber dem Antragsteller. Der geplante Gehweg zum Erreichen des Hauseingangs erstrecke sich über eine Länge von 16 m direkt am Grundstück des Antragstellers entlang der Südseite. An dieser Seite befinde sich das Schlafzimmer des Antragstellers und seiner Ehefrau sowie der Garten zur Erholung und Nutzung. Die Baugenehmigung enthalte weder einen Sicht- noch einen Lärmschutz, welcher dringend benötigt werden würde. Die 13 geplanten Stellplätze lägen ebenfalls in unmittelbarer Nähe zum Grundstück des Antragstellers. Zwei Stellplätze seien sogar unmittelbar an der Grundstücksgrenze angeordnet. Ein Schutz vor Sicht und Lärm sei nicht vorgesehen.
Das Bauvorhaben verstoße eklatant gegen das Rücksichtnahmegebot. Eine derart massive Bebauung mit der Vielzahl an Stellplätzen, die dem Charakter des gesamten Nachbarwohngebiets fremd sei, könne ohne entsprechende Sicht- und Lärmschutzmaßnahmen in unmittelbarer Nachbarschaft nicht hingenommen werden.
Aufgrund der Tatsache, dass bereits intensiv mit den Bauarbeiten begonnen werde, sei es notwendig, die aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 5 VwGO wiederherzustellen. Anderenfalls würden vollendete Tatsachen geschaffen, die nicht oder sehr schwer wieder revidierbar seien.
Der Antragsteller beantragt,
Die aufschiebende Wirkung des Bescheids vom 12. November 2021 wird angeordnet.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, dass die erteilte Baugenehmigung rechtmäßig sei. § 34 Abs. 1 BauGB entfalte über das Gebot der Rücksichtnahme hinaus keine nachbarschützende Wirkung. Das Vorbringen, dass sich das Vorhaben nicht in den Gebietscharakter einfüge, könne schon deshalb nicht zum Erfolg des Antrags führen.
Unzweifelhaft komme es durch die Herstellung der Stellplätze zu Störungen der Nachbarn. Diese Beeinträchtigungen seien in gewissem Umfang zwangsläufig mit der baulichen Nutzung verbunden und daher als sozialadäquat hinzunehmen. Gemäß der immissionsschutzrechtlichen Stellungnahme des Fachbereichs komme es durch das Vorhaben nicht zu gesundheitsschädlichen Beeinträchtigungen, da von diesem keine erheblichen Störungen ausgehen würden. Das Maß des Zumutbaren werde nicht überschritten. Entgegen des Vortrags des Bevollmächtigten des Antragstellers lägen die Stellplätze nicht in unmittelbarer Nähe des Grundstücks des Antragstellers. Eine direkte Schallübertragung werde durch diverse bauliche Anlagen verhindert. Alleine aus diesem Grund liege keine erhebliche Störung vor. Das Grundstück des Antragstellers befinde sich auch nicht im Bereich der Zu- und Abfahrt zum Baugrundstück, in welchem erhöhte Immissionen auftreten könnten.
Hinsichtlich etwaiger Lärmimmissionen durch die Benutzung des privaten Gehwegs zur Wohnanlage, werde gemäß ständiger Rechtsprechung regelmäßig davon ausgegangen, dass hierdurch keine schädlichen Umwelteinwirkungen ausgehen würden (mit Verweis auf BayVGH, B.v. 29.7.2021 – 8 CE 21.1102). Ein Nachweis der Überschreitung der Grenze zur Erheblichkeit der Immissionen durch den Gehweg sei seitens des Antragstellers nicht vorgelegt worden.
Eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme könne auch nicht aus einer Einsehbarkeit des Grundstücks des Antragstellers hergeleitet werden. Im bebauten innerstädtischen Bereich gehöre es zur Normalität, dass von benachbarten Grundstücken und Wohnhäusern Einsicht in das eigene Grundstück genommen werden könne.
Die Beigeladene stellte keinen Antrag.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
Gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 212a Abs. 1 BauGB hat die Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung. Erhebt ein Dritter gegen die einem anderen erteilte Baugenehmigung Anfechtungsklage, so kann das Gericht auf Antrag gemäß § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die bundesgesetzlich gemäß § 212a Abs. 1 BauGB ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage ganz oder teilweise anordnen. Hierbei trifft das Gericht aufgrund der sich im Zeitpunkt seiner Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage eine eigene Ermessensentscheidung darüber, welche Interessen höher zu bewerten sind – die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsaktes oder die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streitenden. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache als wesentliches Indiz zu berücksichtigen. Fällt die Erfolgsprognose zu Gunsten des Nachbarn aus, erweist sich die angefochtene Baugenehmigung nach summarischer Prüfung also als rechtswidrig im Hinblick auf nachbarschützende Vorschriften, so ist die Vollziehung der Genehmigung regelmäßig auszusetzen. Hat dagegen die Anfechtungsklage des Nachbarn mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg, so ist das im Rahmen der Interessenabwägung ein starkes Indiz für ein überwiegendes Interesse des Bauherrn an der sofortigen Vollziehung der ihm erteilten Baugenehmigung. Bei offenen Erfolgsaussichten findet eine reine Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt (vgl. etwa BayVGH, B.v. 26.7.2011 – 14 CS 11.535 – juris; B.v. 23.2.2021 – 15 CS 21.403 – juris).
Nach diesen Grundsätzen muss der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Klage des Antragstellers ohne Erfolg bleiben. Im vorliegenden Fall überwiegen die Interessen der Bauherrin an der sofortigen Vollziehung der ihr erteilten Baugenehmigung, da die Anfechtungsklage des Antragstellers gegen den streitgegenständlichen Bescheid vom 12. November 2021 voraussichtlich keinen Erfolg haben wird. Die von dem Antragsgegner erteilte Baugenehmigung verletzt nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage aller Voraussicht nach den Antragsteller nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Der Antragsteller kann die streitgegenständliche Baugenehmigung mit dem Ziel der Aufhebung nur dann erfolgreich anfechten, wenn öffentlich-rechtliche Vorschriften verletzt sind, welche auch dem nachbarlichen Schutz dienen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und Gegenstand des vorliegenden vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens gemäß Art. 59 Satz 1 BayBO sind.
Derartige Vorschriften sind hier aller Voraussicht nach nicht verletzt.
1. Der Antragsteller kann sich nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht erfolgreich auf eine Verletzung des Gebietserhaltungsanspruchs berufen.
Der Gebietserhaltungsanspruch, auch Gebietsbewahrungsanspruch genannt, gibt den Eigentümern von Grundstücken in einem durch Bebauungsplan festgesetzten Baugebiet das Recht, sich gegen hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung nicht zulässige Vorhaben zur Wehr zu setzen (vgl. BayVGH, B.v. 27.12.2017 – 15 CS 17.2061 – juris Rn. 16). Dieser Anspruch gilt auch im faktischen Baugebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB (vgl. BVerwG, B.v. 27.8.2013 – 4 B 39.13 – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 8.1.2019 – 9 CS 17.2482 – juris Rn. 15).
Der Gebietserhaltungsanspruch ist voraussichtlich nicht verletzt.
Das Vorhabengrundstück befindet sich ebenso wie das Grundstück des Antragstellers im unbeplanten Innenbereich gemäß § 34 BauGB. Bei summarischer Prüfung entspricht die Eigenart der näheren Umgebung wohl einem Mischgebiet nach § 6 BauNVO, womit ein faktisches Baugebiet gemäß § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 6 BauNVO vorliegt, in welchem sich die Eigentümer der dort vorhandenen Grundstücke grundsätzlich auf den Gebietserhaltungsanspruch berufen können.
Gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO sind im Mischgebiet Wohngebäude allgemein zulässig. Da es sich bei dem Bauvorhaben um ein Wohngebäude handelt, ist der Gebietserhaltungsanspruch nicht verletzt. Es kommt dabei nicht darauf an, ob es sich um ein Ein- oder Mehrfamilienhaus handelt oder über wie viele Stockwerke oder Wohneinheiten das Bauvorhaben verfügt.
2. Es liegt voraussichtlich auch keine Verletzung des sogenannten Gebietsprägungserhaltungsanspruchs vor.
Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO sind die in den §§ 2 bis 14 aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. Aus den Ausführungen im Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Mai 2002 (4 B 86.01 – NVwZ 2002, 1384 f.) zu § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO ist teilweise der Schluss gezogen worden, das Bauplanungsrecht beinhalte neben dem Gebietserhaltungsanspruch, dem Abwehranspruch wegen Verletzung einer (sonstigen) drittschützenden Festsetzung des Bebauungsplans und dem Abwehranspruch wegen Verletzung des Rücksichtnahmegebots auch einen hiervon unabhängigen „Gebietsprägungserhaltungsanspruch“, wonach ein Vorhaben, das im konkreten Baugebiet hinsichtlich der Nutzungsart an sich entweder allgemein oder ausnahmsweise zulässig ist, gleichwohl als gebietsunverträglich vom Nachbarn im (auch faktischen) Plangebiet abgewehrt werden können soll, wenn es der allgemeinen Zweckbestimmung des maßgeblichen Baugebietstyps widerspreche, wenn es also – bezogen auf den Gebietscharakter des Baugebietes, in dem es verwirklicht werden soll – aufgrund seiner typischen Nutzungsweise störend wirke und deswegen gebietsunverträglich sei (BayVGH, B.v. 4.11.2009 – 9 CS 09.2422 – juris = juris Rn. 11 ff.; VG Neustadt a.d.W., U.v. 26.3.2019 – 5 K 1482/18.NW – Rn. 39, unter Verweis u.a. auf die Rechtsprechung des rheinland-pfälzischen OVG; Decker, JA 2007, 55 ff.; Stühler, BauR 2011, 1576/1579 f.; Kremer, jurisPR-ÖffBauR 8/2019 Anm. 5). Von anderer Seite wird demgegenüber die rechtliche Existenz eines eigenständigen bauplanungsrechtlichen „Gebietsprägungserhaltungsanspruchs“ angezweifelt und die vom Bundesverwaltungsgericht im Jahr 2002 entwickelten Grundsätze als Maßgaben für die Anwendung des (nachbarschützenden) Rücksichtnahmegebots – etwa im Anwendungsbereich von § 31 Abs. 1 und Abs. 2 BauGB (vgl. z.B. VG Ansbach B.v. 4.5.2015 – AN 9 S 15.00693 – juris Rn. 98) – verstanden (vgl. OVG Schleswig-Holst., B.v. 08.1.2018 – 1 MB 23/17 – juris Rn. 6 f.; Hofmann, BauR 2010, 1859 ff.; ebenso zweifelnd, i.E. offenlassend BayVGH, B.v. 9.10.2012 – 2 ZB 11.2653 – juris Rn. 7 ff.; B.v. 3.2.2014 – 9 CS 13.1916 – juris Rn. 13; B.v. 8.1.2019 – 9 CS 17.2482 – BayVBl 2019, 349 – juris Rn. 16).
Unabhängig von dieser Streitfrage kann ein „Gebietsprägungserhaltungsanspruch“ aus § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO (i.V. mit § 34 Abs. 2 BauGB) – sei es als eigenständiger Anspruch, sei es als Bestandteil des Rücksichtnahmegebots (mit dann zu fordernder „fühlbarer“ Beeinträchtigung des Nachbarn) – von vornherein nur einschlägig sein, wenn das den Vorgaben gemäß §§ 2 bis 14 BauNVO (hier i.V.m. § 34 Abs. 2 BauGB) an sich entsprechende Bauvorhaben bei typisierender Betrachtung gleichwohl als gebietsunverträglich zu bewerten ist, weil es der allgemeinen Zweckbestimmung des Baugebiets widerspricht. Für ein vom Antragsteller behauptetes (nachbar-) rechtswidriges Umschlagen von Quantität in Qualität in diesem Sinne müsste das Bauvorhaben die Art der baulichen Nutzung derart erfassen oder berühren, dass bei typisierender Betrachtung im Ergebnis ein Widerspruch zur Eigenart des Baugebiets angenommen werden müsste (vgl. BVerwG, U.v. 16.03.1995 – 4 C 3.94 – NVwZ 1995, 899 = juris Rn. 17). Da es sich bei § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO um eine Ausnahmevorschrift zur Art der baulichen Nutzung handelt, ist ein solcher Widerspruch zur Eigenart des Baugebiets aber nur unter strengen Voraussetzungen anzunehmen. Der Widerspruch der hinzukommenden baulichen Anlage oder deren Nutzung muss sich daher bei objektiver Betrachtungsweise offensichtlich aufdrängen; dass das Neubauvorhaben oder die neue Nutzung nicht in jeder Hinsicht mit der vorhandenen Bebauung im Einklang steht, genügt dafür nicht (BayVGH, B.v. 15.10.2019 – 15 ZB 19.1221 – juris Rn. 10; Kremer, jurisPR-ÖffBauR 8/2019 Anm. 5; am Beispiel eines Asylbewerberheims vgl. auch OVG Rh-Pf, B.v. 08.12.2016 – 8 A 10680/16 – juris Rn. 11 f.).
Es kann vorliegend dahinstehen, ob ein solcher Gebietsprägungsanspruch tatsächlich existiert, denn gemessen an den angeführten Grundsätzen ist bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht von einer Verletzung desselben auszugehen.
Es ist schon nicht ersichtlich, wie eine zulässige Wohnnutzung aufgrund ihrer typischen Nutzungsweise bei einer typisierenden Betrachtungsweise störend wirken könnte. Selbst wenn man wie vom Antragsteller vorgetragen davon ausgehen würde, dass sich in der näheren Umgebung ausschließlich Ein- und Zweifamilienhäuser befinden, ändert dies nichts daran, dass nach der Art der Nutzung Wohnbebauung auch in Gestalt von Mehrfamilienhäusern mit drei und mehr Wohnungen zulässig ist. Zudem ist die Zahl der Wohnungen jedenfalls im hier vorliegenden Anwendungsbereich des § 34 BauGB kein Merkmal, das die Art der baulichen Nutzung prägt (BayVGH, B.v. 15.10.2019 – 15 ZB 19.1221 – juris Rn. 13). Zwar trifft es zu, dass nach § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB in Bebauungsplänen die höchstzulässige Zahl der Wohnungen in Wohngebäuden festgesetzt werden kann und damit der Charakter eines Wohngebiets durch die Anzahl der Wohnungen in den Häusern (mit-)bestimmt sein kann (vgl. BVerwG, U.v. 26.9.1991 – 4 C 5.87 – BVerwGE 89, 69 = juris Rn. 47). Gleichwohl kennen das Baugesetzbuch und die Baunutzungsverordnung keine Unterscheidung zwischen Wohnen in Einfamilienhäusern und Wohnen in Mehrfamilienhäusern. Es ist auch nicht ersichtlich, aus welchen Gründen ein Wohnen in Mehrfamilienhäusern gegenüber einem Wohnen in Einfamilienhäusern negativ zu beurteilen sein könnte (BayVGH, B.v. 4.3.2021 – 15 ZB 20.3151 – juris Rn. 16).
Unabhängig hiervon liegt kein homogen bebautes und deshalb schützenswertes Gebiet vor. Anhand von Luftbildaufnahmen ist erkennbar, dass sich die vorhandenen Gebäude im Hinblick auf die Situierung, das Maß und die Nutzung teils deutlich voneinander unterscheiden. Entlang der … Straße befinden sich dabei sowohl Ein- als auch Mehrfamilienhäuser sowie Gewerbebetriebe. Auf dem Grundstück FlNr. … (* …Str. **) ist ein Gebäude vorhanden, das – soweit auf den Luftbildaufnahmen erkennbar – wie das Bauvorhaben über mehr als zwei Wohneinheiten verfügt. Die Gebäude auf dem Grundstück FlNr. … (* …Str. **) weisen hinsichtlich der bebauten Fläche ähnliche Ausmaße wie das Bauvorhaben auf.
Selbst wenn man davon ausgeht, dass ausnahmsweise bei besonderen Großgebäuden „Quantität in Qualität“ umschlagen könnte, weist das hier streitgegenständliche Wohngebäude mit zehn Wohneinheiten keine Merkmale auf, die es erlauben würden, allein aufgrund der Anzahl der Wohnungseinheiten und der hiermit verbundenen Folgebelastungen (z.B. Parkverkehr) gegenüber Ein- oder Zweifamilienhäusern von einer qualitativ andersartigen Nutzungsart zu sprechen. Auf die Ausmaße des Gebäudes kann es hierbei jedenfalls grundsätzlich nicht ankommen, da § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO gerade nicht das Maß der baulichen Nutzung betrifft (vgl. BayVGH, B.v. 8.1.2019 – 9 CS 17.2482 – BayVBl 2019, 349 – juris Rn. 16 m.w.N.). Weder die Größe des genehmigten Gebäudes noch der Umstand, dass dieses – wie der Antragsteller behauptet – mehr Wohneinheiten als die Gebäude in der maßgeblichen Umgebung aufweist, vermögen mithin einen Widerspruch zur Zweckbestimmung des Baugebiets zu begründen. Vorhaben, die – wie das geplante Gebäude der Beigeladenen – in einem Mischgebiet allgemein zulässig sind, wahren vielmehr die Zweckbestimmung des Baugebiets und können deshalb grundsätzlich nicht an einem „Gebietsprägungserhaltungsanspruch“ scheitern (BayVGH, B.v. 15.10.2019 – 15 ZB 19.1221 – juris Rn. 13).
3. Bei summarischer Prüfung ist keine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme erkennbar. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Stellplätze als auch hinsichtlich des Gehwegs sowie bezüglich der vorgetragenen Einsehbarkeit des Grundstücks des Antragstellers. Auch eine erdrückende Wirkung ist nicht ersichtlich.
Das Gebot der Rücksichtnahme ist kein generelles Rechtsprinzip des öffentlichen Baurechts und verkörpert auch keine allgemeine Härteregelung, die über den speziellen Vorschriften des Städtebaurechts oder gar des gesamten öffentlichen Baurechts steht. Es ist vielmehr Bestandteil einzelner gesetzlicher Vorschriften des Baurechts (BVerwG, U.v. 30.9.1983 – 4 C 74.78 – BVerwGE 68, 58, 60) und als solches in den Tatbestandsmerkmalen der §§ 30 bis 35 BauGB und des § 15 Abs. 1 BauNVO enthalten (BVerwG, U.v. 30.9.1983 a.a.O.). Es ist gegenüber anderen (ausdrücklich und von vornherein) nachbarschützenden Vorschriften subsidiär (BVerwG, U.v. 27.6.2017 – 4 C 3.16 – juris Rn. 10).
Im unbeplanten Innenbereich ergibt sich das Gebot der Rücksichtnahme aus § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO (im Falle der Wirksamkeit der Baugenehmigung), aus § 34 Abs. 2 BauGB i.V. m. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO (im Falle eines sog. „faktischen Baugebiets“) oder über den Begriff des „Einfügens“ in § 34 Abs. 1 BauGB (im Falle einer sog. „Gemengelage“) (vgl. BayVGH, B.v. 20.3.2018 – 15 CS 17.2523).
Nach gefestigter Rechtsprechung hängen die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen (BayVGH, B.v. 30.7.2021 – 1 CS 21.1506 – juris Rn. 10). Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (BayVGH, B.v. 22.1.2020 – 15 ZB 18.2547 – juris Rn. 11).
Gemessen an diesen Grundsätzen erweist sich das inmitten stehende Vorhaben gegenüber dem Antragsteller voraussichtlich nicht als rücksichtlos.
a) Das Gebot der Rücksichtnahme ist bei summarischer Prüfung nicht aufgrund der vorgetragenen Lärmbelästigung verletzt.
Soweit – wie vorliegend – ein Rücksichtnahmeverstoß aufgrund von Immissionsbelastungen geltend gemacht wird, wird zur Konturierung der Zumutbarkeitsschwelle des Rücksichtnahmegebots auf die materiell-rechtlichen Maßstäbe des Immissionsschutzrechts, also auf die Schwelle schädlicher Umwelteinwirkungen i.S. von § 3 Abs. 1, § 22 Abs. 1 BImSchG zurückgegriffen (vgl. BayVGH, B.v. 16.7.2019 – 15 ZB 17.2529 – juris Rn. 15 m.w.N.). Bei der Beurteilung einer Lärmbelastung kommt der TA Lärm als normkonkretisierender Verwaltungsvorschrift eine im gerichtlichen Verfahren grundsätzlich zu beachtende Bindungswirkung zu, soweit diese für Geräusche den unbestimmten Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen konkretisiert (vgl. BayVGH, B.v. 16.4.2019 – 15 CE 18.2652 – juris Rn. 26 m.w.N.). Für die Einhaltung der aus §§ 3, 22 BImSchG folgenden Verpflichtung, das Vorhaben so zu errichten und zu betreiben, dass von ihm keine das zulässige Maß überschreitenden schädlichen Umwelteinwirkungen ausgehen, hat die Baugenehmigungsbehörde im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens zu sorgen. Dabei können auch Auflagen in einer Baugenehmigung, die für den Betrieb der genehmigten Anlage die Einhaltung bestimmter Immissionsrichtwerte anordnen, ausreichend sicherstellen, dass die zugelassene Nutzung keine für die Nachbarschaft unzumutbaren und damit gegen das Rücksichtnahmegebot verstoßenden Lärmimmissionen hervorruft (BayVGH, B.v. 22.1.2020 – 15 ZB 18.2547 – juris Rn. 11).
Gemäß des von der Beigeladenen vorgelegten immissionsschutzrechtlichen Lärmgutachtens gehen von den Stellplätzen keine schädlichen Umwelteinwirkungen aus. An sämtlichen Immissionsorten hält der prognostizierte Beurteilungspegel den zulässigen Immissionsrichtwert sowohl am Tag als auch in der Nacht ein. Zwar werden nachts die Immissionsrichtwerte für einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen („Maximalpegel“) gemäß Ziffer 6.1 der TA Lärm überschritten, jedoch ist dies unerheblich. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof führt diesbezüglich in seinem Beschluss vom 9. Dezember 2016 – 15 CS 16.1417 – juris Rn. 17 – Folgendes aus:
„Stellplätze und Garagen sind nach § 12 Abs. 2 BauNVO für den durch die zugelassene Nutzung notwendigen Bedarf zulässig. Der Grundstücksnachbar hat deshalb die Errichtung notwendiger Garagen und Stellplätze für ein Wohnbauvorhaben und die mit ihrem Betrieb üblicherweise verbundenen Belastungen durch Kraftfahrzeuge des Anwohnerverkehrs auch nachts grundsätzlich als sozialadäquat hinzunehmen (vgl. BayVGH, B.v. 4.7.2016 – 15 ZB 14.891 – juris Rn. 15 m.w.N.; B.v. 12.7.2007 – 15 ZB 06.3088 – juris Rn. 7; BVerwG, B.v. 20.3.2003 – 4 B 59/02 – NVwZ 2003, 1516 = juris Rn. 6 f.). Die Bestimmungen über Spitzenpegelkriterien finden insoweit keine Anwendung, weil ansonsten in Wohngebieten selbst in größeren Abständen von bis zu 28 m zu Nachbaranwesen Stellplatzanlagen nicht errichtet werden dürften. Hierdurch würde die Wertung des § 12 Abs. 2 BauNVO umgangen, zumal davon auszugehen ist, dass jedenfalls nachts bei jedem einzelnen Zu- bzw. Abfahrtsvorgang der Spitzenpegel überschritten wird (vgl. VGH BW, B.v. 20.7.1995 – 3 S 3538/94 – DVBl 1996, 266 = juris Rn. 8; B.v. 11.12.2013 – 3 S 1964/13 – VBlBW 2014, 275 = juris Rn. 10; BayVGH, B.v. 9.2.2004 – 14 CS 03.2977 – BayVBl 2000, 115 = juris Rn. 16; vgl. auch Tabelle 37 der Parkplatzlärmstudie des Bayerischen Landesamts für Umwelt, 6. Aufl. 2007).“
Diesen Ausführungen schließt sich die Kammer an. Dass hier aufgrund besonderer Umstände ausnahmsweise etwas anderes gelten könnte, geht aus dem Vorbringen des Antragstellers nicht hervor und ist auch sonst nicht ersichtlich.
Es ist unschädlich, dass das Wohngebäude des Antragstellers nicht als Immissionsort im immissionsschutzrechtlichen Lärmgutachten untersucht wurde. Gemäß Ziffer 2.3 der TA Lärm ist der maßgebliche Immissionsort der nach Nummer A.1.3 des Anhangs der TA Lärm zu ermittelnde Ort im Einwirkungsbereich der Anlage, an dem eine Überschreitung der Immissionsrichtwerte am ehesten zu erwarten ist. Der Gutachter ging offensichtlich aufgrund der höheren Entfernung des Wohngebäudes des Antragstellers von den Stellplätzen davon aus, dass eine Überschreitung der Immissionsrichtwerte eher an dem Wohngebäude auf dem Grundstück FlNr. …und an dem Bauvorhaben selbst zu erwarten ist. Dem ist zu folgen, zumal der Antragsteller nicht dargelegt hat, dass an seinem Anwesen Überschreitungen der Immissionsrichtwerte eher zu erwarten gewesen wären. Dies ist auch anderweitig nicht ersichtlich.
Die Kammer hat dabei keine Zweifel an der Belastbarkeit des Gutachtens. Diesem liegt zwar eine überholte Stellplatzplanung zugrunde, jedoch hat sich in der genehmigten Fassung – bei gleicher Situierung – die Anzahl der Stellplätze um knapp die Hälfte reduziert. Insbesondere sind die zwei Stellplätze auf dem Grundstück FlNr. … an der südwestlichen Grenze zum Grundstück des Antragstellers ersatzlos entfallen. In der genehmigten Planung sind daher sowohl weniger Stellplätze vorhanden als auch eine größere räumliche Entfernung zum Wohngebäude des Antragstellers gegeben. Es ist daher von einer im Vergleich zum Gutachten reduzierten Immissionsbelastung zugunsten des Antragstellers auszugehen. Die Kammer schließt sich diesbezüglich den zutreffenden Ausführungen in der Stellungnahme des Fachbereichs Immissionsschutz des Antragsgegners an.
Im Übrigen wurden seitens des Antragstellers keine Mängel des Gutachtens aufgezeigt und solche sind bei summarischer Prüfung auch nicht ersichtlich. Insbesondere wurden die Bewegungshäufigkeiten sehr konservativ berechnet.
Mittels entsprechender Auflagen in der Baugenehmigung wurde durch den Antragsgegner sichergestellt, dass die Immissionsrichtwerte eingehalten werden.
Auch hinsichtlich des Gehwegs ist voraussichtlich nicht von schädlichen Umwelteinwirkungen auszugehen. Dieser wurde zwar immissionsschutzrechtlich nicht begutachtet und führt entlang des Grundstücks des Antragstellers, jedoch sind etwaige Immissionen zum einen nicht in unzumutbarer Höhe zu erwarten und zum anderen als sozialadäquat hinzunehmen, da es sich bei dem Bauvorhaben um eine reine Wohnnutzung handelt. Im Vergleich zu den von den Stellplätzen ausgehenden Emissionen, die die Immissionsrichtwerte einhalten, sind die von dem Gehweg zu erwartenden Emissionen nicht erheblich. Der Gehweg wird von den zukünftigen Bewohnern des Bauvorhabens und deren Besuchern genutzt werden, um von den Stellplätzen zum Hauseingang auf der Ostseite des Gebäudes zu gelangen. Es ist weder davon auszugehen, dass es hierbei zu einer für den Antragsteller unzumutbaren Lärmbelastung kommen wird, noch dass sich die Bewohner oder deren Besucher für längere Zeiträume auf dem Gehweg aufhalten werden. Insbesondere befindet sich der zugehörige Spielplatz im südöstlichen Bereich des Baugrundstücks und damit nicht in unmittelbarer Nähe zum Wohngebäude des Antragstellers.
Wie aufgezeigt, gehen von den Stellplätzen und dem Gehweg keine schädlichen Umwelteinwirkungen aus bzw. sind solche als sozialadäquat hinzunehmen. Aus diesem Grund hat der Antragsteller auch keinen Anspruch auf entsprechende Lärmschutzmaßnahmen, da solche nicht benötigt werden.
b) Das Gebot der Rücksichtnahme ist voraussichtlich auch nicht wegen fehlender Sichtschutzmaßnahmen verletzt.
Das Bauplanungsrecht vermittelt keinen generellen Schutz vor unerwünschten Einblicken; die Möglichkeit der Einsichtnahme ist grundsätzlich nicht städtebaulich relevant (vgl. BVerwG, B.v. 24.4.1989 – 4 B 72.89 – NVwZ 1989, 1060 = juris Rn. 7). In bebauten innerörtlichen Bereichen (wie hier) gehört es zur Normalität, dass von benachbarten Grundstücken bzw. Gebäuden aus Einsicht in andere Grundstücke und Gebäude genommen werden kann. Auch über das Gebot der Rücksichtnahme wird in bebauten Ortslagen daher kein genereller Schutz des Nachbarn vor jeglichen (weiteren) Einsichtsmöglichkeiten vermittelt, allenfalls in besonderen, von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls geprägten Ausnahmefällen kann sich unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme etwas anderes ergeben. Dem Antragsteller ist es dann grundsätzlich zuzumuten, seine Räumlichkeiten, in die potenziell vom Nachbarn aus eingesehen werden könnte, durch in Innerortslagen typische Sichtschutzeinrichtungen, wie z.B. Vorhänge, Jalousien o.ä., vor ungewollter Einsichtnahme zu schützen. Für die Annahme eines Ausnahmefalles einer unzumutbaren Einsichtnahmemöglichkeit genügt zudem allein der Umstand, dass durch die ermöglichte Bebauung der Einblick in die Gärten der umliegenden Grundstücke ermöglicht oder verschärft wird, ebenfalls nicht (zum Ganzen vgl. BayVGH, B.v. 5.4.2019 – 15 ZB 18.1525 – BeckRS 2019, 7160 Rn. 12 ff. m.w.N.; B.v. 15.10.2019 – 15 ZB 19.1221 – BeckRS 2019, 27435 Rn. 19 m.w.N.). Dasselbe gilt für die Möglichkeit des Mithörens von Gesprächen auf den Freiflächen des Nachbargrundstücks, zumal diese Möglichkeit auch gegeben wäre, wenn auf dem Baugrundstück anstelle der angegriffenen Grenzbebauungsnutzung ein unbebauter Gartenbereich existierte (BayVGH, B.v. 10.1.2020 – 15 ZB 19.425 – juris Rn. 17).
Nach diesen Grundsätzen ist bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht von einer Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme auszugehen.
Die Einsehbarkeit seines Gartens und seines Wohngebäudes ist vom Antragsteller hinzunehmen. Es ist nicht vom Vorliegen eines besonderen, von den Umständen des Einzelfalls geprägten Ausnahmefalls auszugehen. Zwar erstreckt sich der Gehweg grenznah über die gesamte Breite des Grundstücks des Antragstellers und führt unmittelbar an dessen Wohngebäude vorbei, jedoch ist der Gehweg nicht zum dauerhaften Aufenthalt bestimmt, sodass sich die Einsehbarkeit grundsätzlich auf kurze Zeitintervalle beschränkt und als sozialadäquat hinzunehmen ist. Hinsichtlich des Gartens ist es dem Antragsteller zuzumuten, etwa mittels einer Hecke oder eines Sichtschutzzaunes die Einsichtnahmemöglichkeit zu verhindern. Bezüglich der Fenster im Erdgeschoss besteht die Möglichkeit der Anbringung von Vorhängen oder Jalousien.
Im Übrigen ist auch die Einsehbarkeit von dem geplanten Gebäude vom Antragsteller hinzunehmen. An der zum Grundstück des Antragstellers ausgerichteten Gebäudeseite des Bauvorhabens sind insbesondere weder Balkone noch Terrassen vorhanden. Die vorhandenen Fenster und die dadurch entstehende Einsichtnahmemöglichkeit sind – wie bereits ausgeführt – in innerörtlichen Lagen zu dulden.
Aus den genannten Gründen hat der Antragsteller auch keinen Anspruch auf entsprechende Sichtschutzmaßnahmen.
c) Bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage ist nicht von einer erdrückenden Wirkung des Bauvorhabens hinsichtlich des Wohngebäudes des Antragstellers auszugehen.
Eine Rücksichtslosigkeit aufgrund einer vom Baukörper ausgehenden „abriegelnden“ oder „er-drückenden“ Wirkung kann ungeachtet des grundsätzlich fehlenden Nachbarschutzes bezüglich des Maßes der baulichen Nutzung als unzumutbare Beeinträchtigung nur bei nach Höhe und Volumen übergroßen Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht kommen (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1.78 – DVBl. 1981, 928 = juris Rn. 32 ff.: elf- bzw. zwölfgeschossiges Gebäude in naher Entfernung zu zweieinhalb geschossigem Wohnhaus; BVerwG, U.v. 23.5.1986 – 4 C 34.85 – DVBl. 1986, 1271 = juris Rn. 15: grenznahe 11,5 m hohe und 13,31 m lange, wie eine „riesenhafte metallische Mauer“ wirkende Siloanlage bei einem 7 m breiten Nachbargrundstück). Es besteht diesbezüglich kein Recht des Nachbarn, vor jeglicher Beeinträchtigung der Belichtung und Belüftung seines Grundstücks verschont zu bleiben (BayVGH, B.v. 23.4.2014 – 9 CS 14.222 – juris Rn. 12). Insbesondere besteht für die Annahme einer erdrückenden Wirkung eines Nachbargebäudes grundsätzlich dann kein Raum, wenn dessen Baukörper nicht erheblich höher ist als der des betroffenen Gebäudes oder wenn die Gebäude so weit voneinander entfernt liegen, dass eine solche Wirkung ausgeschlossen ist (vgl. BayVGH, B.v. 5.9.2016 – 15 CS 16.1536 – juris Rn. 30; B.v. 8.2.2017 – 15 NE 16.2226 – juris Rn. 22; B.v. 23.8.2018 – 1 NE 18.1123 – juris Rn. 24; VGH BW, U.v. 15.9.2015 – 3 S 975/14 – BauR 2015, 1984 = juris Rn. 29). Auch wenn aus einer Nichteinhaltung bauordnungsrechtlich geforderter Abstandsflächen nicht automatisch auf eine unzumutbare Beeinträchtigung und damit auf eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots geschlossen werden kann (BayVGH, B.v. 5.4.2019 – 15 ZB 18.1525 – BeckRS 2019, 7160 Rn. 10 m.w.N.), scheidet eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots regelmäßig aus tatsächlichen Gründen aus, wenn die Vorgaben des Art. 6 BayBO eingehalten sind (zu dieser Indizwirkung vgl. BayVGH, B.v. 22.6.2011 – 15 CS 11.1101 – juris Rn. 17; B.v. 3.6.2016 – 1 CS 16.747 – juris Rn. 7 m.w.N.; B.v. 15.2.2019 – 9 CS 18.2638 – juris Rn. 23 m.w.N.). Das Rücksichtnahmegebot kann allerdings auch dann verletzt sein, wenn die landesrechtlichen Abstandsflächenvorschriften eingehalten sind. Da das Abstandsflächenrecht im Hinblick auf die Belichtung, Belüftung und Besonnung von Nachbargrundstücken aber zumindest indizielle Bedeutung auch für die Einhaltung des Rücksichtnahmegebots hat, kommen für seine Verletzung nur seltene Ausnahmefälle in Betracht. Ein Verstoß gegen das nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme unter dem Aspekt der „Einmauerung“ setzt nach allgemeiner Rechtsprechung voraus, dass die genehmigte Anlage das Nachbargrundstück regelrecht abriegelt, d.h. dort ein Gefühl des „Eingemauertseins“ oder eine „Gefängnishofsituation“ hervorruft (vgl. BayVGH, U.v. 11.4.2011 – 9 N 10.1373 – juris Rn. 56; B.v. 22.8.2012 – 14 CS 12.1031 – juris Rn. 13; OVG RhPf, B.v. 27.4.2015 – 8 B 10304/15 – juris Rn. 6; OVG Berlin-Bbg, B.v. 27.2.2012 – OVG 10 S 39.11 – juris Rn. 4).
Nach diesen Grundsätzen erweist sich das Bauvorhaben voraussichtlich nicht als rücksichtslos gegenüber dem Antragsteller. Zunächst ist dabei festzustellen, dass das Bauvorhaben bei summarischer Prüfung die Abstandsflächen gemäß Art. 6 BayBO in Richtung des Grundstücks des Antragstellers einhält. Alleine aus diesem Grund scheidet eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots regelmäßig aus. Ein Ausnahmefall ist vorliegend weder ersichtlich noch substantiiert vorgetragen. Das Bauvorhaben weist im Bereich zum Grundstück des Antragstellers eine Gesamthöhe von knapp 11 m auf. Das Bauvorhaben ist damit schon nicht erheblich höher als das Wohngebäude des Antragstellers. Es ist daher in keiner Weise möglich, von einem übergroßen Baukörper zu sprechen.
Fehlt es nach alldem an einer Verletzung des Antragstellers in ihm zukommenden drittschützen-den Rechten, so bleibt die erhobene Drittanfechtungsklage aller Voraussicht nach erfolglos. Mithin war der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den der Beigeladenen erteilten Baugenehmigungsbescheid des Antragsgegners vom 12. November 2021 abzulehnen.
III.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO; da sich die Beigeladene durch den Verzicht auf eine Antragstellung keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat, entspricht es der Billigkeit, dass die sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt.
2. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziff. 9.7.1 und 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


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