Baurecht

Wettbüro als Vergnügungsstätte (Livewetten, räumlich-funktionelle Einheit zwischen Wettannahme und Café), Ausschluss von Vergnügungsstätten im Mischgebiet durch Bebauungsplan, Klagefrist bei Zustellung der Baugenehmigungsversagung an Bauherrn statt an Bevollmächtigten, Zwangsgeldandrohung und Zwangsgeldfälligstellung bei Nutzungsuntersagung

Aktenzeichen  AN 17 K 20.01567 AN 17 K 20.01568 AN 17 K 20.01573 AN 17 K 20.02784

Datum:
16.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 42914
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 76 S. 2
BauGB § 30 Abs. 1
BayBO Art. 59
BauNVO § 6
BayDSG Art. 6
VwZVG Art. 8 Abs. 1 Satz 2

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klagen werden abgewiesen. 
2. Die Klägerin trägt die Kosten der Verfahren. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die in der mündlichen Verhandlung zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Klagen sind allesamt zulässig, aber unbegründet und damit abzuweisen.
1a) Die unter dem Aktenzeichen AN 17 K 20. 02784 geführte Klage auf Erteilung der Baugenehmigung für die beantragte Nutzungsänderung ist als Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2. VwGO) zulässig. Sie ist fristgerecht erhoben, ohne dass es einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Klagefrist (§ 60 VwGO) bedurfte. Die einmonatige Klagefrist des § 74 Abs. 2, Abs. 1 VwGO lief nicht bereits mit der Zustellung des ablehnenden Baugenehmigungsbescheids an die Klägerin unter ihrer Adresse in Fürth, also nicht bereits mit dem 13. November 2020 bzw. dem darauf folgenden Tag an. Zwar handelt es sich bei der Zustellung mittels Postzustellungsurkunde um eine gem. § 57 Abs. 2 VwGO, Art. 3 VwZVG zulässige Zustellungsart, jedoch ist die Zustellung, wenn ein Bevollmächtigter bestellt ist und eine schriftliche Vollmacht der Behörde vorgelegt wurde, an diesen Bevollmächtigten zu richten, Art. 8 Abs. 1 Satz 2 VwZVG. Die Zustellung hätte somit an den für das Verwaltungsverfahren bestellten Prozessbevollmächtigten erfolgen müssen. Eine schriftliche Vollmacht wurde ausweislich der Behördenakte bei der Beklagten bereits mit rechtsanwaltlichem Schreiben vom 25. Juni 2020 vorgelegt und betraf auch das Nutzungsänderungsverfahren und nicht ausschließlich die bauordnungsrechtlichen Maßnahmen. Zwar ist die Vollmacht nur in nahezu unleserlicher Form in den Akten der Beklagten zu finden (vgl. dort S. 29), sie ist jedoch identisch mit der im Gerichtsverfahren vorgelegten Vollmacht, so dass deren Inhalt feststeht. Die Unleserlichkeit der Vollmacht wurde von der Beklagten auch nicht moniert, sondern akzeptiert wie beispielsweise das Schreiben vom 21. Juli 2020 (Zusendung des Nutzungsuntersagungsbescheides an die Kanzlei) zeigt.
Eine Zustellung an die Klägerin selbst bzw. deren Vertretungsberechtigte war auch nicht nach Art. 68 Abs. 3 Satz 3 BayBO veranlasst. Danach ist die Baugenehmigung zusammen mit den mit Genehmigungsvermerken versehen Bauunterlagen dem Bauantragsteller selbst zuzustellen. Die Vorschrift stellt somit eine Sonderregelung zu Art. 8 Abs. 1 Satz 2 VwVZG dar. Allerdings gilt dies nur für die Erteilung, nicht aber für die Versagung der Baugenehmigung. Als Ausnahmeregelung ist Art. 68 Abs. 3 Satz 3 BayBO grundsätzlich restriktiv und nicht erweiternd auszulegen. Der Grund der Zustellung an den Bauherrn selbst liegt wohl in erster Linie darin begründet, dass die Baupläne (mit eventuellen Änderungen) und die Genehmigung (mit eventuellen Nebenbestimmungen) für den tatsächlichen Baubeginn vom Bauherrn bzw. dessen Planer zeitnah benötigt werden und deshalb unmittelbar an diesen (zurück-)gesandt werden. Bei einer Versagung der Baugenehmigung ist dieses praktische Bedürfnis hingegen nicht gegeben. Hier besteht im Gegenteil eher das Bedürfnis rechtsanwaltlicher Unterstützung zur Durchsetzung des eventuellen Anspruchs auf Baugenehmigung.
Dem Bevollmächtigten der Klägerin ist der Versagungsbescheid erst am 17. November 2021 mittels einfachem Brief zugegangen, eine förmliche Zustellung nach Art. 41 Abs. 5 BayVwVfG i.V.m. Art. 2 ff. VwZVG erfolgte nicht. Die Klagefrist lief damit – selbst bei Annahme der Heilung des Zustellungsmangels nach Art. 9 VwZVG – nicht vor dem 18. November 2020 an, und folglich frühestens am 17. Dezember 2020, an dem die Klage tatsächlich bei Gericht einging, ab, § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 188 Abs. 2 BGB.
An der gesetzlichen Klagefrist und der Verpflichtung, den Bescheid dem Bevollmächtigten zuzustellen, ändert auch das Schreiben der Beklagten an die Klägerin vom 30. November 2020 mit dem Hinweis auf die vermeintliche Klagefrist bis 13. November 2021 nichts. Die Mitteilung war, wie sich aus den vorstehenden Darlegungen ergibt, nicht korrekt. Die Klagefrist kann auch behördlich nicht verkürzt werden.
b) Hinsichtlich der Zulässigkeit der weiteren Klagen bestehen keine Bedenken. Die Nutzungsuntersagung mit Zwangsgeldandrohung im Bescheid vom 21. Juli 2020 und die isolierte Zwangsgeldandrohung im Bescheid vom 3. August 2020 wurden mit insoweit statthaften und fristgerecht erhobenen Anfechtungsklagen angegriffen, § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO. Gegen die Fälligkeitsmitteilung bzw. die Fälligstellung des Zwangsgelds wurde in zulässiger Weise eine Feststellungsklage, § 43 Abs. 1 VwGO, erhoben. Diese ist auch dann noch zulässig und scheitert nicht an der grundsätzlichen Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber Leistungsklagen (§ 43 Abs. 2 VwGO), wenn das fällig gestellte Zwangsgeld – wie der Klägerbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung angab – bereits gezahlt wurde. Im Falle der Feststellung, dass das Zwangsgeld nicht fällig gewesen ist, kann mit einer Rückzahlung des eingezogenen Zwangsgeldes durch die Beklagte auch ohne ausdrücklich ausgesprochene Verpflichtung hierzu gerechnet werden.
2. Die Klagen sind allesamt unbegründet.
a) Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Baugenehmigung für die beantragte Nutzung der Räumlichkeiten nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1, Art. 59 Satz 1 BayBO, so dass die Verpflichtungsklage (AN 17 K 20.02784) abzuweisen ist, § 113 Abs. 5 VwGO.
aa) Das Vorhaben ist bereits bauplanungsrechtlich unzulässig, Art. 59 Satz 1 Nr. 1a) BayBO i.V.m. § 30 Abs. 1 BauGB, weil es als Vergnügungsstätte einzustufen ist und demzufolge dem Bebauungsplan A-6-84 der Beklagten hinsichtlich der Art der Nutzung widerspricht.
Die Nutzungsänderung der Räume für die gewerbliche Wetttätigkeit (linke Gebäudeseite) und das Tagescafé (rechte Gebäudeseite) mit Nebenräumen im hinteren Gebäudeteil wurde mit einheitlichem Bauantrag vom 14. Mai 2020 beantragt. Es handelt sich deshalb schon aufgrund der Verknüpfung durch die Klägerin um ein einziges, baurechtlich einheitliches und unteilbares Bauvorhaben, dass hinsichtlich seiner Genehmigungspflichtigkeit und Genehmigungsfähigkeit nur zusammen, nicht aber getrennt voneinander betrachtet werden kann. Aufgrund der Einstufung als ein Vorhaben kann deshalb auch für den Teil des „Tagescafés“ nicht auf die Vorgänger-Genehmigung vom 25. November 2019 als Tagesgaststätte zurückgegriffen werden, sondern ist von einer Neugenehmigungspflicht des Gesamtvorhabens auszugehen. Von der beantragten und tatsächlichen Nutzung her sind die Räume derart aufeinander bezogen, dass sie eine räumlich-funktionelle Einheit darstellen und die Nutzung insgesamt als Vergnügungsstätte in der Form eines Wettbüros anzusehen ist.
Eine Vergnügungsstätte ist als auf kommerzielle Unterhaltung ausgerichteter besonderer Gewerbebetrieb definiert, der in Ansprache oder Ausnutzung des Geselligkeitsbedürfnisses, des Spiel- oder Sexualtriebs einer bestimmten, auf Gewinnerzielung gerichteten Freizeitunterhaltung gewidmet ist. Die Vergnügungsstätte zeichnet sich durch die beabsichtigte längere Verweildauer der Besucher aus (BayVGH, B.v. 18.3.2019 – 15 ZB 18.690 – juris Rn. 22 m.w.N.).
Dies ist durch die Wett- und Gaststättentätigkeit in organisatorischer Einheit und in unmittelbarer Nähe und räumlicher Verbindung zueinander der Fall. Insoweit kann auf die Ausführungen im Beschuss der Kammer in den Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO zur Nutzungsuntersagung zurückgegriffen werden:
„… Wettannahme und Tagecafé werden gleichermaßen von der Antragstellerin betrieben, vom gleichen Personal betreut (s. Feststellung der Antragsgegnerin vom 16.7.2020) und für Besucher sind einheitliche Toilettenräume vorgesehen. Am wichtigsten, augenfälligsten und entscheidend ist aber die Tatsache, dass von außen durch die einheitliche Gestaltung der Fenster mit großer und auffälliger Werbung ein – so wörtlich auch auf dem rechten Fenster – „Wettbüro“, also ein einheitlicher Betrieb dargestellt wird. Hieran muss sich die Antragstellerin für die rechtliche Bewertung festhalten lassen. Bezieht man das „Tagescafé“ in die Beurteilung mit ein, ergibt sich der beabsichtigte Verweilcharakter des Vorhabens jedenfalls durch die Bestuhlung und die Bewirtung bzw. die Versorgung durch einen Getränkeautomaten und es ist unerheblich, dass in der Annahmestelle selbst ein Getränkeautomat und eine Bestuhlung nicht existieren und nach Bauantrag auch nicht beantragt sind. Durch die auch im Café angebrachten Bildschirme dürfte eine Livespielanzeige im Übrigen auch im Café möglich sein, durch offenstehende Innentüren dürften außerdem die Bildschirme in der Wettstelle vom Café aus erkennbar sein. Der vergnügungstättentypischen Freizeit- bzw. Verweilcharakter des Gesamtvorhabens ist damit zu bejahen. Auf die Größe des Betriebs kommt es dabei nicht wesentlich an (BayVGH, B.v. 18.3.2019 – 15 ZB 18.690 – juris Rn. 23). …”
Im Übrigen hat die Kammer bereits im Eilverfahren vertreten und hält daran fest, dass auch die konkrete Ausgestaltung der Wetttätigkeit im linken Gebäudeteil für sich genommen schon Vergnügungsstättencharakter hat:
„Die obergerichtliche Rechtsprechung unterscheidet beim Betrieb von Wettvermittlungsstellen zwischen „Wettbüros“ und „Wettannahmestellen“. Während in Wettannahmestellen für Sportwetten wie in Annahmestellen für Lotto und Toto Wetten nur vor Spielbeginn angenommen bzw. abgegeben werden können, zeichnen sich Wettbüros dadurch aus, dass zwischen Kunden (Spielern), einem Vermittler (Betreiber des Wettbüros) und einem Wettunternehmen Transaktionen auch während des Spiels, auf das gewettet wird, noch abgeschlossen werden können (Livewetten) und der Spielverlauf und die aktuellen Wettquoten über Wettterminals und Monitore im Lokal laufend verfolgt werden können. Dies animiert nämlich zum längeren Aufenthalt im Lokal und rechtfertigt deshalb auch ohne sonstige Anreize die Einstufung als Vergnügungsstätte (vgl. BayVGH, B.v. 18.3.2019 – 15 ZB 18.690 – juris Rn. 22 m.w.N.).
Bei einem Verzicht auf programmierte Terminals bzw. Monitore, ist von einer reinen Annahmestelle auszugehen und, wenn auch die übrigen Umstände der Lokalität keinen besonderen Verweilanreiz schaffen, damit nicht von einer Vergnügungsstätte (BayVGH, a.a.O. Rn. 23).
Vorliegend sind im linken Raum unstreitig (mindestens) vier Wettterminals aufgestellt und mindestens ein großflächiger Wandmonitor, vermutlich (nach den vorgelegten neuen Fotos vom 13.10.2020) sogar zwei Wandmonitore aufgehängt. Die bei den Ortsterminen von der Antragsgegnerin gefertigten Lichtbilder zeigen auch, dass die Wandmonitore in Betrieb sind und Spielverläufe (und nicht nur Spielergebnisse) und Wettquoten anzeigen. Dass es sich nicht um Liveanzeigen handelt, ist fernliegend, da kein nachvollziehbarer Grund besteht, alte Spiel(zwischen) stände abzubilden. Die gesamte Einrichtung ist ersichtlich auf Livewetten ausgerichtet; diese sind mit der vorhandenen Einrichtung technisch unstreitig möglich. Es liegt auch keine Erklärung des Wettunternehmens … vor, dass das Livewettangebot auf Dauer oder jedenfalls derzeit abgeschaltet ist. Die zum Bauantrag auf Aufforderung der Antragsgegnerin nachgereichte Betriebsbeschreibung vom 13. Juni 2020 schließt Livewetten nicht aus. Es existiert lediglich die weiter nachgereichte Erklärung von Frau … vom 29. Juni 2020, die die Antragstellerseite als Verzicht bezeichnet. Die Erklärung ist aber in ihrer Formulierung unklar und zweifelhaft, so dass darin keine wirksame Verzichtserklärung auf Livewetten gesehen werden kann. Ein „Verzicht“ ist darin nicht ausdrücklich ausgesprochen, eine zeitliche Komponente enthält die Erklärung nicht, im Wesentlichen wird nur auf das Wettunternehmen verwiesen. Die Anzeige von Livespielständen und -quoten wird mit der Erklärung jedenfalls nicht ausgeschlossen.“
Die von der Klägerin im Nebenraum – ohne Genehmigung – aufgestellten Spielgeräte stellen nunmehr einen weiteren Anreiz zum Verweilen in den Räumlichkeiten dar und belegen den Charakter als Vergnügungsstätte zusätzlich. Auch wenn die Spielgeräte nicht in die Bauanträge aufgenommen worden sind und ordnungsrechtlich untersagt werden können, stellen diese Spielautomaten doch einen deutlichen Beleg für die beabsichtigte Nutzung mit Verweilcharakter dar.
Liegt eine Vergnügungsstätte vor, steht der Bebauungsplan A- 6-84 der Genehmigung entgegen. Nr. 1.1 dieses (einfachen) Bebauungsplans legt als Art der baulichen Nutzung für den gesamten Geltungsbereich ein Mischgebiet fest. Nr. 1.5 erklärt Vergnügungsstätten im gesamten Plangebiet für unzulässig und auch nicht ausnahmsweise zulässig. Rechtliche Bedenken gegen den Bebauungsplan wegen dieser Regelung hat das Gericht nicht. Der Ausschluss der Nutzung hat seine Rechtgrundlage in § 5 Abs. 1 BauNVO, der im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bebauungsplans A -6- 84 in gleicher Weise galt (Fassung vom 15.9.1977 – BauNVO 1977) wie heute. Danach kann ein Bebauungsplan festsetzen, dass bestimmte Arten von Nutzungen, die nach den §§ 2, 4 bis 9 und 13 BauNVO allgemein zulässig sind, nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können, soweit die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt.
Vergnügungsstätten waren im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bebauungsplans A -6- 84 als sonstige Gewerbebetriebe nach § 6 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO 1977 einzustufen und wurden erst durch die Neufassung der BauNVO vom 23. Januar 1990 aus dem Begriff der sonstigen Gewerbebetriebe ausgegliedert (vgl. BVerwG, B.v. 9.10.1990 – 4 B 120/90 – juris Rn. 2, in diesem Sinne auch BVerwG, U.v. 8.11.2001 – 4 C 17/20 – juris Rn. 16). Die Regelung des Ausschlusses von Vergnügungsstätten im Mischgebiet durch den Bebauungsplan war damals anders als heute, wo Vergnügungsstätten im Mischgebiet nur im überwiegend gewerblichen Teil des Mischgebietes allgemein zulässig sind (§ 6 Abs. 2 Nr. 8 BauNVO), konstitutiv. Die heutige, seit 1990 aufgenommene Einschränkung von Vergnügungsstätten im Mischgebiet zeigt aber auf, dass ein Mischgebiet seine Zweckbestimmung durch Ausnahme von Vergnügungsstätten noch nicht verliert, die Zweckbestimmung des Mischgebiets durch die Einschränkung sogar gesichert wird, da Vergnügungsstätten nach der gesetzgeberischen Wertung tendenziell dazu geeignet sind, das Wohnen zu stören. Zwar macht der Bebauungsplan A -6- 84 zusätzlich Einschränkungen für Gaststätten, jedoch führt auch diese Begrenzung noch nicht dazu, dass dem Mischgebiet die Zweckbestimmung im Sinne vom § 6 Abs. 1 BauNVO genommen wird. Sämtliche sonstige Gewerbe bleiben möglich und auch Gaststätten sind in bestimmten Arealen und unter weiteren Voraussetzungen (vgl. insbesondere § 3 des Bebauungsplans A -6-84 mit Ausnahmen und Befreiungen für Garten- und Tagesgaststätten) bauplanungsrechtlich weiter zulässig.
Eine Baugenehmigung für das Wettbüro kommt damit nur bei Erteilung einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB in Betracht. Eine solche ist jedoch deshalb nicht möglich, weil die Grundzüge der Planung durch das Vorhaben berührt werden. Liegt der Regelungsgehalt des Bebauungsplans ausschließlich in der Festsetzung der Art der baulichen Nutzung mit der Einschränkung – noch dazu lediglich zweier – Nutzungsarten, liegt es auf der Hand, dass die Zulassung der ausgeschlossenen Nutzung die Grundzüge des Bebauungsplans tangiert.
bb) Dem Vorhaben steht gem. Art. 59 Satz 1 Nr. 1c) BayBO zudem die Satzung der Stadt … über die Herstellung von Garagen und Stellplätzen vom 16. Oktober 2015 (GaStS), die eine örtliche Bauvorschrift nach Art. 81 Abs. 1 Nr. 4 BayBO darstellt, entgegen. Die Anzahl der für ein Bauvorhaben nachzuweisenden Stellplätze richtet sich nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GaStS i.V.m. der Anlage 1 hierzu. Für Vergnügungsstätten, ausdrücklich auch für Wettbüros, sind nach Nr. 8.1 GaStS ein Stellplatz pro 10 m² Netto-Nutzfläche, mindestens aber 5 Stellplätze nachzuweisen. Nachgewiesen wurde von der Klägerin unstreitig kein Stellplatz. Eine Reduzierung der Stellplätze nach § 1 Abs. 7 GaStS kommt hier nicht in Betracht. Dies wäre nach § 1 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 GaStS bei Baumaßnahmen, die innerhalb eines förmlichen Sanierungsgebiets liegen, möglich, wenn die geplante Nutzung der Fortführung der Ziele der Sanierung entspräche, was für die Errichtung einer Vergnügungsstätte in der Altstadt nach den unwidersprochen gebliebenen und ohne weiteres nachvollziehbaren Ausführungen der Beklagten zu den Sanierungszielen nicht der Fall ist. Im Übrigen schließt § 1 Abs. 7 Satz 4 GaStS für den Nutzungsbereich 8.1 der Anlage 1, also für Vergnügungsstätten, eine Reduzierung der Stellplätze ausdrücklich aus.
Nicht ausreichend ist auch eine Anrechnung von Stellplätzen der Vorgängernutzung als Tagesgaststätte nach § 1 Abs. 6 GaStS. Danach sind u.a. bei Nutzungsänderungen von Anlagen Stellplätze nur in solcher Zahl und Größe herzustellen, dass die Stellplätze den durch die Änderung zusätzlich zu erwartenden Kraftfahrzeuge aufnehmen können (Satz 1). Nach Satz 2 ist der Bestand an Stellplätzen für die Vorgängernutzung vom jetzigen Bedarf abzusetzen bzw. ist bei Altgebäuden eine Anrechnung von fiktiven Stellplätzen vorzunehmen (Satz 4). Da für die Vorgängernutzung tatsächlich aber kein Stellplatz nachgewiesen wurde (sondern für die vorher genehmigte Tagesgaststätte von der Regelung des § 1 Abs. 7 GaStS Gebrauch gemacht worden ist) und fiktiv allenfalls vier Stellplätze anzusetzen wären (siehe Nr. 7.1 der Anlage 1, wonach 1 Stellplatz pro 10 m² Gastraumfläche ohne Thekenbereich nachzuweisen ist, so dass sich für den früheren Gastraum von unter 40 m² – ohne Theke – nur vier Stellplätze ergeben haben), wäre eine Anrechnung dieser Plätze nicht ausreichend.
cc) Weiter stehen der Erteilung der Baugenehmigung denkmalschutzrechtliche Gründe entgegen. Im Falle der Veränderung eines hier unstreitig vorliegenden Einzelbaudenkmals bedarf es grundsätzlich einer denkmalschutzrechtlichen Genehmigung, die bei gleichzeitig bestehender Baugenehmigungsplicht als selbständige Genehmigung zwar entfällt, Art. 6 Abs. 3 Satz 1 BayDSG. Die denkmalschutzrechtlichen Belange und Versagungstatbestände sind jedoch im Rahmen der Baugenehmigung zu prüfen, Art. 59 Satz 1 Nr. 3 BayBO. Nach Art. 6 Abs. 2 BayDSG ist die Genehmigung zu versagen, wenn gewichtige Gründe des Denkmalschutzes für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustandes sprechen. Für das Verfahren dahinstehen kann, ob der geänderte Eingangsbereich des Gebäudes mit eingebautem Windfang und eingezogenen Schiebetüren der denkmalschutzrechtlichen Freigabe entgegensteht. Jedenfalls stellen die großflächigen, die Fensterflächen komplett ausfüllenden Fensterbeklebungen mit auffälligen Werbeschriften für ein Wettbüro auf verdunkelten Scheiben derartige Gründe dar. Bei den Werbeaufschriften und Werbebeklebungen handelt es sich eine erhebliche Veränderung des Baudenkmals, nämlich eine Veränderung seines Erscheinungsbildes im Sinne von
Art. 6 Abs. 1 Nr. 1 BayDSG. Für die Beibehaltung des historischen Erscheinungsbildes eines Denkmals sprechen dabei regelmäßig gewichtige Gründe, diese sind grundsätzlich indiziert (BayVGH, B.v. 31.10.2012 – 2 ZB 11.1575 – juris Rn. 4 m.w.N.). Gewichtige Gründe liegen allenfalls bei völlig unbedeutenden Baudenkmälern nicht vor. Eine „gesteigerte Bedeutung“ ist gerade nicht erforderlich. Das Vorhaben ist, da entgegenstehende Gründe nicht ersichtlich und vorgetragen sind, damit auch denkmalschutzrechtlich nicht genehmigungsfähig.
3. Unbegründet ist auch die Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Beklagten vom 21. Juli 2021. Der Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
a) Die Nutzungsuntersagung in Ziffer 1 des Bescheides ist zu Recht auf Art. 76 Satz 2 BayBO gestützt. Seine Voraussetzungen sind gegeben. Insoweit wird zunächst auf die Ausführungen im Beschluss der Kammer vom 15. Oktober 2020, denen von Klägerseite nichts entgegengesetzt worden ist, verwiesen. Auch im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung werden die Räume, wie die Kontrolle der Beklagten am 21. November 2021 gezeigt hat, weiter als Wettbüro genutzt und ist dies auch für die Zukunft zu befürchten, so dass fraglos weiter Anlass für die Nutzungsuntersagung besteht. Die ausgeübte Nutzung steht im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften. Eine Baugenehmigung für das Wettbüro liegt trotz Baugenehmigungspflicht, vgl. Art. 57 Abs. 4 BayBO, nicht vor (formelle Illegalität) und kann, wie vorstehend unter 2. ausgeführt, auch nicht erteilt werden (materielle Illegalität). Die Nutzungsuntersagung erging an die Klägerin als Betreiberin des Wettbüros und Bauherrin bzw. Bauantragstellerin und damit an den richtigen Verantwortlichen i.S.v. Art. 9 Abs. 1 und Abs. 2 LStVG. Die Entscheidung war verhältnismäßig, Ermessensfehler sind nicht erkennbar oder vorgetragen.
b) Ebenso unbegründet ist die Klage gegen die Zwangsgeldandrohung in Ziffer 2 des Bescheids vom 21. Juli 2020. Die gesetzlichen Voraussetzungen nach Art. 19 Abs. 1 Nr. 3, Art. 29 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und Art. 36 VwZVG liegen vor. Durch die Sofortvollzuganordnung in Ziffer 3 war von Anfang an ein vollstreckbarer Verwaltungsakt und damit die Vollstreckungsvoraussetzung nach Art. 19 Abs. 1 VwZVG gegeben. Einer Fristsetzung nach Art. 36 Abs. 1 VwZVG bedarf es im Fall einer reinen Unterlassungspflicht nicht (BayVGH, B.v. 15.6.2000 – 4 B 98.775 – juris Rn. 21; B.v. 24.4.2013 – 22 CS 13.590 – juris Rn. 14).
Die Androhung ist hinsichtlich der Begründung der Zwangsgeldhöhe zwar sehr knapp gehalten, genügt aber noch der gesetzlichen Begründungspflicht des Art. 39 Abs. 1 BayVwVfG und zeigt durch das Ins-Verhältnis-Setzen des Zwangsgelds zu seinem Zweck, dass sich die Beklagte ihres Ermessens hinsichtlich der Zwangsgeldhöhe bewusst war und dieses Ermessen sachgerecht ausgeübt hat. Das Zwangsgeld hält den gesetzlichen Rahmen des Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG (15 bis 50.000 EUR) ein und ist angesichts des gewerblichen Tätigkeitwerdens der Klägerin, das unterbunden werden soll, verhältnismäßig. Es zielt erkennbar auf die Abschöpfung des wirtschaftlichen Vorteils, was zulässiger Zwecks des Zwangsgelds als Beugemittel ist (BayVGH, B.v. 9.11.2021 – 9 ZB 19.1586 – juris Rn. 10; B.v. 14.4.2020 – 1 CS 20.143 – juris Rn. 11). Die im unteren Bereich des Rahmens gewählte Zwangsgeldhöhe ist für gewerbliche Nutzungen nicht übermäßig.
4. Unbegründet ist weiter die Feststellungsklage gegen die Fälligkeitsmitteilung bzw. die Fälligstellung des angedrohten Zwangsgelds mit Schreiben vom 3. August 2020, im Rahmen derer nach Art. 38 Abs. 3 VwZVG nur Rechtsverletzungen durch die Vollstreckung, zu der auch die Fälligstellung gehört, selbst geprüft werden (vgl. VG Ansbach, U.v. 16.7.2020 – AN 17 K 20.0978 – juris). Nach Art. 37 Abs. 1 Satz 1 VwZVG kann ein Zwangsmittel angewendet werden, wenn der angedrohten Verpflichtung innerhalb der gesetzten Frist nicht nachgekommen wurde. Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG bestimmt, dass ein Zwangsgeld fällig wird, wenn die Pflicht bis zum Ablauf der Frist nicht erfüllt wird. Pflicht in diesem Sinn ist, wie sich aus Art. 31 Abs. 4 Satz 1 VwZVG ergibt, auch eine Unterlassungspflicht, wie sie die Nutzungsuntersagung darstellt.
Da die Klägerin die von der Nutzungsuntersagung betroffenen Räume auch nach der Zustellung des Bescheides vom 21. Juli 2020 weiter betrieben hat, ist die Fälligstellung zu Recht erfolgt. Dass das Wettbüro nach Bekanntgabe des Bescheids weiter geöffnet war, ist von der Klägerseite nicht bestritten worden und durch die Baukontrolle der Beklagten vom 31. Juli 2020 belegt. An diesem Tag waren beide Räumlichkeiten des Wettbüros geöffnet, der Bildschirm mit Wettanzeigen und die Wettterminals im linken Raum, den die Klägerseite als Wettannahmestelle bezeichnet, und der Wandbildschirm im „Tagescafe“ in Betrieb. Die Klägerseite ist diesen Feststellungen in tatsächlicher Hinsicht auch nicht entgegengetreten und räumt in ihrem Schriftsatz vom 17. Dezember 2020 zur Verpflichtungsklage auf Baugenehmigung ein, dass in der Vergangenheit Livewetten möglich gewesen seien.
Wie vorstehend (unter 2.) ausgeführt, sind alle Räumlichkeiten Teil des insgesamt untersagten Wettbüros, so dass sowohl das Offenhalten des linken als auch der rechten Raums einen Verstoß gegen die vollziehbare Nutzungsuntersagung darstellte. Die Nutzungsuntersagung ist in räumlicher und tatsächlicher Hinsicht auch klar bestimmt. Von der Anordnung waren und sind sämtliche Räume des Anwesens umfasst, wie sich bereits aus dem Bescheidstenor – „Räume im Erdgeschoss des Anwesens … * in …“ – ergibt. Durch die Ausführungen in der Begründung des Bescheids zur optischen Einheit und der gegenseitigen Ergänzung der Vorhabenteile, war ebenfalls klar, dass beide Räumlichkeiten nicht weiter betrieben werden dürfen. Die Ergänzung im Tenor „als Wettbüro“ stellte ersichtlich lediglich eine Begründung bzw. nähere Erläuterung zur Untersagung dar, stellt den Regelungsgehalt der Anordnung aber nicht in Frage. Eine Unbestimmtheit der Anordnung, die auch der Anwendung des Zwangsmittels entgegenstünde, ist daraus nicht ableitbar. Dass die Anordnung etwa in dem Sinn von der Klägerin verstanden worden ist, dass ein Abschalten von einzelnen Geräten ausreichend sei, wurde von Klägerseite auch nicht geltend gemacht. Es wurde vielmehr allein die – fehlerhafte – Rechtsauffassung vertreten, dass ein Wettbüro im Rechtssinne durch den konkreten Betrieb nicht vorliege und die Anordnung in diesem (rechtlichen) Sinn leerlaufe. Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, dass die Klägerin nach Bescheidserlass tatsächliche und maßgebliche Änderungen im Betrieb vorgenommen hat, die die Frage des Betriebs eines Wettbüros neu aufwerfen würden. Die auferlegte Nutzungseinstellung war der Klägerin rechtlich und tatsächlich ohne weiteres möglich. Vollstreckungshindernisse sind nicht gegeben. Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Anwendung des Anwendungsermessens (vgl. BayVGH, B.v. 1.3.2012 – 9 ZB 11.2528 – juris) liegen nicht vor.
5. Unbegründet ist schließlich auch die Klage gegen die erneute, isolierte Zwangsgeldandrohung, die zeitgleich mit der Fälligstellung von 5.000 EUR am 3. August 2020 erging. Zwangsmittel können nach Art. 37 Abs. 1 Satz 2 VwZVG solange und so oft angewandt werden, bis die Verpflichtung erfüllt ist. Eine erneute Vollstreckung aus derselben Zwangsmittelandrohung ist dabei aber nicht zulässig, es ist vielmehr eine erneute Androhung nötig. Nach Art. 36 Abs. 6 Satz 2 VwZVG ist dies erst dann zulässig, wenn die vorausgegangene Zwangsgeldandrohung erfolglos geblieben ist. Dies war aufgrund des am 31. Juli 2020 festgestellten Verstoßes der Fall. Eine Durchsetzung des ersten Zwangsgeldes vor Androhung eines erneuten Zwangsgeldes war hingegen nicht erforderlich. Die Verdoppelung des Zwangsgeldes auf 10.000 EUR ist nicht zu beanstanden. Auch diese Zwangsgeldhöhe hält den Rahmen des Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG deutlich ein und ist angesichts des gewerblichen Tätigwerdens und der fortgesetzten Nichtbefolgung der Anordnung nicht als übermäßig zu betrachten. Die Verdoppelung des Zwangsgelds bei Fortsetzung des Verstoßes ist ein allgemein übliches Verwaltungshandeln, das keiner detaillierteren Begründung bedarf.
6. Die Kostenentscheidung der erfolglosen Klagen beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit basiert auf § 167 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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