Baurecht

Wiederherstellung eines öffentlichen Feld- und Waldweges

Aktenzeichen  8 ZB 17.2560

Datum:
7.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 30443
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 42 Abs. 2, § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 5
GG Art. 14 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 S. 1
BayStrWG Art. 10

 

Leitsatz

Liegen die Grundstücke nicht an dem verfahrensgegenständlichen Wegegrundstück und sind sie alle anderweitig mit dem öffentlichen Straßennetz verbunden, ist eine auf die Wiederherstellung des öffentlichen Wegs gerichtete Klage mangels Klagebefugnis unzulässig. (Rn. 9 – 12) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 2 K 16.5416 2017-06-23 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Wiederherstellung eines öffentlichen Feld- und Waldweges.
Bei dem verfahrensgegenständlichen Wegegrundstück FlNr. … der Gemarkung G… handelt es sich um eine Teilstrecke des B…-Wegs, der am 15. Mai 1963 ins Bestandsverzeichnis für öffentliche Feld- und Waldwege, Blatt Nr. …, eingetragen wurde. Als Straßenbaulastträger sind dort die Eigentümer von Grundstücken bezeichnet, die über den Weg bewirtschaftet werden. Die verfahrensgegenständliche Teilstrecke des Weges verläuft über den Golfplatz G… Das klägerische Grundstück FlNr. … berührt punktförmig den Weg mit der FlNr. …, die weiteren Grundstücke der Klägerin (Anwesen „H…“, landwirtschaftlich genutzte Flächen) befinden sich in der näheren Umgebung des Weges.
Mit Schreiben vom 2. August 2016 forderte die Klägerin die Beklagte auf, den Weg mit der FlNr. … wiederherzustellen und seinem Widmungszweck zuzuführen. Die Nutzbarkeit des öffentlichen Weges sei für die Bewirtschaftung der im Eigentum der Klägerin stehenden Grundstücke zwingend erforderlich.
Mit Urteil vom 23. Juni 2017 hat das Verwaltungsgericht München die auf die Wiederherstellung des Weges gerichtete Klage als unzulässig, hilfsweise als unbegründet abgewiesen. Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Rechtsschutzbegehren weiter.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgründe wurden nicht hinreichend dargelegt oder liegen nicht vor (vgl. § 124 Abs. 2 Nrn. 1, 2 und 5 VwGO, § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. Aus dem Vorbringen der Klägerin ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen nur, wenn einzelne tragende Rechtssätze oder erhebliche Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts durch schlüssige Gegenargumente infrage gestellt werden. Schlüssige Gegenargumente liegen vor, wenn der Antragsteller substanziiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (vgl. BVerfG, B.v. 3.3.2004 – 1 BvR 461/03 – BVerfGE 110, 77/83; B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546/548). Dabei kommt es grundsätzlich nicht auf einzelne Elemente der Urteilsbegründung an, sondern auf das Ergebnis der Entscheidung, also auf die Richtigkeit des Urteils nach dem Sachausspruch in der Urteilsformel (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838/834; BayVGH, B.v. 15.3.2017 – 8 ZB 15.1610 – juris Rn. 8 m.w.N.). Das Darlegungsgebot (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) erfordert, die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Dies bedarf einer substanziierten Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung, durch die der Streitstoff durchdrungen und aufbereitet wird (vgl. BayVGH, B.v. 9.1.2019 – 8 ZB 18.122 – juris Rn. 8 m.w.N.).
Nach diesem Maßstab bestehen vorliegend keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung.
1.1 Das Erstgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die auf die Wiederherstellung des öffentlichen Feld- und Waldwegs gerichtete Klage unzulässig ist, da der Klägerin die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO fehlt. Die Wertung des Verwaltungsgerichts, dass die Klägerin keine Tatsachen dargelegt habe, wonach sie gegen die Beklagte möglicherweise einen Anspruch auf Wiederherstellung des öffentlichen Feld- und Waldweges auf FlNr. … habe, ist rechtsfehlerfrei.
1.1.1 Die Einwendung der Klägerin, dass sie als Anliegerin des streitgegenständlichen Weges eine Möglichkeit haben müsse, die Gemeinde dazu zu bewegen, ihrer Verpflichtung zur Unterhaltung des Weges nachzukommen oder jedenfalls entsprechende Maßnahmen der Straßenbaulastträger zu veranlassen, vermag die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung nicht infrage zu stellen. Die Klägerin zeigt damit nicht auf, inwieweit sie in einer subjektiven Rechtsposition betroffen sein könnte. Allein der pauschale Hinweis auf die Garantie eines gerichtlichen Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG reicht dafür nicht aus. Die Klägerin verkennt dabei insbesondere die Reichweite der Garantie des effektiven Rechtsschutzes. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleistet nicht selbst den sachlichen Bestand oder Inhalt einer als verletzt behaupteten Rechtsstellung; diese richtet sich vielmehr nach der Rechtsordnung im Übrigen. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG setzt mithin subjektive Rechte, d.h. im Interesse des Einzelnen bestehende Rechtspositionen, voraus und begründet sie nicht (BVerfG, B.v. 22.2.2019 – 2 BvR 2203/18 – NVwZ 2019, 624 = juris Rn. 23; B.v. 31.3.2016 – 2 BvR 1576/13 – NVwZ-RR 2016, 521 = juris Rn. 44; B.v. 8.7.1982 – 2 BvR 1187/80 – BVerfGE 61, 82, 110 = juris Rn. 77).
1.1.2 Soweit die Klägerin behauptet, dass ihr zur Ausübung ihres Grundrechts aus Art. 14 GG die Inanspruchnahme gerichtlichen Schutzes zustehe, fehlt es an einer substanziierten Darlegung einer Grundrechtsverletzung. Das Verwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang zutreffend ausgeführt, dass die klägerischen Grundstücke nicht an dem verfahrensgegenständlichen Wegegrundstück liegen und alle anderweitig mit dem öffentlichen Straßennetz verbunden seien (vgl. UA S. 10). Auch gebe es weder die von der Klägerin vorgetragene faktische Einziehung noch liege die Fallkonstellation einer faktischen Schließung einer Straße vor (vgl. UA S. 11). Dem ist die Klägerin nicht mit schlüssigen Argumenten entgegen getreten.
1.1.3 Ein möglicher Anspruch auf Wiederherstellung des Weges lässt sich entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht aus dem allgemeinen Folgenbeseitigungsanspruch herleiten. Unabhängig von der Frage, ob ein Unterlassen der Beklagten in Form der Nichtwahrnehmung einer Verpflichtung aus Art. 10 BayStrWG überhaupt einen hoheitlichen Eingriff darstellen kann, hat die Klägerin bereits nicht substanziiert dargelegt, in welches subjektive Recht eingegriffen worden sein soll. Wie bereits ausgeführt (vgl. 1.1.2) liegen keine Anhaltspunkte für einen Eingriff in das Eigentum der Klägerin (Art. 14 Abs. 1 GG) vor, da die Grundstücke der Klägerin nicht direkt an dem streitgegenständlichen Weg liegen und auf andere Weise erschlossen sind.
1.2 Auf die weiteren Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Unbegründetheit der Klage kommt es nicht an. Wegen der Verschiedenheit der Rechtskraftwirkung einer Prozess- und einer Sachabweisung darf eine Klage nicht zugleich aus prozessrechtlichen und aus sachlich-rechtlichen Gründen abgewiesen werden (vgl. BVerwG, B.v. 14.12.2018 – 6 B 133.18 – NVwZ 2019, 649 = juris Rn. 21 m.w.N.). Da die Klage verfahrensfehlerfrei durch Prozessurteil als unzulässig abgelehnt worden ist (vgl. oben 1.1), erstreckt sich die Rechtkraft der Entscheidung nicht auf die Erwägungen zur Begründetheit (BVerwG, B.v. 17.7.2019 – 3 BN 2.18 – juris Rn. 23). Die entsprechenden Einwendungen der Klägerin sind daher unerheblich.
Im Übrigen macht der Zulassungsantrag keinen Verfahrensmangel dergestalt geltend, dass das verwaltungsgerichtliche Urteil trotz Verneinung der Sachurteilsvoraussetzungen Ausführungen zur Sache enthält. Angesichts der zutreffenden Erwägungen zur Unzulässigkeit der Klage könnte das Urteil des Verwaltungsgerichts auf einem solchen Verfahrensmangel auch nicht beruhen (vgl. BVerwG, B.v. 14.1.2019 – 3 B 48.18 – juris Rn. 15 m.w.N.).
2. Die Berufung ist auch nicht wegen einer besonderer tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen.
Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten in diesem Sinn weist eine Rechtssache auf, wenn die Beantwortung der für die Entscheidung erheblichen Fragen in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht voraussichtlich das durchschnittliche Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten bereitet, wenn sich diese also wegen ihrer Komplexität und abstrakten Fehleranfälligkeit aus der Mehrzahl der verwaltungsgerichtlichen Verfahren heraushebt (vgl. BayVGH, B.v. 3.11.2011 – 8 ZB 10.2931 – BayVBl 2012, 147 = juris Rn. 28; B.v. 10.4.2017 – 15 ZB 16.673 – juris Rn. 42). Das ist hier nicht der Fall. Der von der Klägerin angeführte Umstand, dass aufgrund der örtlichen Gegebenheiten ein Blick auf die Lagepläne nicht ausreichend sei, kann besondere tatsächliche Schwierigkeiten der vorliegenden Streitsache nicht begründen. Ferner hat die Klägerin keine Tatsachen- oder Rechtsfragen herausgestellt, aufgrund derer die Rechtssache als komplex und abstrakt „fehleranfällig“ zu beurteilen wäre. Es fehlt insoweit eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Gründen der Entscheidung und an der Durchdringung des Streitstoffs.
3. Die Klägerin kann ihren Zulassungsantrag auch nicht auf den Zulassungsgrund des Verfahrensmangels nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO stützen. Der vom Zulassungsantrag gerügte Verstoß gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) in der Form, dass das Erstgericht die konkreten örtlichen Gegebenheiten nicht hinreichend erforscht habe, liegt nicht vor.
Eine erfolgreiche Aufklärungsrüge setzt u.a. die Darlegung voraus, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen (stRspr, z.B. BVerwG, B.v. 30.4.2019 – 2 B 52.18 – juris Rn. 16; B.v. 25.1.2005 – 9 B 38.04 – NVwZ 2005, 447 = juris Rn. 25). Die Klägerin hat nicht aufgezeigt, inwiefern sie auf die vermisste Aufklärung hingewirkt hätte. Ein Gericht verletzt seine Pflicht zur erschöpfenden Aufklärung des Sachverhalts grundsätzlich dann nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die ein Beteiligter in der mündlichen Verhandlung nicht ausdrücklich beantragt hat (§ 86 Abs. 2 VwGO). Die Klägerin hat zu den gerügten Aufklärungsdefiziten keinen Beweisantrag gestellt. Die Aufklärungsrüge dient aber nicht dazu, Versäumnisse Beteiligter, insbesondere das Unterlassen der Stellung von Beweisanträgen, zu kompensieren (vgl. BVerwG, B.v. 30.4.2019 – 2 B 52.18 – juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 22.11.2018 – 4 ZB 17.1989 – NVwZ-RR 2019, 480 = juris Rn. 18).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG; sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben wurden.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben