Baurecht

Zum baurechtlichen Nachbarschutz im Außenbereich

Aktenzeichen  AN 3 K 17.00408

Datum:
12.10.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB BauGB § 35 Abs. 2 u. 3 S. 1 Nr. 3 u. 6

 

Leitsatz

1 Bei Vorhaben im Außenbereich beschränkt sich der Nachbarschutz auf die Anforderungen des Gebots der Rücksichtnahme, das in die Anwendung des § 35 Abs. 2 BauGB als Bestandteil der nach § 35 Abs. 3 BauGB zu berücksichtigenden öffentlichen Belange Eingang findet (Anschluss an BVerwG BeckRS 9998, 162070). (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
2 Voraussetzung für die Annahme eines Abwehrrechts aus der Verletzung des Rücksichtnahmegebots ist, dass der Grundstückseigentümer vom Bauvorhaben in erheblichem Umfang negativ betroffen ist, d.h. eine Belastung des Grundstücks in außergewöhnlich hohem Maße und in unzumutbarer Art und Weise stattfindet (Anschluss an BayVGH BeckRS 2009, 43845). (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
3 Amtlichen Auskünften des Wasserwirtschaftsamtes kommt eine hervorgehobene Bedeutung zu, so dass ihnen nicht mit bloßen gegenläufigen Aussagen oder Befürchtungen entgegengestreten werden kann (Anschluss an BayVGH BeckRS 2014, 47188). (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
4 Den Einwand des § 242 BGB (hier im Hinblick auf eigenes baurechtswidriges Vorverhalten) muss sich ein Nachbar auch im öffentlichen Raum entgegenhalten lassen. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
5 Der unbestimmte Rechtsbegriff der Schädlichkeit von Umwelteinwirkungen beurteilt sich bei Lärmimmissionen nach der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm). (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Die Klägerin kann das streitgegenständliche Vorhaben zur Erweiterung des Wertstoffhofes in … auf den Grundstücken Fl.Nr. … und …, Gemarkung … auf Grund öffentlich-rechtlicher Vorschriften nicht abwehren.
Die Klägerin wird durch die angefochtene Baugenehmigung vom 25. Januar 2017 nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Einen Rechtsanspruch auf Aufhebung einer Baugenehmigung haben Nachbarn nicht schon dann, wenn die Baugenehmigung objektiv rechtswidrig ist. Vielmehr setzt die Aufhebung der Baugenehmigung weiter voraus, dass der Nachbar durch sie zugleich in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dies ist nur dann der Fall, wenn die zur Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung führende Norm zumindest auch dem Schutz der Nachbarn dient, also drittschützende Wirkung hat (vgl. BVerwG v. 6.10.1989 – 4 C 40.87 – juris).
Vom streitgegenständliche Bauvorhaben sind keine unzumutbaren Auswirkungen auf den Hochwasserabfluss zu Lasten des klägerischen Grundstücks zu erwarten. Es gehen von ihm auch keine schädlichen Umwelteinwirkungen aus. Es verstößt damit nicht gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot, das den § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 und Nr. 6 BauGB inbegriffen ist.
2. Bei Vorhaben im Außenbereich beschränkt sich der Nachbarschutz auf die Anforderungen des Gebots der Rücksichtnahme. Es findet Eingang in die Anwendung des § 35 Abs. 2 BauGB als Bestandteil der nach § 35 Abs. 3 BauGB zu berücksichtigenden öffentlichen Belange (BVerwG 52, 122, 125 ff.). Danach liegt die Beeinträchtigung eines öffentlichen Belangs vor, wenn das Bauvorhaben schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB, siehe dazu b.). Darüber hinaus kann der von Hochwasser bedrohte Grundstücksanlieger Drittschutz gegen Bauvorhaben im Außenbereich über § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 Alternative 2 BauGB geltend machen (BayVGH, B. v. 14.2.2015 – 26 B 03.25679; siehe dazu a.).
Voraussetzung für die Annahme eines Abwehrrechts aus der Verletzung des Rücksichtnahmegebots ist jedoch, dass der Grundstückseigentümer vom Bauvorhaben in erheblichem Umfang negativ betroffen ist (für Hochwasser BayVGH, B.v. 9.10.2009 – 1 CS 08.1999 m.w.N.). Ein erheblicher Umfang bedeutet, dass eine Belastung des Grundstücks der Klägerin in außergewöhnlich hohem Maße und in unzumutbarer Art und Weise stattfinden muss.
Dies ist hier jedoch nicht der Fall.
a) Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung kann es zwar zu einer Verschlechterung der Hochwassersituation auf dem Grundstück der Klägerin durch das Vorhaben kommen. Es bestehen jedoch keine Anhaltspunkte für eine unzumutbare Belastung zu Lasten der Klägerin.
Solche ergeben sich weder aus dem Schriftverkehr zwischen dem Beklagten und dem Wasserwirtschaftsamt noch aus den Aussagen des Mitarbeiters des Wasserwirtschaftsamtes … in der mündlichen Verhandlung. Danach ist der Hochwasserschutz zwar nicht berechnet worden, eine Verschärfung der Hochwassersituation kann wie im von der Rechtsprechung geforderten erheblichen Ausmaß durch das streitgegenständliche Vorhaben mit großer Wahrscheinlichkeit aber verneint werden.
Hinzu kommt, dass das am östlichen Grundstücksrand liegende Wohnhaus keinem Hochwasser ausgesetzt sein wird. Wenn es zu Hochwasser kommt, betrifft dies nach Aussage der Fachbehörde lediglich den Gartenteil des Grundstücks, was ebenfalls gegen eine unzumutbare Beeinträchtigung spricht.
Stellungnahmen und fachliche Aussagen des Wasserwirtschaftsamtes kann die Klägerin nicht mit bloßen gegenläufigen Aussagen oder Befürchtungen entgegentreten. Nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof gilt, das amtliche Auskünfte des Wasserwirtschaftsamtes eine hervorgehobene Bedeutung zukommt. Da sie auf jahrelanger fachliche Bearbeitung eines bestimmten Gebiets und nicht nur auf der Auswertung von Aktenvorgängen im Einzelfall beruhen, haben sie grundsätzlich ein größeres Gewicht als die Aussagen Privater (vgl. aus der jüngsten Rechtsprechung BayVGH, B.v. 4.2.2014 – 8 CS 13.1848).
Zudem wäre es letztlich der Klägerin auch verwehrt, sich darauf zu berufen, da sie selbst durch ungenehmigte Aufschüttungen zur Verschärfung der Hochwassersituation beigetragen hat.
Bei einer Ortseinsicht durch das Wasserwirtschaftsamt wurde festgestellt, dass sowohl auf dem Grundstück der Klägerin als auch auf anderen sich östlich des … befindlichen Grundstücken in Bachnähe Aufschüttungen vorgenommen wurden. Die Klägerin hat durch diese ungenehmigten Aufschüttungen auf ihrem Grundstück ebenfalls den Retentionsraum des … verringert, so selbst zur Verschärfung der Hochwassersituation beigetragen und ist deshalb weniger schutzwürdig im Hinblick auf den Belang des Hochwasserabflusses.
Sie muss sich den Einwand des § 242 BGB, der auch im öffentlichen Recht gilt, entgegenhalten lassen.
b) Das geplante Vorhaben wird auch keine schädlichen Umwelteinwirkungen zu Lasten der Klägerin nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB hervorrufen.
Vorliegend kommen als schädliche Umwelteinwirkungen lediglich Lärmimmissionen in Betracht. Der unbestimmte Rechtsbegriff der Schädlichkeit beurteilt sich nach der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm). Anhaltspunkte für eine unzumutbare Belastung des klägerischen Grundstücks bestehen schon deshalb nicht, weil die Grenzwerte der TA Lärm nach dem Schallgutachten eingehalten sind.
Die Immissionen wurden am Wohnhaus der Klägerin gemessen (IO 2). Die Gutachter kommen zu dem Ergebnis, dass die schallimmissionsschutztechnischen Anforderungen durch den zukünftigen Betrieb des Wertstoffhofes bei Umsetzung der im Gutachten beschriebenen aktiven sowie betriebstechnischen Lärmschutzmaßnahmen vollständig erfüllt werden können.
Ferner sind die einzuhaltenden Maßnahmen in Ziffer 9 des Gutachtens unmissverständlich aufgelistet und haben als Nebenbestimmung in Ziffer 8 und 9 der Baugenehmigung Eingang in den angefochtenen Bescheid gefunden.
Selbiges gilt für die Behandlung von sog. Spitzenpegeln. In Ziffer 7.2 des Gutachtens wurde eine Untersuchung der Spitzenpegel vorgenommen und in Ziffer 8.2 festgestellt, dass die gebietsspezifischen Anforderungen der Spitzenpegelkriterien vollständig erfüllt werden.
Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass das vorgelegte Schallgutachten an eklatanten Mängeln leidet oder die Beurteilungskriterien der TA Lärm zeitlich überholt sind.
Es bleibt festzustellen, dass von einer Verletzung der Klägerin in ihren nachbarschützenden Rechten nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 3 und 6 BauGB nicht auszugehen ist.
Die Verletzung sonstiger Nachbarrechte wurde weder geltend gemacht noch ist eine solche er-sichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Streitwert: § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
Da sich der Beigeladene durch eine eigene Antragstellung am Kostenrisiko des Verfahrens beteiligt hat, entspricht es der Billigkeit, dass seine außergerichtlichen Kosten von der Klägerin getragen werden, § 162 Abs. 3 VwGO.


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