Baurecht

Zur Wirksamkeit eines Bebauungsplans der Innenentwicklung

Aktenzeichen  M 1 K 18.3004

Datum:
7.10.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 37328
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 1 Abs. 3, Abs. 7, § 9 Abs. 1 Nr. 2a, Abs. 7, § 13a Abs. 1, § 215 Abs. 1 S. 1 Nr. 1

 

Leitsatz

1. Dem Begriff der Innenentwicklung ist nicht zu entnehmen, dass er Bebauungspläne ausschließt, die im Wesentlichen lediglich den Bestand sichern und eine Nachverdichtung verhindern. Entscheidend ist vielmehr, dass der Bebauungsplan dazu dient, der Inanspruchnahme des Außenbereichs entgegenzuwirken. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es genügen bereits geringfügige Beeinträchtigungen der in § 1 Abs. 6 Nr. 7 lit. b BauGB genannten Schutzgüter, um eine Anwendung des beschleunigten Verfahrens auszuschließen. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Gemeinde darf sich auch im Rahmen ihrer Bauleitplanung an Wünschen und Interessen von Grundstückseigentümern im Plangebiet orientieren, allerdings nur, wenn sie ihre Planung auch auf hinreichend gewichtige städtebauliche Überlegungen stützen kann. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.  Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg, da sie zwar zulässig, aber unbegründet ist. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung für den Anbau an das bestehende Wohngebäude, die Nutzungsänderung der bestehenden Garage zu Wohnraum und den Neubau der Garage. Die Ablehnung der begehrten Baugenehmigung ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
Dem Bauvorhaben stehen öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind, Art. 68 Abs. 1 Halbs. 1 BayBO.
I. Das Vorhaben ist gem. Art. 55 Abs. 1 BayBO baugenehmigungspflichtig. Hierzu ist nichts anderes in Art. 56 bis 58, 72 und 73 BayBO bestimmt.
II. Das Vorhaben ist nicht genehmigungsfähig, da es nicht im Einklang mit den im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nach Art. 59 Satz 1 BayBO zu prüfenden Vorschriften steht.
Das Vorhaben stimmt nicht mit den Vorschriften über die Zulässigkeit der baulichen Anlagen nach den §§ 29 bis 38 BauGB überein, Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a BayBO. Es beurteilt sich nach § 30 Abs. 1 BauGB, da der Bebauungsplan der Beigeladenen wirksam ist (1.), das Vorhaben seinen Festsetzungen widerspricht (2.) und eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB nicht in Betracht kommt (3.)
Gemäß § 30 Abs. 1 BauGB ist ein Vorhaben im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, der allein oder gemeinsam mit sonstigen baurechtlichen Vorschriften mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen enthält, zulässig, wenn es diesen Festsetzungen nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist.
1. Entgegen der Auffassung des Klägers ist der am 24. März 2017 von der Beigeladenen ortsüblich bekanntgemachte Bebauungsplan „S…-Süd“ wirksam. Die von ihm vorgetragenen Erwägungen vermögen nicht dessen Unwirksamkeit zu begründen.
a) Der Bebauungsplan leidet nicht deshalb an einem formellen Mangel, weil er im beschleunigten Verfahren gemäß § 13 a BauGB aufgestellt wurde.
aa) Nach § 13 a Abs. 1 Satz 1 BauGB kann ein Bebauungsplan für die Wiedernutzbarmachung von Flächen, die Nachverdichtung oder andere Maßnahmen der Innenentwicklung (Bebauungsplan der Innenentwicklung) im beschleunigten Verfahren aufgestellt werden. Die durch das Gesetz zur Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innenentwicklung der Städte vom 21. Dezember 2006 (BGBl I S. 3316) mit Wirkung vom 1. Januar 2007 eingeführte Vorschrift hat zum Ziel, die vorhandenen Potentiale durch Wiedernutzung von Flächen, Nachverdichtung und anderen Maßnahmen der Innenentwicklung besser auszuschöpfen, um die gezielte erstmalige Inanspruchnahme von Flächen für Siedlungszwecke weiter zu verringern. Bebauungsplanverfahren der Innenentwicklung, mit denen dem bestehenden hohen Anpassungs- und Investitionsbedarf in den Bereichen Arbeitsplätze, Wohnbedarf und Infrastruktur entsprochen werden kann, sollen gegenüber solchen Bebauungsplanverfahren, die auf eine Neuinanspruchnahme von Flächen setzen, beschleunigt durchgeführt werden können. Damit wird an die Bodenschutzklausel in § 1a Abs. 2 Satz 1 BauGB angeknüpft (vgl. BT-Drs. 16/2496 S. 1 unter A., S. 9 unter A. I. 1.und 2., S. 12 zu § 13 a Abs. 1). Mittels mehrerer verfahrensrechtlicher Erleichterungen gewährt die Vorschrift somit eine Begünstigung der bauplanungsrechtlichen Entwicklung des Gemeindegebiets „nach innen“ gegenüber der bauplanungsrechtlichen Neuinanspruchnahme von Flächen (Kröninger in Kröninger/Aschke/Jeromin, Baugesetzbuch, 4. Aufl. 2018, § 13a Rn. 1). Der Begriff der Innenentwicklung ist als unbestimmter Rechtsbegriff der gerichtlichen Kontrolle zugänglich. Das Tatbestandsmerkmal der „Innenentwicklung“ ist Voraussetzung sowohl für die in § 13a Abs. 1 Satz 1 BauGB genannten Maßnahmen der Wiedernutzbarmachung und der Nachverdichtung von Flächen als auch für andere, nicht konkretisierte Maßnahmen. „Innenentwicklung“ ist der Oberbegriff, der die Anwendung des beschleunigten Verfahrens eröffnet (BayVGH, U.v. 26.04.2018 – 9 N 14.269 – juris Rn. 22).
Ausgehend von diesen Grundsätzen wurde der streitgegenständliche Bebauungsplan für Maßnahmen der Innenentwicklung aufgestellt. Die Beigeladene verfolgte ausweislich der Begründung zum Bebauungsplan das Ziel, den Bestand im Planbereich A durch Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung zu sichern. Die Kammer folgt nicht der Auffassung des Klägers, wonach der Begriff der Innenentwicklung stets erfordere, dass mit dem Bebauungsplan eine zusätzliche Bebauung ermöglicht werden müsse.
Dem Begriff der Innenentwicklung ist nicht zu entnehmen, dass er Bebauungspläne ausschließt, die im Wesentlichen lediglich den Bestand sichern und eine Nachverdichtung verhindern. Unter „Entwicklung“ ist nicht zwangsläufig nur eine erweiternde Planung zu verstehen. Zu einer „anderen Maßnahme der Innenentwicklung“ gehört vielmehr auch die Neuaufstellung von Bebauungsplänen oder die Überplanung besiedelter, nach § 30 oder § 34 zu beurteilender Bereiche, mit denen der Zweck verfolgt wird, vorhandene städtebauliche Strukturen bauplanungsrechtlich zu sichern oder für sie nur in wenigen Beziehungen die bauplanungsrechtlichen Zulässigkeitsregelungen zu ändern (Krautzberger in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 142. EL Mai 2021, § 13a Rn. 30). Der Sinngehalt des Begriffs „Innenentwicklung“ setzt nicht zwangsläufig eine erweiternde Planung voraus (so auch OVG Schleswig-Holstein, U.v. 29.8.2017 – 1 KN 10/16 – juris Rn. 58). Entscheidend ist vielmehr, dass der Bebauungsplan dazu dient, der Inanspruchnahme des Außenbereichs entgegenzuwirken. Ein solches wird durch Auslegung der Vorschrift nach ihrem Sinn und Zweck bestätigt. Nach der Gesetzesbegründung erfassen Bebauungspläne der Innenentwicklung unter anderem solche Planungen, die der Erhaltung vorhandener Ortsteile dienen (BT-Drs. 16/2496, S. 12). Dies steht im Einklang mit § 1 Abs. 6 Nr. 4 BauGB, wonach bei der Aufstellung der Bauleitpläne insbesondere die Erhaltung vorhandener Ortsteile zu berücksichtigen ist. Auch mit einer rein bestandsorientierten, auf Erhaltung abzielenden Planung kann das gesetzgeberische Ziel, für die Gemeinden einen Anreiz zu schaffen, vorhandene Potentiale auszuschöpfen, anstatt auf die erstmalige Inanspruchnahme von Flächen zurückgreifen zu müssen, erreicht werden.
Im Übrigen wäre ein etwaiger Fehler nach § 215 Abs. 1 Satz 1 Nummer 1 BauGB unbeachtlich geworden. Gemäß § 13 a Abs. 2 Nr. 1 BauGB gelten die Vorschriften des vereinfachten Verfahrens nach § 13 Abs. 2 und 3 Satz 1 BauGB im beschleunigten Verfahren entsprechend. Gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BauGB kann im vereinfachten Verfahren der betroffenen Öffentlichkeit Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben oder wahlweise die Auslegung nach § 3 Abs. 2 BauGB durchgeführt werden. Gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BauGB kann den berührten Behörden und sonstigen Trägern öffentlicher Belange Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb angemessener Frist gegeben oder wahlweise die Beteiligung nach § 4 Abs. 2 BauGB durchgeführt werden. Die Verletzung dieser Vorschriften erklärt § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB grundsätzlich für beachtlich, vgl. „auch in Verbindung mit § 13a Abs. 2 Nummer 1“.
Ein etwaiges aus der Wahl des beschleunigten Verfahrens nach § 13 a BauGB folgendes Absehen von der Gelegenheit zur Stellungnahme oder Beteiligung nach §§ 3 Abs. 2, 4 Abs. 2 BauGB ist nach § 215 Abs. 1 Satz 1 Nummer 1 BauGB unbeachtlich geworden. Danach wird eine nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 BauGB beachtliche Verletzung der dort bezeichneten Verfahrens- und Formvorschriften unbeachtlich, wenn sie nicht innerhalb eines Jahre seit Bekanntmachung des Flächennutzungsplans oder der Satzung schriftlich geltend gemacht worden ist.
Ausgehend davon hat der Kläger seine Bedenken hinsichtlich des beschleunigten Verfahrens und daraus folgender Verfahrensfehler nicht innerhalb eines Jahres seit Bekanntmachung des Bebauungsplans am 24. März 2017 geltend gemacht. Zwar hat der Kläger bereits am 8. März 2017 erstmalig Einwendungen gegen den Bebauungsplan geltend gemacht. Die Wahl des beschleunigten Verfahrens wurde indes nicht gerügt. Zudem wahrt mit Rücksicht auf den Gesetzeswortlaut und die Rechtssicherheit eine vor der Bekanntmachung des Planes oder der sonstigen Satzung, also noch während des vielfach beeinflussbaren und veränderbaren Planungsverfahrens geltend gemachte Rüge die Frist nicht (Battis in Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 14. Auflage 2019, § 215 Rn. 6). Demnach hat der Kläger den gerügten Mangel erstmalig im Rahmen seiner Klagebegründung vom … Mai 2019 – und damit deutlich nach Ablauf der Jahresfrist – gerügt.
bb) Das beschleunigte Verfahren war darüber hinaus nicht nach § 13 a Abs. 1 Satz 5 BauGB ausgeschlossen.
Gemäß § 13 a Abs. 1 Satz 5 BauGB ist das beschleunigte Verfahren auch ausgeschlossen, wenn Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchst. b BauGB genannten Schutzgüter (…) bestehen. Nach § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchst. b BauGB sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne insbesondere die Erhaltungsziele und der Schutzzweck der Natura 2000-Gebiete im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes zu berücksichtigen. Sie haben ihre Grundlage in der sog. Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (Richtlinie des Rates v. 21.5.1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen 92/43/EWG) und der sog. Vogelschutz-Richtlinie (Richtlinie des Rates v. 2.4.1979 über die Erhaltung der wild lebenden Vogelarten 79/409/EWG).
Zwar genügen bereits geringfügige Beeinträchtigungen, um eine Anwendung des beschleunigten Verfahrens auszuschließen (Mitschang in Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 14. Auflage 2019, § 13 Rn. 8). Derartige Beeinträchtigungen sind durch den streitgegenständlichen Bebauungsplan jedoch nicht zu befürchten. Das Gebäude auf der FlNr. 746/2 wurde bereits in den 1960er Jahren – und damit zeitlich vor Erlass der dem Natura 2000-Gebiet zugrundeliegenden Richtlinien und der Ausweisung als ein solches Gebiet – errichtet. Ein Bebauungsplan, der im Wesentlichen den Bestand sichert und die Nachverdichtung ausschließt, vermag nicht ein später als Natura 2000 ausgewiesenes Gebiet in o.g. Sinne zu beeinträchtigen. Dieser verhindert vielmehr eine etwaige Beeinträchtigung des Gebiets durch weitere Bebauung.
b) Der Bebauungsplan ist entgegen der Auffassung des Klägers auch städtebaulich erforderlich. Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB haben die Gemeinden die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Bauleitpläne sind erforderlich im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB, soweit sie nach der planerischen Konzeption erforderlich sind (Söfker/Runkel in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 142. EL Mai 2021, § 1 Rn. 30).
aa) Der von der Beigeladenen aufgestellte Bebauungsplan folgt einer hinreichenden städtebaulichen Konzeption.
Nicht erforderlich im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB sind nur solche Pläne, die einer positiven Planungskonzeption entbehren und ersichtlich der Förderung von Zielen dienen, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des Baugesetzbuches nicht bestimmt sind (BVerwG, U.v. 27.3.2013 – 4 C 13/11 – juris Rn. 9). Aus dem Erforderlichkeitsmerkmal lässt sich jedoch nicht ableiten, dass bauplanerische Festsetzungen nur zulässig sind, wenn sie zur Bewältigung einer bauplanungsrechtlichen Problemlage unentbehrlich oder gar zwingend geboten sind. Die Gemeinde ist vielmehr schon dann zur Planung befugt, wenn sie hierfür hinreichend gewichtige städtebauliche Allgemeinbelange ins Feld führen kann (BVerwG, B.v. 11.5.1999 – 4 BN 15/99 – juris Rn. 3). Als „erforderlich“ reicht aus, wenn der Plan „vernünftigerweise geboten“ ist. Daran fehlt es in aller Regel erst bei groben oder einigermaßen offensichtlichen, von keiner nachvollziehbaren planerischen Konzeption getragenen Missgriffen (BVerwG, U.v. 22.1.1993 – 8 C 46/91 – juris Rn. 21); an die Ablehnung der Erforderlichkeit sind aufgrund der Planungshoheit der Gemeinde strenge Voraussetzungen geknüpft (Söfker/Runkel in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 142. EL Mai 2021, § 1 Rn. 30).
Diese engen Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Der angegriffenen Planung liegt die städtebauliche Konzeption zugrunde, wonach weitere bauliche Maßnahmen in dem sensiblen Ufergebiet verhindert werden sollen, um einer städtebaulichen Fehlentwicklung entgegenzuwirken. Zudem spreche die unmittelbare Nähe eines Natura-2000-Gebiets gegen weitere bauliche Maßnahmen. Eine solche Planung, die eine – aus Sicht der Beigeladenen drohende – Fehlentwicklung verhindern soll, kann einen Inhalt haben, der rechtlich nicht zu beanstanden ist (BayVGH, U.v. 29.9.2006 – 26 N 01.1038 – juris Rn. 19). So liegt es hier. Der Beigeladenen ging es zwar im Wesentlichen darum, das Plangebiet im Bereich A durch die Festsetzung von Baugrenzen, die dem Bestand entsprechen, vor weiterer Bebauung freizuhalten. Der Bebauungsplan soll jedoch ausweislich der Planbegründung in Nr. 1 den Erhalt des am Seeufer vorhandenen Ortsteils und die Erhaltungsziele und den Schutzzweck des unmittelbar angrenzenden Natura 2000-Gebiets sichern. Mit diesen Zielsetzungen verfolgt die Beigeladene unter anderem die städtebaulich legitimen Belange der Erhaltung vorhandener Ortsteile, § 1 Abs. 6 Nr. 4 BauGB, sowie des Umweltschutzes, insbesondere der Erhaltungsziele und dem Schutzzweck der Natura 2000-Gebiet, § 1 Abs. 6 Nr. 7 Buchst. b BauGB. Nach ständiger Rechtsprechung darf die Gemeinde ungeachtet des Verbots einer Negativplanung mit den Mitteln des Bauplanungsrechts städtebauliche Ziele verfolgen, die mehr auf Bewahrung als auf Veränderung der vorhandenen Situation zielen (BVerwG, B.v. 7.5.2020 – 4 BN 13/20 – juris Rn. 6). Dies zeigt auch § 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB, wonach im Bebauungsplan Flächen festgesetzt werden können, die von Bebauung freizuhalten sind, wenn dies einem städtebaulichen Konzept folgt. Damit verfolgt der Bebauungsplan entgegen der Auffassung des Klägers auch eine positive Zielrichtung, die nur durch eine Verhinderung weiterer Bebauung am Seeufer erreicht werden kann. Zudem ist eine bauleitplanerische Regelung gerade nicht nur dann erforderlich, wenn sie dazu dient, Entwicklungen, die bereits im Gange sind, in geordnete Bahnen zu lenken, sondern auch dann, wenn die Gemeinde die planerischen Voraussetzungen schafft, die es ermöglichen, einer Bedarfslage gerecht zu werden, die sich erst für die Zukunft abzeichnet (BVerwG, B.v. 11.5.1999 – 4 BN 15/99 – juris Rn. 5). Durch den Bauantrag des Klägers entstand für die Beigeladene ein Planungsbedürfnis in Form der Verhinderung der Nachverdichtung im Seeuferbereich, das durch den Bebauungsplan hinreichend befriedigt wird.
bb) Der Vorwurf des Klägers, dass es sich bei der Planung um eine reine Negativplanung handle, begründet ebenfalls nicht die Unwirksamkeit des Bebauungsplans, da eine solche Verhinderungsplanung nicht vorliegt.
Das Gebot der städtebaulichen Erforderlichkeit verwehrt es der Gemeinde, eine bloße Negativplanung zu betreiben, also den Bebauungsplan lediglich als Instrument zu benutzen, ein Vorhaben zu verhindern, und ihn nicht zur Verwirklichung positiver Planungsvorstellungen einzusetzen (Dirnberger in BeckOK BauGB, Spannowsky/Uechtritz, 52. Edition, Stand 1.11.2018, § 1 Rn. 38). Festsetzungen in einem Bebauungsplan sind als „Negativplanung“ jedoch nicht schon dann wegen Verstoßes gegen § 1 Abs. 3 BauGB nichtig, wenn ihr Hauptzweck in der Verhinderung bestimmter städtebaulich relevanter Nutzungen besteht. Sie sind nur dann unzulässig, wenn sie nicht dem planerischen Willen entsprechen, sondern nur vorgeschoben sind, um eine andere Nutzung zu verhindern (BVerwG, B.v. 18.12.1990 – 4 NB 8/90 – juris). Dies folgt daraus, dass im Grunde jede planerische Festlegung eine negative Komponente hat und andere als die zugelassenen Nutzungen ausschließt. Bei dem Verdikt der Negativplanung kommt es also ganz entscheidend auf die Begründung und die Zielsetzung der gemeindlichen Planung an (Dirnberger in BeckOK BauGB, Spannowsky/Uechtritz, 52. Edition, Stand 1.11.2018, § 1 Rn. 38).
Gemessen daran sind die Festsetzungen hinsichtlich der Baugrenzen im Bebauungsplan „S…-Süd“ nicht vorgeschoben, um das Vorhaben des Klägers zu verhindern. Nach dem Willen der Beigeladenen soll im Planbereich zwar jegliche weitere Bebauung verhindert werden. Damit liegt der Schluss nahe, dass es sich um eine Negativplanung handelt. Dem liegt jedoch ein legitimes städtebauliches Ziel zugrunde, das den Bebauungsplan insbesondere im Planbereich A und dort in Form der getroffenen Festsetzungen erforderlich machte. Die Beigeladene hat zudem auch für weitere an das Seeufer grenzende Grundstücke identische Festsetzungen getroffen. Entgegen der Auffassung des Klägers kann ein legitimes Ziel in der Bewahrung der aktuellen Situation liegen (BVerwG, B.v. 15.3.2012 – 4 BN 9/12 – juris Rn. 3). Aus derartig zulässiger Bestandsbewahrung folgt somit keine unzulässige Verhinderungsplanung. Darüber hinaus rechtfertigt auch das Vorbringen des Klägers, dass die Beigeladene das Einvernehmen verweigerte, dies nicht begründete und das Bauleitverfahren im Verlauf zügig durch Erlass einer Veränderungssperre und des Bebauungsplans im beschleunigten Verfahren abschloss, keine andere Beurteilung. Dabei handelt es sich um zulässige Maßnahmen der Bauleitplanung, von denen die Beigeladene Gebrauch machen durfte. Derart gezielte Veränderungssperren, mit denen die Gemeinde erst auf einen konkreten Bauantrag hin mit der Einleitung der Bauleitplanung reagiert und dabei (auch) das Vorhaben verhindern will, sind zulässig (Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 142. EL Mai 2021, § 14 Rn. 65). Der Beigeladenen ist es auch nicht verwehrt, neben den Möglichkeiten der §§ 14, 15 BauGB auf Bauanträge mit der Aufstellung eines Bebauungsplans zu reagieren, der dem Baugesuch die Grundlage für eine Genehmigung entzieht. Allein der zeitlich-räumliche Zusammenhang einer Bebauungsplanaufstellung mit einem Baugesuch lässt keine Rückschlüsse auf die Rechtmäßigkeit der Planung zu (BayVGH, B.v. 15.2.2011 – 14 ZB 09.2846 – juris Rn. 2).
Schließlich kann auch das Vorbringen, dass das Vorhaben des Klägers den Zielen des Bebauungsplans schon gar nicht zuwiderlaufen würde, da die Bebauung in südliche Richtung und damit nicht in westliche Seeuferrichtung geplant ist, zu keinem anderen Ergebnis führen. Ausweislich der Begründung des Bebauungsplans soll das „Seeufergebiet“ geschützt werden. Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob das geplante Vorhaben auf dem unmittelbar an das Seeufer grenzenden Grundstück Richtung Süden oder Westen geplant ist, da es sich in beiden Konstellationen um Bebauung im „Seeufergebiet“ handelt. Auch hinsichtlich des unmittelbar angrenzenden Natura 2000-Gebiets ist im Hinblick auf dessen Schutz eine Differenzierung zwischen Bebauung in südlicher und in westlicher Richtung im Planbereich A nicht angezeigt.
Zugunsten der Beigeladenen ist damit festzustellen, dass der Bebauungsplan jedenfalls hinsichtlich der Festsetzungen der Baugrenzen im Planbereich A in ein weitergehendes städtebauliches Konzept eingebettet ist. Im Ergebnis wird durch die Festsetzung von Baugrenzen die Nachverdichtung im gesamten Uferbereich im Geltungsbereich verhindert. Demnach handelt es sich nicht um eine bloße Negativplanung zu Lasten des Klägers.
cc) Der Bebauungsplan „S…-Süd“ ist auch nicht wegen der Befriedigung rein privater Interessen, sog. Gefälligkeitsplanung, unwirksam.
Von einer unzulässigen Gefälligkeitsplanung ist nur dann auszugehen, wenn eine Planung lediglich dazu dient, private Interessen zu befriedigen (BVerwG, B.v. 11.5.1999 – 4 BN 15/99 – juris Rn. 5). An der städtebaulichen Erforderlichkeit fehlt es etwa bei sog. Gefälligkeitsplanungen, bei denen die Gemeinde insbesondere lediglich einem Wunsch des Grundstückseigentümers auf Ausweisung seiner Fläche als Bauland nachkommen will oder auch sonstige unsachliche, also nicht im Städtebaurecht wurzelnde Motive für die Planung besitzt. Dabei ist jedoch nicht jede Planung, die nur einen einzelnen Grundstückseigentümer begünstigt, rechtlich problematisch. Die Gemeinde darf sich auch im Rahmen ihrer Bauleitplanung an Wünschen und Interessen von Grundstückseigentümern im Plangebiet orientieren, allerdings nur, wenn sie ihre Planung auch auf hinreichend gewichtige städtebauliche Überlegungen stützen kann (Dirnberger in BeckOK BauGB, Spannowsky/Uechtritz, 52. Edition, Stand 1.11.2018, § 1 Rn. 39). Ist demnach der Bebauungsplan an bodenrechtlich relevanten Ordnungskriterien ausgerichtet, entspricht er einer geordneten städtebaulichen Entwicklung (Söfker/Runkel in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 142. EL Mai 2021, § 1 Rn. 34).
Danach handelt es sich bei der von der Beigeladenen betriebenen Planung nicht um eine reine Gefälligkeitsplanung. Aus der textlichen Begründung zum Bebauungsplan ergeben sich hinreichende Anhaltspunkte für städtebauliche und nicht lediglich rein private Motive. So würden weitere bauliche Maßnahmen in dem sensiblen Seeufergebiet zu einer städtebaulichen Fehlentwicklung führen. Zudem spreche die unmittelbare Nähe eines Natura 2000-Gebiets gegen weitere bauliche Maßnahmen. Der gegenständlichen Planung liegt damit ein aus städtebaulichen – und nicht aus rein privaten – Motiven herrührendes tragfähiges Konzept zugrunde, das durch die Planung im Planbereich A verwirklicht wird. Die Kammer verkennt nicht, dass es der Beigeladenen zur konsequenteren Durchsetzung des Planungsziels möglich gewesen wäre, alternative Festsetzungen zu treffen und die Legalisierung der Bebauung auf der FlNr. 746/2 durch Festlegung der Baugrenze den Verdacht unzulässiger Gefälligkeitsplanung erweckt. So wäre es denkbar gewesen, die überbaubaren Grundstücksflächen auf den formell legalen Bestand der FlNr. 746/2 zu beschränken. Weiterhin hätten der Geltungsbereich des Bebauungsplans bis auf die südliche Grundstücksgrenze der FlNr. 746 oder gar auf die FlNr. 747 ausgeweitet und auch insoweit Baufenster festgesetzt werden können. Daraus folgt jedoch (noch) nicht eine unzulässige Gefälligkeitsplanung. Es obliegt der Gemeinde im Rahmen ihrer Planungshoheit, wie sie planerisch tätig wird. Die bloße Tatsache, dass anderweitige Festsetzungen möglich gewesen wären, führt für sich genommen noch nicht zur Annahme unzulässiger Gefälligkeitsplanung. Die dargestellten strengen Voraussetzungen für die Annahme einer solchen Planung sind vorliegend nicht erfüllt. Die Planung diente gerade nicht lediglich dazu, private Interessen zu befriedigen, da die Festsetzung der Baugrenzen nicht ausschließlich zu Gunsten des Nachbarn auf FlNr. 746/2 erfolgte. Vielmehr erreichte die Beigeladene durch die konkrete Planung ihr Ziel, das sensible Seeufergebiet und das angrenzende Natura 2000-Gebiet zu bewahren und die Nachverdichtung im Planbereich A vollständig zu verhindern. Dabei handelt es sich gerade nicht um rein private, sondern (auch) um öffentliche Interessen.
Schließlich führt auch eine vom Kläger vorgetragene etwaige persönliche Verstrickung der Nachbarn auf FlNr. 746/2 in die Bauleitplanung zu keinem anderen Ergebnis. Eine Planung, die – wie hier – durch hinreichende städtebauliche Gründe getragen und deshalb im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB erforderlich ist, kann auch privaten Interessen dienen und durch private Interessenträger angestoßen sein (BVerwG, B.v. 30.12.2009 – 4 BN 13/09 – juris Rn. 11).
c) Der Bebauungsplan enthält zudem keine nach § 9 BauGB unzulässigen Festsetzungen.
aa) Der gegenständliche Bebauungsplan setzt nicht unzulässig abweichende Abstandsflächen fest. Nach der Begründung des Bebauungsplans ergeben sich die vom Bauordnungsrecht abweichenden Abstandsflächen zwischen den Grundstücken FlNr. 746/1 und 746/2 und nach Westen aus dem Gebäudebestand.
Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 a BauGB können im Bebauungsplan aus städtebaulichen Gründen vom Bauordnungsrecht abweichende Maße der Tiefe der Abstandsflächen festgesetzt werden. Dies schließt nach dem eindeutigen Wortlaut auch die Befugnis ein, geringere Tiefen der Abstandsflächen festzusetzen als nach der Bayerischen Bauordnung (BayBO) vorgesehen. Entgegen der Auffassung des Klägers kommt es damit nicht auf eine städtebauliche Erforderlichkeit an. Entscheidend sind „städtebauliche Gründe“. Derartige städtebauliche Gründe können nur vorliegen, wenn die sich aus den Grundsätzen des § 1 BauGB ergebenden allgemeinen Anforderungen an die Festsetzungen in den Bebauungsplänen beachtet sind (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 142. EL Mai 2021, § 9 Rn. 42c).
Solche städtebaulichen Gründe für die aus der Festsetzung der Baugrenzen folgenden abweichenden Abstandsflächen zwischen der FlNr. 746/1 und 746/2 liegen dem gegenständlichen Bebauungsplan zugrunde. Die Beigeladene stützte ihre Planung auf die Gründe des § 1 Abs. 6 Nr. 4 BauGB und § 1 Abs. 6 Nr. 7 Buchst. b BauGB. Der städtebauliche Grund der Erhaltung des vorhandenen Ortsteils führte dazu, dass sich die Beigeladene mit der bestehenden Bebauung auf der FlNr. 746/2 auseinandersetzen musste. Für das vom Klägergrundstück südlich gelegene Nachbarsgrundstück entstand damit ein Planungsbedürfnis. Dass die Beigeladene durch Festsetzung der Baugrenze um die Bestandsbebauung abweichende Abstandsflächen festsetzte, begegnet insoweit keinen rechtlichen Bedenken. Unter Berücksichtigung des Ziels, die Nachverdichtung im Seeufergebiet zu verhindern, ist die Festsetzung abweichender Abstandsflächen unter gleichzeitiger Festsetzung von Baugrenzen um die Bestandsbebauung naheliegend.
bb) Entgegen der Auffassung des Klägers verstößt der gegenständliche Bebauungsplan auch nicht gegen § 9 Abs. 7 BauGB. Danach setzt der Bebauungsplan die Grenzen seines räumlichen Geltungsbereichs fest.
§ 9 Abs. 7 BauGB befasst sich nur mit den formellen Anforderungen an die Festsetzung der Grenzen des Bebauungsplans, d.h. seines räumlichen Geltungsbereichs. Als Satzung unterliegt der Bebauungsplan dem aus Art. 20 Abs. 3 GG abgeleiteten Grundsatz hinreichender Bestimmtheit von Rechtsnormen (BVerwG, B.v. 4.1.1994 – 4 NB 30/93 – juris Rn. 6). Die Festsetzung des räumlichen Geltungsbereichs darf nicht widersprüchlich sein; besonders zwischen Plantext und zeichnerischer Darstellung darf kein Widerspruch bestehen. Vor allem muss die Festsetzung eindeutig bestimmt oder zumindest bestimmbar sein (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, 142. EL Mai 2021, § 9 Rn. 284). Enthält der Bebauungsplan eine zeichnerische Darstellung auf einer Karte mit großem Maßstab, wird sich in der Regel die Grenze des Geltungsbereichs aus der Karte ergeben. Ergänzend kann durch Bezeichnung der das Plangebiet begrenzenden Straßen oder durch Aufzählung der vom Plan erfassten Flurstücke der Geltungsbereich des Bebauungsplans exakt bestimmt werden (Mitschang/Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 14. Auflage 2019, § 9 Rn. 231).
Die Festsetzung kann durch Planzeichen in der zeichnerischen Darstellung des Bebauungsplans erfolgen, die sich nach der Verordnung über die Ausarbeitung der Bauleitpläne und die Darstellung des Planinhalts (Planzeichenverordnung – PlanZV) richten. Gemäß § 2 Abs. 1 PlanZV sollen die in der Anlage zur PlanZV enthaltenen Planzeichen verwendet werden. Bereits der Wortlaut der Vorschrift lässt erkennen, dass die Gemeinde nicht an die Vorgaben der PlanZV gebunden ist. Den Gemeinden steht es frei, auch andere Zeichen zu verwenden, wobei die Bedeutung der zeichnerischen Festsetzung durch Auslegung zu ermitteln ist (BayVGH, B.v. 4.6.2018 – 1 ZB 16.1905 – juris Rn. 6).
Eine derartige Auslegung unter Zugrundelegung sowohl der zeichnerischen Darstellung als auch der textlichen Erklärung unter A) des gegenständlichen Bebauungsplans legt nahe, dass die jeweiligen Grundstücksgrenzen die Umgrenzung des räumlichen Geltungsbereichs darstellen. Eine anderweitige Auslegung wäre insbesondere hinsichtlich der östlichen und der westlichen Grenzen des Planbereichs widersprüchlich, da diese ansonsten womöglich östlich unmittelbar am Wasser bzw. westlich unmittelbar auf der S… straße verliefen, was dem Planungsziel der Beigeladenen widerspräche. Es ist davon auszugehen, dass die Beigeladene nur deshalb eine derart dicke, gestrichelte Linie wählte, um die Sichtbarkeit der Flurstücksgrenzen auf der planerischen Zeichnung zu gewährleisten. Würde die verwendete Linie auf den Flurstücksgrenzen verlaufen, wären die maßgeblichen Baugrenzen der Gebäude im östlichen Seeuferbereich, etwa auf den FlNr. 374, 746/2 oder 746 nicht erkennbar, was wiederum Bedenken hinsichtlich der Bestimmtheit der Festsetzung über die Baugrenzen hervorriefe. Aus der Tatsache, dass die Umgrenzungslinie nicht auf den Flurstücksgrenzen verläuft, kann daher nicht geschlossen werden, dass die Flurstücksgrenzen nicht den jeweiligen Randbereich des Plangebiets darstellen sollen.
Gleichwohl lässt die Umgrenzung des Planbereichs hinsichtlich dessen südlicher Grenze auf den FlNr. 746 und 744/2 erhebliche Zweifel an der Bestimmtheit der dortigen zeichnerischen Darstellung aufkommen. Angesichts der Breite der Linie von 1,8 mm bis 2 mm bedarf es für diesen Bereich einer genaueren Konkretisierung der Begrenzung, da eine derartige Linie in der Örtlichkeit bei dem gewählten Maßstab von 1:1000 tatsächlich eine Breite von 1,8 m bis 2 m aufweist und eine Orientierung an den Flurstücksgrenzen bei den genannten Flurnummern unmöglich ist, da der Planbereich hier inmitten der Grundstücke verläuft. Eine solche genauere Konkretisierung liefern sowohl die textliche als auch die zeichnerische Darstellung nicht.
Aus einer etwaigen für diesen Planbereich mangels Bestimmtheit des gegenständlichen Bebauungsplans folgenden Nichtigkeit desselbigen folgt jedoch nicht zwangsläufig die Nichtigkeit des gesamten Bebauungsplans „S…-Süd“. Nach der Rechtsprechung zieht für den Fall, dass ein Bebauungsplan im Randbereich des Plangebiets Planzeichen enthält, die nicht erkennen lassen, welche Festsetzungen damit getroffen werden sollen und ob der Geltungsbereich des Bebauungsplans über die farbig gekennzeichneten Bauflächen und Verkehrsflächen hinausreichen soll, eine möglicherweise (Teil-) Nichtigkeit nicht zwangsläufig die Nichtigkeit des gesamten Bebauungsplans sich. Die Frage der Teil- oder Gesamtnichtigkeit stellt sich stets dann, wenn ein Fehler nur einer einzelnen Festlegung oder einem in anderer Weise abgrenzbaren Teil des Bebauungsplans anhaftet. Dies ist nicht zuletzt der Fall, wenn die Festlegung des räumlichen Geltungsbereichs des Bebauungsplans zu Zweifeln Anlass bietet (BVerwG, B.v. 4.1.1994 – 4 NB 30/93 – juris Rn. 11). Eine bloße Teilnichtigkeit kommt in Betracht, wenn der übrige Planinhalt mit der nichtigen Festsetzung in keinem untrennbaren Regelungszusammenhang steht und auch für sich betrachtet noch einen Beitrag zu einer sinnvollen städtebaulichen Ordnung leisten kann, die den Anforderungen des § 1 BauGB gerecht wird (BVerwG, U.v. 14.7.1972 – 4 C 69/70 – juris Rn. 32). Davon ist vielfach auszugehen, wenn sich die Nichtigkeit auf einen räumlichen Teilbereich an der Peripherie des Plangebiets beschränkt (BVerwG, B.v. 4.1.1994 – 4 NB 30/93 – juris Rn. 11).
So liegt es auch hier. Die Bedenken hinsichtlich der Bestimmtheit der Festsetzungen beziehen sich lediglich auf einen kleinen Teil im südöstlichen Bereich des Plangebiets. Selbst auf den FlNr. 746 und 744/2 bezieht sich die Nichtigkeit nicht auf den gesamten Teil der Grundstücke, sondern nur auf die südliche Grenze des Planbereichs. Hinsichtlich der FlNr. 746 hat die Nichtigkeit bezüglich der südlichen Grenze zudem keinen Einfluss auf die festgesetzte Baugrenze. Für die FlNr. 744/2 – die sich bereits im Planbereich B befindet – wurde schließlich gar keine Festsetzung getroffen, sondern im Rahmen der textlichen Festsetzung unter A) lediglich bestätigt, dass sich die Zulässigkeit von Vorhaben nach § 34 BauGB richtet. Mangels Relevanz für den übrigen Planbereich führt eine etwaige Teilnichtigkeit des Bebauungsplans somit nicht zu einer für das klägerische Vorhaben relevanten Gesamtnichtigkeit.
d) Der Bebauungsplan verstößt schließlich nicht gegen das Abwägungsgebot aus § 1 Abs. 7 BauGB. Nach dieser Vorschrift sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen, wobei die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bauleitplan maßgebend ist, § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB.
Es liegen bereits weder beachtliche Ermittlungs- oder Bewertungsfehler noch Fehler im Abwägungsvorgang vor, da derartige Mängel gemäß § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 3 BauGB unbeachtlich geworden sind, weil sie nicht innerhalb eines Jahres seit Bekanntmachung des Bebauungsplans schriftlich gegenüber der Beigeladenen geltend gemacht worden sind (s.o.).
Auch stets beachtliche Mängel im Abwägungsergebnis (BVerwG, U.v. 5.5.2015 – 4 CN 4/14 – juris Rn. 15) bestehen nicht. Das Abwägungsgebot ist verletzt, wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattfindet oder in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (BayVGH, U.v. 15.9.2021 – 1 N 20.151 – juris Rn. 18). Nach ständiger Rechtsprechung beschränkt sich die gerichtliche Kontrolle auf die Einhaltung des rechtlichen Rahmens (BVerwG, U.v. 12.12.1969 – 4 C 105/66 – juris Rn. 29).
Die Gemeinde darf durch ihre Bauleitplanung die (bauliche) Nutzbarkeit von Grundstücken verändern und dabei auch die privaten Nutzungsmöglichkeiten einschränken oder gar aufheben. Allerdings setzt eine wirksame städtebauliche Planung voraus, dass hinreichend gewichtige, städtebaulich beachtliche Allgemeinbelange für sie bestehen. Der Satzungsgeber muss ebenso wie der Gesetzgeber bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums die schutzwürdigen Interessen des Eigentümers und die Belange des Gemeinwohls in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis bringen (BayVGH, U.v. 15.9.2021 – 1 N 20.151 – juris Rn. 18).
Danach ist die Abwägung der maßgeblichen Belange durch die Beigeladene fehlerfrei erfolgt. Die Beigeladene hat im Rahmen ihrer Abwägung der für die Planung bedeutsamen öffentlichen und privaten Belange die privaten Belange des Klägers einbezogen. Im Rahmen der Sitzung des Bauausschusses vom 13. März 2017 hat die Beigeladene das Schreiben des Klägers vom … März 2017, in dem der Kläger seine Einwendungen gegen den gegenständlichen Bebauungsplan geltend gemacht, zur Kenntnis genommen, vorgelesen, diskutiert und schließlich mit weiteren Stellungnahmen anderer Bürger und Behörden in die Abwägung einbezogen (vgl. Niederschrift über die Sitzung des Bauausschusses der Beigeladenen vom 13. März 2017 und Mitteilung des Ergebnisses mit Schreiben vom 21. März 2017). Nach Ansicht der Beigeladenen würden weitere bauliche Entwicklungen in dem sensiblen Seeufergebiet zu einer städtebaulichen Fehlentwicklung führen, was auch der späteren schriftlichen Begründung zum Bebauungsplan entspricht. Dieses städtebauliche Anliegen der Beigeladenen, den sensiblen Seeuferbereich mit angrenzendem Natura 2000-Gebiet vor weiterer Bebauung zu schützen, vgl. § 1 Abs. 6 Nr. 7 Buchst. b BauGB, ist derart gewichtig, dass es an dieser Stelle den Entzug von Baurecht durch Festsetzung von Baugrenzen rechtfertigen kann (vgl. dazu auch BayVGH, U.v. 3.8.2010 – 1 N 06.2438, 1 N 07.1114 – juris). Das Interesse des Klägers, weitere Bebauung auf seinem Grundstück zu realisieren, ist hingegen nicht derart gewichtig, dass die Beigeladene der von dem Kläger beabsichtigten Planung den Vorzug hätte geben müssen. Die Beigeladene hat deshalb im Rahmen der Abwägung in unter Zugrundelegung des eingeschränkten gerichtlichen Maßstabs rechtlich nicht zu beanstandender Weise das öffentliche Interesse an der Verhinderung der Nachverdichtung im Uferbereich über das private Interesse des Klägers an weiterer Bebauung gestellt.
2. Das Vorhaben widerspricht den Festsetzungen des Bebauungsplans über die bebaubaren Grundstücksflächen.
3. Eine Befreiung von den entgegenstehenden Festsetzungen des Bebauungsplans gem. § 31 Abs. 2 BauGB kam nicht in Betracht. Die Zulassung des klägerischen Vorhabens berührt bereits die Grundzüge der Planung, die Nachverdichtung im sensiblen Ufergebiet durch weitere Bebauung zu verhindern.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO, 162 Abs. 3 VwGO. Es entsprach der Billigkeit, dass die Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt, da sie keinen Antrag stellte und sich somit keinem Prozessrisiko aussetzte.
IV. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben