Baurecht

Zurückweisung der Berufung – Ausgleichsanspruch unter Gesamtschuldnern

Aktenzeichen  27 U 211/19 Bau

Datum:
18.9.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 55244
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 522 Abs. 2
BGB § 199 Abs. 1, § 426 Abs. 1

 

Leitsatz

Für den Ausgleichsanspruch des planenden und bauüberwachenden Architekten beginnt die kenntnisunabhängige 10-jährige Verjährungsfrist mit der Entstehung der Gesamtschuld, sprich mit der Bauabnahme.   (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

27 U 211/19 Bau 2019-08-01 Hinweisbeschluss OLGMUENCHEN OLG München

Tenor

1. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Landgerichts Memmingen vom 21.12.2018, Aktenzeichen 31 O 5/18, wird zurückgewiesen.
2. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Memmingen und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Klagepartei kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 438.906,02 € festgesetzt.

Gründe

Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts Memmingen vom 21.12.2018 Bezug genommen.
Im Berufungsverfahren wird von dem Kläger beantragt,
Das Urteil des Landgerichts Memmingen vom 21.12.2018 wie folgt abgeändert:
1. Die Beklagte in Ziffer 1 wird verurteilt, den Kläger von Schadensersatzansprüchen der Firma N. Wohnungsgesellschaft der Stadt N.GmbH, …, … in Höhe von EUR 219.453,01 nebst Zinsen in Höhe von 9%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.02.2017 freizustellen.
2. Die Beklagte in Ziffer 2 wird verurteilt, den Kläger von Schadensersatzansprüchen der Firma N. Wohnungsgesellschaft der Stadt N.GmbH, …, … in Höhe von EUR 219.453,01 nebst Zinsen in Höhe von 9%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.02.2017 freizustellen.
Die Beklagte zu 1) beantragt,
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte zu 2) beantragt,
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Memmingen vom 21.12.2018, Aktenzeichen 31 O 5/18, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats Bezug genommen.
Aufgrund der Stellungnahme des Klägers in den Schriftsätzen vom 06.09.2019 und 09.09.2019 ergibt sich für den Senat keine andere rechtliche Beurteilung im Vergleich zu den Ausführungen im Hinweisbeschluss.
I. Zum Schriftsatz vom 06.09.2019
1. Im Hinblick auf die hier entscheidende Frage, wann die kenntnisunabhängige 10-jährige Verjährungsfrist für den Ausgleichsanspruch des Klägers (planender und bauüberwachender Architekt) gegen 2 an der Bauausführung beteiligte Baufirmen begann, erschließt sich nicht, inwiefern das Ende der Gewährleistungsfrist im Verhältnis zwischen dem Bauherrn (N.) und den beiden Beklagten von Relevanz sein soll.
Irrelevant ist für den vorliegenden Rechtsstreit auch, dass Ansprüche des Bauherrn gegen den Kläger nach dessen Darlegung erst nach 10 Jahren verjähren sollen.
Im Übrigen sind die Ausführungen des Klägers zur Leistungsphase 9 auch deswegen irrelevant, weil der streitgegenständliche Ausgleichsanspruch gemäß § 426 BGB nicht im Zusammenhang mit der Leistungsphase 9 (Vertragsverhältnis Kläger mit der Firma N.) steht, sondern die Anspruchsbegründung der Firma N. auf Planungs- und Bauüberwachungsfehler (Leistungsphase 8) des Klägers gestützt ist.
2. Die Verjährungsfrist für die Ausgleichsansprüche des Klägers begann mit der Entstehung des gesamtschuldnerischen Anspruchs des geschädigten Bauherrn.
Dazu liegt eine klare BGH-Rechtsprechung vor. So heißt es im Urteil des BGH vom 08.11.2016, VI ZR 200/15, dass der Ausgleichsanspruch aus § 426 Abs. 1 BGB bereits in dem Augenblick entstehe, in dem die mehreren Ersatzpflichtigen dem Geschädigten ersatzpflichtig werden, d. h. mit der Entstehung der Gesamtschuld im Außenverhältnis.
In der zitierten Entscheidung ist gerade nicht die von dem Kläger favorisierte rechtliche Ansicht enthalten, dass für den Ausgleichspflichtigen eine Inanspruchnahme seitens des Geschädigten absehbar sein müsse.
3. Wie der Kläger unter Ziff. 3 seiner Ausführungen selbst vorträgt, ist der Ausgleichsanspruch unter Gesamtschuldnern mit der Begründung der Gesamtschuld entstanden. Dies ergibt sich auch aus der Entscheidung des BGH vom 08.06.2009, VII ZR 167/08.
Soweit der Kläger die vorgenannte Entscheidung für das Erfordernis einer Kenntnis des Ausgleichsberechtigten heranziehen will, ist darauf zu verweisen, dass sich die diesbezüglichen Ausführungen auf die kenntnisabhängige Verjährungsfrist gem. § 199 Abs. 1 BGB beziehen.
Es trifft zwar zu, dass in dem Urteil des BGH vom 08.11.2016, VI ZR 200/15, keine Ausführungen dazu enthalten sind, dass der Ausgleichsanspruch im Gesamtschuldverhältnis mit der Abnahme entstehe. Diese liegt schlicht daran, dass bei der BGH-Entscheidung ein Arbeitsunfall streitgegenständlich war. Im vorliegenden Falle geht es um ein Bauvorhaben, bei welchem der Ersatzanspruch des Bauherrn mit Beendigung des fehlerhaften Werks (regelmäßig wird für die Beendigung des Werks im Baurecht die Abnahme herangezogen) entsteht. Die Verjährungsfrist für Ansprüche des Bauherrn beginnt auch mit der Abnahme.
II. Zum Schriftsatz vom 09.09.2019
1. Dass der Senat hinsichtlich der Verjährung des Ausgleichsanspruchs an die Abnahme der Leistungen der Beklagten zu 1) und 2) anknüpft, ist schon durch die Begründung des Ausgleichsanspruchs des Klägers vorgezeichnet. Schließlich stützt der Kläger seinen behaupteten Ausgleichsanspruch darauf, dass die Beklagten zu 1) und 2) fehlerhaft gebaut hätten.
Die Übertragung des kompletten Gesetztestextes von § 199 BGB mit Hervorhebungen ist nicht zielführend.
So knüpft § 199 Abs. 2 BGB zwar an die „Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung…“ an, jedoch betreffen diese Schadensersatzansprüche nur solche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen.
Ausführungen zu § 199 Abs. 3 Nr. 2 BGB können ebenfalls dahinstehen, da sich dieser Gesetzestext auf die dreißigjährige Verjährungsfrist bezieht.
Sowohl § 199 Abs. 3 Nr. 1 als auch § 199 Abs. 4 BGB – die jeweils die kenntnisunabhängige Verjährung mit 10-jähriger Verjährungsfrist betreffen – knüpfen für den Beginn der Verjährungsfrist allein an das Entstehen des Anspruchs an.
Wie bereits im Hinweisbeschluss und in diesem Beschluss unter I. ausgeführt, entstehen Ausgleichsansprüche nach § 426 Abs. 1 BGB in dem Augenblick, in dem auch die Gesamtschuld im Außenverhältnis begründet wird.
Die Gesamtschuld im Außenverhältnis entsteht durch die fehlerhafte der Leistung der Gesamtschuldner, sei es fehlerhafte Planung, fehlerhafte Bauausführung oder fehlerhafte Bauüberwachung. Die Pflichtverletzung des einzelnen Gesamtschuldners mag vor der Abnahme der Bauleistungen liegen, jedenfalls ist der Anspruch spätestens mit der Abnahme entstanden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.


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